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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Warum?

Erstaunt fragte er sich, haben nicht anch sie ihre Last? Der Hausherr trug
sein etwas abgeschabtes Gewand sicherlich mit Recht, das er -- Plutus -- aus
Heuchelei trug, um auch damit zu beweisen, daß er die Ware gewiß nicht billiger
lassen könne. Gehn denn diese Leute auf Nofenwolkeu? Wie anders sie sind!

Der Lehrer trat wieder heran, halb verlegen, als möchte er gern des
Kleinen Herz noch mehr erfreuen, und wisse nicht wie. Er legte ihm die Hand
auf das krause Haar. Unwillkürlich zog Plutus seinen Sohn aber näher zu sich
heran.

Er ist mein einziges Kind. Seine Mutter -- mit der der Friede sei --
hat er nicht mehr. Gestern war die zwölfte Jahrzeit, daß ich mit ihr unter dem
Trauhimmel stand. Verzeihen Sie dem fremden Juden, daß er hier daran denkt.

Als der Lehrer wieder den Rücken gewandt hatte, tuschelte aber Plutus seinem
Jungen ins Ohr: Moritzche, du mußt den Kindern auch etwas schenken.

Ich habe doch nichts, gab der zur Antwort.

Kannst du doch geben Ziegenhaare zur Stiftshütte, wo die andern Gold und
Silber geben? Ich werde dir etwas holen, daß sie den guten Willen sehen. Er
schlich mühselig und zittrig auf den Flur hinaus, wo in der Ecke sein Tragkorb
Platz gefunden hatte, und wählte zwischen den Kleinigkeiten, die der Knecht aus
dem Schnee gesammelt hatte, Knöpfe und Zopfbänder aus. Diese legte Moritz auf
die Plätze der Kinder und zog sich dann scheu und freudig erregt zurück.

Sie machten ein großes Wesen davon. Besonders die Eltern waren voll
Anerkennung und Bewunderung, und Moritz war so glücklich, daß Plutus fühlte,
er habe die Gefahr dieses Abends durch seinen Einfall sehr verschlimmert.

Deshalb stand er auf, sobald die Lichter ausgeblasen waren, und die Kinder
zu spielen begannen, und bat, seinen Kleinen zur Ruhe bringen zu dürfen nach all
der Mühsal des Tages. Dabei fühlte er, daß er selbst bebte und fror und kaum
sicher ausschreiten konnte.

Die Lehrerfrau nötigte beiden noch einen Anteil an dem Tee und deu Butter¬
broten auf, die sie bereitgestellt hatte, dann ging sie rin und zeigte ihm die Ruhe¬
statt. Es war eine kleine Kammer auf dem Boden mit dem einzigen Gastbett des
Hauses. Neben dieses war der große Lehnstuhl des Hausherrn gestellt. Mehrere
Decken lagen darin, und der Ofen war geheizt. Sie schlug das Deckbett zurück
und sagte mit leise bedauerndem Blick auf die schimmernde Wäsche: Soll ich dem
Kleinen ein frisches Hemd geben von Rudolf? Ich seh es Ihnen an, daß Sie
den Stuhl bekommen werden.

Ich danke sehr -- ich danke. Es werden erst vierzehn Tage, daß er die
Wäsche gewechselt hat, Fran Lehrer. Sie haben sich einen Lohn von Gott verdient.

Als sie hinaus war, half Plutus mit fliegenden Händen seinem Söhnchen in
die Federn. Furcht dich nicht, Moritzche, mein Gold -- wir werden leben.

Ich fürcht mich hier nicht ein bißchen, erwiderte der Knabe fast trotzig. Dann
setzte er nachdenklich hinzu: Was meinst du -- wirst du die Waren aus dem Schnee
verkaufen können, wenn sie naß geworden sind?

Denk jetzt nicht an die Waren -- das Kaddisch ist wichtiger. Und sprich jetzt
dein Abendgebet.

Der Junge gehorchte. Im Namen des Gottes Israels stehe zu meiner Rechten
Michael, zu meiner Linken Gabriel, vor mir Uriel, hinter mir Raphael, und zu
meinen Häupten die Schechina Gottes! -- Dann kann ich aber nicht schlafen, setzte
er nach einer Pause hinzu. Warum kann ich nicht etwas andres beten, etwas
freundliches -- von großer Freude?

Was sagst du? rief er in sonderbarer Aufregung. Schlaf noch nicht, Moritzche --
schlaf noch nicht! Soll ich leben und gesund sein -- haben sie deine Ohren be¬
tört? An wehe -- wenn ich mich Schiwe setzen müßte, mein einziges Kind zu
betrauern -- wenn ich und deine Mutter, mit der der Friede sei, den einzigen
verlieren müßten, der das Kaddisch für uns spricht! Hast dn das gemeint? Dann,


Warum?

Erstaunt fragte er sich, haben nicht anch sie ihre Last? Der Hausherr trug
sein etwas abgeschabtes Gewand sicherlich mit Recht, das er — Plutus — aus
Heuchelei trug, um auch damit zu beweisen, daß er die Ware gewiß nicht billiger
lassen könne. Gehn denn diese Leute auf Nofenwolkeu? Wie anders sie sind!

Der Lehrer trat wieder heran, halb verlegen, als möchte er gern des
Kleinen Herz noch mehr erfreuen, und wisse nicht wie. Er legte ihm die Hand
auf das krause Haar. Unwillkürlich zog Plutus seinen Sohn aber näher zu sich
heran.

Er ist mein einziges Kind. Seine Mutter — mit der der Friede sei —
hat er nicht mehr. Gestern war die zwölfte Jahrzeit, daß ich mit ihr unter dem
Trauhimmel stand. Verzeihen Sie dem fremden Juden, daß er hier daran denkt.

Als der Lehrer wieder den Rücken gewandt hatte, tuschelte aber Plutus seinem
Jungen ins Ohr: Moritzche, du mußt den Kindern auch etwas schenken.

Ich habe doch nichts, gab der zur Antwort.

Kannst du doch geben Ziegenhaare zur Stiftshütte, wo die andern Gold und
Silber geben? Ich werde dir etwas holen, daß sie den guten Willen sehen. Er
schlich mühselig und zittrig auf den Flur hinaus, wo in der Ecke sein Tragkorb
Platz gefunden hatte, und wählte zwischen den Kleinigkeiten, die der Knecht aus
dem Schnee gesammelt hatte, Knöpfe und Zopfbänder aus. Diese legte Moritz auf
die Plätze der Kinder und zog sich dann scheu und freudig erregt zurück.

Sie machten ein großes Wesen davon. Besonders die Eltern waren voll
Anerkennung und Bewunderung, und Moritz war so glücklich, daß Plutus fühlte,
er habe die Gefahr dieses Abends durch seinen Einfall sehr verschlimmert.

Deshalb stand er auf, sobald die Lichter ausgeblasen waren, und die Kinder
zu spielen begannen, und bat, seinen Kleinen zur Ruhe bringen zu dürfen nach all
der Mühsal des Tages. Dabei fühlte er, daß er selbst bebte und fror und kaum
sicher ausschreiten konnte.

Die Lehrerfrau nötigte beiden noch einen Anteil an dem Tee und deu Butter¬
broten auf, die sie bereitgestellt hatte, dann ging sie rin und zeigte ihm die Ruhe¬
statt. Es war eine kleine Kammer auf dem Boden mit dem einzigen Gastbett des
Hauses. Neben dieses war der große Lehnstuhl des Hausherrn gestellt. Mehrere
Decken lagen darin, und der Ofen war geheizt. Sie schlug das Deckbett zurück
und sagte mit leise bedauerndem Blick auf die schimmernde Wäsche: Soll ich dem
Kleinen ein frisches Hemd geben von Rudolf? Ich seh es Ihnen an, daß Sie
den Stuhl bekommen werden.

Ich danke sehr — ich danke. Es werden erst vierzehn Tage, daß er die
Wäsche gewechselt hat, Fran Lehrer. Sie haben sich einen Lohn von Gott verdient.

Als sie hinaus war, half Plutus mit fliegenden Händen seinem Söhnchen in
die Federn. Furcht dich nicht, Moritzche, mein Gold — wir werden leben.

Ich fürcht mich hier nicht ein bißchen, erwiderte der Knabe fast trotzig. Dann
setzte er nachdenklich hinzu: Was meinst du — wirst du die Waren aus dem Schnee
verkaufen können, wenn sie naß geworden sind?

Denk jetzt nicht an die Waren — das Kaddisch ist wichtiger. Und sprich jetzt
dein Abendgebet.

Der Junge gehorchte. Im Namen des Gottes Israels stehe zu meiner Rechten
Michael, zu meiner Linken Gabriel, vor mir Uriel, hinter mir Raphael, und zu
meinen Häupten die Schechina Gottes! — Dann kann ich aber nicht schlafen, setzte
er nach einer Pause hinzu. Warum kann ich nicht etwas andres beten, etwas
freundliches — von großer Freude?

Was sagst du? rief er in sonderbarer Aufregung. Schlaf noch nicht, Moritzche —
schlaf noch nicht! Soll ich leben und gesund sein — haben sie deine Ohren be¬
tört? An wehe — wenn ich mich Schiwe setzen müßte, mein einziges Kind zu
betrauern — wenn ich und deine Mutter, mit der der Friede sei, den einzigen
verlieren müßten, der das Kaddisch für uns spricht! Hast dn das gemeint? Dann,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/680>, abgerufen am 15.01.2025.