Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.warum? Nun setzte sich der Lehrer, und Rudi trat vor ihn und begann die Geschichte Plutus hatte hierbei rin geschlossenen Augen gesessen und den Kopf seines Der Hausierer schlug plötzlich die Augen auf und raunte einen hebräischen Bist du meschugge? Das ist etwas ganz andres -- hör nicht danach hin. Das ist aber streng -- darüber freut man sich nicht, murmelte Moritzchen. Red nicht so hoch, Moritzche. Sie hören dich. Können wir uns nicht freuen, Erst die Mutter mußte jetzt die Kinder an den Gescheuktisch holen, und auch Der Lehrer kam auf Plutus zu und gab ihm die Hand, wobei seine Augen Lassen Sie mein Kind nur -- ich werde ihm etwas schenken, wenn wir werden Jedoch der Junge bat und bekam seinen Willen. Er wurde an den Tisch Die schöne Geschichte ist uns ebenso lieb und wert wie Ihnen, sagte der Moritz, dessen frühreife Züge das Kinderspielzeug zum Lächeln verzogen hatte, Das hast du doch gewiß schon gesehen? Wir sollen uns kein Bild noch Gleichnis machen, antwortete Plutus gedrückt Hier blickte er in eine Welt, die ihm durchaus fremd war. Kinder schienen warum? Nun setzte sich der Lehrer, und Rudi trat vor ihn und begann die Geschichte Plutus hatte hierbei rin geschlossenen Augen gesessen und den Kopf seines Der Hausierer schlug plötzlich die Augen auf und raunte einen hebräischen Bist du meschugge? Das ist etwas ganz andres — hör nicht danach hin. Das ist aber streng — darüber freut man sich nicht, murmelte Moritzchen. Red nicht so hoch, Moritzche. Sie hören dich. Können wir uns nicht freuen, Erst die Mutter mußte jetzt die Kinder an den Gescheuktisch holen, und auch Der Lehrer kam auf Plutus zu und gab ihm die Hand, wobei seine Augen Lassen Sie mein Kind nur — ich werde ihm etwas schenken, wenn wir werden Jedoch der Junge bat und bekam seinen Willen. Er wurde an den Tisch Die schöne Geschichte ist uns ebenso lieb und wert wie Ihnen, sagte der Moritz, dessen frühreife Züge das Kinderspielzeug zum Lächeln verzogen hatte, Das hast du doch gewiß schon gesehen? Wir sollen uns kein Bild noch Gleichnis machen, antwortete Plutus gedrückt Hier blickte er in eine Welt, die ihm durchaus fremd war. Kinder schienen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0679" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296690"/> <fw type="header" place="top"> warum?</fw><lb/> <p xml:id="ID_3530"> Nun setzte sich der Lehrer, und Rudi trat vor ihn und begann die Geschichte<lb/> von der Geburt des Heilandes zu erzählen. Als er ein Stückchen gesprochen, fuhr<lb/> Elsbeth sort, dann Fritz, und zuletzt stammelte das Allerkleiuste die Engelsworte:<lb/> Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude.</p><lb/> <p xml:id="ID_3531"> Plutus hatte hierbei rin geschlossenen Augen gesessen und den Kopf seines<lb/> Knaben fest an sich gedrückt, sodaß dessen Ohren bedeckt waren. Jedoch der Junge<lb/> konnte noch sehen und der Vater hören, und beiden gemeinsam ging der Eindruck<lb/> von einer wunderseltsamen Freudeuquelle auf, die für die Lehrerfamilie in lautern<lb/> Strom rieselte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3532"> Der Hausierer schlug plötzlich die Augen auf und raunte einen hebräischen<lb/> Spruch. Aber Moritz hatte auch mehr gehört, als er sollte. Was ist das vom<lb/> Stern aus Jakob — und Fürst aus Juda — und von Bethlehem Ephrata? Das<lb/> klingt wie bei uns.</p><lb/> <p xml:id="ID_3533"> Bist du meschugge? Das ist etwas ganz andres — hör nicht danach hin.<lb/> Sag ich dir das Gesetz nicht jeden Sabbat?</p><lb/> <p xml:id="ID_3534"> Das ist aber streng — darüber freut man sich nicht, murmelte Moritzchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3535"> Red nicht so hoch, Moritzche. Sie hören dich. Können wir uns nicht freuen,<lb/> wenn wir hören das Gesetz, das gegeben ist allein den Auserwählten?</p><lb/> <p xml:id="ID_3536"> Erst die Mutter mußte jetzt die Kinder an den Gescheuktisch holen, und auch<lb/> hier schien sie etwas zu blenden, sodaß sie nicht gleichzeitig alles mit dem Blick zu<lb/> umfassen wagten. Einzeln nahmen sie die Gegenstände in Besitz, jeden mit einem<lb/> Wounecmsbruch begrüßend. Moritz reckte sich und überschlug den Wert der Sachen<lb/> und teilte seine Beobachtungen dem Vater flüsternd mit, und dieser freute sich über<lb/> seine sichere Warenkenntnis.</p><lb/> <p xml:id="ID_3537"> Der Lehrer kam auf Plutus zu und gab ihm die Hand, wobei seine Augen<lb/> wunderbar freundlich durch die Brillengläser leuchteten. Dort haben wir anch für<lb/> Ihren Kleinen ein Plätzchen hergerichtet — darf er kommen?</p><lb/> <p xml:id="ID_3538"> Lassen Sie mein Kind nur — ich werde ihm etwas schenken, wenn wir werden<lb/> zuhause sein, sagte der Jude hastig. Hörst du, Moritzche? Daheim werde ich dir<lb/> auch etwas schenken.</p><lb/> <p xml:id="ID_3539"> Jedoch der Junge bat und bekam seinen Willen. Er wurde an den Tisch<lb/> geführt, faud das Schüsselchen und daneben einen Gummiball, ein kleines Messer<lb/> und ein farbiges Bild: Rebekka am Brunnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3540"> Die schöne Geschichte ist uns ebenso lieb und wert wie Ihnen, sagte der<lb/> Lehrer herzlich zum Vater, der mit herangetreten war.</p><lb/> <p xml:id="ID_3541"> Moritz, dessen frühreife Züge das Kinderspielzeug zum Lächeln verzogen hatte,<lb/> betrachtete das biblische Bild neugierig.</p><lb/> <p xml:id="ID_3542"> Das hast du doch gewiß schon gesehen?</p><lb/> <p xml:id="ID_3543"> Wir sollen uns kein Bild noch Gleichnis machen, antwortete Plutus gedrückt<lb/> an seines Sohnes Statt. Er hat keine Bilder zuhause, aber ich werde es ihm in<lb/> Verwahrung nehmen. Er legte es sofort in seine Brieftasche und reichte dem<lb/> Kleinen zum Entgelt einen Apfel aus seiner Schüssel, wonach er ihn mit sich in<lb/> den Winkel zurückzog. Während Moritz schmauste, konnte der Alte nicht lassen,<lb/> das Bild der Freude anzustaunen, das sich um Baum und Tisch breitete.</p><lb/> <p xml:id="ID_3544"> Hier blickte er in eine Welt, die ihm durchaus fremd war. Kinder schienen<lb/> ihm die Großen wie die Kleinen zu sein — und zu dem allmächtigen Gott, dem<lb/> Heiligen und Gerechten, sagten sie Vater, und zutraulich und froh redeten sie zu<lb/> ihm und von ihm! Die Eltern sprachen mit Knaben und Mädchen, als seien diese<lb/> dem Einigen gegenüber ihre Geschwister, und das „Jesuskind," das soviel genannt<lb/> wurde, ihrer aller Bruder. Meyer Plutus erschrak in seiner Seele über diese Ver¬<lb/> messenheit. Er hatte sich immer alt gefühlt und immer nur einen Knecht Jehovas,<lb/> und nicht einmal seinen Knaben hatte er ein rechtes Kind sein lassen. Früh hatte<lb/> er ihn an den Sorgen seines Geschäfts, seines Glaubens und seines Volks teil¬<lb/> nehmen lassen und ihn mit dem Gesetz geschreckt, wenn es not tat.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0679]
warum?
Nun setzte sich der Lehrer, und Rudi trat vor ihn und begann die Geschichte
von der Geburt des Heilandes zu erzählen. Als er ein Stückchen gesprochen, fuhr
Elsbeth sort, dann Fritz, und zuletzt stammelte das Allerkleiuste die Engelsworte:
Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude.
Plutus hatte hierbei rin geschlossenen Augen gesessen und den Kopf seines
Knaben fest an sich gedrückt, sodaß dessen Ohren bedeckt waren. Jedoch der Junge
konnte noch sehen und der Vater hören, und beiden gemeinsam ging der Eindruck
von einer wunderseltsamen Freudeuquelle auf, die für die Lehrerfamilie in lautern
Strom rieselte.
Der Hausierer schlug plötzlich die Augen auf und raunte einen hebräischen
Spruch. Aber Moritz hatte auch mehr gehört, als er sollte. Was ist das vom
Stern aus Jakob — und Fürst aus Juda — und von Bethlehem Ephrata? Das
klingt wie bei uns.
Bist du meschugge? Das ist etwas ganz andres — hör nicht danach hin.
Sag ich dir das Gesetz nicht jeden Sabbat?
Das ist aber streng — darüber freut man sich nicht, murmelte Moritzchen.
Red nicht so hoch, Moritzche. Sie hören dich. Können wir uns nicht freuen,
wenn wir hören das Gesetz, das gegeben ist allein den Auserwählten?
Erst die Mutter mußte jetzt die Kinder an den Gescheuktisch holen, und auch
hier schien sie etwas zu blenden, sodaß sie nicht gleichzeitig alles mit dem Blick zu
umfassen wagten. Einzeln nahmen sie die Gegenstände in Besitz, jeden mit einem
Wounecmsbruch begrüßend. Moritz reckte sich und überschlug den Wert der Sachen
und teilte seine Beobachtungen dem Vater flüsternd mit, und dieser freute sich über
seine sichere Warenkenntnis.
Der Lehrer kam auf Plutus zu und gab ihm die Hand, wobei seine Augen
wunderbar freundlich durch die Brillengläser leuchteten. Dort haben wir anch für
Ihren Kleinen ein Plätzchen hergerichtet — darf er kommen?
Lassen Sie mein Kind nur — ich werde ihm etwas schenken, wenn wir werden
zuhause sein, sagte der Jude hastig. Hörst du, Moritzche? Daheim werde ich dir
auch etwas schenken.
Jedoch der Junge bat und bekam seinen Willen. Er wurde an den Tisch
geführt, faud das Schüsselchen und daneben einen Gummiball, ein kleines Messer
und ein farbiges Bild: Rebekka am Brunnen.
Die schöne Geschichte ist uns ebenso lieb und wert wie Ihnen, sagte der
Lehrer herzlich zum Vater, der mit herangetreten war.
Moritz, dessen frühreife Züge das Kinderspielzeug zum Lächeln verzogen hatte,
betrachtete das biblische Bild neugierig.
Das hast du doch gewiß schon gesehen?
Wir sollen uns kein Bild noch Gleichnis machen, antwortete Plutus gedrückt
an seines Sohnes Statt. Er hat keine Bilder zuhause, aber ich werde es ihm in
Verwahrung nehmen. Er legte es sofort in seine Brieftasche und reichte dem
Kleinen zum Entgelt einen Apfel aus seiner Schüssel, wonach er ihn mit sich in
den Winkel zurückzog. Während Moritz schmauste, konnte der Alte nicht lassen,
das Bild der Freude anzustaunen, das sich um Baum und Tisch breitete.
Hier blickte er in eine Welt, die ihm durchaus fremd war. Kinder schienen
ihm die Großen wie die Kleinen zu sein — und zu dem allmächtigen Gott, dem
Heiligen und Gerechten, sagten sie Vater, und zutraulich und froh redeten sie zu
ihm und von ihm! Die Eltern sprachen mit Knaben und Mädchen, als seien diese
dem Einigen gegenüber ihre Geschwister, und das „Jesuskind," das soviel genannt
wurde, ihrer aller Bruder. Meyer Plutus erschrak in seiner Seele über diese Ver¬
messenheit. Er hatte sich immer alt gefühlt und immer nur einen Knecht Jehovas,
und nicht einmal seinen Knaben hatte er ein rechtes Kind sein lassen. Früh hatte
er ihn an den Sorgen seines Geschäfts, seines Glaubens und seines Volks teil¬
nehmen lassen und ihn mit dem Gesetz geschreckt, wenn es not tat.
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