Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die Bedeutung der Presse für die Kultur wen sie wollen oder sonst etwas zu einem oder dem anderen, zumal Standes¬ Hatte das Zeitungswesen in Deutschland im siebzehnten Jahrhundert unter Schon dieser nur sehr dürftige Überblick über die geschichtliche Entwicklung Grenzboten IV 190ö 84
Die Bedeutung der Presse für die Kultur wen sie wollen oder sonst etwas zu einem oder dem anderen, zumal Standes¬ Hatte das Zeitungswesen in Deutschland im siebzehnten Jahrhundert unter Schon dieser nur sehr dürftige Überblick über die geschichtliche Entwicklung Grenzboten IV 190ö 84
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0649" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296660"/> <fw type="header" place="top"> Die Bedeutung der Presse für die Kultur</fw><lb/> <p xml:id="ID_3330" prev="#ID_3329"> wen sie wollen oder sonst etwas zu einem oder dem anderen, zumal Standes¬<lb/> personen Anzüglich darinnen sein soll." Die Berliner Zeitung hing somit eng<lb/> mit der Post zusammen, auch die Wurzeln der ersten Kölner Zeitungen führen,<lb/> wie in Frankfurt, auf den Zusammenhang mit der Post zurück. Sechsmal in<lb/> der Woche erschien zuerst 1660 die noch heute bestehende Leipziger Zeitung, die<lb/> seit dem 29. April 1666 täglich herausgegeben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_3331"> Hatte das Zeitungswesen in Deutschland im siebzehnten Jahrhundert unter<lb/> dem Dreißigjährigen Kriege und dessen Nachwirkungen schwer gelitten, so nahm<lb/> es im folgenden Jahrhundert einen um so schnellern Aufschwung. Die Königs¬<lb/> berger Hartungsche Zeitung, der Hamburgische Korrespondent, die Vossische<lb/> Zeitung in Berlin, die Spenersche Zeitung, die Schlesische Zeitung, die Kölnische<lb/> Zeitung, der Schwäbische Merkur, die Hamburger Nachrichten, die Allgemeine<lb/> Zeitung sind sämtlich im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts entstanden und<lb/> durchweg Blätter, die in der Mehrzahl heute noch in Flor sind, bis auf die<lb/> zu Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eingegangne Spenersche<lb/> Zeitung, oder sich doch durchweg eines hochgeachteten Namens erfreuen. Im<lb/> neunzehnten Jahrhundert erfuhr das Zeitungswesen nach den Befreiungskriegen<lb/> und dann wiederum durch das Jahr 1848 eine neue große Förderung; in diese<lb/> Periode gehören für Berlin die Kreuzzeitung, die Nationalzeitung, die Volks¬<lb/> zeitung. Auch das Jahr 1871 ist in dieser Beziehung epochemachend gewesen.<lb/> Aus den achtziger Jahren sind die Tägliche Rundschau, die Freisinnige Zeitung,<lb/> der Vorwärts, die Berliner Neuesten Nachrichten und der Berliner Lokalanzeiger<lb/> zu nennen, der letzte weist aber die größte Auflage in Deutschland auf, etwa<lb/> 230000 Exemplare.</p><lb/> <p xml:id="ID_3332" next="#ID_3333"> Schon dieser nur sehr dürftige Überblick über die geschichtliche Entwicklung<lb/> der deutschen Zeitungen zeigt, wie das Zeitungswesen in seiner Bedeutung immer<lb/> in derselben Höhe mit der politischen Entwicklung des Volks geblieben, mit ihr<lb/> Hand in Hand gegangen ist. Die eigentliche geistige Führung aber ist doch erst<lb/> der modernen Zeitung im konstitutionellen Staate zugefallen. Ehedem haben wir<lb/> vielmehr die Erscheinung zu verzeichnen, daß von den Zeitungen weit mehr eine<lb/> objektive Nachrichtenwiedergabe als ein Raisonnement, eine Meinung verlangt<lb/> wurde, die sie dem Leser beizubringen bemüht waren. Die analoge Erscheinung<lb/> bietet die Geschichte der Presse aller andern Kulturländer. Von außerordent¬<lb/> licher Wirkung war die Einführung der Eisenbahnen und des Telegraphen,<lb/> deren schnelle Ausgestaltung das Zeitungswesen auf seine heutige Höhe erhoben<lb/> hat. Die ältern deutschen Zeitungen haben sämtlich bei ihren verschiednen<lb/> Jubiläen Festschriften herausgegeben, deren Studium allein hinreicht, den engen<lb/> Zusammenhang des Zeitungswesens mit der gesamten nationalen, politischen<lb/> und Kulturentwicklung zu beweisen; hier darauf einzugehn, erlaubt uns leider der<lb/> Raum nicht. Es ist aber, glaube ich, eine berechtigte Klage, daß die Geschicht¬<lb/> schreibung bisher diesen Teil unsrer nationalen Entwicklung viel zu wenig be¬<lb/> rücksichtigt hat, erst im letzten Jahrzehnt beginnt die Literatur über die Presse<lb/> langsam einen größern Umfang anzunehmen. Es liegen hier noch große Ge¬<lb/> biete unerforscht da, aus denen reiche Kulturbilder aus dem Leben des deutschen<lb/> Volks seit dem Mittelalter zu entnehmen sind. Was uns vor allem fehlt, ist</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 190ö 84</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0649]
Die Bedeutung der Presse für die Kultur
wen sie wollen oder sonst etwas zu einem oder dem anderen, zumal Standes¬
personen Anzüglich darinnen sein soll." Die Berliner Zeitung hing somit eng
mit der Post zusammen, auch die Wurzeln der ersten Kölner Zeitungen führen,
wie in Frankfurt, auf den Zusammenhang mit der Post zurück. Sechsmal in
der Woche erschien zuerst 1660 die noch heute bestehende Leipziger Zeitung, die
seit dem 29. April 1666 täglich herausgegeben wird.
Hatte das Zeitungswesen in Deutschland im siebzehnten Jahrhundert unter
dem Dreißigjährigen Kriege und dessen Nachwirkungen schwer gelitten, so nahm
es im folgenden Jahrhundert einen um so schnellern Aufschwung. Die Königs¬
berger Hartungsche Zeitung, der Hamburgische Korrespondent, die Vossische
Zeitung in Berlin, die Spenersche Zeitung, die Schlesische Zeitung, die Kölnische
Zeitung, der Schwäbische Merkur, die Hamburger Nachrichten, die Allgemeine
Zeitung sind sämtlich im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts entstanden und
durchweg Blätter, die in der Mehrzahl heute noch in Flor sind, bis auf die
zu Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eingegangne Spenersche
Zeitung, oder sich doch durchweg eines hochgeachteten Namens erfreuen. Im
neunzehnten Jahrhundert erfuhr das Zeitungswesen nach den Befreiungskriegen
und dann wiederum durch das Jahr 1848 eine neue große Förderung; in diese
Periode gehören für Berlin die Kreuzzeitung, die Nationalzeitung, die Volks¬
zeitung. Auch das Jahr 1871 ist in dieser Beziehung epochemachend gewesen.
Aus den achtziger Jahren sind die Tägliche Rundschau, die Freisinnige Zeitung,
der Vorwärts, die Berliner Neuesten Nachrichten und der Berliner Lokalanzeiger
zu nennen, der letzte weist aber die größte Auflage in Deutschland auf, etwa
230000 Exemplare.
Schon dieser nur sehr dürftige Überblick über die geschichtliche Entwicklung
der deutschen Zeitungen zeigt, wie das Zeitungswesen in seiner Bedeutung immer
in derselben Höhe mit der politischen Entwicklung des Volks geblieben, mit ihr
Hand in Hand gegangen ist. Die eigentliche geistige Führung aber ist doch erst
der modernen Zeitung im konstitutionellen Staate zugefallen. Ehedem haben wir
vielmehr die Erscheinung zu verzeichnen, daß von den Zeitungen weit mehr eine
objektive Nachrichtenwiedergabe als ein Raisonnement, eine Meinung verlangt
wurde, die sie dem Leser beizubringen bemüht waren. Die analoge Erscheinung
bietet die Geschichte der Presse aller andern Kulturländer. Von außerordent¬
licher Wirkung war die Einführung der Eisenbahnen und des Telegraphen,
deren schnelle Ausgestaltung das Zeitungswesen auf seine heutige Höhe erhoben
hat. Die ältern deutschen Zeitungen haben sämtlich bei ihren verschiednen
Jubiläen Festschriften herausgegeben, deren Studium allein hinreicht, den engen
Zusammenhang des Zeitungswesens mit der gesamten nationalen, politischen
und Kulturentwicklung zu beweisen; hier darauf einzugehn, erlaubt uns leider der
Raum nicht. Es ist aber, glaube ich, eine berechtigte Klage, daß die Geschicht¬
schreibung bisher diesen Teil unsrer nationalen Entwicklung viel zu wenig be¬
rücksichtigt hat, erst im letzten Jahrzehnt beginnt die Literatur über die Presse
langsam einen größern Umfang anzunehmen. Es liegen hier noch große Ge¬
biete unerforscht da, aus denen reiche Kulturbilder aus dem Leben des deutschen
Volks seit dem Mittelalter zu entnehmen sind. Was uns vor allem fehlt, ist
Grenzboten IV 190ö 84
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