Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.warum? fest? Und stecken nicht viele von den unsern an diesem Fest auch viele Lichter an? Es war ein Rittergut, dem sie sich näherten. Hier mußte sich Meyer Plutus Ehe sich die Frau dessen versah, hatte er den Tragekvrb schon zu Boden So zogen sie von Tür zu Tür, und Moritzchens dunkle Augen wanderten Als sie in der Wohnung des Verwalters waren, kam zum Glück auch noch Sie sind ein feiner Mann -- ein nobler Herr, rief Meyer Plutus. Aber Der junge Mann lachte und wollte vorbei zur Tür, doch Plutus hielt ihm Nein nein! rief sie und hielt seinen Arm fest. Ich muß mirs noch über¬ warum? fest? Und stecken nicht viele von den unsern an diesem Fest auch viele Lichter an? Es war ein Rittergut, dem sie sich näherten. Hier mußte sich Meyer Plutus Ehe sich die Frau dessen versah, hatte er den Tragekvrb schon zu Boden So zogen sie von Tür zu Tür, und Moritzchens dunkle Augen wanderten Als sie in der Wohnung des Verwalters waren, kam zum Glück auch noch Sie sind ein feiner Mann — ein nobler Herr, rief Meyer Plutus. Aber Der junge Mann lachte und wollte vorbei zur Tür, doch Plutus hielt ihm Nein nein! rief sie und hielt seinen Arm fest. Ich muß mirs noch über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0622" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296633"/> <fw type="header" place="top"> warum?</fw><lb/> <p xml:id="ID_3201" prev="#ID_3200"> fest? Und stecken nicht viele von den unsern an diesem Fest auch viele Lichter an?<lb/> Das alles können wir auch haben, wenn du es willst. — Geh noch mit bis an<lb/> das Dorf, dann kannst du zurück jausen. Er wußte, war sein Junge erst so weit,<lb/> so ging er gern auch «och in die Häuser.</p><lb/> <p xml:id="ID_3202"> Es war ein Rittergut, dem sie sich näherten. Hier mußte sich Meyer Plutus<lb/> mit den Arbeiterhäuseru begnügen, denn der Gutshof hatte sich durch eine Tafel<lb/> am Tore das Hausierer unter Strafandrohung verbeten. Das verminderte aber<lb/> die Einträglichkeit dieses Reviers nur wenig. Die Leute lebten auskömmlich, viele<lb/> hatten hübsche Ersparnisse, warum sollten sie zu Weihnachten nicht eine oder zwei<lb/> Mark mehr springen lassen, als sie anfänglich gerechnet hatten? Jeder Hausfrau<lb/> fast fiel beim Anblick der Sachen noch etwas ein, dessen sie zum Fest bedürfte.<lb/> Und dafür, daß alles zur Augenwirkung kam, sorgte er. Gleich ins erste Hans<lb/> trat er ein wie ein lang ersehnter Kinderonkel und Freudenbringer.</p><lb/> <p xml:id="ID_3203"> Ehe sich die Frau dessen versah, hatte er den Tragekvrb schon zu Boden<lb/> gleiten lassen und kramte aus. Das Ansehen kostet nichts, sagte er. Nachdem er<lb/> sich aber die Mühe gemacht hatte, dauerte es sie, ihn ohne Verdienst wieder gehn<lb/> zu heißen. Außerdem ließ er ihr zu einer solchen Aufforderung auch keine Zeit —<lb/> so beweglich und zähe war sein Redestrom und das Spiel seiner Hände. Auch<lb/> freute es die umstehenden Kinder gar sehr, zu sehen und zu hören, was würde.<lb/> Zum Schluß langte er dann in die Manteltasche und ließ ein paar einzelne<lb/> Bonbons in die dicken Händchen gleiten — die kleinen, medizinisch schmeckenden,<lb/> die so köstlich bunt aussehen! Und während sie in den Mündern zergingen, blieben<lb/> große blaue Auge» wvnnestarr auf des Juden Antlitz geheftet, und sogar die<lb/> Mutter lächelte freundlich. Dies war das gewöhnliche Bild, wenn Vater und Sohn<lb/> das Haus verließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3204"> So zogen sie von Tür zu Tür, und Moritzchens dunkle Augen wanderten<lb/> zwischen seinem Bater und den Kunden hin und her und forschten, wessen Sache am<lb/> besten stand. Wenn ihn ein freundlicher Blick getroffen hatte, ließ Plutus ihn rasch die<lb/> Rechnung im Kopf ausmachen, und die Hansfrau konnte sich nicht genug wundern, wenn<lb/> sie sich nach mühsamem Klanben überzeugte, daß Moritzchen richtig gerechnet habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_3205"> Als sie in der Wohnung des Verwalters waren, kam zum Glück auch noch<lb/> der junge Hofwirtschafter dorthin, der einen Auftrag zu bringen hatte. Natürlich<lb/> mußte auch er um etwas kaufen, deun haben junge Herren nicht immer Geld —<lb/> mehr, als ihnen gut ist?</p><lb/> <p xml:id="ID_3206"> Sie sind ein feiner Mann — ein nobler Herr, rief Meyer Plutus. Aber<lb/> doch haben Sie noch nicht solche Knöpfe gesehen. Ihnen gönne ich sie — für<lb/> Sie werden sie sich ausnehmen. Was sie kosten? Ich schäme mich, es zu sagen:<lb/> Fünfundsiebzig Pfennige! Sie kosten mich selbst soviel. Aber will ich denn bei<lb/> Ihnen Profit! Alle jungen Damen werden sich die Schleifen znrechtzupfen, wenn<lb/> sie Sie von weitem damit kommen sehen —</p><lb/> <p xml:id="ID_3207"> Der junge Mann lachte und wollte vorbei zur Tür, doch Plutus hielt ihm<lb/> das Schächtelchen in den Weg. Soll ich leben und gesund sein — das Doppelte<lb/> haben sie mich gekostet! Sie werden nur verschleudert, weil auch etwas sein muß,<lb/> woran ich nicht verdiene — Hier brach er verwirrt ab, denn er war seines<lb/> Jungen Blick begegnet, der mit Befremden und fast etwas kühl auf ihm lag. Er<lb/> legte die Schachtel plötzlich nieder und ergriff ein andres Stück. Ich schö Ihnen<lb/> an — Sie wollen zehn Meter von dem Kattun, sagte er zu der Frau. Sie<lb/> werden darin aussehen wie ein junges Mädchen, und er begann schon abzumessen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3208"> Nein nein! rief sie und hielt seinen Arm fest. Ich muß mirs noch über¬<lb/> legen. Aber der Stoff, wie er in schönen Falten dalag, schmeichelte sich ins Auge<lb/> und in die Hand. Sollte sie ihn wieder aufwickeln lassen? Sie willigte wirklich<lb/> ein, daß er abschnitt, indem sie ihre freudige Erregung vor ihm zu verbergen suchte.<lb/> Der Wirtschafter nahm das ihm zugedachte Paar Knöpfe jetzt freiwillig aus der<lb/> Schachtel und zahlte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0622]
warum?
fest? Und stecken nicht viele von den unsern an diesem Fest auch viele Lichter an?
Das alles können wir auch haben, wenn du es willst. — Geh noch mit bis an
das Dorf, dann kannst du zurück jausen. Er wußte, war sein Junge erst so weit,
so ging er gern auch «och in die Häuser.
Es war ein Rittergut, dem sie sich näherten. Hier mußte sich Meyer Plutus
mit den Arbeiterhäuseru begnügen, denn der Gutshof hatte sich durch eine Tafel
am Tore das Hausierer unter Strafandrohung verbeten. Das verminderte aber
die Einträglichkeit dieses Reviers nur wenig. Die Leute lebten auskömmlich, viele
hatten hübsche Ersparnisse, warum sollten sie zu Weihnachten nicht eine oder zwei
Mark mehr springen lassen, als sie anfänglich gerechnet hatten? Jeder Hausfrau
fast fiel beim Anblick der Sachen noch etwas ein, dessen sie zum Fest bedürfte.
Und dafür, daß alles zur Augenwirkung kam, sorgte er. Gleich ins erste Hans
trat er ein wie ein lang ersehnter Kinderonkel und Freudenbringer.
Ehe sich die Frau dessen versah, hatte er den Tragekvrb schon zu Boden
gleiten lassen und kramte aus. Das Ansehen kostet nichts, sagte er. Nachdem er
sich aber die Mühe gemacht hatte, dauerte es sie, ihn ohne Verdienst wieder gehn
zu heißen. Außerdem ließ er ihr zu einer solchen Aufforderung auch keine Zeit —
so beweglich und zähe war sein Redestrom und das Spiel seiner Hände. Auch
freute es die umstehenden Kinder gar sehr, zu sehen und zu hören, was würde.
Zum Schluß langte er dann in die Manteltasche und ließ ein paar einzelne
Bonbons in die dicken Händchen gleiten — die kleinen, medizinisch schmeckenden,
die so köstlich bunt aussehen! Und während sie in den Mündern zergingen, blieben
große blaue Auge» wvnnestarr auf des Juden Antlitz geheftet, und sogar die
Mutter lächelte freundlich. Dies war das gewöhnliche Bild, wenn Vater und Sohn
das Haus verließen.
So zogen sie von Tür zu Tür, und Moritzchens dunkle Augen wanderten
zwischen seinem Bater und den Kunden hin und her und forschten, wessen Sache am
besten stand. Wenn ihn ein freundlicher Blick getroffen hatte, ließ Plutus ihn rasch die
Rechnung im Kopf ausmachen, und die Hansfrau konnte sich nicht genug wundern, wenn
sie sich nach mühsamem Klanben überzeugte, daß Moritzchen richtig gerechnet habe.
Als sie in der Wohnung des Verwalters waren, kam zum Glück auch noch
der junge Hofwirtschafter dorthin, der einen Auftrag zu bringen hatte. Natürlich
mußte auch er um etwas kaufen, deun haben junge Herren nicht immer Geld —
mehr, als ihnen gut ist?
Sie sind ein feiner Mann — ein nobler Herr, rief Meyer Plutus. Aber
doch haben Sie noch nicht solche Knöpfe gesehen. Ihnen gönne ich sie — für
Sie werden sie sich ausnehmen. Was sie kosten? Ich schäme mich, es zu sagen:
Fünfundsiebzig Pfennige! Sie kosten mich selbst soviel. Aber will ich denn bei
Ihnen Profit! Alle jungen Damen werden sich die Schleifen znrechtzupfen, wenn
sie Sie von weitem damit kommen sehen —
Der junge Mann lachte und wollte vorbei zur Tür, doch Plutus hielt ihm
das Schächtelchen in den Weg. Soll ich leben und gesund sein — das Doppelte
haben sie mich gekostet! Sie werden nur verschleudert, weil auch etwas sein muß,
woran ich nicht verdiene — Hier brach er verwirrt ab, denn er war seines
Jungen Blick begegnet, der mit Befremden und fast etwas kühl auf ihm lag. Er
legte die Schachtel plötzlich nieder und ergriff ein andres Stück. Ich schö Ihnen
an — Sie wollen zehn Meter von dem Kattun, sagte er zu der Frau. Sie
werden darin aussehen wie ein junges Mädchen, und er begann schon abzumessen.
Nein nein! rief sie und hielt seinen Arm fest. Ich muß mirs noch über¬
legen. Aber der Stoff, wie er in schönen Falten dalag, schmeichelte sich ins Auge
und in die Hand. Sollte sie ihn wieder aufwickeln lassen? Sie willigte wirklich
ein, daß er abschnitt, indem sie ihre freudige Erregung vor ihm zu verbergen suchte.
Der Wirtschafter nahm das ihm zugedachte Paar Knöpfe jetzt freiwillig aus der
Schachtel und zahlte.
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