Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Das geistliche Leben in Leipzig bis zum Beginn der Reformation Andreas Delitzsch und Antonius Margarita für die Universität zu gewinnen Im großen und ganzen verliefen jedoch alle Versuche zu einer Hebung Schon 1445 hatte der Bischof von Merseburg den Versuch gemacht, das Von größerer, wenn auch nur vorübergehender Wirkung war das Auf¬ Ernster meinten es die Leipziger Dominikaner und Franziskaner mit der Grenzbotni IV 1905 77
Das geistliche Leben in Leipzig bis zum Beginn der Reformation Andreas Delitzsch und Antonius Margarita für die Universität zu gewinnen Im großen und ganzen verliefen jedoch alle Versuche zu einer Hebung Schon 1445 hatte der Bischof von Merseburg den Versuch gemacht, das Von größerer, wenn auch nur vorübergehender Wirkung war das Auf¬ Ernster meinten es die Leipziger Dominikaner und Franziskaner mit der Grenzbotni IV 1905 77
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Das geistliche Leben in Leipzig bis zum Beginn der Reformation
Andreas Delitzsch und Antonius Margarita für die Universität zu gewinnen
und mit nicht unbedeutenden Geldmitteln für kürzere oder längere Zeit an
Leipzig zu fesseln.
Im großen und ganzen verliefen jedoch alle Versuche zu einer Hebung
der Universität ebenso fruchtlos, wie während der zweiten Hälfte des fünf¬
zehnten Jahrhunderts die Bemühungen um die Reformaticm der Klöster.
Schon 1445 hatte der Bischof von Merseburg den Versuch gemacht, das
Thomaskloster, das immer mehr verwelkliche war, durch zwei Kommissare vom
Mcirieukloster in Breslau reformieren zu lassen. Die beiden Brüder mußten
aber unverrichteter Sache wieder heimkehren und erklärten, keinen Anspruch
auf Entschädigung machen zu wollen, „obwohl die Reformation nicht dnrch
ihre Schuld unvollendet geblieben sei." Sechs Jahre später erschienen auf
Veranlassung des Kardinals Nikolaus von Kues, den Papst Nikolaus der
Fünfte zur Reformation der Klöster nach Deutschland entsandt hatte, zwei
andre Visitatoren im Thomaskloster: Johann Busch, der Propst von Neuwerk
bei Halle, und der Propst zu Se. Moritz bei Halle. Sie ernährten die Chor¬
herren, zu ihrer alten strengen Regel zurückzukehren, und ließen sich das feier¬
liche Versprechen geben, daß die vorgeschlagne Reformation „nach und nach"
eingeführt werden sollte. Es blieb jedoch auch diesesmal wieder beim Ver¬
sprechen.
Von größerer, wenn auch nur vorübergehender Wirkung war das Auf¬
treten des Franziskanerbußpredigers Johannes von Capistrcmo in Leipzig
(Herbst 1452). Er war auf Wunsch des kaiserlichen Rates Äneas Silvius,
des nachmaligen Papstes Pius des Zweiten, nach Deutschland gekommen, um
dnrch die Gewalt seiner Rede die hussitische Ketzerei zu bekämpfen. Seine
Predigten machten gewaltigen Eindruck; nicht weniger als siebzig Mitglieder
der Universität traten in den Franziskanerorden ein. Vermutlich war Capi¬
strcmo auch die Veranlassung, daß sich die Pröpste von acht Augustinerchor¬
herrenstiften, darunter auch der des Thomasklvsters, am 8. November 1452
zu eiuer Brüderschaft vereinigten, die „zu heilsamem Wachstum klösterlicher
Zucht" jährlich ein Kapitel abhalten sollte. Ob aber das, was man auf
diesen Kapiteln beschloß, in die Wirklichkeit umgesetzt worden ist, scheint frag¬
lich zu sein.
Ernster meinten es die Leipziger Dominikaner und Franziskaner mit der
Reformation ihrer Klöster. Sie wandten sich sogar mit der Bitte um Hilfe
an den Rat, der jedem der beiden Klöster zwei Vorsteher geben mußte. Den
Franziskanern kamen Bedenken wegen ihres Besitzes an materiellen Gütern,
sie baten den Rat, ihnen die beiden Tonnen Heringe nicht mehr als Zinsen
sondern als Almosen zukommen zu lassen. Auch ihr Holz im Nosental mußte
Kurfürst Friedrich der Zweite, obwohl es seinerzeit offiziell dem Clarenkloster
in Seuslitz verschrieben worden war, auf ihre Bitte jetzt dem Rat der Stadt
als Eigentum überweisen, natürlich in der Voraussetzung, daß ihnen die Nutz¬
nießung weiter erlaubt würde. Die Urkunden über ihr Recht auf die Heringe
und die Waldnutzung lieferten sie jedoch merkwürdigerweise erst im Jahre
1485 ub.
Grenzbotni IV 1905 77
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