Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Das geistliche Teben in Leipzig bis zum Beginn der Reformation Privilegien wachten, zu Reibereien führen mußte. Der Übermut der auf ihre Bei der Stellung, die das Thomaskloster für sich in Anspruch nahm, Die wissenschaftlichen Leistungen der Universität, besonders die der medi¬ Das geistliche Teben in Leipzig bis zum Beginn der Reformation Privilegien wachten, zu Reibereien führen mußte. Der Übermut der auf ihre Bei der Stellung, die das Thomaskloster für sich in Anspruch nahm, Die wissenschaftlichen Leistungen der Universität, besonders die der medi¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0598" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296609"/> <fw type="header" place="top"> Das geistliche Teben in Leipzig bis zum Beginn der Reformation</fw><lb/> <p xml:id="ID_3041" prev="#ID_3040"> Privilegien wachten, zu Reibereien führen mußte. Der Übermut der auf ihre<lb/> Vorrechte pochenden Studenten einerseits und der gekränkte Bürgerstolz andrer¬<lb/> seits erzeugten eine Spannung, die sich bei jeder Gelegenheit mit entsprechendem<lb/> Lärm entlud und mehr als einmal die Intervention des Landesherrn nötig<lb/> machte. Die Schuld wird wohl in den meisten Fällen auf beiden Seiten gleich<lb/> groß gewesen sein, aber der Krieg zwischen den Studenten und den Hand¬<lb/> werkern, besonders den Kürschnern, der schließlich in Permanenz erklärt wurde,<lb/> verrät deutlich genug, daß weder der Bildungsgrad uoch die Erziehung der<lb/> Leipziger Studentenschaft auf einer besonders hohen Stufe standen. Zur<lb/> Förderung der Universität hatten die Landesherren gleich bei der Gründung<lb/> zwei Kollegienhäuser — das große auf der Ritterstraße, das kleine auf der<lb/> Petersstraße — gestiftet, hierzu kam 1440 noch ein besondres Kollegienhaus<lb/> (auf dem Brühl) für die Echtester und endlich ein geistliches Konvikt, das<lb/> Bernhardinerkollegium neben der Marienkapelle, das unter dem Abt von Alt¬<lb/> zelle stand. Diese Kollegienhäuser waren gleichsam neutrales Gebiet, in das<lb/> der Rat einzudringen kein Recht hatte. Sie wurden deshalb zuweilen von<lb/> Verbrechern als Zufluchtsstätten benutzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_3042"> Bei der Stellung, die das Thomaskloster für sich in Anspruch nahm,<lb/> konnte es nicht ausbleiben, daß es auch rin der Universität in Zwist geriet.<lb/> Im Jahre 1442 war der Propst Burkhard bei den Zusammenkünften der<lb/> Universität von einigen Dozenten von dem gewohnten Sitz verdrängt worden,<lb/> und weil der Schulmeister des Klosters, Peter Seehausen, hiergegen protestierte,<lb/> weigerte man sich, diesen zum Bakkalaureat der juristischen Fakultät zuzulassen.<lb/> Der Bischof von Merseburg, als Kanzler, befahl, „dem Propst die ihm ge¬<lb/> bührende Stelle wieder einzuräumen und dem Schulmeister, wenn er sonst<lb/> tüchtig wäre, keine Schwierigkeiten zu machen." Die Folge dieser Entscheidung<lb/> war ein Appell der Universität an den päpstlichen Stuhl, wobei sie sich auf<lb/> ihr Recht berief, einem Prälaten oder einem Adlichen seinen Platz anzuweisen.<lb/> Der Papst entschied jedoch zugunsten des Propstes, und dieser wurde am<lb/> 13. Mai 1443 in Gegenwart von Notar und Zeugen feierlich wieder auf<lb/> seinen Platz geführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_3043" next="#ID_3044"> Die wissenschaftlichen Leistungen der Universität, besonders die der medi¬<lb/> zinischen und der juristischen Fakultät, waren sehr unbedeutend, und die philo¬<lb/> sophische Fakultät hatte sich um das Jahr 1500, wo anderwärts schon der<lb/> Humanismus blühte, noch nicht aus den Banden der Scholastik frei gemacht.<lb/> Erst im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts kann man Anläufe zu einer<lb/> freiern Richtung erkennen. Aber auch diese gingen nicht von der Universität<lb/> selbst aus, sondern sind auf die Bemühungen des Herzogs Georg zurückzu¬<lb/> führen, den die wachsende Bedeutung der jungen humanistischen Universität<lb/> Wittenberg von der Notwendigkeit, dem Zeitgeiste Konzessionen zu machen,<lb/> überzeugt hatte. Er berief bedeutende Humanisten wie Hermann van dem<lb/> Busche und Johannes Nhagius Ästicampianus, die aber nach kurzer Wirksam¬<lb/> keit von ihren Kollegen weggeärgert wurden. Erst den vereinigten Bemühungen<lb/> des Herzogs und des Rates gelang es, ein paar Dozenten der griechischen<lb/> und der hebräischen Sprache wie Richard Crocus, Peter Mosellanus, Cellarius,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0598]
Das geistliche Teben in Leipzig bis zum Beginn der Reformation
Privilegien wachten, zu Reibereien führen mußte. Der Übermut der auf ihre
Vorrechte pochenden Studenten einerseits und der gekränkte Bürgerstolz andrer¬
seits erzeugten eine Spannung, die sich bei jeder Gelegenheit mit entsprechendem
Lärm entlud und mehr als einmal die Intervention des Landesherrn nötig
machte. Die Schuld wird wohl in den meisten Fällen auf beiden Seiten gleich
groß gewesen sein, aber der Krieg zwischen den Studenten und den Hand¬
werkern, besonders den Kürschnern, der schließlich in Permanenz erklärt wurde,
verrät deutlich genug, daß weder der Bildungsgrad uoch die Erziehung der
Leipziger Studentenschaft auf einer besonders hohen Stufe standen. Zur
Förderung der Universität hatten die Landesherren gleich bei der Gründung
zwei Kollegienhäuser — das große auf der Ritterstraße, das kleine auf der
Petersstraße — gestiftet, hierzu kam 1440 noch ein besondres Kollegienhaus
(auf dem Brühl) für die Echtester und endlich ein geistliches Konvikt, das
Bernhardinerkollegium neben der Marienkapelle, das unter dem Abt von Alt¬
zelle stand. Diese Kollegienhäuser waren gleichsam neutrales Gebiet, in das
der Rat einzudringen kein Recht hatte. Sie wurden deshalb zuweilen von
Verbrechern als Zufluchtsstätten benutzt.
Bei der Stellung, die das Thomaskloster für sich in Anspruch nahm,
konnte es nicht ausbleiben, daß es auch rin der Universität in Zwist geriet.
Im Jahre 1442 war der Propst Burkhard bei den Zusammenkünften der
Universität von einigen Dozenten von dem gewohnten Sitz verdrängt worden,
und weil der Schulmeister des Klosters, Peter Seehausen, hiergegen protestierte,
weigerte man sich, diesen zum Bakkalaureat der juristischen Fakultät zuzulassen.
Der Bischof von Merseburg, als Kanzler, befahl, „dem Propst die ihm ge¬
bührende Stelle wieder einzuräumen und dem Schulmeister, wenn er sonst
tüchtig wäre, keine Schwierigkeiten zu machen." Die Folge dieser Entscheidung
war ein Appell der Universität an den päpstlichen Stuhl, wobei sie sich auf
ihr Recht berief, einem Prälaten oder einem Adlichen seinen Platz anzuweisen.
Der Papst entschied jedoch zugunsten des Propstes, und dieser wurde am
13. Mai 1443 in Gegenwart von Notar und Zeugen feierlich wieder auf
seinen Platz geführt.
Die wissenschaftlichen Leistungen der Universität, besonders die der medi¬
zinischen und der juristischen Fakultät, waren sehr unbedeutend, und die philo¬
sophische Fakultät hatte sich um das Jahr 1500, wo anderwärts schon der
Humanismus blühte, noch nicht aus den Banden der Scholastik frei gemacht.
Erst im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts kann man Anläufe zu einer
freiern Richtung erkennen. Aber auch diese gingen nicht von der Universität
selbst aus, sondern sind auf die Bemühungen des Herzogs Georg zurückzu¬
führen, den die wachsende Bedeutung der jungen humanistischen Universität
Wittenberg von der Notwendigkeit, dem Zeitgeiste Konzessionen zu machen,
überzeugt hatte. Er berief bedeutende Humanisten wie Hermann van dem
Busche und Johannes Nhagius Ästicampianus, die aber nach kurzer Wirksam¬
keit von ihren Kollegen weggeärgert wurden. Erst den vereinigten Bemühungen
des Herzogs und des Rates gelang es, ein paar Dozenten der griechischen
und der hebräischen Sprache wie Richard Crocus, Peter Mosellanus, Cellarius,
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