Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Betrachtungen zur Marinevorlage für ^9^6 bedarfsberechnung zum Flottengesetze für die Jahre 1906 bis 1917. Die be¬ Betrachtungen zur Marinevorlage für ^9^6 bedarfsberechnung zum Flottengesetze für die Jahre 1906 bis 1917. Die be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0580" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296591"/> <fw type="header" place="top"> Betrachtungen zur Marinevorlage für ^9^6</fw><lb/> <p xml:id="ID_2983" prev="#ID_2982" next="#ID_2984"> bedarfsberechnung zum Flottengesetze für die Jahre 1906 bis 1917. Die be¬<lb/> scheidne Vermehrung des Schiffsbestands ist nichts als eine alte 1900 ab-<lb/> gewiesne Forderung (damals waren außerdem noch sieben kleine Kreuzer<lb/> gefordert worden, die auch nicht bewilligt wurden). Ihre Bewilligung eilte<lb/> damals nicht, da zunächst die aktive Schlachtflotte ausgebaut werden mußte,<lb/> und deshalb der Auslandsdienst mit weniger Schiffen versehen werden mußte,<lb/> als zur Förderung der deutschen überseeischen Interessen erwünscht gewesen<lb/> wäre. Die ältern Grenzbotenleser erinnern sich vielleicht, daß schon vor einem<lb/> Jahrzehnt (in den Grenzboten 1896, Band I, Seite 209) neben dem, was für<lb/> eine starke Schlachtflotte nötig ist, die Schaffung eines Geschwaders von vier<lb/> bis sechs tüchtigen Panzerkreuzern angeregt wurde. „Ein solches Geschwader<lb/> würde aber auch in jedem Teile der Erde erfolgreich gegen die Geschwader<lb/> größerer Seemächte auftreten können, wenn es die Ehre und das Wohl des<lb/> Vaterlandes fordern sollte," schrieb ich damals. Inzwischen sind uns längst<lb/> die fremden Seemächte zuvorgekommen im Bau von Panzerkreuzern; England<lb/> hat vierundzwanzig fertig, fünfzehn im Bau; Frankreich neunzehn fertig, sechs<lb/> im Bau; die Vereinigten Staaten sechs fertig, neun im Bau; Japan acht fertig,<lb/> zwei im Bau. Aber Deutschland hat nur fünf fertig, nämlich Fürst Bismarck<lb/> (Stapellauf 1897), Prinz Heinrich (1900), Prinz Adalbert (1901), Friedrich<lb/> Karl (1902), Roon (1903), und drei im Bau: Yorck (1904), 0 und D. Eng¬<lb/> land hat drei Kreuzergeschwader im Dienst, davon zwei zu sechs, eins zu vier<lb/> Panzerkreuzern; außerdem sind vier englische Panzerkreuzer im Stillen Ozean<lb/> an verschiednen Stellen. Auch Frankreich und die Vereinigten Staaten sowie<lb/> Japan unterhalten stündige Geschwaderverbünde starker Panzerkreuzer, die zum<lb/> Teil der heimischen Schlachtflotte beim gewaltsamen Aufklärungsdienst dienen,<lb/> die aber auch, wie in der Seeschlacht bei Tsuschima, geeignet sind, den Linien¬<lb/> schiffskampf zu unterstützen. Ihre große Selbständigkeit befähigt die Panzer¬<lb/> kreuzer zu wichtigen Unternehmungen auf hoher See, zum Schutze der Handels¬<lb/> schiffahrt und zur Bedrohung feindlicher Seehäfen und Flottenstützpunkte. Der<lb/> starke moderne Panzerkreuzer wird in allen Marineu mehr und mehr geschätzt<lb/> seiner vielseitigen Verwendbarkeit wegen; trotzdem muß man sich davor hüten,<lb/> ihn in seinem Werte zu überschätzen, denn das Linienschiff mit seinen starken<lb/> Schutz- und Trutzwaffen kann er nicht ersetzen, wohl aber ist er bei englischen<lb/> Flottenmanövern schon dazu benutzt worden, die langsamere gegnerische Linien¬<lb/> schiffsflotte zu umgehn und sie dadurch in ein gefährliches Kreuzfeuer zu<lb/> bringen. Auch das neu geforderte deutsche Panzerkreuzergeschwader könnte im<lb/> Notfalle diesem Zwecke dienen, obgleich es allerdings hauptsächlich im Aus¬<lb/> lande tätig sein soll zur Förderung der deutschen Interessen. Da Kriege<lb/> heutzutage aber ebenso plötzlich und unvermutet eintreten können wie bisher,<lb/> so ist es ein Gebot der staatsmännischen Voraussicht, solche im Auslande tätigen<lb/> Geschwader kräftig genug zu machen, daß sie nicht völlig der Willkür des<lb/> Gegners preisgegeben sind, sondern daß sie durch eigne Kraft, Beweglichkeit<lb/> und Selbständigkeit eine immerhin beachtenswerte Streitkraft bilden, die unter<lb/> geschickter Führung trotz ihres bescheidnen Umfangs doch vom Feinde nicht<lb/> übersehen werden kann, und die unter Umständen die Unternehmungen der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0580]
Betrachtungen zur Marinevorlage für ^9^6
bedarfsberechnung zum Flottengesetze für die Jahre 1906 bis 1917. Die be¬
scheidne Vermehrung des Schiffsbestands ist nichts als eine alte 1900 ab-
gewiesne Forderung (damals waren außerdem noch sieben kleine Kreuzer
gefordert worden, die auch nicht bewilligt wurden). Ihre Bewilligung eilte
damals nicht, da zunächst die aktive Schlachtflotte ausgebaut werden mußte,
und deshalb der Auslandsdienst mit weniger Schiffen versehen werden mußte,
als zur Förderung der deutschen überseeischen Interessen erwünscht gewesen
wäre. Die ältern Grenzbotenleser erinnern sich vielleicht, daß schon vor einem
Jahrzehnt (in den Grenzboten 1896, Band I, Seite 209) neben dem, was für
eine starke Schlachtflotte nötig ist, die Schaffung eines Geschwaders von vier
bis sechs tüchtigen Panzerkreuzern angeregt wurde. „Ein solches Geschwader
würde aber auch in jedem Teile der Erde erfolgreich gegen die Geschwader
größerer Seemächte auftreten können, wenn es die Ehre und das Wohl des
Vaterlandes fordern sollte," schrieb ich damals. Inzwischen sind uns längst
die fremden Seemächte zuvorgekommen im Bau von Panzerkreuzern; England
hat vierundzwanzig fertig, fünfzehn im Bau; Frankreich neunzehn fertig, sechs
im Bau; die Vereinigten Staaten sechs fertig, neun im Bau; Japan acht fertig,
zwei im Bau. Aber Deutschland hat nur fünf fertig, nämlich Fürst Bismarck
(Stapellauf 1897), Prinz Heinrich (1900), Prinz Adalbert (1901), Friedrich
Karl (1902), Roon (1903), und drei im Bau: Yorck (1904), 0 und D. Eng¬
land hat drei Kreuzergeschwader im Dienst, davon zwei zu sechs, eins zu vier
Panzerkreuzern; außerdem sind vier englische Panzerkreuzer im Stillen Ozean
an verschiednen Stellen. Auch Frankreich und die Vereinigten Staaten sowie
Japan unterhalten stündige Geschwaderverbünde starker Panzerkreuzer, die zum
Teil der heimischen Schlachtflotte beim gewaltsamen Aufklärungsdienst dienen,
die aber auch, wie in der Seeschlacht bei Tsuschima, geeignet sind, den Linien¬
schiffskampf zu unterstützen. Ihre große Selbständigkeit befähigt die Panzer¬
kreuzer zu wichtigen Unternehmungen auf hoher See, zum Schutze der Handels¬
schiffahrt und zur Bedrohung feindlicher Seehäfen und Flottenstützpunkte. Der
starke moderne Panzerkreuzer wird in allen Marineu mehr und mehr geschätzt
seiner vielseitigen Verwendbarkeit wegen; trotzdem muß man sich davor hüten,
ihn in seinem Werte zu überschätzen, denn das Linienschiff mit seinen starken
Schutz- und Trutzwaffen kann er nicht ersetzen, wohl aber ist er bei englischen
Flottenmanövern schon dazu benutzt worden, die langsamere gegnerische Linien¬
schiffsflotte zu umgehn und sie dadurch in ein gefährliches Kreuzfeuer zu
bringen. Auch das neu geforderte deutsche Panzerkreuzergeschwader könnte im
Notfalle diesem Zwecke dienen, obgleich es allerdings hauptsächlich im Aus¬
lande tätig sein soll zur Förderung der deutschen Interessen. Da Kriege
heutzutage aber ebenso plötzlich und unvermutet eintreten können wie bisher,
so ist es ein Gebot der staatsmännischen Voraussicht, solche im Auslande tätigen
Geschwader kräftig genug zu machen, daß sie nicht völlig der Willkür des
Gegners preisgegeben sind, sondern daß sie durch eigne Kraft, Beweglichkeit
und Selbständigkeit eine immerhin beachtenswerte Streitkraft bilden, die unter
geschickter Führung trotz ihres bescheidnen Umfangs doch vom Feinde nicht
übersehen werden kann, und die unter Umständen die Unternehmungen der
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