Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Betrachtungen zur Marinevorlage für ^9^6 arbeiter dafür, daß deutsche Waren, deutscher Hände Arbeit in der Fremde Den kritischen Punkt in der Flottenentwicklung hat schon vor einem Die Marinevorlage für 1906 enthält zweierlei neue Forderungen: erstens Betrachtungen zur Marinevorlage für ^9^6 arbeiter dafür, daß deutsche Waren, deutscher Hände Arbeit in der Fremde Den kritischen Punkt in der Flottenentwicklung hat schon vor einem Die Marinevorlage für 1906 enthält zweierlei neue Forderungen: erstens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0579" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296590"/> <fw type="header" place="top"> Betrachtungen zur Marinevorlage für ^9^6</fw><lb/> <p xml:id="ID_2980" prev="#ID_2979"> arbeiter dafür, daß deutsche Waren, deutscher Hände Arbeit in der Fremde<lb/> Absatz und Lohn finden. Wie lächerlich leicht es für die rohe Gewalt ist,<lb/> diese Strome deutschen Verdienstes abzudämmen, davon wollen die utopistischen<lb/> Volks„beglücker" nichts wissen. Wer einen Schwächern schädigen will, mit<lb/> ihm einen Streit vom Zaune brechen will, findet immer einen Vorwand dafür,<lb/> sei es, daß der andre eine Ungeschicklichkeit begeht, die der Lauernde heim¬<lb/> tückisch ausnutzt, sei es, daß der Streitsucher beleidigende Anforderungen stellt,<lb/> wie weiland Napoleon der Dritte, die zum Kampfe führen müssen, wenn der<lb/> andre nicht g, ig, Faschoda zurückweichen kann. Schon vor einem Jahrhundert<lb/> war es dem seebeherrschenden England leicht, durch jahrelange Blockade Frank¬<lb/> reichs Kolonialreich zu vernichten, seinen Fabriken das Rohmaterial abzu¬<lb/> schneiden, seine Handelsschiffahrt vom Meere zu verjagen. Im Jahre 1797<lb/> schrieb der Chef des Handelsamts in Frankreich: „Die frühern Quellen unsers<lb/> Wohlstandes sind entweder verloren oder versiegt. Unser Landwirtschafts-,<lb/> Fabrik- und Jndustriewesen ist fast erloschen." Das war aber in einer Zeit,<lb/> als die Gewerbtätigkeit in allen europäischen Ländern im Vergleich zu heute<lb/> nur ganz geringe Bedeutung hatte. Wieviel deutsche Arbeiter müßten heute<lb/> brotlos werden, wenn der deutsche Seeverkehr nur ein Jahr lang, geschweige<lb/> denn ein volles Jahrzehnt durch Blockade gehemmt würde? Wenn aber die<lb/> deutsche Flotte nicht stark genug wäre, würde eine solche Blockade der eng¬<lb/> lischen nicht einen Pfennig mehr kosten als ihre heutigen Indienststellungen<lb/> während der Friedenszeit. Hat aber die deutsche Flotte solche Stärke, daß<lb/> die englische, falls sie wirklich das 6orAssnisnt> versuchen sollte, auch ihrerseits<lb/> auf schwere Verluste rechnen müßte, dann wäre das Blockadegeschäft minder<lb/> rentabel, und jeder britische Staatsmann würde sich dreimal länger besinnen,<lb/> ehe er zu einem solchen Unternehmen den Anstoß gäbe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2981"> Den kritischen Punkt in der Flottenentwicklung hat schon vor einem<lb/> Menschenalter der Admiral Prinz Adalbert mit der Mahnung gekennzeichnet:<lb/> „Das Deutsche Reich darf keine Flotte haben, die zum Leben zu klein und<lb/> zum Sterben zu groß ist." Der britischen Übermacht gegenüber sind wir noch<lb/> immer in dieser unsichern Lage; denn die für 1920 geplante Flotte fehlt für<lb/> den Schutz unsrer Seeiuteressen schon seit Jahren. Jedes neue Linienschiff,<lb/> jeder neue Panzerkreuzer, jede neue Torpedobootsdivision mindert aber die<lb/> Unsicherheit für uns und erhöht den Einsatz für den Gegner, der etwa unsre<lb/> Seegeltung unterdrücken wollte. Aber eine Maßregel, die uns zum Schutz<lb/> dienen soll, kann nie für eine solche Übermacht, wie die englische, zu einer<lb/> Bedrohung werden; deshalb ist es lächerlich oder vielmehr böswillig, zu be¬<lb/> haupten, die übermäßig bescheidne neue Flottenvorlage brächte uns Gefahr.<lb/> Im Gegenteil, je schwächer wir bleiben, um so früher wird der, der Böses<lb/> gegen uns im Schilde führt, uns zu schädigen suche,?.</p><lb/> <p xml:id="ID_2982" next="#ID_2983"> Die Marinevorlage für 1906 enthält zweierlei neue Forderungen: erstens<lb/> eine kurze Ergänzung zum Paragraph 1 des Flottengesetzes vom 14. Juni 1900,<lb/> wonach der Schiffsbestnnd um fünf große Kreuzer bei der Auslandsflotte und<lb/> um einen großen Kreuzer bei der Materialreserve vermehrt werden soll; zweitens<lb/> eine Denkschrift über eine den heutigen Anforderungen angepaßte neue Geld-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0579]
Betrachtungen zur Marinevorlage für ^9^6
arbeiter dafür, daß deutsche Waren, deutscher Hände Arbeit in der Fremde
Absatz und Lohn finden. Wie lächerlich leicht es für die rohe Gewalt ist,
diese Strome deutschen Verdienstes abzudämmen, davon wollen die utopistischen
Volks„beglücker" nichts wissen. Wer einen Schwächern schädigen will, mit
ihm einen Streit vom Zaune brechen will, findet immer einen Vorwand dafür,
sei es, daß der andre eine Ungeschicklichkeit begeht, die der Lauernde heim¬
tückisch ausnutzt, sei es, daß der Streitsucher beleidigende Anforderungen stellt,
wie weiland Napoleon der Dritte, die zum Kampfe führen müssen, wenn der
andre nicht g, ig, Faschoda zurückweichen kann. Schon vor einem Jahrhundert
war es dem seebeherrschenden England leicht, durch jahrelange Blockade Frank¬
reichs Kolonialreich zu vernichten, seinen Fabriken das Rohmaterial abzu¬
schneiden, seine Handelsschiffahrt vom Meere zu verjagen. Im Jahre 1797
schrieb der Chef des Handelsamts in Frankreich: „Die frühern Quellen unsers
Wohlstandes sind entweder verloren oder versiegt. Unser Landwirtschafts-,
Fabrik- und Jndustriewesen ist fast erloschen." Das war aber in einer Zeit,
als die Gewerbtätigkeit in allen europäischen Ländern im Vergleich zu heute
nur ganz geringe Bedeutung hatte. Wieviel deutsche Arbeiter müßten heute
brotlos werden, wenn der deutsche Seeverkehr nur ein Jahr lang, geschweige
denn ein volles Jahrzehnt durch Blockade gehemmt würde? Wenn aber die
deutsche Flotte nicht stark genug wäre, würde eine solche Blockade der eng¬
lischen nicht einen Pfennig mehr kosten als ihre heutigen Indienststellungen
während der Friedenszeit. Hat aber die deutsche Flotte solche Stärke, daß
die englische, falls sie wirklich das 6orAssnisnt> versuchen sollte, auch ihrerseits
auf schwere Verluste rechnen müßte, dann wäre das Blockadegeschäft minder
rentabel, und jeder britische Staatsmann würde sich dreimal länger besinnen,
ehe er zu einem solchen Unternehmen den Anstoß gäbe.
Den kritischen Punkt in der Flottenentwicklung hat schon vor einem
Menschenalter der Admiral Prinz Adalbert mit der Mahnung gekennzeichnet:
„Das Deutsche Reich darf keine Flotte haben, die zum Leben zu klein und
zum Sterben zu groß ist." Der britischen Übermacht gegenüber sind wir noch
immer in dieser unsichern Lage; denn die für 1920 geplante Flotte fehlt für
den Schutz unsrer Seeiuteressen schon seit Jahren. Jedes neue Linienschiff,
jeder neue Panzerkreuzer, jede neue Torpedobootsdivision mindert aber die
Unsicherheit für uns und erhöht den Einsatz für den Gegner, der etwa unsre
Seegeltung unterdrücken wollte. Aber eine Maßregel, die uns zum Schutz
dienen soll, kann nie für eine solche Übermacht, wie die englische, zu einer
Bedrohung werden; deshalb ist es lächerlich oder vielmehr böswillig, zu be¬
haupten, die übermäßig bescheidne neue Flottenvorlage brächte uns Gefahr.
Im Gegenteil, je schwächer wir bleiben, um so früher wird der, der Böses
gegen uns im Schilde führt, uns zu schädigen suche,?.
Die Marinevorlage für 1906 enthält zweierlei neue Forderungen: erstens
eine kurze Ergänzung zum Paragraph 1 des Flottengesetzes vom 14. Juni 1900,
wonach der Schiffsbestnnd um fünf große Kreuzer bei der Auslandsflotte und
um einen großen Kreuzer bei der Materialreserve vermehrt werden soll; zweitens
eine Denkschrift über eine den heutigen Anforderungen angepaßte neue Geld-
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