Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Nach der Hühnerhunde Vollkommen! sagte ich, genau fünf Minuten. Ich nehme jeden Ausdruck des Um keinen Preis hätte ich dem guten Männchen erklären mögen, daß er sich Er fuhr nun in seiner Erzählung fort, bis er an der Stelle, wo es zum Eberhard, der hinter dem Tische gekniet und ein imaginäres Gewehr an die Diesesmal präsidierte der Hausherr bet Tisch, war, vermutlich wegen des Fanges, Daß ich mir wenig a" der Unterhaltung teilnahm, schien meinem Wirte nicht Sie werden das Bedürfnis haben, sich gründlich auszuschlafen, lieber Freund. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, sondern ich stand von der Tafel auf. ver¬ Bevor ich zu Bett ging, trat ich noch einmal ans Fenster und sah in die Ich kleidete mich so schnell wie möglich aus, schlüpfte fröstelnd in die Federn Nach der Hühnerhunde Vollkommen! sagte ich, genau fünf Minuten. Ich nehme jeden Ausdruck des Um keinen Preis hätte ich dem guten Männchen erklären mögen, daß er sich Er fuhr nun in seiner Erzählung fort, bis er an der Stelle, wo es zum Eberhard, der hinter dem Tische gekniet und ein imaginäres Gewehr an die Diesesmal präsidierte der Hausherr bet Tisch, war, vermutlich wegen des Fanges, Daß ich mir wenig a» der Unterhaltung teilnahm, schien meinem Wirte nicht Sie werden das Bedürfnis haben, sich gründlich auszuschlafen, lieber Freund. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, sondern ich stand von der Tafel auf. ver¬ Bevor ich zu Bett ging, trat ich noch einmal ans Fenster und sah in die Ich kleidete mich so schnell wie möglich aus, schlüpfte fröstelnd in die Federn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0558" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296569"/> <fw type="header" place="top"> Nach der Hühnerhunde</fw><lb/> <p xml:id="ID_2885"> Vollkommen! sagte ich, genau fünf Minuten. Ich nehme jeden Ausdruck des<lb/> Zweifels hiermit feierlich zurück!</p><lb/> <p xml:id="ID_2886"> Um keinen Preis hätte ich dem guten Männchen erklären mögen, daß er sich<lb/> um volle zwei Minuten geirrt habe, er tat mir aufrichtig leid, und außerdem lag<lb/> mir daran, ihn als den Wächter dieses unheimlichen Archivs bei guter Laune und<lb/> mir gewogen zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2887"> Er fuhr nun in seiner Erzählung fort, bis er an der Stelle, wo es zum<lb/> klappen kam, den Schuß so laut markierte, daß die Gesellschaft nebenan im Saale<lb/> in ein donnerndes Gelächter nusbrach. Gleich darauf erschien denn auch in der<lb/> Tür der Major, klemmte seine Zigarre in den Mundwinkel und fragte, während<lb/> er mit wahrer Virtuosität ein Spiel Karten mischte: Hier hat wohl wieder Jemand<lb/> die Geschichte von seinem Hirsch erzählt?</p><lb/> <p xml:id="ID_2888"> Eberhard, der hinter dem Tische gekniet und ein imaginäres Gewehr an die<lb/> Backe gepreßt hatte, erhob sich etwas beschämt, ließ die Arme sinken und schlich<lb/> hinter dem Major und mir her in das Gesellschaftszimmer, wo er mit einer ganzen<lb/> Salve schlechter Scherze empfangen wurde. Es war für ihn ein Glück, daß man<lb/> gleich danach zum Abendessen rief, denn dadurch wurde die allgemeine Aufmerksam¬<lb/> keit auf eiuen Gegenstand gelenkt, der sogar für Leute, die in diesem und in jenem<lb/> Leben nichts mehr zu hoffe» hatten, seinen Reiz nicht eingebüßt zu haben schien.</p><lb/> <p xml:id="ID_2889"> Diesesmal präsidierte der Hausherr bet Tisch, war, vermutlich wegen des Fanges,<lb/> den er gemacht zu haben glaubte, in der köstlichste» Stimmung, erzählte mit der<lb/> Anschaulichkeit eines Augenzeugen Episoden aus dem Weidmannsleben einer ganzen<lb/> Reihe hessischer Landgrafen u»d trank mehr Chateau - Margaux, als ihm meiner<lb/> Überzeugung nach bei seinem Leiden zuträglich war- Dafür waren die übrigen<lb/> Tischgenossen desto schweigsamer; ich merkte ihnen an, daß sie sich in Sparrs Gegen¬<lb/> wart bei weitem nicht so natürlich und ungezwungen gaben, als wenn sie unter<lb/> sich allein waren. Daran vermochte sogar der vortreffliche französische Sekt nichts<lb/> zu ändern, den der Baron mit der Generosität eines Mannes, der ein gutes Ge¬<lb/> schäft gemacht hat, auffahren ließ. Am stillsten von allen war der gute Eberhard,<lb/> er saß wie geistesabwesend da und fuhr ordentlich zusammen, wenn einer der<lb/> Andern das Wort an ihn richtete. Ich selbst war nicht viel lebhafter, ich mußte<lb/> immer wieder an meinen Dreißigender denken und zermarterte mir das Hirn, wie<lb/> ich zur Salviernng meiner armen Seele Herrn Samiel von Sparr el» Schnippchen<lb/> schlagen könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2890"> Daß ich mir wenig a» der Unterhaltung teilnahm, schien meinem Wirte nicht<lb/> zu entgeh», er schob es jedoch offenbar auf meine Müdigkeit, da er wußte, wie<lb/> wenig ich in der letzten Nacht geschlafen hatte. Trotzdem überraschte es mich<lb/> einigermaßen, daß er sich mitten in der Unterhaltung mit dem Landgerichtsrat ganz<lb/> unvermittelt mit den Worten an mich wandte:</p><lb/> <p xml:id="ID_2891"> Sie werden das Bedürfnis haben, sich gründlich auszuschlafen, lieber Freund.<lb/> Gehn Sie getrost zu Bett, Sie können heute mit gutem Recht auf Ihren Lor¬<lb/> beeren ruhn.</p><lb/> <p xml:id="ID_2892"> Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, sondern ich stand von der Tafel auf. ver¬<lb/> beugte mich gegen den Hausherrn und seine Gäste und begab mich auf mein Zimmer.</p><lb/> <p xml:id="ID_2893"> Bevor ich zu Bett ging, trat ich noch einmal ans Fenster und sah in die<lb/> Nacht hinaus. Der Mond stand schon ziemlich hoch am Himmel, verbarg sich aber<lb/> aller Augenblicke hinter den Wolken, die ein scharfer Nordostwind vor sich hertrieb.<lb/> Im Pferdestall, der meinem Fenster gerade gegenüberlag, war es auffallend un¬<lb/> ruhig; ich vernahm deutlich das Rasseln der Ketten und das Scharren der Hufe,<lb/> und im Zwinger winselten und kläfften die Hunde, daß es mir ganz seltsam zu¬<lb/> mute wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_2894" next="#ID_2895"> Ich kleidete mich so schnell wie möglich aus, schlüpfte fröstelnd in die Federn<lb/> und löschte das Licht. Aber es ging mir wie in der Nacht vorher: je länger ich<lb/> dalag, desto aufgeregter wurde ich, desto reizbarer wurden meine Sinne. Ich achtete<lb/> auf jedes Geräusch, auf das Knarren der Wetterfahne, auf das Klappern eines</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0558]
Nach der Hühnerhunde
Vollkommen! sagte ich, genau fünf Minuten. Ich nehme jeden Ausdruck des
Zweifels hiermit feierlich zurück!
Um keinen Preis hätte ich dem guten Männchen erklären mögen, daß er sich
um volle zwei Minuten geirrt habe, er tat mir aufrichtig leid, und außerdem lag
mir daran, ihn als den Wächter dieses unheimlichen Archivs bei guter Laune und
mir gewogen zu erhalten.
Er fuhr nun in seiner Erzählung fort, bis er an der Stelle, wo es zum
klappen kam, den Schuß so laut markierte, daß die Gesellschaft nebenan im Saale
in ein donnerndes Gelächter nusbrach. Gleich darauf erschien denn auch in der
Tür der Major, klemmte seine Zigarre in den Mundwinkel und fragte, während
er mit wahrer Virtuosität ein Spiel Karten mischte: Hier hat wohl wieder Jemand
die Geschichte von seinem Hirsch erzählt?
Eberhard, der hinter dem Tische gekniet und ein imaginäres Gewehr an die
Backe gepreßt hatte, erhob sich etwas beschämt, ließ die Arme sinken und schlich
hinter dem Major und mir her in das Gesellschaftszimmer, wo er mit einer ganzen
Salve schlechter Scherze empfangen wurde. Es war für ihn ein Glück, daß man
gleich danach zum Abendessen rief, denn dadurch wurde die allgemeine Aufmerksam¬
keit auf eiuen Gegenstand gelenkt, der sogar für Leute, die in diesem und in jenem
Leben nichts mehr zu hoffe» hatten, seinen Reiz nicht eingebüßt zu haben schien.
Diesesmal präsidierte der Hausherr bet Tisch, war, vermutlich wegen des Fanges,
den er gemacht zu haben glaubte, in der köstlichste» Stimmung, erzählte mit der
Anschaulichkeit eines Augenzeugen Episoden aus dem Weidmannsleben einer ganzen
Reihe hessischer Landgrafen u»d trank mehr Chateau - Margaux, als ihm meiner
Überzeugung nach bei seinem Leiden zuträglich war- Dafür waren die übrigen
Tischgenossen desto schweigsamer; ich merkte ihnen an, daß sie sich in Sparrs Gegen¬
wart bei weitem nicht so natürlich und ungezwungen gaben, als wenn sie unter
sich allein waren. Daran vermochte sogar der vortreffliche französische Sekt nichts
zu ändern, den der Baron mit der Generosität eines Mannes, der ein gutes Ge¬
schäft gemacht hat, auffahren ließ. Am stillsten von allen war der gute Eberhard,
er saß wie geistesabwesend da und fuhr ordentlich zusammen, wenn einer der
Andern das Wort an ihn richtete. Ich selbst war nicht viel lebhafter, ich mußte
immer wieder an meinen Dreißigender denken und zermarterte mir das Hirn, wie
ich zur Salviernng meiner armen Seele Herrn Samiel von Sparr el» Schnippchen
schlagen könnte.
Daß ich mir wenig a» der Unterhaltung teilnahm, schien meinem Wirte nicht
zu entgeh», er schob es jedoch offenbar auf meine Müdigkeit, da er wußte, wie
wenig ich in der letzten Nacht geschlafen hatte. Trotzdem überraschte es mich
einigermaßen, daß er sich mitten in der Unterhaltung mit dem Landgerichtsrat ganz
unvermittelt mit den Worten an mich wandte:
Sie werden das Bedürfnis haben, sich gründlich auszuschlafen, lieber Freund.
Gehn Sie getrost zu Bett, Sie können heute mit gutem Recht auf Ihren Lor¬
beeren ruhn.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, sondern ich stand von der Tafel auf. ver¬
beugte mich gegen den Hausherrn und seine Gäste und begab mich auf mein Zimmer.
Bevor ich zu Bett ging, trat ich noch einmal ans Fenster und sah in die
Nacht hinaus. Der Mond stand schon ziemlich hoch am Himmel, verbarg sich aber
aller Augenblicke hinter den Wolken, die ein scharfer Nordostwind vor sich hertrieb.
Im Pferdestall, der meinem Fenster gerade gegenüberlag, war es auffallend un¬
ruhig; ich vernahm deutlich das Rasseln der Ketten und das Scharren der Hufe,
und im Zwinger winselten und kläfften die Hunde, daß es mir ganz seltsam zu¬
mute wurde.
Ich kleidete mich so schnell wie möglich aus, schlüpfte fröstelnd in die Federn
und löschte das Licht. Aber es ging mir wie in der Nacht vorher: je länger ich
dalag, desto aufgeregter wurde ich, desto reizbarer wurden meine Sinne. Ich achtete
auf jedes Geräusch, auf das Knarren der Wetterfahne, auf das Klappern eines
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