Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Nach der Hühnerhunde

einen besonders starken heraus, den er, nachdem er den obern Schnitt an der
Innenseite seiner Joppe abgewischt hatte, dem Baron überreichte. Dieser schlug das
Buch auf und gab es mir in die Hand. Mitten auf der Seite stand nur eine einzige
mit einer rötlichen Tinte geschriebne Zeile, ans der ich nicht ohne Mühe die Worte
Don 1?si'llkuä(>, lukanto Oai'etoient, Lrusvlas, -1 13 av oolubro 1636 entzifferte.

Das ist Philipps des Vierten Bruder, der Kardinalinfant Ferdinand, der als
Statthalter von Flandern in Brüssel residierte, erklärte der Baron.

Ich blätterte zurück und sand auf dem nächsten Blatt den König selbst. Don
1>'v!ipe, öl IKy', Aaiimol", 6, 7 alö adril 1635 stand da in großen steifen Zügen.
Dann folgte der ganze Jagdstaat des gekrönten Weidmanns, von Juun Maleos,
demi Oberbüchsenspanner, dem Grafen Olivares als "ü^bMviiiio in^por und dem
Condestabile von Kastilien, der das Arie des Oberjägcrmeisters bekleidete, bis hinunter
zu deu offiziellen Chronisten der königlichen Jagden, Joseph Pellicer de Tovar und
Alonso Martinez de Espinar. Die Blätter waren merkwürdigerweise alle in Format
und Papier übereinstimmend, es schien also, daß sich die Fürsten und die Granden
alle nacheinander in das gebundne Buch wie in ein Album eingetragen hatten.
Ich wollte nach dem Titelblatt sehen, weil ich annahm, daß sich dort eine Notiz über
die Herkunft des Bandes und die Art der Erwerbung vorfinden müßte, aber Sparr,
der meine Absicht zu errate" schien, nahm mir das Buch mit einer sonderbaren Hast
aus der Hand und ließ es durch den Professor wieder an seinen Platz stellen.

Ich könnte Ihnen noch ganz andre Handschriften zeigen, sagte er, indem er
sich zu einem Lächeln zwang, aber ich glaube, Sie werden sich davon überzeugt
haben, daß Sie mit Ihrem Namenszug in gute Gesellschaft kommen.

Professor Eberhard blieb neben dem Hausherrn stehn und schien weitere
Weisungen zu erwarten. Dabei war es mir, als ob seine Augen mit einem Aus¬
druck der Teilnahme auf mir ruhten, den ich mir nicht zu erklären vermochte, der
mich aber nach allem, was ich an diesem Abend schon erlebt hatte, nicht gerade
angenehm berührte. Als er sich dann auf einen Wink Sparrs entfernte, ballte er
hinter dessen Rücken die Faust. Da lachte dieser lant auf, rief deu arnieu Pro¬
fessor, der vor Schrecken kreidebleich geworden war, zurück und nötigte ihm eine
Zigarre auf, die Eberhard sofort anbrennen mußte. Er tat es mit sichtbarem Wider¬
streben, und ich bemerkte halb belustigt und halb entsetzt, daß der Rauch, den das
Männchen mit wahrer Todesverachtung von sich blies, einen eigentümlichen Schwefel¬
geruch hatte. Durch Eberhards Schicksal gewitzigt lehnte ich eine Zigarre, die mir
der Baron, allerdings aus einer andern Kiste, anbot, höflich aber bestimmt ab.

Wcihreud sich der Professor hustend zurückzog, nahm der Baron die Unter¬
haltung wieder ans.

Das Autogramm Philipps des Vierten ist eins meiner kostbarsten Stücke,
sagte er. Er war ebenso karg mit seiner Unterschrift wie mit seinen Worten. Es
gab Tage, wo er nicht ein einziges mal das Schweigen brach. Sie können sich
also vorstellen, wie schwer mit ihm umzugehn war, und was mich das Läppchen
Papier gekostet hat. Er kam mir immer vor wie eine wandelnde Leiche, seine
Züge waren wie versteinert, und wenn er ganze Nächte lang mit gefaltnen Händen
im Betstuhl saß, glich er mehr einem Wachsbilde als einem Menschen. Es gab
Leute, die von ihm glaubten, daß er überhaupt keine Seele habe. Aber da kannte
ich ihn doch besser, der König hatte eine Seele, aber sie schlief und erwachte nur
an deu Tagen, wo eine esrrei^ alö gamos, eine Hirschjagd, oder eine dvig. rgg,I, ein
eingestelltes Jagen, angesagt war. Bei einer solchen Gelegenheit hätten Sie ihn
sehen sollen! Da war er ganz Feuer, ganz Leben! Wie ein Jüngling tummelte
er unter den alten Eichen sein Roß; der Jagdspieß, den er mit beinahe übermensch¬
licher Kraft handhabte, verfehlte nie sein Ziel. In solchen Augenblicken wurde es
offenbar, daß er eine große, leidenschaftliche Seele hatte, eine Seele, um die sich
zu bemühen schon lohnte. Sie war denn auch mit einem Achtuudvierzigeuder nicht
zu teuer bezahlt.


Nach der Hühnerhunde

einen besonders starken heraus, den er, nachdem er den obern Schnitt an der
Innenseite seiner Joppe abgewischt hatte, dem Baron überreichte. Dieser schlug das
Buch auf und gab es mir in die Hand. Mitten auf der Seite stand nur eine einzige
mit einer rötlichen Tinte geschriebne Zeile, ans der ich nicht ohne Mühe die Worte
Don 1?si'llkuä(>, lukanto Oai'etoient, Lrusvlas, -1 13 av oolubro 1636 entzifferte.

Das ist Philipps des Vierten Bruder, der Kardinalinfant Ferdinand, der als
Statthalter von Flandern in Brüssel residierte, erklärte der Baron.

Ich blätterte zurück und sand auf dem nächsten Blatt den König selbst. Don
1>'v!ipe, öl IKy', Aaiimol», 6, 7 alö adril 1635 stand da in großen steifen Zügen.
Dann folgte der ganze Jagdstaat des gekrönten Weidmanns, von Juun Maleos,
demi Oberbüchsenspanner, dem Grafen Olivares als «ü^bMviiiio in^por und dem
Condestabile von Kastilien, der das Arie des Oberjägcrmeisters bekleidete, bis hinunter
zu deu offiziellen Chronisten der königlichen Jagden, Joseph Pellicer de Tovar und
Alonso Martinez de Espinar. Die Blätter waren merkwürdigerweise alle in Format
und Papier übereinstimmend, es schien also, daß sich die Fürsten und die Granden
alle nacheinander in das gebundne Buch wie in ein Album eingetragen hatten.
Ich wollte nach dem Titelblatt sehen, weil ich annahm, daß sich dort eine Notiz über
die Herkunft des Bandes und die Art der Erwerbung vorfinden müßte, aber Sparr,
der meine Absicht zu errate» schien, nahm mir das Buch mit einer sonderbaren Hast
aus der Hand und ließ es durch den Professor wieder an seinen Platz stellen.

Ich könnte Ihnen noch ganz andre Handschriften zeigen, sagte er, indem er
sich zu einem Lächeln zwang, aber ich glaube, Sie werden sich davon überzeugt
haben, daß Sie mit Ihrem Namenszug in gute Gesellschaft kommen.

Professor Eberhard blieb neben dem Hausherrn stehn und schien weitere
Weisungen zu erwarten. Dabei war es mir, als ob seine Augen mit einem Aus¬
druck der Teilnahme auf mir ruhten, den ich mir nicht zu erklären vermochte, der
mich aber nach allem, was ich an diesem Abend schon erlebt hatte, nicht gerade
angenehm berührte. Als er sich dann auf einen Wink Sparrs entfernte, ballte er
hinter dessen Rücken die Faust. Da lachte dieser lant auf, rief deu arnieu Pro¬
fessor, der vor Schrecken kreidebleich geworden war, zurück und nötigte ihm eine
Zigarre auf, die Eberhard sofort anbrennen mußte. Er tat es mit sichtbarem Wider¬
streben, und ich bemerkte halb belustigt und halb entsetzt, daß der Rauch, den das
Männchen mit wahrer Todesverachtung von sich blies, einen eigentümlichen Schwefel¬
geruch hatte. Durch Eberhards Schicksal gewitzigt lehnte ich eine Zigarre, die mir
der Baron, allerdings aus einer andern Kiste, anbot, höflich aber bestimmt ab.

Wcihreud sich der Professor hustend zurückzog, nahm der Baron die Unter¬
haltung wieder ans.

Das Autogramm Philipps des Vierten ist eins meiner kostbarsten Stücke,
sagte er. Er war ebenso karg mit seiner Unterschrift wie mit seinen Worten. Es
gab Tage, wo er nicht ein einziges mal das Schweigen brach. Sie können sich
also vorstellen, wie schwer mit ihm umzugehn war, und was mich das Läppchen
Papier gekostet hat. Er kam mir immer vor wie eine wandelnde Leiche, seine
Züge waren wie versteinert, und wenn er ganze Nächte lang mit gefaltnen Händen
im Betstuhl saß, glich er mehr einem Wachsbilde als einem Menschen. Es gab
Leute, die von ihm glaubten, daß er überhaupt keine Seele habe. Aber da kannte
ich ihn doch besser, der König hatte eine Seele, aber sie schlief und erwachte nur
an deu Tagen, wo eine esrrei^ alö gamos, eine Hirschjagd, oder eine dvig. rgg,I, ein
eingestelltes Jagen, angesagt war. Bei einer solchen Gelegenheit hätten Sie ihn
sehen sollen! Da war er ganz Feuer, ganz Leben! Wie ein Jüngling tummelte
er unter den alten Eichen sein Roß; der Jagdspieß, den er mit beinahe übermensch¬
licher Kraft handhabte, verfehlte nie sein Ziel. In solchen Augenblicken wurde es
offenbar, daß er eine große, leidenschaftliche Seele hatte, eine Seele, um die sich
zu bemühen schon lohnte. Sie war denn auch mit einem Achtuudvierzigeuder nicht
zu teuer bezahlt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296461"/>
          <fw type="header" place="top"> Nach der Hühnerhunde</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2420" prev="#ID_2419"> einen besonders starken heraus, den er, nachdem er den obern Schnitt an der<lb/>
Innenseite seiner Joppe abgewischt hatte, dem Baron überreichte. Dieser schlug das<lb/>
Buch auf und gab es mir in die Hand. Mitten auf der Seite stand nur eine einzige<lb/>
mit einer rötlichen Tinte geschriebne Zeile, ans der ich nicht ohne Mühe die Worte<lb/>
Don 1?si'llkuä(&gt;, lukanto Oai'etoient, Lrusvlas, -1 13 av oolubro 1636 entzifferte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2421"> Das ist Philipps des Vierten Bruder, der Kardinalinfant Ferdinand, der als<lb/>
Statthalter von Flandern in Brüssel residierte, erklärte der Baron.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2422"> Ich blätterte zurück und sand auf dem nächsten Blatt den König selbst. Don<lb/>
1&gt;'v!ipe, öl IKy', Aaiimol», 6, 7 alö adril 1635 stand da in großen steifen Zügen.<lb/>
Dann folgte der ganze Jagdstaat des gekrönten Weidmanns, von Juun Maleos,<lb/>
demi Oberbüchsenspanner, dem Grafen Olivares als «ü^bMviiiio in^por und dem<lb/>
Condestabile von Kastilien, der das Arie des Oberjägcrmeisters bekleidete, bis hinunter<lb/>
zu deu offiziellen Chronisten der königlichen Jagden, Joseph Pellicer de Tovar und<lb/>
Alonso Martinez de Espinar. Die Blätter waren merkwürdigerweise alle in Format<lb/>
und Papier übereinstimmend, es schien also, daß sich die Fürsten und die Granden<lb/>
alle nacheinander in das gebundne Buch wie in ein Album eingetragen hatten.<lb/>
Ich wollte nach dem Titelblatt sehen, weil ich annahm, daß sich dort eine Notiz über<lb/>
die Herkunft des Bandes und die Art der Erwerbung vorfinden müßte, aber Sparr,<lb/>
der meine Absicht zu errate» schien, nahm mir das Buch mit einer sonderbaren Hast<lb/>
aus der Hand und ließ es durch den Professor wieder an seinen Platz stellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2423"> Ich könnte Ihnen noch ganz andre Handschriften zeigen, sagte er, indem er<lb/>
sich zu einem Lächeln zwang, aber ich glaube, Sie werden sich davon überzeugt<lb/>
haben, daß Sie mit Ihrem Namenszug in gute Gesellschaft kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2424"> Professor Eberhard blieb neben dem Hausherrn stehn und schien weitere<lb/>
Weisungen zu erwarten. Dabei war es mir, als ob seine Augen mit einem Aus¬<lb/>
druck der Teilnahme auf mir ruhten, den ich mir nicht zu erklären vermochte, der<lb/>
mich aber nach allem, was ich an diesem Abend schon erlebt hatte, nicht gerade<lb/>
angenehm berührte. Als er sich dann auf einen Wink Sparrs entfernte, ballte er<lb/>
hinter dessen Rücken die Faust. Da lachte dieser lant auf, rief deu arnieu Pro¬<lb/>
fessor, der vor Schrecken kreidebleich geworden war, zurück und nötigte ihm eine<lb/>
Zigarre auf, die Eberhard sofort anbrennen mußte. Er tat es mit sichtbarem Wider¬<lb/>
streben, und ich bemerkte halb belustigt und halb entsetzt, daß der Rauch, den das<lb/>
Männchen mit wahrer Todesverachtung von sich blies, einen eigentümlichen Schwefel¬<lb/>
geruch hatte. Durch Eberhards Schicksal gewitzigt lehnte ich eine Zigarre, die mir<lb/>
der Baron, allerdings aus einer andern Kiste, anbot, höflich aber bestimmt ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2425"> Wcihreud sich der Professor hustend zurückzog, nahm der Baron die Unter¬<lb/>
haltung wieder ans.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2426"> Das Autogramm Philipps des Vierten ist eins meiner kostbarsten Stücke,<lb/>
sagte er. Er war ebenso karg mit seiner Unterschrift wie mit seinen Worten. Es<lb/>
gab Tage, wo er nicht ein einziges mal das Schweigen brach. Sie können sich<lb/>
also vorstellen, wie schwer mit ihm umzugehn war, und was mich das Läppchen<lb/>
Papier gekostet hat. Er kam mir immer vor wie eine wandelnde Leiche, seine<lb/>
Züge waren wie versteinert, und wenn er ganze Nächte lang mit gefaltnen Händen<lb/>
im Betstuhl saß, glich er mehr einem Wachsbilde als einem Menschen. Es gab<lb/>
Leute, die von ihm glaubten, daß er überhaupt keine Seele habe. Aber da kannte<lb/>
ich ihn doch besser, der König hatte eine Seele, aber sie schlief und erwachte nur<lb/>
an deu Tagen, wo eine esrrei^ alö gamos, eine Hirschjagd, oder eine dvig. rgg,I, ein<lb/>
eingestelltes Jagen, angesagt war. Bei einer solchen Gelegenheit hätten Sie ihn<lb/>
sehen sollen! Da war er ganz Feuer, ganz Leben! Wie ein Jüngling tummelte<lb/>
er unter den alten Eichen sein Roß; der Jagdspieß, den er mit beinahe übermensch¬<lb/>
licher Kraft handhabte, verfehlte nie sein Ziel. In solchen Augenblicken wurde es<lb/>
offenbar, daß er eine große, leidenschaftliche Seele hatte, eine Seele, um die sich<lb/>
zu bemühen schon lohnte. Sie war denn auch mit einem Achtuudvierzigeuder nicht<lb/>
zu teuer bezahlt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0450] Nach der Hühnerhunde einen besonders starken heraus, den er, nachdem er den obern Schnitt an der Innenseite seiner Joppe abgewischt hatte, dem Baron überreichte. Dieser schlug das Buch auf und gab es mir in die Hand. Mitten auf der Seite stand nur eine einzige mit einer rötlichen Tinte geschriebne Zeile, ans der ich nicht ohne Mühe die Worte Don 1?si'llkuä(>, lukanto Oai'etoient, Lrusvlas, -1 13 av oolubro 1636 entzifferte. Das ist Philipps des Vierten Bruder, der Kardinalinfant Ferdinand, der als Statthalter von Flandern in Brüssel residierte, erklärte der Baron. Ich blätterte zurück und sand auf dem nächsten Blatt den König selbst. Don 1>'v!ipe, öl IKy', Aaiimol», 6, 7 alö adril 1635 stand da in großen steifen Zügen. Dann folgte der ganze Jagdstaat des gekrönten Weidmanns, von Juun Maleos, demi Oberbüchsenspanner, dem Grafen Olivares als «ü^bMviiiio in^por und dem Condestabile von Kastilien, der das Arie des Oberjägcrmeisters bekleidete, bis hinunter zu deu offiziellen Chronisten der königlichen Jagden, Joseph Pellicer de Tovar und Alonso Martinez de Espinar. Die Blätter waren merkwürdigerweise alle in Format und Papier übereinstimmend, es schien also, daß sich die Fürsten und die Granden alle nacheinander in das gebundne Buch wie in ein Album eingetragen hatten. Ich wollte nach dem Titelblatt sehen, weil ich annahm, daß sich dort eine Notiz über die Herkunft des Bandes und die Art der Erwerbung vorfinden müßte, aber Sparr, der meine Absicht zu errate» schien, nahm mir das Buch mit einer sonderbaren Hast aus der Hand und ließ es durch den Professor wieder an seinen Platz stellen. Ich könnte Ihnen noch ganz andre Handschriften zeigen, sagte er, indem er sich zu einem Lächeln zwang, aber ich glaube, Sie werden sich davon überzeugt haben, daß Sie mit Ihrem Namenszug in gute Gesellschaft kommen. Professor Eberhard blieb neben dem Hausherrn stehn und schien weitere Weisungen zu erwarten. Dabei war es mir, als ob seine Augen mit einem Aus¬ druck der Teilnahme auf mir ruhten, den ich mir nicht zu erklären vermochte, der mich aber nach allem, was ich an diesem Abend schon erlebt hatte, nicht gerade angenehm berührte. Als er sich dann auf einen Wink Sparrs entfernte, ballte er hinter dessen Rücken die Faust. Da lachte dieser lant auf, rief deu arnieu Pro¬ fessor, der vor Schrecken kreidebleich geworden war, zurück und nötigte ihm eine Zigarre auf, die Eberhard sofort anbrennen mußte. Er tat es mit sichtbarem Wider¬ streben, und ich bemerkte halb belustigt und halb entsetzt, daß der Rauch, den das Männchen mit wahrer Todesverachtung von sich blies, einen eigentümlichen Schwefel¬ geruch hatte. Durch Eberhards Schicksal gewitzigt lehnte ich eine Zigarre, die mir der Baron, allerdings aus einer andern Kiste, anbot, höflich aber bestimmt ab. Wcihreud sich der Professor hustend zurückzog, nahm der Baron die Unter¬ haltung wieder ans. Das Autogramm Philipps des Vierten ist eins meiner kostbarsten Stücke, sagte er. Er war ebenso karg mit seiner Unterschrift wie mit seinen Worten. Es gab Tage, wo er nicht ein einziges mal das Schweigen brach. Sie können sich also vorstellen, wie schwer mit ihm umzugehn war, und was mich das Läppchen Papier gekostet hat. Er kam mir immer vor wie eine wandelnde Leiche, seine Züge waren wie versteinert, und wenn er ganze Nächte lang mit gefaltnen Händen im Betstuhl saß, glich er mehr einem Wachsbilde als einem Menschen. Es gab Leute, die von ihm glaubten, daß er überhaupt keine Seele habe. Aber da kannte ich ihn doch besser, der König hatte eine Seele, aber sie schlief und erwachte nur an deu Tagen, wo eine esrrei^ alö gamos, eine Hirschjagd, oder eine dvig. rgg,I, ein eingestelltes Jagen, angesagt war. Bei einer solchen Gelegenheit hätten Sie ihn sehen sollen! Da war er ganz Feuer, ganz Leben! Wie ein Jüngling tummelte er unter den alten Eichen sein Roß; der Jagdspieß, den er mit beinahe übermensch¬ licher Kraft handhabte, verfehlte nie sein Ziel. In solchen Augenblicken wurde es offenbar, daß er eine große, leidenschaftliche Seele hatte, eine Seele, um die sich zu bemühen schon lohnte. Sie war denn auch mit einem Achtuudvierzigeuder nicht zu teuer bezahlt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/450
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/450>, abgerufen am 15.01.2025.