Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Nach der Hühnerhunde kleinen Turmes, der sich über der Mitte des Gebäudes erhob, schimmerten ini Mond¬ Bei unsrer Annäherung schlug eine ganze Meute von Hunden an, und als Der Herr werden wohl zunächst ein wenig Toilette zu machen und einen Ich trat an eins der Fenster, warf einen Blick in den Hof, wo der Kutscher Die Viertelstunde konnte kaum verstrichen sein, als der Bediente wieder ein¬ Ist der Herr Baron eigentlich verheiratet? fragte ich, da ich Gewißheit darüber Nein, der gnädige Herr sind Junggeselle, antwortete der Alte mit einem Dann ist wohl überhaupt keine Dame im Hause? fragte ich weiter. Bis vor einigen Jahren wohnte die Frau Großmutter des gnädigen Herrn So -- sagte ich etwas verdutzt, das ist mir interessant. Die alte Dame muß Die jüngste ist sie freilich nicht mehr, erwiderte der dienstbare Geist diplo¬ Der Herr Baron ist ja allerdings noch ein verhältnismäßig junger Mann, Grenzboten IV 1905 51
Nach der Hühnerhunde kleinen Turmes, der sich über der Mitte des Gebäudes erhob, schimmerten ini Mond¬ Bei unsrer Annäherung schlug eine ganze Meute von Hunden an, und als Der Herr werden wohl zunächst ein wenig Toilette zu machen und einen Ich trat an eins der Fenster, warf einen Blick in den Hof, wo der Kutscher Die Viertelstunde konnte kaum verstrichen sein, als der Bediente wieder ein¬ Ist der Herr Baron eigentlich verheiratet? fragte ich, da ich Gewißheit darüber Nein, der gnädige Herr sind Junggeselle, antwortete der Alte mit einem Dann ist wohl überhaupt keine Dame im Hause? fragte ich weiter. Bis vor einigen Jahren wohnte die Frau Großmutter des gnädigen Herrn So — sagte ich etwas verdutzt, das ist mir interessant. Die alte Dame muß Die jüngste ist sie freilich nicht mehr, erwiderte der dienstbare Geist diplo¬ Der Herr Baron ist ja allerdings noch ein verhältnismäßig junger Mann, Grenzboten IV 1905 51
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Nach der Hühnerhunde
kleinen Turmes, der sich über der Mitte des Gebäudes erhob, schimmerten ini Mond¬
licht, und tels Ganze machte, soweit ich bei der schnellen Fahrt um das Rondell beur¬
teilen konnte, den behaglich-vornehmen Eindruck eines altertümlichen Landadelsitzes.
Bei unsrer Annäherung schlug eine ganze Meute von Hunden an, und als
der Wagen auf der von einem langen, ans Säulen ruhenden Balkon überdachten
Rampe hielt, wurde die Haustür aufgerissen. Ein alter Bedienter, der wie die
beiden auf dem Bock eine dunkelgrüne Livree trug, trat aus dem Hanse, öffnete
den Wagenschlag und half mir heraus, während sein Kollege vom Bock sprang
und sich meines Gepäcks bemächtigte. Man führte mich über einen geräumigen,
mit weißen Marmorfliesen getäfelten Vorsnal, an dessen Wänden Hirschgeweihe von
ungewöhnlicher Stärke und Endenzahl prangten, und geleitete mich die breite Frei¬
treppe hinauf in ein Gemach, dessen Fenster nach der Hofseite schauten. Der Be¬
diente, der mir Rucksack und Gewehr nachgetragen hatte, entfernte sich, und der
Alte zündete an seinem Windlicht ein paar Wachskerzen an, die in schweren silbernen
Leuchtern steckten.
Der Herr werden wohl zunächst ein wenig Toilette zu machen und einen
kleinen Imbiß einzunehmen wünschen, bevor ich Sie beim Herrn Baron melde, sagte
er höflich aber zugleich so bestimmt, als verkörpere er selbst eine strenge Haus¬
ordnung, ich werde also in einer Viertelstunde das Souper servieren. Damit ver¬
ließ er das Zimmer.
Ich trat an eins der Fenster, warf einen Blick in den Hof, wo der Kutscher
gerade dabei war, die Rappen aufzuspannen, und begann dann damit, meinen äußern
Menschen in einen einigermaßen gesellschaftsfähigen Zustand zu versetzen. Ich legte
die Joppe ab, vertauschte die schwere» nassen Stiefel mit leichten Lederschuhen
und unterzog mich einer gründlichen Waschung. Während des Abtrvcknens hielt
ich in dem Gemache Umschau. Es war el» ziemlich hohes Zimmer, dessen Boden
mit einem weichen, altmodischen Teppich belegt war, und dessen Einrichtung aus
deu zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu stammen schien. Das Bett,
der Waschtisch, der Pfeilerspiegel und die Stühle waren aus stark nachgedunkelten
Mahagoniholz, und an deu mit einer braunen Ledertapete bekleideten Wänden
hingen alte Kupferstiche, die Szenen ans dem „Freischütz" und ähnliche weidmännisch¬
romantische Motive darstellten.
Die Viertelstunde konnte kaum verstrichen sein, als der Bediente wieder ein¬
trat. Er trug ein Tablett mit verdeckten Schüsseln, einer Flasche Wein und dem
nötigen Speisegerät, breitete ein Leinentuch über den Tisch und stellte alles darauf.
Während er damit beschäftigt war, versuchte ich, aus ihm etwas näheres über meinen
geheimnisvollen Wirt herauszubekommen.
Ist der Herr Baron eigentlich verheiratet? fragte ich, da ich Gewißheit darüber
haben wollte, ob ich mich in meinem schon etwas strapazierten Jagdkostüm auch vor
der Dame des Hauses präsentieren müßte.
Nein, der gnädige Herr sind Junggeselle, antwortete der Alte mit einem
seinen Lächeln, indem er die Flasche entkorkte.
Dann ist wohl überhaupt keine Dame im Hause? fragte ich weiter.
Bis vor einigen Jahren wohnte die Frau Großmutter des gnädigen Herrn
hier, aber die hat sich nun ganz auf den Automobilsport gelegt und lebt nieist an
der Riviera. Seitdem haben wir uns ohne Hausfrau behelfen müssen.
So — sagte ich etwas verdutzt, das ist mir interessant. Die alte Dame muß
"°es schon hoch in den Jahren sein — ?
Die jüngste ist sie freilich nicht mehr, erwiderte der dienstbare Geist diplo¬
matisch und offenbar entschlossen, keine Indiskretion zu begehn.
Der Herr Baron ist ja allerdings noch ein verhältnismäßig junger Mann,
fuhr ich ebenso diplomatisch fort, obgleich ich über das Alter meines Wirtes nicht
einmal Vermutungen hegen konnte, da ich von seiner Existenz vor einer Stunde
überhaupt noch keine Ahnung gehabt hatte.
Grenzboten IV 1905 51
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