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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Nach der Hühnerhunde

Schlingen vom Gürtel und schleuderte sie ins Dickicht, denn es lag mir daran, die
Fiktion, als käme ich direkt vom Bahnhof, aufrecht zu erhalten. Es war nur ein
wahres Glück, daß ich den Drilling und nicht die Doppelflinte bei mir hatte!

Die beiden Männer auf dem Bock verhielten sich schweigend, allerdings mochte
der Kutscher auch genug mit seinen Rappen zu tun haben, die vor jedem Birken¬
stamm, Vor jeder im Mondschein blinkenden Wasserlache scheuten, und die so auf¬
geregt waren, daß eine richtige Dampfwolke von ihren glatten zitternden Körpern
aufstieg, während weiße Schaumflocken um sie her stoben. Ans einem Kreuzweg
am Waldrande stand eine dunkle Gestalt, die uns mit ausgebreiteten Armen den
Weg zu versperren schien. Die Pferde bäumten vor ihr empor und wollten aus¬
biegen, aber der Kutscher riß sie herum und trieb sie mit einem brutalen Peitschen¬
hieb gerade auf die Gestalt los, die unter ihren Hufen niedersank und sich ächzend
in den Graben wälzte. Ich war über diese Roheit empört und verlangte mit
aller Bestimmtheit, daß der Kutscher anhalten sollte. Er tat es mit einigem Wider¬
streben und meinte höhnisch: Wer heißt den Schuft, sich hier mitten auf den Weg
stellen und mir die Pferde scheu machen! Nun mag er zusehen, wie er seine Knochen
nach Hause bringt!

Ich ließ mich durch diese Lieblosigkeit nicht abhalten, aus dem Wagen zu springen
und nach der Stelle zurückzueilen, wo der Überfahrne liegen mußte. Der Bediente
folgte meinem Beispiel. Einen Augenblick später kehrte ich jedoch ziemlich kleinlaut
zum Wagen zurück. Was da im Graben lag, war weiter nichts als eine umge-
worfne Wildscheuche, wie sie die Bauern hier und da an Orten aufzurichten Pflegen,
wo ein Wechsel aus dem Forste auf die Feldflur führt. Und doch hätte ich darauf
schwören mögen, daß sich die Erscheinung wie ein menschliches Wesen bewegt und
einen Schrei ausgestoßen habe!

Wir fuhren eine Weile im Walde hin und kamen dann über eine weite
Lichtung, die von einem breiten Wassergraben durchzogen wurde. Links dehnten
sich Wiesen und niedrige Erlenbüsche, rechts schimmerte zwischen hohem Schilf der
Spiegel eines Teiches. Die Gegend kam mir bekannt vor; hier war ich schon ein¬
mal gewesen. Richtig! Dort traf der Damm auf die Landstraße, der die Benker
Teiche nach Westen zu einschließt. Ich war also, wieder auf dem Beckwitzer Revier,
dort links hinter der Baumgruppe mußte der "Stille Winkel" liegen, Wo ich am
31. Mai den Pfropfenzieherbock zur Strecke gebracht hatte. Desto mehr erstaunte
ich, als mir der Kutscher auf meine Frage, wie lange wir noch bis Hellental zu
fahren hätten, die Autwort gab: Keine zehn Minuten mehr!

Seltsam! Ich hatte mir das Beckwitzer Revier und seine weitere Umgebung
oft genug auf den Meßtischblättern der Generalstabskarte angesehen und glaubte
gerade in dieser Gegend, wo ich schon häufiger gejagt hatte, wenn auch nicht jeden
Weg und Steg, so doch jeden Ort und jedes Gehöft zu kennen. Wie mochte es
kommen, daß ich von einem Schlosse, das hier in der Nähe sein sollte, nie etwas
gehört oder gelesen hatte? Der Wagen verließ die Straße und fuhr quer in eine
Wiese hinein, die sich wie eine breite Schneise in den Wald zog und an den
Rändern mit Buschwerk bestanden war. Auch diese Lokalität war mir bekannt;
ich hatte mich schon darüber gewundert, daß dieser Nevierteil den Namen "Schlo߬
wiese" führte. Es schien also doch Wohl ein Schloß hier in der Nähe zu sein,
das mir durch einen Zufall bisher gänzlich entgangen war.

Wir passierten die Beckwitzer Grenze, und ich bemerkte zu meinem Erstaunen,
daß sich die Wiese auf der andern Seite noch eine bedeutende Strecke weit fort¬
setzte. Plötzlich fuhren wir an einer nicht gerade steil abfallenden Böschung empor
und rollten nun auf einer ziemlich breiten Straße dahin, die schnurgerade auf ein
von gewaltigen Bäumen umgebnes Rasenrondell führte, auf dessen entgegengesetzter
Seite ein langes einstöckiges Gebäude, offenbar das Hellentaler Schloß, lag. Die
Fenster des Erdgeschosses waren ohne Ausnahme erleuchtet, während der obere Stock
völlig unbewohnt zu sein schien. Das steile Ziegeldach und der kupferne Heini des


Nach der Hühnerhunde

Schlingen vom Gürtel und schleuderte sie ins Dickicht, denn es lag mir daran, die
Fiktion, als käme ich direkt vom Bahnhof, aufrecht zu erhalten. Es war nur ein
wahres Glück, daß ich den Drilling und nicht die Doppelflinte bei mir hatte!

Die beiden Männer auf dem Bock verhielten sich schweigend, allerdings mochte
der Kutscher auch genug mit seinen Rappen zu tun haben, die vor jedem Birken¬
stamm, Vor jeder im Mondschein blinkenden Wasserlache scheuten, und die so auf¬
geregt waren, daß eine richtige Dampfwolke von ihren glatten zitternden Körpern
aufstieg, während weiße Schaumflocken um sie her stoben. Ans einem Kreuzweg
am Waldrande stand eine dunkle Gestalt, die uns mit ausgebreiteten Armen den
Weg zu versperren schien. Die Pferde bäumten vor ihr empor und wollten aus¬
biegen, aber der Kutscher riß sie herum und trieb sie mit einem brutalen Peitschen¬
hieb gerade auf die Gestalt los, die unter ihren Hufen niedersank und sich ächzend
in den Graben wälzte. Ich war über diese Roheit empört und verlangte mit
aller Bestimmtheit, daß der Kutscher anhalten sollte. Er tat es mit einigem Wider¬
streben und meinte höhnisch: Wer heißt den Schuft, sich hier mitten auf den Weg
stellen und mir die Pferde scheu machen! Nun mag er zusehen, wie er seine Knochen
nach Hause bringt!

Ich ließ mich durch diese Lieblosigkeit nicht abhalten, aus dem Wagen zu springen
und nach der Stelle zurückzueilen, wo der Überfahrne liegen mußte. Der Bediente
folgte meinem Beispiel. Einen Augenblick später kehrte ich jedoch ziemlich kleinlaut
zum Wagen zurück. Was da im Graben lag, war weiter nichts als eine umge-
worfne Wildscheuche, wie sie die Bauern hier und da an Orten aufzurichten Pflegen,
wo ein Wechsel aus dem Forste auf die Feldflur führt. Und doch hätte ich darauf
schwören mögen, daß sich die Erscheinung wie ein menschliches Wesen bewegt und
einen Schrei ausgestoßen habe!

Wir fuhren eine Weile im Walde hin und kamen dann über eine weite
Lichtung, die von einem breiten Wassergraben durchzogen wurde. Links dehnten
sich Wiesen und niedrige Erlenbüsche, rechts schimmerte zwischen hohem Schilf der
Spiegel eines Teiches. Die Gegend kam mir bekannt vor; hier war ich schon ein¬
mal gewesen. Richtig! Dort traf der Damm auf die Landstraße, der die Benker
Teiche nach Westen zu einschließt. Ich war also, wieder auf dem Beckwitzer Revier,
dort links hinter der Baumgruppe mußte der „Stille Winkel" liegen, Wo ich am
31. Mai den Pfropfenzieherbock zur Strecke gebracht hatte. Desto mehr erstaunte
ich, als mir der Kutscher auf meine Frage, wie lange wir noch bis Hellental zu
fahren hätten, die Autwort gab: Keine zehn Minuten mehr!

Seltsam! Ich hatte mir das Beckwitzer Revier und seine weitere Umgebung
oft genug auf den Meßtischblättern der Generalstabskarte angesehen und glaubte
gerade in dieser Gegend, wo ich schon häufiger gejagt hatte, wenn auch nicht jeden
Weg und Steg, so doch jeden Ort und jedes Gehöft zu kennen. Wie mochte es
kommen, daß ich von einem Schlosse, das hier in der Nähe sein sollte, nie etwas
gehört oder gelesen hatte? Der Wagen verließ die Straße und fuhr quer in eine
Wiese hinein, die sich wie eine breite Schneise in den Wald zog und an den
Rändern mit Buschwerk bestanden war. Auch diese Lokalität war mir bekannt;
ich hatte mich schon darüber gewundert, daß dieser Nevierteil den Namen „Schlo߬
wiese" führte. Es schien also doch Wohl ein Schloß hier in der Nähe zu sein,
das mir durch einen Zufall bisher gänzlich entgangen war.

Wir passierten die Beckwitzer Grenze, und ich bemerkte zu meinem Erstaunen,
daß sich die Wiese auf der andern Seite noch eine bedeutende Strecke weit fort¬
setzte. Plötzlich fuhren wir an einer nicht gerade steil abfallenden Böschung empor
und rollten nun auf einer ziemlich breiten Straße dahin, die schnurgerade auf ein
von gewaltigen Bäumen umgebnes Rasenrondell führte, auf dessen entgegengesetzter
Seite ein langes einstöckiges Gebäude, offenbar das Hellentaler Schloß, lag. Die
Fenster des Erdgeschosses waren ohne Ausnahme erleuchtet, während der obere Stock
völlig unbewohnt zu sein schien. Das steile Ziegeldach und der kupferne Heini des


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[0396] Nach der Hühnerhunde Schlingen vom Gürtel und schleuderte sie ins Dickicht, denn es lag mir daran, die Fiktion, als käme ich direkt vom Bahnhof, aufrecht zu erhalten. Es war nur ein wahres Glück, daß ich den Drilling und nicht die Doppelflinte bei mir hatte! Die beiden Männer auf dem Bock verhielten sich schweigend, allerdings mochte der Kutscher auch genug mit seinen Rappen zu tun haben, die vor jedem Birken¬ stamm, Vor jeder im Mondschein blinkenden Wasserlache scheuten, und die so auf¬ geregt waren, daß eine richtige Dampfwolke von ihren glatten zitternden Körpern aufstieg, während weiße Schaumflocken um sie her stoben. Ans einem Kreuzweg am Waldrande stand eine dunkle Gestalt, die uns mit ausgebreiteten Armen den Weg zu versperren schien. Die Pferde bäumten vor ihr empor und wollten aus¬ biegen, aber der Kutscher riß sie herum und trieb sie mit einem brutalen Peitschen¬ hieb gerade auf die Gestalt los, die unter ihren Hufen niedersank und sich ächzend in den Graben wälzte. Ich war über diese Roheit empört und verlangte mit aller Bestimmtheit, daß der Kutscher anhalten sollte. Er tat es mit einigem Wider¬ streben und meinte höhnisch: Wer heißt den Schuft, sich hier mitten auf den Weg stellen und mir die Pferde scheu machen! Nun mag er zusehen, wie er seine Knochen nach Hause bringt! Ich ließ mich durch diese Lieblosigkeit nicht abhalten, aus dem Wagen zu springen und nach der Stelle zurückzueilen, wo der Überfahrne liegen mußte. Der Bediente folgte meinem Beispiel. Einen Augenblick später kehrte ich jedoch ziemlich kleinlaut zum Wagen zurück. Was da im Graben lag, war weiter nichts als eine umge- worfne Wildscheuche, wie sie die Bauern hier und da an Orten aufzurichten Pflegen, wo ein Wechsel aus dem Forste auf die Feldflur führt. Und doch hätte ich darauf schwören mögen, daß sich die Erscheinung wie ein menschliches Wesen bewegt und einen Schrei ausgestoßen habe! Wir fuhren eine Weile im Walde hin und kamen dann über eine weite Lichtung, die von einem breiten Wassergraben durchzogen wurde. Links dehnten sich Wiesen und niedrige Erlenbüsche, rechts schimmerte zwischen hohem Schilf der Spiegel eines Teiches. Die Gegend kam mir bekannt vor; hier war ich schon ein¬ mal gewesen. Richtig! Dort traf der Damm auf die Landstraße, der die Benker Teiche nach Westen zu einschließt. Ich war also, wieder auf dem Beckwitzer Revier, dort links hinter der Baumgruppe mußte der „Stille Winkel" liegen, Wo ich am 31. Mai den Pfropfenzieherbock zur Strecke gebracht hatte. Desto mehr erstaunte ich, als mir der Kutscher auf meine Frage, wie lange wir noch bis Hellental zu fahren hätten, die Autwort gab: Keine zehn Minuten mehr! Seltsam! Ich hatte mir das Beckwitzer Revier und seine weitere Umgebung oft genug auf den Meßtischblättern der Generalstabskarte angesehen und glaubte gerade in dieser Gegend, wo ich schon häufiger gejagt hatte, wenn auch nicht jeden Weg und Steg, so doch jeden Ort und jedes Gehöft zu kennen. Wie mochte es kommen, daß ich von einem Schlosse, das hier in der Nähe sein sollte, nie etwas gehört oder gelesen hatte? Der Wagen verließ die Straße und fuhr quer in eine Wiese hinein, die sich wie eine breite Schneise in den Wald zog und an den Rändern mit Buschwerk bestanden war. Auch diese Lokalität war mir bekannt; ich hatte mich schon darüber gewundert, daß dieser Nevierteil den Namen „Schlo߬ wiese" führte. Es schien also doch Wohl ein Schloß hier in der Nähe zu sein, das mir durch einen Zufall bisher gänzlich entgangen war. Wir passierten die Beckwitzer Grenze, und ich bemerkte zu meinem Erstaunen, daß sich die Wiese auf der andern Seite noch eine bedeutende Strecke weit fort¬ setzte. Plötzlich fuhren wir an einer nicht gerade steil abfallenden Böschung empor und rollten nun auf einer ziemlich breiten Straße dahin, die schnurgerade auf ein von gewaltigen Bäumen umgebnes Rasenrondell führte, auf dessen entgegengesetzter Seite ein langes einstöckiges Gebäude, offenbar das Hellentaler Schloß, lag. Die Fenster des Erdgeschosses waren ohne Ausnahme erleuchtet, während der obere Stock völlig unbewohnt zu sein schien. Das steile Ziegeldach und der kupferne Heini des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/396>, abgerufen am 15.01.2025.