Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Nach der Hühnerhunde zeugung, daß ich mich nicht getäuscht hatte, und daß sich das Fuhrwerk in außer¬ Verzeihen der Herr gütigst, sagte er, wir haben den Auftrag, Sie vom Bahn¬ Er öffnete den Schlag, nahm mir Gewehr und Rucksack ab und legte sie in Von wem kommen Sie? fragte ich. . . Vom gnädigen Herrn Baron von Sparr auf Schloß Hellental, erwiderte der Der Dreißigender? Ich mußte bet dieser Frage wohl ein ziemlich erstauntes Die Hirsche haben auf dem Reviere des gnädigen Herrn dieses Jahr unge¬ Ein Revier, wo man den Gästen Dreißigender vorsetzte, und wo man über¬ Der Wagen hatte sich in Bewegung gesetzt und rollte so schnell dahin daß Nach der Hühnerhunde zeugung, daß ich mich nicht getäuscht hatte, und daß sich das Fuhrwerk in außer¬ Verzeihen der Herr gütigst, sagte er, wir haben den Auftrag, Sie vom Bahn¬ Er öffnete den Schlag, nahm mir Gewehr und Rucksack ab und legte sie in Von wem kommen Sie? fragte ich. . . Vom gnädigen Herrn Baron von Sparr auf Schloß Hellental, erwiderte der Der Dreißigender? Ich mußte bet dieser Frage wohl ein ziemlich erstauntes Die Hirsche haben auf dem Reviere des gnädigen Herrn dieses Jahr unge¬ Ein Revier, wo man den Gästen Dreißigender vorsetzte, und wo man über¬ Der Wagen hatte sich in Bewegung gesetzt und rollte so schnell dahin daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296406"/> <fw type="header" place="top"> Nach der Hühnerhunde</fw><lb/> <p xml:id="ID_2236" prev="#ID_2235"> zeugung, daß ich mich nicht getäuscht hatte, und daß sich das Fuhrwerk in außer¬<lb/> ordentlich schnellem Tempo näherte. Ein paar Sekunden später blitzten die<lb/> Wagenlaternen auf, und nun konnte ich erkennen, daß es ein leichter, mit zwei<lb/> feurigen Rappen bespannter Jagdwagen war, auf dessen Bock ein Kutscher und<lb/> ein Bedienter in dunkler Livree saßen. Ich glaubte schon, die beiden Männer<lb/> hätten mich bei ihrer rasenden Fahrt nicht bemerkt, als plötzlich die Pferde ange¬<lb/> halten wurden und auf der Stelle wie angewurzelt standen. Der Bediente schwang<lb/> sich vom Bock, lüftete den Hut und trat auf mich zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_2237"> Verzeihen der Herr gütigst, sagte er, wir haben den Auftrag, Sie vom Bahn¬<lb/> hof abzuholen, hatten aber unterwegs einen kleinen Unfall mit Dante — er wies<lb/> bei diesen Worten auf das Sattelpferd, dessen mit Straßenkot beschmutzte Flanke<lb/> verriet, daß es kurz Vorher gestürzt sein mußte — und haben uns deshalb ver¬<lb/> spätet. Am Bahnhofe hörten wir, daß der Herr zu Fuß gegangen sei, und da<lb/> sind wir scharf gefahren, um Sie noch auf der Chaussee zu erreichen. Wenn es<lb/> dem Herrn gefällig ist, einzusteigen — , ^ , .</p><lb/> <p xml:id="ID_2238"> Er öffnete den Schlag, nahm mir Gewehr und Rucksack ab und legte sie in<lb/> den Wagen. Die Situation begann mich zu belustigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2239"> Von wem kommen Sie? fragte ich. . .</p><lb/> <p xml:id="ID_2240"> Vom gnädigen Herrn Baron von Sparr auf Schloß Hellental, erwiderte der<lb/> Bediente. Der gnädige Herr heißt Sie willkommen und läßt dem Herrn sagen,<lb/> der Dreißigender stünde zu Ihrer Verfügung.</p><lb/> <p xml:id="ID_2241"> Der Dreißigender? Ich mußte bet dieser Frage wohl ein ziemlich erstauntes<lb/> Gesicht gemacht haben, denn ich glaubte zu erkennen, daß um den Mund des dienst¬<lb/> baren Geistes ein spöttisches Lächeln spielte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2242"> Die Hirsche haben auf dem Reviere des gnädigen Herrn dieses Jahr unge¬<lb/> wöhnlich gut auf. erklärte er, allerdings läßt der Herr Baron auch schonen, wo er<lb/> kann, und die Herren Jagdgäste dürfen nur ganz kapitale Stücke schießen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2243"> Ein Revier, wo man den Gästen Dreißigender vorsetzte, und wo man über¬<lb/> haupt darauf hielt, daß nur ganz kapitale zum Schuß kamen, hatte für mich den<lb/> Reiz der Neuheit In der ohnehin etwas verwegnen Stimmung, worin ich nach<lb/> den Erlebnissen der letzten Stunden begreiflicherweise war, beschloß ich, es darauf<lb/> ankommen zu lassen, ob der beneidenswerte Baron in mir den erwarteten Jagdgast<lb/> wirklich erkennen würde, und stieg deshalb mit einer mehr als edeln Dreistigkeit in<lb/> den Wagen. War ich einmal in Hellental, so kalkulierte ich mit einer Logik, die<lb/> für meinen Zustand und die vorgerückte Stunde gar nicht übel war, so konnte muh<lb/> der Baron, wenn er das Versehen seiner Leute bemerkte, doch nicht ohne weiteres<lb/> Wieder auf die Landstraße setzen, sondern mußte mich mit der Gastfreundschaft, die<lb/> ja eine der Kardinaltugenden des deutschen Adels ist, dabehalten und schlimmsten¬<lb/> falls mit einem Sechsundzwanzigender oder Vierundzwanzigender abspeisen. Ans<lb/> dem Dreißigender wollte ich gar nicht einmal bestehn, in solchen Dingen lasse ich<lb/> S°nz gern mit mir handeln, vorausgesetzt daß die Stangen stark und gut geperlt<lb/> ob. und daß die Auslage nichts zu wünschen übrig läßt Aber die Redakttons-<lb/> fchung morgen Nachmittag? Mit Zentnerschwere fiel es mir auf die Seele. Was<lb/> l°ille ich tun? Wenn ich jetzt nach Hellental fuhr, konnte ich Frertag um fünf<lb/> nicht in Leipzig in der Jnselstraße sein. Benachrichtigen konnte ich die Herren<lb/> "und nicht mehr, es würde also wohl eine peinliche Auseinandersetzung geben- Aber<lb/> ^f der andern Seite ein Sechsundzwanzig-, wenn nicht gar ein Dreißigender!<lb/> Wer hätte sich da noch lange besinnen können! Wer weiß auch ob mir eme solche<lb/> Gelegenheit w Leben jemals wieder geboten würde! Also vorwärts nach Hellental!</p><lb/> <p xml:id="ID_2244" next="#ID_2245"> Der Wagen hatte sich in Bewegung gesetzt und rollte so schnell dahin daß<lb/> wir der Atem z» vergehn drohte. Seltsamerweise verließ er unmittelbar hinter<lb/> der Scharfrichterei die Landstraße und fuhr auf einem Wege, den ich früher >rie<lb/> bemerkt hatte, in gerader Richtung auf den Wald zu. An einer finstern Stelle,<lb/> während wir ein schmales Vorgehölz passierten, löste ich die Hühner samt den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0395]
Nach der Hühnerhunde
zeugung, daß ich mich nicht getäuscht hatte, und daß sich das Fuhrwerk in außer¬
ordentlich schnellem Tempo näherte. Ein paar Sekunden später blitzten die
Wagenlaternen auf, und nun konnte ich erkennen, daß es ein leichter, mit zwei
feurigen Rappen bespannter Jagdwagen war, auf dessen Bock ein Kutscher und
ein Bedienter in dunkler Livree saßen. Ich glaubte schon, die beiden Männer
hätten mich bei ihrer rasenden Fahrt nicht bemerkt, als plötzlich die Pferde ange¬
halten wurden und auf der Stelle wie angewurzelt standen. Der Bediente schwang
sich vom Bock, lüftete den Hut und trat auf mich zu.
Verzeihen der Herr gütigst, sagte er, wir haben den Auftrag, Sie vom Bahn¬
hof abzuholen, hatten aber unterwegs einen kleinen Unfall mit Dante — er wies
bei diesen Worten auf das Sattelpferd, dessen mit Straßenkot beschmutzte Flanke
verriet, daß es kurz Vorher gestürzt sein mußte — und haben uns deshalb ver¬
spätet. Am Bahnhofe hörten wir, daß der Herr zu Fuß gegangen sei, und da
sind wir scharf gefahren, um Sie noch auf der Chaussee zu erreichen. Wenn es
dem Herrn gefällig ist, einzusteigen — , ^ , .
Er öffnete den Schlag, nahm mir Gewehr und Rucksack ab und legte sie in
den Wagen. Die Situation begann mich zu belustigen.
Von wem kommen Sie? fragte ich. . .
Vom gnädigen Herrn Baron von Sparr auf Schloß Hellental, erwiderte der
Bediente. Der gnädige Herr heißt Sie willkommen und läßt dem Herrn sagen,
der Dreißigender stünde zu Ihrer Verfügung.
Der Dreißigender? Ich mußte bet dieser Frage wohl ein ziemlich erstauntes
Gesicht gemacht haben, denn ich glaubte zu erkennen, daß um den Mund des dienst¬
baren Geistes ein spöttisches Lächeln spielte.
Die Hirsche haben auf dem Reviere des gnädigen Herrn dieses Jahr unge¬
wöhnlich gut auf. erklärte er, allerdings läßt der Herr Baron auch schonen, wo er
kann, und die Herren Jagdgäste dürfen nur ganz kapitale Stücke schießen.
Ein Revier, wo man den Gästen Dreißigender vorsetzte, und wo man über¬
haupt darauf hielt, daß nur ganz kapitale zum Schuß kamen, hatte für mich den
Reiz der Neuheit In der ohnehin etwas verwegnen Stimmung, worin ich nach
den Erlebnissen der letzten Stunden begreiflicherweise war, beschloß ich, es darauf
ankommen zu lassen, ob der beneidenswerte Baron in mir den erwarteten Jagdgast
wirklich erkennen würde, und stieg deshalb mit einer mehr als edeln Dreistigkeit in
den Wagen. War ich einmal in Hellental, so kalkulierte ich mit einer Logik, die
für meinen Zustand und die vorgerückte Stunde gar nicht übel war, so konnte muh
der Baron, wenn er das Versehen seiner Leute bemerkte, doch nicht ohne weiteres
Wieder auf die Landstraße setzen, sondern mußte mich mit der Gastfreundschaft, die
ja eine der Kardinaltugenden des deutschen Adels ist, dabehalten und schlimmsten¬
falls mit einem Sechsundzwanzigender oder Vierundzwanzigender abspeisen. Ans
dem Dreißigender wollte ich gar nicht einmal bestehn, in solchen Dingen lasse ich
S°nz gern mit mir handeln, vorausgesetzt daß die Stangen stark und gut geperlt
ob. und daß die Auslage nichts zu wünschen übrig läßt Aber die Redakttons-
fchung morgen Nachmittag? Mit Zentnerschwere fiel es mir auf die Seele. Was
l°ille ich tun? Wenn ich jetzt nach Hellental fuhr, konnte ich Frertag um fünf
nicht in Leipzig in der Jnselstraße sein. Benachrichtigen konnte ich die Herren
"und nicht mehr, es würde also wohl eine peinliche Auseinandersetzung geben- Aber
^f der andern Seite ein Sechsundzwanzig-, wenn nicht gar ein Dreißigender!
Wer hätte sich da noch lange besinnen können! Wer weiß auch ob mir eme solche
Gelegenheit w Leben jemals wieder geboten würde! Also vorwärts nach Hellental!
Der Wagen hatte sich in Bewegung gesetzt und rollte so schnell dahin daß
wir der Atem z» vergehn drohte. Seltsamerweise verließ er unmittelbar hinter
der Scharfrichterei die Landstraße und fuhr auf einem Wege, den ich früher >rie
bemerkt hatte, in gerader Richtung auf den Wald zu. An einer finstern Stelle,
während wir ein schmales Vorgehölz passierten, löste ich die Hühner samt den
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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