Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die Tage von Lhampigny und villiers herrschte zu derselben Zeit in Versailles die größte Ruhe und Behaglichkeit. So behaglich wie in Versailles war es nun .freilich in der eigentlichen Grenzboten IV 1905 49
Die Tage von Lhampigny und villiers herrschte zu derselben Zeit in Versailles die größte Ruhe und Behaglichkeit. So behaglich wie in Versailles war es nun .freilich in der eigentlichen Grenzboten IV 1905 49
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296392"/> <fw type="header" place="top"> Die Tage von Lhampigny und villiers</fw><lb/> <p xml:id="ID_2176" prev="#ID_2175"> herrschte zu derselben Zeit in Versailles die größte Ruhe und Behaglichkeit.<lb/> Die Buschschen Tagebuchblätter geben uns von dieser Ruhe und Behaglichkeit<lb/> das deutlichste Bild. „In der zweiten Hälfte der Nacht, schreibt Busch, und<lb/> am Morgen lebhaftes Schießen aus grobem Geschütz jenseits der Gehölze<lb/> zwischen hier und Paris. Woltmann will auch Mitrailleusengeschnurr und<lb/> Gewehrfeuer gehört haben. Andre Leute wissen davon nichts." Nachmittags<lb/> macht Busch mit Woltmann einen „Ausflug" zu Wagen nach Marly, „wohin<lb/> etwas später der Kanzler, Abeken und Hatzfeld ritten, die uns dann oben auf<lb/> der Wasserleitung trafen." Beim Diner, zu dem sich Fürst Putbus und Odo<lb/> Rüssel eingefunden haben, ist von Börsengeschäften und vom blauen Samt¬<lb/> jagdanzug des Herzogs von Gramont die Rede. Herr von Abeken brachte,<lb/> in später Stunde vom Vortrag bei Seiner Majestät zurückkehrend, die Nach¬<lb/> richt mit, „es Hütten im Laufe des Tages drei Ausfälle stattgefunden, einer<lb/> gegen die Württemberger, einer gegen die Sachsen und der dritte gegen das<lb/> sechste Korps. Der König, berichtete Herr von Abeken, habe gemeint, es sei<lb/> ein Durchbruch versucht worden." „Ach wo, entgegnete Bismarck. Da müßten<lb/> sie doch sehr albern sein, sie gingen ja in einen Sack. Das könnte uns ganz<lb/> erwünscht sein." Daß man bereit war, die zweite Pariser Armee in einen<lb/> solchen Sack zu führen, nur um der irregeleiteten öffentlichen Meinung der<lb/> Pariser genugzutun, konnte sich freilich ein so kluger und praktischer Mann<lb/> wie Bismarck nicht vorstellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2177" next="#ID_2178"> So behaglich wie in Versailles war es nun .freilich in der eigentlichen<lb/> Zeruierungslinie uicht, denn deren großer Übelstand war, daß sie einen zu<lb/> gewaltigen Umfang (elf deutsche Meilen) hatte, und daß zu ihrer Besetzung<lb/> nur gegen 170000 Mann und 622 Geschütze zur Verfügung standen. Da<lb/> ihr Gefüge trotz den aufgewandten Feldbefestiguugskünsten zu locker war,<lb/> mußte sie jedesmal vorübergehend verstärkt werden, wenn die Wahrscheinlich¬<lb/> keit eines Vorstoßes der Franzosen in der einen oder der andern Richtung<lb/> von den in den Rayons der einzelnen Korps eingerichteten Observatorien ge¬<lb/> meldet wurde oder aus den Aussagen von Gefangnen und Überläufern hervor-<lb/> zugehn schien. Erlangte mau von den Absichten der Belagerten auf irgend¬<lb/> eine Weise rechtzeitig Kenntnis, und schien es sich, nach den getroffnen Vor¬<lb/> bereitungen zu urteilen, um einen Ausfall „im großen Stile" zu handeln, so<lb/> gab es mehr oder minder umfangreiche Links- und Rechtsschiebungen; war<lb/> dagegen der Feind da, ohne daß man seines Erscheinens gewärtig gewesen<lb/> war, und hatte er Zeit gehabt, sich in einer der zur Zernierungslinie ge¬<lb/> hörenden Ortschaften festzusetzen, so mußte ihm diese wieder abgenommen werden,<lb/> was der Natur der Sache nach allemal eine schwierige und kostspielige<lb/> Operation war, sich aber durch eine gleich von vornherein angeordnete stärkere<lb/> Besetzung um deswillen nicht vermeiden ließ, weil man Bedenken tragen mußte,<lb/> in Örtlichkeiten, die im wirksamen Bereich der feindlichen Festungsgeschütze<lb/> lagen, etwas andres als Feldwachen zu legen, die natürlich einem ernstern<lb/> Angriff, ohne vernichtet oder gefangen zu werden, nicht standhalten konnten.<lb/> Le Bourget im Norden, Ville Evrard und Maison Manche im Osten, Bry<lb/> und Champigny-s.-M. im Süden waren solche unbehagliche Besitzungen, die</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1905 49</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
Die Tage von Lhampigny und villiers
herrschte zu derselben Zeit in Versailles die größte Ruhe und Behaglichkeit.
Die Buschschen Tagebuchblätter geben uns von dieser Ruhe und Behaglichkeit
das deutlichste Bild. „In der zweiten Hälfte der Nacht, schreibt Busch, und
am Morgen lebhaftes Schießen aus grobem Geschütz jenseits der Gehölze
zwischen hier und Paris. Woltmann will auch Mitrailleusengeschnurr und
Gewehrfeuer gehört haben. Andre Leute wissen davon nichts." Nachmittags
macht Busch mit Woltmann einen „Ausflug" zu Wagen nach Marly, „wohin
etwas später der Kanzler, Abeken und Hatzfeld ritten, die uns dann oben auf
der Wasserleitung trafen." Beim Diner, zu dem sich Fürst Putbus und Odo
Rüssel eingefunden haben, ist von Börsengeschäften und vom blauen Samt¬
jagdanzug des Herzogs von Gramont die Rede. Herr von Abeken brachte,
in später Stunde vom Vortrag bei Seiner Majestät zurückkehrend, die Nach¬
richt mit, „es Hütten im Laufe des Tages drei Ausfälle stattgefunden, einer
gegen die Württemberger, einer gegen die Sachsen und der dritte gegen das
sechste Korps. Der König, berichtete Herr von Abeken, habe gemeint, es sei
ein Durchbruch versucht worden." „Ach wo, entgegnete Bismarck. Da müßten
sie doch sehr albern sein, sie gingen ja in einen Sack. Das könnte uns ganz
erwünscht sein." Daß man bereit war, die zweite Pariser Armee in einen
solchen Sack zu führen, nur um der irregeleiteten öffentlichen Meinung der
Pariser genugzutun, konnte sich freilich ein so kluger und praktischer Mann
wie Bismarck nicht vorstellen.
So behaglich wie in Versailles war es nun .freilich in der eigentlichen
Zeruierungslinie uicht, denn deren großer Übelstand war, daß sie einen zu
gewaltigen Umfang (elf deutsche Meilen) hatte, und daß zu ihrer Besetzung
nur gegen 170000 Mann und 622 Geschütze zur Verfügung standen. Da
ihr Gefüge trotz den aufgewandten Feldbefestiguugskünsten zu locker war,
mußte sie jedesmal vorübergehend verstärkt werden, wenn die Wahrscheinlich¬
keit eines Vorstoßes der Franzosen in der einen oder der andern Richtung
von den in den Rayons der einzelnen Korps eingerichteten Observatorien ge¬
meldet wurde oder aus den Aussagen von Gefangnen und Überläufern hervor-
zugehn schien. Erlangte mau von den Absichten der Belagerten auf irgend¬
eine Weise rechtzeitig Kenntnis, und schien es sich, nach den getroffnen Vor¬
bereitungen zu urteilen, um einen Ausfall „im großen Stile" zu handeln, so
gab es mehr oder minder umfangreiche Links- und Rechtsschiebungen; war
dagegen der Feind da, ohne daß man seines Erscheinens gewärtig gewesen
war, und hatte er Zeit gehabt, sich in einer der zur Zernierungslinie ge¬
hörenden Ortschaften festzusetzen, so mußte ihm diese wieder abgenommen werden,
was der Natur der Sache nach allemal eine schwierige und kostspielige
Operation war, sich aber durch eine gleich von vornherein angeordnete stärkere
Besetzung um deswillen nicht vermeiden ließ, weil man Bedenken tragen mußte,
in Örtlichkeiten, die im wirksamen Bereich der feindlichen Festungsgeschütze
lagen, etwas andres als Feldwachen zu legen, die natürlich einem ernstern
Angriff, ohne vernichtet oder gefangen zu werden, nicht standhalten konnten.
Le Bourget im Norden, Ville Evrard und Maison Manche im Osten, Bry
und Champigny-s.-M. im Süden waren solche unbehagliche Besitzungen, die
Grenzboten IV 1905 49
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