Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Salzburg und die Tauernpässe prachtvollen "Kaiserhof" neben der "Germania" (1900) und der kühn über Vom Garten des Gamskarcafcs aus erkennt man mit dem Fernglase hoch Salzburg und die Tauernpässe prachtvollen „Kaiserhof" neben der „Germania" (1900) und der kühn über Vom Garten des Gamskarcafcs aus erkennt man mit dem Fernglase hoch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0368" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296379"/> <fw type="header" place="top"> Salzburg und die Tauernpässe</fw><lb/> <p xml:id="ID_2144" prev="#ID_2143"> prachtvollen „Kaiserhof" neben der „Germania" (1900) und der kühn über<lb/> dem Sturze der Ache hängenden Wandelbahn (1901) vorläufig geendet hat.<lb/> Neben diesen Palästen entstand in diesen Jahren auch eine Reihe eleganter<lb/> Villen als Miet- und Badehäuser, namentlich um dem ruhigen Ostrande des<lb/> Tales und im „obern Viertel" nach dem Talschlusse hinauf. Die künstlerisch<lb/> gestalteten unter diesen Bauten sind alle im prunkvollen Stile der neuen<lb/> Wiener Renaissance gehalten; ein Versuch zur „Heimatkunst," der hier so nahe<lb/> lag, ist nirgends gemacht worden. Und doch sind die Baukosten hier ganz<lb/> ungewöhnlich hoch, denn das abschüssige Terrain fordert fast immer hohe Auf¬<lb/> mauerungen, und alles Baumaterial mußte bis jetzt von Leut mit Fuhren<lb/> herausgeschafft werden, sodaß die Fracht für das Tausend Ziegel auf 150 Kronen<lb/> zu stehn kam. So beschränken sich die Reste des alten ländlichen hölzernen<lb/> Gasteins ans das Pfarrhaus gegenüber der Hauptkirche, auf die sogenannte<lb/> Kaiser-Friedrich-Laube, ein echtes altes behagliches Salzburger Bauernhaus<lb/> in der Nähe der Nikolaikapelle, und einige wenige andre dieser Art in ent¬<lb/> legner:? Teilen. Aber eiuen gesellschaftlichen Mittelpunkt nach Art andrer<lb/> Welthüter hat Gastein auch heute noch nicht. Die höchst internationale<lb/> Badegesellschnft pflegt sich gegen Abend zur Kurmusik auf dem kleinen, engen,<lb/> von Straubingers Hotel und dem hohen Badeschloß eingerahmten, also ganz<lb/> aussichtslosen Straubinger Platze zu versammeln, über den in wirbelnden<lb/> Staube, unter Peitschenknall und Hufschlag der ganze Wagenverkehr hin und<lb/> her geht. Am Vormittage wandelt alles die Kaiserpromenade nach dem<lb/> Kötschachtale hinaus, am Nachmittage, wenn der Westrand im Schatten liegt,<lb/> in die Schwarzenbergcmlagen unmittelbar über der Felswand und der Ache<lb/> oder in die ausgedehnte, zum Teil durch Wald führende Erzherzog-Johann-<lb/> Promenade am AbHange des Stubnerkogels. Alle- drei bieten die schönsten<lb/> Ausblicke ins Tal und auf seine hohe Umrahmung bis hinauf östlich nach<lb/> dem Elendgletscher, der das Kötschachtal abschließt, südwärts nach dem Nadhaus¬<lb/> berge und dem Schneegipfel des Schareck. Aber weitaus die umfassendste<lb/> Aussicht gewährt das Gcimskarcafc jenseits des Kvtschachtales am Fuße des<lb/> Gcunskarkogels, das man auf schattigen und bequemen Waldwegen, die schäumende<lb/> Kötschach kurz oberhalb ihres Falles zur Gasteiner Ache hinab überschreitend,<lb/> in einer knappen Stunde erreicht. Hier erschließt sich die ganze Herrlichkeit<lb/> dieses unvergleichlichen Erdflecks. Ganz in der Nähe aber steht auch der<lb/> Lutherhof, einst der Besitz des reichen Bergherrn Martin Lodinger, eines der<lb/> Führer der protestantischen Bewegung in Gastein, der im Jahre 1533 seine<lb/> schöne Heimat aufgab um seines Glaubens willen. Sein Schicksal hat Max<lb/> Vorberg in Form eigenhändiger Aufzeichnungen seines Helden zu einem Roman<lb/> gestaltet, den er anmutig in diese Landschaft hineinkomponiert hat (1884,<lb/> 4. Auflage 1903). Außer diesem, übrigens 1839 wohl kleiner neugebauten<lb/> Lutherhof erinnert hente an das alte Luthertum Gasteins nur noch die aus<lb/> dieser Zeit stammende Inschrift auf der Glocke der damals protestantischen<lb/> Nikolaikirche: „Gottes Wort pleibt ewig."</p><lb/> <p xml:id="ID_2145" next="#ID_2146"> Vom Garten des Gamskarcafcs aus erkennt man mit dem Fernglase hoch<lb/> oben am Radhansberge neben einem Schneefleck in einer geschützten Mulde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0368]
Salzburg und die Tauernpässe
prachtvollen „Kaiserhof" neben der „Germania" (1900) und der kühn über
dem Sturze der Ache hängenden Wandelbahn (1901) vorläufig geendet hat.
Neben diesen Palästen entstand in diesen Jahren auch eine Reihe eleganter
Villen als Miet- und Badehäuser, namentlich um dem ruhigen Ostrande des
Tales und im „obern Viertel" nach dem Talschlusse hinauf. Die künstlerisch
gestalteten unter diesen Bauten sind alle im prunkvollen Stile der neuen
Wiener Renaissance gehalten; ein Versuch zur „Heimatkunst," der hier so nahe
lag, ist nirgends gemacht worden. Und doch sind die Baukosten hier ganz
ungewöhnlich hoch, denn das abschüssige Terrain fordert fast immer hohe Auf¬
mauerungen, und alles Baumaterial mußte bis jetzt von Leut mit Fuhren
herausgeschafft werden, sodaß die Fracht für das Tausend Ziegel auf 150 Kronen
zu stehn kam. So beschränken sich die Reste des alten ländlichen hölzernen
Gasteins ans das Pfarrhaus gegenüber der Hauptkirche, auf die sogenannte
Kaiser-Friedrich-Laube, ein echtes altes behagliches Salzburger Bauernhaus
in der Nähe der Nikolaikapelle, und einige wenige andre dieser Art in ent¬
legner:? Teilen. Aber eiuen gesellschaftlichen Mittelpunkt nach Art andrer
Welthüter hat Gastein auch heute noch nicht. Die höchst internationale
Badegesellschnft pflegt sich gegen Abend zur Kurmusik auf dem kleinen, engen,
von Straubingers Hotel und dem hohen Badeschloß eingerahmten, also ganz
aussichtslosen Straubinger Platze zu versammeln, über den in wirbelnden
Staube, unter Peitschenknall und Hufschlag der ganze Wagenverkehr hin und
her geht. Am Vormittage wandelt alles die Kaiserpromenade nach dem
Kötschachtale hinaus, am Nachmittage, wenn der Westrand im Schatten liegt,
in die Schwarzenbergcmlagen unmittelbar über der Felswand und der Ache
oder in die ausgedehnte, zum Teil durch Wald führende Erzherzog-Johann-
Promenade am AbHange des Stubnerkogels. Alle- drei bieten die schönsten
Ausblicke ins Tal und auf seine hohe Umrahmung bis hinauf östlich nach
dem Elendgletscher, der das Kötschachtal abschließt, südwärts nach dem Nadhaus¬
berge und dem Schneegipfel des Schareck. Aber weitaus die umfassendste
Aussicht gewährt das Gcimskarcafc jenseits des Kvtschachtales am Fuße des
Gcunskarkogels, das man auf schattigen und bequemen Waldwegen, die schäumende
Kötschach kurz oberhalb ihres Falles zur Gasteiner Ache hinab überschreitend,
in einer knappen Stunde erreicht. Hier erschließt sich die ganze Herrlichkeit
dieses unvergleichlichen Erdflecks. Ganz in der Nähe aber steht auch der
Lutherhof, einst der Besitz des reichen Bergherrn Martin Lodinger, eines der
Führer der protestantischen Bewegung in Gastein, der im Jahre 1533 seine
schöne Heimat aufgab um seines Glaubens willen. Sein Schicksal hat Max
Vorberg in Form eigenhändiger Aufzeichnungen seines Helden zu einem Roman
gestaltet, den er anmutig in diese Landschaft hineinkomponiert hat (1884,
4. Auflage 1903). Außer diesem, übrigens 1839 wohl kleiner neugebauten
Lutherhof erinnert hente an das alte Luthertum Gasteins nur noch die aus
dieser Zeit stammende Inschrift auf der Glocke der damals protestantischen
Nikolaikirche: „Gottes Wort pleibt ewig."
Vom Garten des Gamskarcafcs aus erkennt man mit dem Fernglase hoch
oben am Radhansberge neben einem Schneefleck in einer geschützten Mulde
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