Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Griechen und Bulgaren im Kampf um Makedonien Nebenbuhlerin vergleicht, die militärische Organisation, die unmittelbare und Der Grieche möchte dagegen alles nur durch seinen Kopf erreichen, er Man fragt sich umsonst, was diese rhetorische Geschichtsrepetition mit der Zum Glück scheint sich in der neusten Zeit wenigstens bei einzelnen aus¬ Griechen und Bulgaren im Kampf um Makedonien Nebenbuhlerin vergleicht, die militärische Organisation, die unmittelbare und Der Grieche möchte dagegen alles nur durch seinen Kopf erreichen, er Man fragt sich umsonst, was diese rhetorische Geschichtsrepetition mit der Zum Glück scheint sich in der neusten Zeit wenigstens bei einzelnen aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296365"/> <fw type="header" place="top"> Griechen und Bulgaren im Kampf um Makedonien</fw><lb/> <p xml:id="ID_2092" prev="#ID_2091"> Nebenbuhlerin vergleicht, die militärische Organisation, die unmittelbare und<lb/> unerschütterliche Disziplin wiederfinden."</p><lb/> <p xml:id="ID_2093"> Der Grieche möchte dagegen alles nur durch seinen Kopf erreichen, er<lb/> sieht darum mit Verachtung auf den Bulgaren hinab und macht sich lustig über<lb/> seine unschöne, unvollkommne Schädelbildung und seine bäurische Sprache. So<lb/> gibt ein Athener Professor in einem Buche über den Hellenismus auf der<lb/> Balkanhalbinsel das Verdikt ab, daß „aller Wahrscheinlichkeit nach der bul¬<lb/> garische Schädel auch in Zukunft schwerlich ein überlegnes sprachliches Organ<lb/> wird schaffen können." So dünkelhaft urteilten leider schon die dickschädligen<lb/> Byzantiner über die Bulgaren, statt von ihren Vorzügen zu lernen. Die große<lb/> Masse der Griechen sieht noch heute in dem Slawen den Barbaren, der erst<lb/> von Byzanz aus kulturfähig gemacht worden ist. Epigonenhaft ruft man die<lb/> alte Geschichte zu Hilfe, schreibt Aufsätze über die Abstammung der alten Make¬<lb/> donien beschwört den Schatten Alexanders des Großen, um zu beweisen, daß<lb/> Makedonien griechisch sei. Hören wir den Anfang des schon genannten Flug¬<lb/> blatts; dort heißt es: „Diese Verteidiger des Schwachen (d. h. die Bulgaren)<lb/> sprechen immer von einem makedonischer Volke, als ob es eine besondre Nation<lb/> gäbe, die diesen Namen trägt, als ob Makedonien, seit dem entferntesten Alter¬<lb/> tum her von Griechen bewohnt, ein Land wäre, das dem Hellenismus fremd<lb/> ist. Aber in diesem Lande wurden die pierischen Musen geboren, aus diesem<lb/> Lande wurden bis nach Asien und nach Afrika die ruhmreichen Ausbreiter<lb/> griechischer Sprache und Bildung gesandt, so den Boden vorbereitend, auf dem<lb/> die moderne Zivilisation begründet worden ist. Makedonien auch war es, das<lb/> Aristoteles, dem gelehrten Kompilator Stobäus und der makedonischer Dynastie<lb/> von Byzanz das Leben gab. Ein Glied dieser, der Kaiser Vasilius der Zweite,<lb/> wurde, nachdem er Makedonien von den Bulgaren gereinigt hatte, die es ver¬<lb/> raten hatten (!), der Bulgarentöter genannt, und die griechische Volksmnse besang<lb/> seine edeln Taten, indem sie ihn betrachtete als eine Inkarnation Alexanders<lb/> des Großen."</p><lb/> <p xml:id="ID_2094"> Man fragt sich umsonst, was diese rhetorische Geschichtsrepetition mit der<lb/> heutigen makedonischer Frage zu tun hat, und was Europa, an das sich doch<lb/> das Flugblatt richtet, damit anfangen soll. Leider ist das der Ton, in den<lb/> die Griechen immer wieder verfallen, und der sich in seiner Mischung von Stolz<lb/> und Schwäche so unendlich armselig ausnimmt und so fern ist von selbstbewußter<lb/> Zuversicht. Wir mißgönnen den Griechen Makedonien gewiß nicht, aber wenn<lb/> sie es erobern, kann es nur auf eigne Hand und aus eigner Kraft geschehen.<lb/> Niemand wird sie daran hindern, ebensowenig wie man die Bulgaren daran<lb/> hinderte, sich Ostrumeliens zu bemächtigen. Nur das energische, einmütige<lb/> Handeln kann sie zum Ziele führen, nicht aber das Reden und die tatenlose<lb/> Zersplitterung der Kräfte durch Parteiwesen und kirchlichen Fanatismus.</p><lb/> <p xml:id="ID_2095" next="#ID_2096"> Zum Glück scheint sich in der neusten Zeit wenigstens bei einzelnen aus¬<lb/> erwählten Geistern ein erfreulicher Umschwung in der den Bulgaren gegenüber<lb/> zu beobachtenden Haltung sowie in der allgemeinen Meinung über sie vor¬<lb/> zubereiten. Es sind uns drei Stimmen aus den Kreisen der Sprach- und<lb/> Literaturreformer bekannt, die es offen aussprechen, daß die Griechen von den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0354]
Griechen und Bulgaren im Kampf um Makedonien
Nebenbuhlerin vergleicht, die militärische Organisation, die unmittelbare und
unerschütterliche Disziplin wiederfinden."
Der Grieche möchte dagegen alles nur durch seinen Kopf erreichen, er
sieht darum mit Verachtung auf den Bulgaren hinab und macht sich lustig über
seine unschöne, unvollkommne Schädelbildung und seine bäurische Sprache. So
gibt ein Athener Professor in einem Buche über den Hellenismus auf der
Balkanhalbinsel das Verdikt ab, daß „aller Wahrscheinlichkeit nach der bul¬
garische Schädel auch in Zukunft schwerlich ein überlegnes sprachliches Organ
wird schaffen können." So dünkelhaft urteilten leider schon die dickschädligen
Byzantiner über die Bulgaren, statt von ihren Vorzügen zu lernen. Die große
Masse der Griechen sieht noch heute in dem Slawen den Barbaren, der erst
von Byzanz aus kulturfähig gemacht worden ist. Epigonenhaft ruft man die
alte Geschichte zu Hilfe, schreibt Aufsätze über die Abstammung der alten Make¬
donien beschwört den Schatten Alexanders des Großen, um zu beweisen, daß
Makedonien griechisch sei. Hören wir den Anfang des schon genannten Flug¬
blatts; dort heißt es: „Diese Verteidiger des Schwachen (d. h. die Bulgaren)
sprechen immer von einem makedonischer Volke, als ob es eine besondre Nation
gäbe, die diesen Namen trägt, als ob Makedonien, seit dem entferntesten Alter¬
tum her von Griechen bewohnt, ein Land wäre, das dem Hellenismus fremd
ist. Aber in diesem Lande wurden die pierischen Musen geboren, aus diesem
Lande wurden bis nach Asien und nach Afrika die ruhmreichen Ausbreiter
griechischer Sprache und Bildung gesandt, so den Boden vorbereitend, auf dem
die moderne Zivilisation begründet worden ist. Makedonien auch war es, das
Aristoteles, dem gelehrten Kompilator Stobäus und der makedonischer Dynastie
von Byzanz das Leben gab. Ein Glied dieser, der Kaiser Vasilius der Zweite,
wurde, nachdem er Makedonien von den Bulgaren gereinigt hatte, die es ver¬
raten hatten (!), der Bulgarentöter genannt, und die griechische Volksmnse besang
seine edeln Taten, indem sie ihn betrachtete als eine Inkarnation Alexanders
des Großen."
Man fragt sich umsonst, was diese rhetorische Geschichtsrepetition mit der
heutigen makedonischer Frage zu tun hat, und was Europa, an das sich doch
das Flugblatt richtet, damit anfangen soll. Leider ist das der Ton, in den
die Griechen immer wieder verfallen, und der sich in seiner Mischung von Stolz
und Schwäche so unendlich armselig ausnimmt und so fern ist von selbstbewußter
Zuversicht. Wir mißgönnen den Griechen Makedonien gewiß nicht, aber wenn
sie es erobern, kann es nur auf eigne Hand und aus eigner Kraft geschehen.
Niemand wird sie daran hindern, ebensowenig wie man die Bulgaren daran
hinderte, sich Ostrumeliens zu bemächtigen. Nur das energische, einmütige
Handeln kann sie zum Ziele führen, nicht aber das Reden und die tatenlose
Zersplitterung der Kräfte durch Parteiwesen und kirchlichen Fanatismus.
Zum Glück scheint sich in der neusten Zeit wenigstens bei einzelnen aus¬
erwählten Geistern ein erfreulicher Umschwung in der den Bulgaren gegenüber
zu beobachtenden Haltung sowie in der allgemeinen Meinung über sie vor¬
zubereiten. Es sind uns drei Stimmen aus den Kreisen der Sprach- und
Literaturreformer bekannt, die es offen aussprechen, daß die Griechen von den
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