Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Deutsche und Magyaren kommandiert werden; in politischer und nationaler Beziehung kann man das Die Grundlage aller Staatsmacht nach innen und nach außen ist die Grenzboten IV 190k. W
Deutsche und Magyaren kommandiert werden; in politischer und nationaler Beziehung kann man das Die Grundlage aller Staatsmacht nach innen und nach außen ist die Grenzboten IV 190k. W
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Deutsche und Magyaren
kommandiert werden; in politischer und nationaler Beziehung kann man das
jedoch nicht sagen. Die Durchbrechung des einheitlichen deutschen Kommandos
bei der gemeinsamen Armee durch die Einführung des magyarischen Kommandos
für Ungarn würde die Bestrebungen der Polen und der Tschechen nach Ein¬
führung des polnischen und des tschechischen Kommandos bei den galizischen und
den böhmisch-mährischen Regimentern außerordentlich fördern, was den Deutschen
in Österreich unmöglich angenehm sein könnte. Der Sieg der magyarischen
Opposition in der Armeefrage würde aber auch eine große Schwächung der
Autorität der Krone nicht nur in Ungarn sondern auch in Österreich bedeuten,
und da lehrt die Erfahrung der letzten zehn Jahre, daß die Macht des Slawen¬
tums diesseits der Leitha steigt und fällt, je nachdem die Autorität der Krone
fällt und steigt. Bei alledem darf man aber nicht vergessen, daß die Forderung
der Einführung der magyarischen Kommandosprachc nichts andres als die
Kulisse ist, die einen weit wichtigern Vorgang deckt. Nicht das Verlangen nach
der magyarischen Kommandosprache ist der Kernpunkt der ungarischen Krise,
sondern die Art der Begründung der Unabweislichkeit dieser Forderung durch
die ungarische Opposition. Das ungarische Ausgleichsgesetz vom Jahre 1867
sagt zwar ganz deutlich, daß die Verfügung über die innere Organisation der
gemeinsamen Armee zu den Majestätsrechten gehöre, also nicht an irgendwelche
Zustimmung des ungarischen Reichstags gebunden sei. Aber die ungarische
Opposition deutet die Bestimmung der Verfassung dahin um, daß dieses Recht
der Krone nur auf Widerruf von der Nation übertragen worden, der König
mithin gezwungen sei, sich Beschlüssen des Reichstags über die innere Organi¬
sation der gemeinsamen Armee zu fügen. Die Bewilligung der militärischen
Forderungen der ungarischen Opposition würde also gleichbedeutend sein mit
dem Verzichte der Krone auf ihre Majestätsrechte, was die Armee anlangt,
zugunsten des ungarischen Reichstags. Das aber können die Deutschen Öster¬
reichs nicht zugeben; sie müssen sich dagegen wenden, und zwar nicht aus
theoretischen Gründen, sondern aus solchen rein praktischer Erwägung.
Die Grundlage aller Staatsmacht nach innen und nach außen ist die
Armee. Würde die ungarische Opposition in der Armeefrage siegen, so stünden
sich in beiden Reichshälften der Monarchie zwei Parlamente mit völlig ver-
schiednen Befugnissen gegenüber: in Österreich würde der Kaiser, in Ungarn
aber der Reichstag über die Armee verfügen. Der ungarische König wäre
der Gefangne des ungarischen Reichstags; da er aber zugleich auch Kaiser von
Osterreich ist, würde auch dieser in völliger Abhängigkeit von dem ungarischen
Parlament sein, er wäre also eine Art österreichischer Statthalter des Königs
von Ungarn, und Österreich wäre eine Provinz des Reichs Stephans des
Heiligen. Eine solche Abdikation kann man den Deutschen Österreichs, die
doch diesen Staat gegründet und mit ihrem Blute gedüngt haben, und die
seine größten Steuerzahler sind, nicht zumuten, zumal da die Führer der
ungarischen Opposition gar kein Hehl daraus machen, wie sie die Zolltrennung
der beiden Neichshälften durchführen und ihre künftigen wirtschaftlichen Be¬
ziehungen regeln wollen, wenn sie einmal das Heft in der Hand haben. Den
ungarischen Agrarprodutten soll freie Einfuhr nach Österreich gewährt werden,
Grenzboten IV 190k. W
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