Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Deutsche und Magyaren ausfülle, versagte sie. Hätten die Deutschen das dualistische Problem von der Was Kaiserfeld von dem großösterreichischen Reichsrate Schmerlings be¬ In Pest hatte man sehr bald erkannt, daß die gefährdete und verhältnis¬ Deutsche und Magyaren ausfülle, versagte sie. Hätten die Deutschen das dualistische Problem von der Was Kaiserfeld von dem großösterreichischen Reichsrate Schmerlings be¬ In Pest hatte man sehr bald erkannt, daß die gefährdete und verhältnis¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296306"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche und Magyaren</fw><lb/> <p xml:id="ID_1804" prev="#ID_1803"> ausfülle, versagte sie. Hätten die Deutschen das dualistische Problem von der<lb/> konservativen Seite angefaßt, dann wären ihre Aussichten zweifellos besser ge¬<lb/> wesen. Sie hätten dann Kräfte für sich gewonnen, deren Gegnerschaft sie<lb/> später beklagen mußten; aber ganz abgesehen davon, daß jene Zeit viel weiter<lb/> zurückliegen müßte, wenn sie ein Urteil darüber erlauben sollte, ob der Beruf<lb/> des Deutschtums damals in der Geltendmachung liberaler oder national-staats¬<lb/> rechtlicher Prinzipien bestand, ist es doch sehr unwahrscheinlich, daß eine<lb/> konservative Ausgleichspolitik der Deutschen schließlich zu andern, bessern Er¬<lb/> gebnissen geführt hätte. Auch eine konservativ - natiomlle Politik Hütte die<lb/> nationalen Spaltungen im österreichischen Neichsrate nicht zurückhalten, also<lb/> gerade dem Zustande nicht vorbeugen können, der Österreich daran hinderte,<lb/> mit der staatsrechtlichen Entwicklung Ungarns gleichen Schritt zu halten und<lb/> damit seine politische Parität mit der jenseitigen Reichshälfte zu behaupten,<lb/> deren Erhaltung allein ein ungestörtes Funktionieren des dualistischen Apparats<lb/> hätte verbürgen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1805"> Was Kaiserfeld von dem großösterreichischen Reichsrate Schmerlings be¬<lb/> fürchtet hatte, stellte sich sehr bald im österreichischen Reichsrate der Dezember-<lb/> Verfassung von 1867 ein: er wurde „zum Zankplatze nationaler Hegemonie,"<lb/> bis Kaiserfeld selbst uoch im Jahre 1879 in seinen letzten Tagen die Er¬<lb/> fahrung machen mußte, daß seiue Hoffnung, die dualistische Verfassung werde<lb/> eine sichre Gewähr gegen ein deutschfeindliches Regime in Österreich sein, eine<lb/> Täuschung war. So lauge der Geist Death über Ungarn waltete, und damit<lb/> jenseits der Leitha die Vorstellung von dem Ausgleiche von 1867 als einem<lb/> staatsrechtlich eine lange historische Entwicklung abschließenden Akte maßgebend<lb/> war, wurden die Fehler in der Konstruktion der dualistischen Verfassung nicht<lb/> besonders bemerkbar. Der Versuch Hohenwarts, die Deutschlibercilen aus dem<lb/> Sattel zu heben, scheiterte an der Einigkeit von Magyaren und Deutschen; in<lb/> demselben Maße aber, wie in Ungarn die deakistische Auffassung durch das<lb/> Bestreben verdrängt wurde, die Verfassung von 1867 als den Ausgangspunkt<lb/> für eine Rückbildung der ungarischen Verfassung auf den Stand der Dinge<lb/> von 1848 zu benutzen, wurde die Lage der Deutschliberalen, also der Trüger<lb/> der Verfassung von 1867, in Österreich schwieriger.</p><lb/> <p xml:id="ID_1806" next="#ID_1807"> In Pest hatte man sehr bald erkannt, daß die gefährdete und verhältnis¬<lb/> mäßig schwache Stellung der Deutschliberalen bei Hofe und im Parlamente<lb/> der Punkt sei, wo man mit Erfolg den Hebel einsetzen könne, um den Aus¬<lb/> gleich von 1867 im magyarischen Interesse auszulegen und Österreich zur<lb/> Melkkuh Ungarns zu machen. Schon in die Verfassung von 1867 waren<lb/> Ungarn einseitig begünstigende Bestimmungen eingeschmuggelt worden, denen<lb/> die Deutschliberalen schließlich nur zustimmten, weil sie damit „die politische<lb/> Einheit Österreichs unter deutscher Führung erkaufen" zu können meinten.<lb/> Als durch den Sturz Hohenwarts die Möglichkeit einer Verfassungsänderung<lb/> zuungunsten Ungarns auf absehbare Zeit beseitigt zu sein schien, wurde man<lb/> in Pest immer anspruchsvoller. Einerseits versuchte man die Verfassung von<lb/> ^867 im Sinne einer immer stürkern Geltendmachung der staatsrechlichen Selb¬<lb/> ständigkeit Ungarns auszulegen und drang ans militürische Konzessionen in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0295]
Deutsche und Magyaren
ausfülle, versagte sie. Hätten die Deutschen das dualistische Problem von der
konservativen Seite angefaßt, dann wären ihre Aussichten zweifellos besser ge¬
wesen. Sie hätten dann Kräfte für sich gewonnen, deren Gegnerschaft sie
später beklagen mußten; aber ganz abgesehen davon, daß jene Zeit viel weiter
zurückliegen müßte, wenn sie ein Urteil darüber erlauben sollte, ob der Beruf
des Deutschtums damals in der Geltendmachung liberaler oder national-staats¬
rechtlicher Prinzipien bestand, ist es doch sehr unwahrscheinlich, daß eine
konservative Ausgleichspolitik der Deutschen schließlich zu andern, bessern Er¬
gebnissen geführt hätte. Auch eine konservativ - natiomlle Politik Hütte die
nationalen Spaltungen im österreichischen Neichsrate nicht zurückhalten, also
gerade dem Zustande nicht vorbeugen können, der Österreich daran hinderte,
mit der staatsrechtlichen Entwicklung Ungarns gleichen Schritt zu halten und
damit seine politische Parität mit der jenseitigen Reichshälfte zu behaupten,
deren Erhaltung allein ein ungestörtes Funktionieren des dualistischen Apparats
hätte verbürgen können.
Was Kaiserfeld von dem großösterreichischen Reichsrate Schmerlings be¬
fürchtet hatte, stellte sich sehr bald im österreichischen Reichsrate der Dezember-
Verfassung von 1867 ein: er wurde „zum Zankplatze nationaler Hegemonie,"
bis Kaiserfeld selbst uoch im Jahre 1879 in seinen letzten Tagen die Er¬
fahrung machen mußte, daß seiue Hoffnung, die dualistische Verfassung werde
eine sichre Gewähr gegen ein deutschfeindliches Regime in Österreich sein, eine
Täuschung war. So lauge der Geist Death über Ungarn waltete, und damit
jenseits der Leitha die Vorstellung von dem Ausgleiche von 1867 als einem
staatsrechtlich eine lange historische Entwicklung abschließenden Akte maßgebend
war, wurden die Fehler in der Konstruktion der dualistischen Verfassung nicht
besonders bemerkbar. Der Versuch Hohenwarts, die Deutschlibercilen aus dem
Sattel zu heben, scheiterte an der Einigkeit von Magyaren und Deutschen; in
demselben Maße aber, wie in Ungarn die deakistische Auffassung durch das
Bestreben verdrängt wurde, die Verfassung von 1867 als den Ausgangspunkt
für eine Rückbildung der ungarischen Verfassung auf den Stand der Dinge
von 1848 zu benutzen, wurde die Lage der Deutschliberalen, also der Trüger
der Verfassung von 1867, in Österreich schwieriger.
In Pest hatte man sehr bald erkannt, daß die gefährdete und verhältnis¬
mäßig schwache Stellung der Deutschliberalen bei Hofe und im Parlamente
der Punkt sei, wo man mit Erfolg den Hebel einsetzen könne, um den Aus¬
gleich von 1867 im magyarischen Interesse auszulegen und Österreich zur
Melkkuh Ungarns zu machen. Schon in die Verfassung von 1867 waren
Ungarn einseitig begünstigende Bestimmungen eingeschmuggelt worden, denen
die Deutschliberalen schließlich nur zustimmten, weil sie damit „die politische
Einheit Österreichs unter deutscher Führung erkaufen" zu können meinten.
Als durch den Sturz Hohenwarts die Möglichkeit einer Verfassungsänderung
zuungunsten Ungarns auf absehbare Zeit beseitigt zu sein schien, wurde man
in Pest immer anspruchsvoller. Einerseits versuchte man die Verfassung von
^867 im Sinne einer immer stürkern Geltendmachung der staatsrechlichen Selb¬
ständigkeit Ungarns auszulegen und drang ans militürische Konzessionen in
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