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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

Bauer getötet habe. Ehlbeck ließ den Elefanten damals allein in Italien reisen,
und das Tier hatte den Großen Se. Bernhard zu Fuß passiert und war in allen
größern Städten der Halbinsel zur Schau gestellt worden. In Palermo hatte der
Wärter offenbar Differenzen mit dem ihn begleitenden Gehilfen bekommen, und
dieser hatte, um dein Wärter einen Schabernack zu spielen, in dessen Abwesenheit
das Tier gereizt. Als Bauer zurückkam, ergriff ihn der Elefant -- ein starkes
afrikanisches Männchen -- mit dem Rüssel, schleuderte ihn zu Boden und bearbeitete
ihn mit den Füßen, bis er tot war. Der Gehilfe hatte seine guten Gründe, sich
von dem Elefanten fern zu halten, und wußte nun keinen andern Rat, als zur
Polizei zu laufen und deren Hilfe zu erbitten. Die Polizei machte kurzen Prozeß,
verurteilte deu Elefanten zum Tode und vollstreckte dieses Urteil mit Hilfe von
Gift. Wie nachträglich verlautete, war die mit Geld gefüllte Brieftasche des
Wärters verschwunden.

Als ich am letzten Montag Vormittag mit dem Scheuern des Affenwagens
beschäftigt war und die Affen aus dem großen Gesellschaftskäfig in kleine Käfige
gesperrt hatte, war uur ein Javaner Affe namens "Schuster," der erst vierzehn
Tage bei uns war, in dem großen Käfig geblieben und weigerte sich, diesen zu
verlassen. Um keine Zeit zu verlieren, beschloß ich, zu ihm hineinzusteigen und
den Käfig unbekümmert "in seine Gegenwart ausznwaschen. Ich stellte einen Eimer
mit Wasser hinein und kroch durch die enge Öffnung des Gitters in das Innere.
Während ich arbeitete, saß das Tier in irgendeiner Ecke oder hing oben am Gitter,
sah mir aufmerksam zu und schnalzte nach seiner gewöhnlichen Art. Als ich fertig
war, warf ich deu Eimer hinaus und schickte mich an, den Käfig zu verlassen.
Aber ehe ich draußen war, hatte auch Schuster den Ausweg gefunden und lief
schon auf der Barriere des ersten Platzes umher, von wo er dann unter dem
zweiten und dritten Platze verschwand. Die beiden Ulmer Doggen machten Jagd
auf ihn und würden ihn zerrissen haben, wenn sie ihn erwischt hatten, aber der
Affe war schneller als sie und entkam, indem er zunächst unter die Küche, den
Wohnwagen und den Packwagen und dann wieder unter die Menageriewagen kroch.
Es begann nun eine wilde Jagd, und bei der Hitze, die an diesem Tage gerade
herrschte, vergoß ich manchen Tropfen Schweiß. Es war keine leichte Arbeit, dem
Tier in alle seine Schlupfwinkel zu folgen, und es diente dabei keineswegs zu
meiner Ermutigung, daß mir Direktor Bücher, während ich mich abmühte, den
Affen zu haschen, zurief: "Das Tier kostet fünfundzwanzig Mark, wem? Sie es
nicht wieder kriegen, müssen Sie es bezahlen!" Zu meinem größten Schrecken
entdeckte der Affe eine Vertiefung im Boden unter der Hinterwand, durch die er
entschlüpfte. Ich eilte aus der Menagerie und sah, daß der Affe in ein benachbartes
Grundstück entwischte, wo er auf dem Dache eines leeren Gewächshauses saß. Eine
Frau gab mir Aprikosen, mit denen ich den Flüchtling wieder herbeizulocken suchte.
Er sah die Früchte auch mit großen, Interesse an, schnalzte unaufhörlich, ließ sich
aber nicht bewegen, herzukommen. Als ich ihm vom Innern des Glashauses aus
nachkletterte, sprang er von dem etwa zehn Meter hohen Dache hinunter und eilte
in die Anlagen, wo sich eine Menge Publikum gesammelt hatte, das auf den Aus-
gang der Jagd gespannt war und sich zum Teil daran beteiligte. Wie ich wieder
ans den festen Boden gekommen bin, weiß ich heute noch nicht, jedenfalls war ich
dem Flüchtling bald wieder auf den Fersen und folgte ihm im schnellsten Laufe,
während er den Weg in die öffentlichen Anlagen einschlug. Zum Glück kam er
nicht auf den Gedanken, einen Baum zu erklettern, da er dann wahrscheinlich für
uns unrettbar verloren gewesen wäre, sondern machte plötzlich eine Schwenkung
nach links, kroch durch das eiserne Gitter einer Villa, eilte durch den Garten und
stieg zu einem offenstehenden Parterrefenster ein. Dorthin konnte ich ihm nicht
ohne weiteres folgen, ich mußte klingeln und warten, bis mich jemand hineinließ.
Nach einige" qualvollen Minuten erschienen zwei alte Damen, die sehr verwundert
und sehr umständlich fragten, was denn los sei, und anfangs nicht die geringste


Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

Bauer getötet habe. Ehlbeck ließ den Elefanten damals allein in Italien reisen,
und das Tier hatte den Großen Se. Bernhard zu Fuß passiert und war in allen
größern Städten der Halbinsel zur Schau gestellt worden. In Palermo hatte der
Wärter offenbar Differenzen mit dem ihn begleitenden Gehilfen bekommen, und
dieser hatte, um dein Wärter einen Schabernack zu spielen, in dessen Abwesenheit
das Tier gereizt. Als Bauer zurückkam, ergriff ihn der Elefant — ein starkes
afrikanisches Männchen — mit dem Rüssel, schleuderte ihn zu Boden und bearbeitete
ihn mit den Füßen, bis er tot war. Der Gehilfe hatte seine guten Gründe, sich
von dem Elefanten fern zu halten, und wußte nun keinen andern Rat, als zur
Polizei zu laufen und deren Hilfe zu erbitten. Die Polizei machte kurzen Prozeß,
verurteilte deu Elefanten zum Tode und vollstreckte dieses Urteil mit Hilfe von
Gift. Wie nachträglich verlautete, war die mit Geld gefüllte Brieftasche des
Wärters verschwunden.

Als ich am letzten Montag Vormittag mit dem Scheuern des Affenwagens
beschäftigt war und die Affen aus dem großen Gesellschaftskäfig in kleine Käfige
gesperrt hatte, war uur ein Javaner Affe namens „Schuster," der erst vierzehn
Tage bei uns war, in dem großen Käfig geblieben und weigerte sich, diesen zu
verlassen. Um keine Zeit zu verlieren, beschloß ich, zu ihm hineinzusteigen und
den Käfig unbekümmert »in seine Gegenwart ausznwaschen. Ich stellte einen Eimer
mit Wasser hinein und kroch durch die enge Öffnung des Gitters in das Innere.
Während ich arbeitete, saß das Tier in irgendeiner Ecke oder hing oben am Gitter,
sah mir aufmerksam zu und schnalzte nach seiner gewöhnlichen Art. Als ich fertig
war, warf ich deu Eimer hinaus und schickte mich an, den Käfig zu verlassen.
Aber ehe ich draußen war, hatte auch Schuster den Ausweg gefunden und lief
schon auf der Barriere des ersten Platzes umher, von wo er dann unter dem
zweiten und dritten Platze verschwand. Die beiden Ulmer Doggen machten Jagd
auf ihn und würden ihn zerrissen haben, wenn sie ihn erwischt hatten, aber der
Affe war schneller als sie und entkam, indem er zunächst unter die Küche, den
Wohnwagen und den Packwagen und dann wieder unter die Menageriewagen kroch.
Es begann nun eine wilde Jagd, und bei der Hitze, die an diesem Tage gerade
herrschte, vergoß ich manchen Tropfen Schweiß. Es war keine leichte Arbeit, dem
Tier in alle seine Schlupfwinkel zu folgen, und es diente dabei keineswegs zu
meiner Ermutigung, daß mir Direktor Bücher, während ich mich abmühte, den
Affen zu haschen, zurief: „Das Tier kostet fünfundzwanzig Mark, wem? Sie es
nicht wieder kriegen, müssen Sie es bezahlen!" Zu meinem größten Schrecken
entdeckte der Affe eine Vertiefung im Boden unter der Hinterwand, durch die er
entschlüpfte. Ich eilte aus der Menagerie und sah, daß der Affe in ein benachbartes
Grundstück entwischte, wo er auf dem Dache eines leeren Gewächshauses saß. Eine
Frau gab mir Aprikosen, mit denen ich den Flüchtling wieder herbeizulocken suchte.
Er sah die Früchte auch mit großen, Interesse an, schnalzte unaufhörlich, ließ sich
aber nicht bewegen, herzukommen. Als ich ihm vom Innern des Glashauses aus
nachkletterte, sprang er von dem etwa zehn Meter hohen Dache hinunter und eilte
in die Anlagen, wo sich eine Menge Publikum gesammelt hatte, das auf den Aus-
gang der Jagd gespannt war und sich zum Teil daran beteiligte. Wie ich wieder
ans den festen Boden gekommen bin, weiß ich heute noch nicht, jedenfalls war ich
dem Flüchtling bald wieder auf den Fersen und folgte ihm im schnellsten Laufe,
während er den Weg in die öffentlichen Anlagen einschlug. Zum Glück kam er
nicht auf den Gedanken, einen Baum zu erklettern, da er dann wahrscheinlich für
uns unrettbar verloren gewesen wäre, sondern machte plötzlich eine Schwenkung
nach links, kroch durch das eiserne Gitter einer Villa, eilte durch den Garten und
stieg zu einem offenstehenden Parterrefenster ein. Dorthin konnte ich ihm nicht
ohne weiteres folgen, ich mußte klingeln und warten, bis mich jemand hineinließ.
Nach einige» qualvollen Minuten erschienen zwei alte Damen, die sehr verwundert
und sehr umständlich fragten, was denn los sei, und anfangs nicht die geringste


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[0212] Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren Bauer getötet habe. Ehlbeck ließ den Elefanten damals allein in Italien reisen, und das Tier hatte den Großen Se. Bernhard zu Fuß passiert und war in allen größern Städten der Halbinsel zur Schau gestellt worden. In Palermo hatte der Wärter offenbar Differenzen mit dem ihn begleitenden Gehilfen bekommen, und dieser hatte, um dein Wärter einen Schabernack zu spielen, in dessen Abwesenheit das Tier gereizt. Als Bauer zurückkam, ergriff ihn der Elefant — ein starkes afrikanisches Männchen — mit dem Rüssel, schleuderte ihn zu Boden und bearbeitete ihn mit den Füßen, bis er tot war. Der Gehilfe hatte seine guten Gründe, sich von dem Elefanten fern zu halten, und wußte nun keinen andern Rat, als zur Polizei zu laufen und deren Hilfe zu erbitten. Die Polizei machte kurzen Prozeß, verurteilte deu Elefanten zum Tode und vollstreckte dieses Urteil mit Hilfe von Gift. Wie nachträglich verlautete, war die mit Geld gefüllte Brieftasche des Wärters verschwunden. Als ich am letzten Montag Vormittag mit dem Scheuern des Affenwagens beschäftigt war und die Affen aus dem großen Gesellschaftskäfig in kleine Käfige gesperrt hatte, war uur ein Javaner Affe namens „Schuster," der erst vierzehn Tage bei uns war, in dem großen Käfig geblieben und weigerte sich, diesen zu verlassen. Um keine Zeit zu verlieren, beschloß ich, zu ihm hineinzusteigen und den Käfig unbekümmert »in seine Gegenwart ausznwaschen. Ich stellte einen Eimer mit Wasser hinein und kroch durch die enge Öffnung des Gitters in das Innere. Während ich arbeitete, saß das Tier in irgendeiner Ecke oder hing oben am Gitter, sah mir aufmerksam zu und schnalzte nach seiner gewöhnlichen Art. Als ich fertig war, warf ich deu Eimer hinaus und schickte mich an, den Käfig zu verlassen. Aber ehe ich draußen war, hatte auch Schuster den Ausweg gefunden und lief schon auf der Barriere des ersten Platzes umher, von wo er dann unter dem zweiten und dritten Platze verschwand. Die beiden Ulmer Doggen machten Jagd auf ihn und würden ihn zerrissen haben, wenn sie ihn erwischt hatten, aber der Affe war schneller als sie und entkam, indem er zunächst unter die Küche, den Wohnwagen und den Packwagen und dann wieder unter die Menageriewagen kroch. Es begann nun eine wilde Jagd, und bei der Hitze, die an diesem Tage gerade herrschte, vergoß ich manchen Tropfen Schweiß. Es war keine leichte Arbeit, dem Tier in alle seine Schlupfwinkel zu folgen, und es diente dabei keineswegs zu meiner Ermutigung, daß mir Direktor Bücher, während ich mich abmühte, den Affen zu haschen, zurief: „Das Tier kostet fünfundzwanzig Mark, wem? Sie es nicht wieder kriegen, müssen Sie es bezahlen!" Zu meinem größten Schrecken entdeckte der Affe eine Vertiefung im Boden unter der Hinterwand, durch die er entschlüpfte. Ich eilte aus der Menagerie und sah, daß der Affe in ein benachbartes Grundstück entwischte, wo er auf dem Dache eines leeren Gewächshauses saß. Eine Frau gab mir Aprikosen, mit denen ich den Flüchtling wieder herbeizulocken suchte. Er sah die Früchte auch mit großen, Interesse an, schnalzte unaufhörlich, ließ sich aber nicht bewegen, herzukommen. Als ich ihm vom Innern des Glashauses aus nachkletterte, sprang er von dem etwa zehn Meter hohen Dache hinunter und eilte in die Anlagen, wo sich eine Menge Publikum gesammelt hatte, das auf den Aus- gang der Jagd gespannt war und sich zum Teil daran beteiligte. Wie ich wieder ans den festen Boden gekommen bin, weiß ich heute noch nicht, jedenfalls war ich dem Flüchtling bald wieder auf den Fersen und folgte ihm im schnellsten Laufe, während er den Weg in die öffentlichen Anlagen einschlug. Zum Glück kam er nicht auf den Gedanken, einen Baum zu erklettern, da er dann wahrscheinlich für uns unrettbar verloren gewesen wäre, sondern machte plötzlich eine Schwenkung nach links, kroch durch das eiserne Gitter einer Villa, eilte durch den Garten und stieg zu einem offenstehenden Parterrefenster ein. Dorthin konnte ich ihm nicht ohne weiteres folgen, ich mußte klingeln und warten, bis mich jemand hineinließ. Nach einige» qualvollen Minuten erschienen zwei alte Damen, die sehr verwundert und sehr umständlich fragten, was denn los sei, und anfangs nicht die geringste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/212>, abgerufen am 15.01.2025.