Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Unter Runde", Komödianten und wilden Tieren Neigung verspürten, mich einzulassen, Erst auf mein energisches Zurede" öffneten Vor unsrer Abreise von Koblenz schlachtete ich noch ein sehr fettes Pferd, Die Anwohner des Platzes beschwerten sich über das nächtliche Gebrüll unsrer Unter Runde», Komödianten und wilden Tieren Neigung verspürten, mich einzulassen, Erst auf mein energisches Zurede« öffneten Vor unsrer Abreise von Koblenz schlachtete ich noch ein sehr fettes Pferd, Die Anwohner des Platzes beschwerten sich über das nächtliche Gebrüll unsrer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296224"/> <fw type="header" place="top"> Unter Runde», Komödianten und wilden Tieren</fw><lb/> <p xml:id="ID_1198" prev="#ID_1197"> Neigung verspürten, mich einzulassen, Erst auf mein energisches Zurede« öffneten<lb/> sie, "knüpften aber die Bedingung daran, daß mir ich allein eintreten dürfte. Ich<lb/> schloß zunächst von außen die Fenster, bis auf das eine, durch das der Affe seinen<lb/> Weg gesucht hatte, stieg dann selbst hinein, schloß das Fenster von innen und er¬<lb/> wischte den Affen glücklich hinter dem Ofen der völlig leeren aber frischgestrichneu<lb/> Stube. Der Ausreißer erhielt nun seine Strafe in Form einer gehörigen Tracht<lb/> Prügel, aber auch die beiden Damen, die mich so unfreundlich empfangen hatten,<lb/> durften nicht ganz leichten Kaufs davonkommen, weshalb ich mehr, als unbedingt<lb/> nötig gewesen wäre, auf dem frischen Anstrich herumrutschte und auf dem noch<lb/> feuchten Boden einige recht bemerkbare Spuren meines Daseins zurückließ. Als<lb/> ich mit dem Affen unter dem Arme wieder bei dem Gartentor anlangte, fand ich<lb/> den Direktor in lebhafter Unterhaltung bei deu beiden alten Damen, und ich hörte<lb/> noch, wie er ihnen sagte: „Seien Sie froh, daß es nur ein Affe und kein Löwe<lb/> war, denn in diesem Falle würden Sie alle beide Ihr teures Leben eingebüßt<lb/> haben."</p><lb/> <p xml:id="ID_1199"> Vor unsrer Abreise von Koblenz schlachtete ich noch ein sehr fettes Pferd,<lb/> während die Andern verluden. Dann reisten wir nach Bonn. Als wir dort an¬<lb/> gekommen waren, sah ich zuerst nach dem kleinen Löwen, der eine Hündin als<lb/> Amme hatte, und ließ diese denn aus dem Wagen heraus, damit sie sich etwas<lb/> Bewegung machen sollte. Ich warf ihr ein paar Stücke Fleisch von- Wagen herab,<lb/> die sie auch begierig fraß, als ich ihr aber das letzte Stück geben wollte, war sie<lb/> spurlos verschwunden. Das Tier, das wir uns in Koblenz geliehen hatten, war<lb/> sofort nach seiner Heimatstadt zurückgekehrt. Zum Glück war der junge Löwe<lb/> schon so weit, daß er allein trinken konnte und auch schon kleine Stücke Fleisch<lb/> nahm. In Bonn standen wir auf dem Exerzierplatze bei der Sterntorkaferne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1200" next="#ID_1201"> Die Anwohner des Platzes beschwerten sich über das nächtliche Gebrüll unsrer<lb/> Löwen, und ich bekam deshalb deu Auftrag, die Nacht über wach zu bleiben und<lb/> die Löwen beim Brüllen zu stören, was ich mit Hilfe der Futtergabel auch tat.<lb/> Dafür brauchte ich am Tage nur die Fleischrntivuen zu tranchieren und zu ver¬<lb/> teilen sowie die Vorstellungen zu leiten. Da ich an gehörige Arbeit gewöhnt war,<lb/> sagte mir diese Lebensweise nicht zu, und da ich außerdem immer deutlicher be¬<lb/> merkte, daß mein Kollege Michel, der bei Madame einen Stein im Brett hatte,<lb/> fortwährend gegen mich intriguierte, erklärte ich eines Tages dem Direktor, daß<lb/> ich lieber gehn wolle. Er stellte mir ein vorzügliches Zeugnis ans, hielt mir eine<lb/> Abschiedsrede und empfahl mir, eine Anstellung bei der Menagerie Weidauer zu<lb/> s"chen. die damals gerade in Krefeld war. Ich fuhr also hinüber und fand dort<lb/> "und die Menagerie mit dem dazu gehörenden Karussell. Als ich die Bude betrat,<lb/> wurde mir gleich das Herz schwer, deun der Unterschied zwischen dem Geschäft,<lb/> das ich verlassen hatte, und diesem hier war ebenso groß wie der zwischen Tag<lb/> und Nacht. Von der peinlichen Sauberkeit und Ordnung, die bei Norma Hawa<lb/> geherrscht hatten, war hier keine Spur zu finden, und alles deutete darauf hin,<lb/> daß der Betrieb in jeder Weise nachlässig gehandhabt wurde. Aber was konnten<lb/> solche Betrachtungen helfen. ich hatte meine Stelle aufgegeben und mußte ,eben,<lb/> daß ich wieder ein Unterkommen fand, und so wollte ich denn auf alle Fälle mem<lb/> Muck bei Weidauer versuche». Ich stellte mich dem Besitzer vor präsentierte ihm<lb/> meine Zeugnisse und wurde sogleich angestellt. Das Geschäft bestand a s fu<lb/> Tierwageu. einem Wohnwagen und einem Elefantenwagen, der wahrend der ^se<lb/> "is Holzwagen benntzt wurde. An Tieren enthielt die Menagerie einen<lb/> Eisbären, eineii afrikanischen Elefanten mit mehr als meterlangen Stoßzähnen, neun<lb/> Löwen, darunter ein Löwenpaar ans der Berberei. vier dressierte Löwinnen .mehrere<lb/> jüngere Löwinnen, worunter eine. die am Wahnsinn litt, und die infolgedessen beim<lb/> Füttern nicht das Fleisch vou der Gabel nahm. sondern den in den Käfig geworfnen<lb/> Brocken unbeachtet ließ, bis sie ihn dnrch Zufall fand, ferner ein Zebra, em Emu. ein<lb/> Lama, einen Königstiger, zwei Panther, einen Malaienbären, ewe Riesenschlange, drei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0213]
Unter Runde», Komödianten und wilden Tieren
Neigung verspürten, mich einzulassen, Erst auf mein energisches Zurede« öffneten
sie, "knüpften aber die Bedingung daran, daß mir ich allein eintreten dürfte. Ich
schloß zunächst von außen die Fenster, bis auf das eine, durch das der Affe seinen
Weg gesucht hatte, stieg dann selbst hinein, schloß das Fenster von innen und er¬
wischte den Affen glücklich hinter dem Ofen der völlig leeren aber frischgestrichneu
Stube. Der Ausreißer erhielt nun seine Strafe in Form einer gehörigen Tracht
Prügel, aber auch die beiden Damen, die mich so unfreundlich empfangen hatten,
durften nicht ganz leichten Kaufs davonkommen, weshalb ich mehr, als unbedingt
nötig gewesen wäre, auf dem frischen Anstrich herumrutschte und auf dem noch
feuchten Boden einige recht bemerkbare Spuren meines Daseins zurückließ. Als
ich mit dem Affen unter dem Arme wieder bei dem Gartentor anlangte, fand ich
den Direktor in lebhafter Unterhaltung bei deu beiden alten Damen, und ich hörte
noch, wie er ihnen sagte: „Seien Sie froh, daß es nur ein Affe und kein Löwe
war, denn in diesem Falle würden Sie alle beide Ihr teures Leben eingebüßt
haben."
Vor unsrer Abreise von Koblenz schlachtete ich noch ein sehr fettes Pferd,
während die Andern verluden. Dann reisten wir nach Bonn. Als wir dort an¬
gekommen waren, sah ich zuerst nach dem kleinen Löwen, der eine Hündin als
Amme hatte, und ließ diese denn aus dem Wagen heraus, damit sie sich etwas
Bewegung machen sollte. Ich warf ihr ein paar Stücke Fleisch von- Wagen herab,
die sie auch begierig fraß, als ich ihr aber das letzte Stück geben wollte, war sie
spurlos verschwunden. Das Tier, das wir uns in Koblenz geliehen hatten, war
sofort nach seiner Heimatstadt zurückgekehrt. Zum Glück war der junge Löwe
schon so weit, daß er allein trinken konnte und auch schon kleine Stücke Fleisch
nahm. In Bonn standen wir auf dem Exerzierplatze bei der Sterntorkaferne.
Die Anwohner des Platzes beschwerten sich über das nächtliche Gebrüll unsrer
Löwen, und ich bekam deshalb deu Auftrag, die Nacht über wach zu bleiben und
die Löwen beim Brüllen zu stören, was ich mit Hilfe der Futtergabel auch tat.
Dafür brauchte ich am Tage nur die Fleischrntivuen zu tranchieren und zu ver¬
teilen sowie die Vorstellungen zu leiten. Da ich an gehörige Arbeit gewöhnt war,
sagte mir diese Lebensweise nicht zu, und da ich außerdem immer deutlicher be¬
merkte, daß mein Kollege Michel, der bei Madame einen Stein im Brett hatte,
fortwährend gegen mich intriguierte, erklärte ich eines Tages dem Direktor, daß
ich lieber gehn wolle. Er stellte mir ein vorzügliches Zeugnis ans, hielt mir eine
Abschiedsrede und empfahl mir, eine Anstellung bei der Menagerie Weidauer zu
s"chen. die damals gerade in Krefeld war. Ich fuhr also hinüber und fand dort
"und die Menagerie mit dem dazu gehörenden Karussell. Als ich die Bude betrat,
wurde mir gleich das Herz schwer, deun der Unterschied zwischen dem Geschäft,
das ich verlassen hatte, und diesem hier war ebenso groß wie der zwischen Tag
und Nacht. Von der peinlichen Sauberkeit und Ordnung, die bei Norma Hawa
geherrscht hatten, war hier keine Spur zu finden, und alles deutete darauf hin,
daß der Betrieb in jeder Weise nachlässig gehandhabt wurde. Aber was konnten
solche Betrachtungen helfen. ich hatte meine Stelle aufgegeben und mußte ,eben,
daß ich wieder ein Unterkommen fand, und so wollte ich denn auf alle Fälle mem
Muck bei Weidauer versuche». Ich stellte mich dem Besitzer vor präsentierte ihm
meine Zeugnisse und wurde sogleich angestellt. Das Geschäft bestand a s fu
Tierwageu. einem Wohnwagen und einem Elefantenwagen, der wahrend der ^se
"is Holzwagen benntzt wurde. An Tieren enthielt die Menagerie einen
Eisbären, eineii afrikanischen Elefanten mit mehr als meterlangen Stoßzähnen, neun
Löwen, darunter ein Löwenpaar ans der Berberei. vier dressierte Löwinnen .mehrere
jüngere Löwinnen, worunter eine. die am Wahnsinn litt, und die infolgedessen beim
Füttern nicht das Fleisch vou der Gabel nahm. sondern den in den Käfig geworfnen
Brocken unbeachtet ließ, bis sie ihn dnrch Zufall fand, ferner ein Zebra, em Emu. ein
Lama, einen Königstiger, zwei Panther, einen Malaienbären, ewe Riesenschlange, drei
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |