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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Rußlands neuster Bcihnbau in Zentralcisien

der Entdeckung des Seewegs nach Indien ging zeitweilig wohl gar der indisch-
enropüische Handel diese Straße. Das gehörte natürlich schon für Jahrhunderte
der Vergangenheit an, als Rußland die transkaspische Eisenbahn baute und
Täbris sehr schädigte, indem es die Handelsstraße dort einfach versperrte.

Jetzt verfolgt Rußland wieder eine andre Politik. Es hat von Persien
die Provinz Aserbaidschan in bezug auf Anlegung von Eisenbahnen und
Chausseen, auf Flußschiffahrt und Bergwerke gepachtet und kommt jetzt vom
Norden mit der Eisenbahn, um das Land zu erschließen. Sicher wird die
Linie Eriwan-Djulfa einst fortgesetzt werden. Bis Täbris sind es in der
Luftlinie nur hundertundzehn Kilometer. Dann wird man nach Südosten zu
den alten Karawanenstraßen folgen, vielleicht bis Teheran und Hamadan.

Hier im Nordwesten Persiens kann niemand den Russen in die Quere
kommen. Das armenische Hochland schiebt sich als ein unüberwindlicher Wall
zwischen Aserbcidschcm und das Schwarze Meer. Die vom Persischen Meer¬
busen nach Norden führenden Straßen sind, auch unter (Anrechnung der doch
sehr fragwürdigen Tigrisschiffahrt bis Bagdad, zu lang, und zu beschwerlich,
als daß sie einer russischen Eisenbahn Konkurrenz machen könnten, auch wenn
diese bei Djnlfa ihren Endpunkt behalten sollte. Der Norden Persiens vom
äußersten Westen bis zum äußersten Osten, vom Ararat bis zur afghanischen
Grenze ist in russischer Klientel. Etwaige englische Eisenbahnen vom Süden
her mögen die Südgrenze seines Bereichs teilweise zurückdrängen, für diese
oder jene Artikel, wieder zu entreißen ist ihm Nordpersien nicht. Der Norden
Persiens ist aber der beste Teil des Landes. In der Mitte sind die aus¬
gedehnten Wüsten, den Süden bedecken die langen Parallelketten regenarmer
Gebirge, zwischen denen wenig fruchtbare Mulden aus Schutt und Sand be¬
stehend sich ausdehnen. Gesegnete Fleckchen sind selten und treten erst im
Westen (Shiras) häufiger auf.

Bevor Rußland durch seinen ostasiatischen Krieg so sehr in Anspruch ge¬
nommen wurde, bot es viel auf, um auch politisch seine Stellung in Persien
zu stärken. Gestützt auf die Verkehrswege, auf denen so leicht ungezählte
Kosakenschwürme hereindringen konnten, gelang es ihm, auf den Schah einen
beständig wachsenden Einfluß auszuüben. Persien mußte die früher in Eng¬
land aufgenommnen Anleihen mit russischen Darlehen einlösen. Es mußte
sich verpflichten, fortan nur dann in andern Ländern Geld zu leihen, wenn
ihm solches in Rußland abgeschlagen wurde. Ein für Rußland sehr vorteil¬
hafter Handelsvertrag wurde vereinbart; wenn anch hernach die Engländer
Anteil daran gewannen, so waren doch die für sie in Betracht kommenden
Artikel weit weniger davon betroffen. Jetzt ebbt anscheinend der russische Einfluß
zugunsten des englischen etwas wieder zurück. Möglicherweise ist jedoch auch
dies uur eine Episode in einer im ganzen umgekehrten Entwicklung.




Rußlands neuster Bcihnbau in Zentralcisien

der Entdeckung des Seewegs nach Indien ging zeitweilig wohl gar der indisch-
enropüische Handel diese Straße. Das gehörte natürlich schon für Jahrhunderte
der Vergangenheit an, als Rußland die transkaspische Eisenbahn baute und
Täbris sehr schädigte, indem es die Handelsstraße dort einfach versperrte.

Jetzt verfolgt Rußland wieder eine andre Politik. Es hat von Persien
die Provinz Aserbaidschan in bezug auf Anlegung von Eisenbahnen und
Chausseen, auf Flußschiffahrt und Bergwerke gepachtet und kommt jetzt vom
Norden mit der Eisenbahn, um das Land zu erschließen. Sicher wird die
Linie Eriwan-Djulfa einst fortgesetzt werden. Bis Täbris sind es in der
Luftlinie nur hundertundzehn Kilometer. Dann wird man nach Südosten zu
den alten Karawanenstraßen folgen, vielleicht bis Teheran und Hamadan.

Hier im Nordwesten Persiens kann niemand den Russen in die Quere
kommen. Das armenische Hochland schiebt sich als ein unüberwindlicher Wall
zwischen Aserbcidschcm und das Schwarze Meer. Die vom Persischen Meer¬
busen nach Norden führenden Straßen sind, auch unter (Anrechnung der doch
sehr fragwürdigen Tigrisschiffahrt bis Bagdad, zu lang, und zu beschwerlich,
als daß sie einer russischen Eisenbahn Konkurrenz machen könnten, auch wenn
diese bei Djnlfa ihren Endpunkt behalten sollte. Der Norden Persiens vom
äußersten Westen bis zum äußersten Osten, vom Ararat bis zur afghanischen
Grenze ist in russischer Klientel. Etwaige englische Eisenbahnen vom Süden
her mögen die Südgrenze seines Bereichs teilweise zurückdrängen, für diese
oder jene Artikel, wieder zu entreißen ist ihm Nordpersien nicht. Der Norden
Persiens ist aber der beste Teil des Landes. In der Mitte sind die aus¬
gedehnten Wüsten, den Süden bedecken die langen Parallelketten regenarmer
Gebirge, zwischen denen wenig fruchtbare Mulden aus Schutt und Sand be¬
stehend sich ausdehnen. Gesegnete Fleckchen sind selten und treten erst im
Westen (Shiras) häufiger auf.

Bevor Rußland durch seinen ostasiatischen Krieg so sehr in Anspruch ge¬
nommen wurde, bot es viel auf, um auch politisch seine Stellung in Persien
zu stärken. Gestützt auf die Verkehrswege, auf denen so leicht ungezählte
Kosakenschwürme hereindringen konnten, gelang es ihm, auf den Schah einen
beständig wachsenden Einfluß auszuüben. Persien mußte die früher in Eng¬
land aufgenommnen Anleihen mit russischen Darlehen einlösen. Es mußte
sich verpflichten, fortan nur dann in andern Ländern Geld zu leihen, wenn
ihm solches in Rußland abgeschlagen wurde. Ein für Rußland sehr vorteil¬
hafter Handelsvertrag wurde vereinbart; wenn anch hernach die Engländer
Anteil daran gewannen, so waren doch die für sie in Betracht kommenden
Artikel weit weniger davon betroffen. Jetzt ebbt anscheinend der russische Einfluß
zugunsten des englischen etwas wieder zurück. Möglicherweise ist jedoch auch
dies uur eine Episode in einer im ganzen umgekehrten Entwicklung.




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[0019] Rußlands neuster Bcihnbau in Zentralcisien der Entdeckung des Seewegs nach Indien ging zeitweilig wohl gar der indisch- enropüische Handel diese Straße. Das gehörte natürlich schon für Jahrhunderte der Vergangenheit an, als Rußland die transkaspische Eisenbahn baute und Täbris sehr schädigte, indem es die Handelsstraße dort einfach versperrte. Jetzt verfolgt Rußland wieder eine andre Politik. Es hat von Persien die Provinz Aserbaidschan in bezug auf Anlegung von Eisenbahnen und Chausseen, auf Flußschiffahrt und Bergwerke gepachtet und kommt jetzt vom Norden mit der Eisenbahn, um das Land zu erschließen. Sicher wird die Linie Eriwan-Djulfa einst fortgesetzt werden. Bis Täbris sind es in der Luftlinie nur hundertundzehn Kilometer. Dann wird man nach Südosten zu den alten Karawanenstraßen folgen, vielleicht bis Teheran und Hamadan. Hier im Nordwesten Persiens kann niemand den Russen in die Quere kommen. Das armenische Hochland schiebt sich als ein unüberwindlicher Wall zwischen Aserbcidschcm und das Schwarze Meer. Die vom Persischen Meer¬ busen nach Norden führenden Straßen sind, auch unter (Anrechnung der doch sehr fragwürdigen Tigrisschiffahrt bis Bagdad, zu lang, und zu beschwerlich, als daß sie einer russischen Eisenbahn Konkurrenz machen könnten, auch wenn diese bei Djnlfa ihren Endpunkt behalten sollte. Der Norden Persiens vom äußersten Westen bis zum äußersten Osten, vom Ararat bis zur afghanischen Grenze ist in russischer Klientel. Etwaige englische Eisenbahnen vom Süden her mögen die Südgrenze seines Bereichs teilweise zurückdrängen, für diese oder jene Artikel, wieder zu entreißen ist ihm Nordpersien nicht. Der Norden Persiens ist aber der beste Teil des Landes. In der Mitte sind die aus¬ gedehnten Wüsten, den Süden bedecken die langen Parallelketten regenarmer Gebirge, zwischen denen wenig fruchtbare Mulden aus Schutt und Sand be¬ stehend sich ausdehnen. Gesegnete Fleckchen sind selten und treten erst im Westen (Shiras) häufiger auf. Bevor Rußland durch seinen ostasiatischen Krieg so sehr in Anspruch ge¬ nommen wurde, bot es viel auf, um auch politisch seine Stellung in Persien zu stärken. Gestützt auf die Verkehrswege, auf denen so leicht ungezählte Kosakenschwürme hereindringen konnten, gelang es ihm, auf den Schah einen beständig wachsenden Einfluß auszuüben. Persien mußte die früher in Eng¬ land aufgenommnen Anleihen mit russischen Darlehen einlösen. Es mußte sich verpflichten, fortan nur dann in andern Ländern Geld zu leihen, wenn ihm solches in Rußland abgeschlagen wurde. Ein für Rußland sehr vorteil¬ hafter Handelsvertrag wurde vereinbart; wenn anch hernach die Engländer Anteil daran gewannen, so waren doch die für sie in Betracht kommenden Artikel weit weniger davon betroffen. Jetzt ebbt anscheinend der russische Einfluß zugunsten des englischen etwas wieder zurück. Möglicherweise ist jedoch auch dies uur eine Episode in einer im ganzen umgekehrten Entwicklung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/19>, abgerufen am 15.01.2025.