Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Rußlands neuster Bahnbau in Zentralasteil Treiben entziehn zu müssen. Jetzt sind ihnen diese zurückerstattet worden. Ob Näher liegt für die Eisenbahn Eriwau-Djulfa ein andrer Zweck, der poli¬ Rußlands neuster Bahnbau in Zentralasteil Treiben entziehn zu müssen. Jetzt sind ihnen diese zurückerstattet worden. Ob Näher liegt für die Eisenbahn Eriwau-Djulfa ein andrer Zweck, der poli¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296029"/> <fw type="header" place="top"> Rußlands neuster Bahnbau in Zentralasteil</fw><lb/> <p xml:id="ID_31" prev="#ID_30"> Treiben entziehn zu müssen. Jetzt sind ihnen diese zurückerstattet worden. Ob<lb/> aber die Petersburger Politik bald auf ihre frühern philarmenischen Forderungen<lb/> zurückkommen wird, ist nicht ganz sicher. Sie hat bei dem letzten armenischen<lb/> Aufstande gegen die Türkei, der mit den Dhnamitanschlägen in Konstantinopel<lb/> begann, die Nation offenbar im Stich gelassen, und darauf nicht zum wenigsten<lb/> führt man es zurück, daß die Pforte die Kurden ungezügelt wirtschaften und<lb/> die Armenier mit Mord und Brand heimsuchen ließ. Dennoch muß man an¬<lb/> nehmen, daß die Rückkehr Rußlands zu der frühern Politik der Beschützung<lb/> der Armenier unausbleiblich ist, da diese ueben den Griechen das Element<lb/> sind, auf das Rußland seinen Einfluß in Kleinasien stützen muß. Ihr wird<lb/> sich dann auch der Eisenbahnbau von Tiflis nach Kars, Eriwnn und Djulfa<lb/> in den Dienst stellen. Denn wenn Rußland seine jetzige Krisis überwunden<lb/> hat, kaun es in seinem Bereich die blutige Feindschaft zweier Völker nicht<lb/> mehr dulden.</p><lb/> <p xml:id="ID_32" next="#ID_33"> Näher liegt für die Eisenbahn Eriwau-Djulfa ein andrer Zweck, der poli¬<lb/> tische Einfluß in Persien und der Handel mit dem Nordwesten dieses Landes.<lb/> Es handelt sich um die südlich an Russisch-Kaukasien grenzende persische Nord¬<lb/> provinz Aserbaidschan. Im Altertum trug die Landschaft den Namen Atro-<lb/> patene. Sie war ein selbständiger Priesterstnat und stand in hoher Kultur.<lb/> Davon ist freilich der größte Teil verschwunden. Schon unter den persischen<lb/> Sassaniden begann der Verfall, der Islam hat ihn vollendet. Aber immer<lb/> noch ist fühlbar, was Atropatene einst gewesen ist. Heinrich Brugsch, der es<lb/> auf seiner persischen Reise berührte, schreibt: „Kent überrascht noch mehr als<lb/> Snleimanijch durch die üppige Fülle seiner Vegetation, die in dem schönsten<lb/> Monat des Jahres eine unglaubliche Pracht erreicht hatte. Der steile Auf-<lb/> gnng zum Dorfe war mit lebendigen Hecken weißer und roter Rosen eingefaßt.<lb/> schattige Bäume verbreiteten angenehme Kühlung, zahlreiche Obstbäume in<lb/> den Gurten, an der Straße schienen unter der Last buntschimmernder, bald<lb/> reifer Früchte: Kirschen, Pflaumen, Aprikosen, Pfirsiche usw. brechen zu wollen."<lb/> Seinem bergigen Charakter entsprechend hat es eine Menge von kleinen, im<lb/> Sommer größtenteils versiegenden, sonst aber die Täter gut bewässernden<lb/> Flüssen, die teils dem Aras, teils dem Aralsee zufließen. Siepers sagt in<lb/> seinem Werk über Asien: „Auch die Provinz Aserbeidschan verleugnet nicht<lb/> den allgemeinen Landschaftscharakter des Innern (Persiens). Im ganzen ist<lb/> auch sie eine öde, bleiche, in Graugelb und fahlem Graugrün gemalte Steppen¬<lb/> landschaft, mit großen und kleinen Steinen besät, von Schluchten durchzogen<lb/> und von zackigen, wilden Bergwänden umrahmt, die auch hier noch in ihrem<lb/> eignen Schutt versinken. Die Hochebne ist teilweise bebaut, und wo in den<lb/> Bergen Wasser in größerer Fülle verbreitet ist, breiten sich weite Hochwiesen<lb/> ans, ans denen Herden von Kamelen, Schafen und Ziegen weiden." Die<lb/> Hauptstadt Tübris ist mit 180000 Einwohnern die zweite Stadt Persiens.<lb/> Auch sie ist wie so viele Städte im Reiche des Schäds in starkem Verfall,<lb/> und doch blickt die Herrlichkeit der Vergangenheit noch aus manchem Palast<lb/> und mancher Moschee hervor. In der Vergangenheit ging der persische Handel<lb/> mit dein Westen größtenteils über Täbris nach dem Schwarzen Meer; vor</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Rußlands neuster Bahnbau in Zentralasteil
Treiben entziehn zu müssen. Jetzt sind ihnen diese zurückerstattet worden. Ob
aber die Petersburger Politik bald auf ihre frühern philarmenischen Forderungen
zurückkommen wird, ist nicht ganz sicher. Sie hat bei dem letzten armenischen
Aufstande gegen die Türkei, der mit den Dhnamitanschlägen in Konstantinopel
begann, die Nation offenbar im Stich gelassen, und darauf nicht zum wenigsten
führt man es zurück, daß die Pforte die Kurden ungezügelt wirtschaften und
die Armenier mit Mord und Brand heimsuchen ließ. Dennoch muß man an¬
nehmen, daß die Rückkehr Rußlands zu der frühern Politik der Beschützung
der Armenier unausbleiblich ist, da diese ueben den Griechen das Element
sind, auf das Rußland seinen Einfluß in Kleinasien stützen muß. Ihr wird
sich dann auch der Eisenbahnbau von Tiflis nach Kars, Eriwnn und Djulfa
in den Dienst stellen. Denn wenn Rußland seine jetzige Krisis überwunden
hat, kaun es in seinem Bereich die blutige Feindschaft zweier Völker nicht
mehr dulden.
Näher liegt für die Eisenbahn Eriwau-Djulfa ein andrer Zweck, der poli¬
tische Einfluß in Persien und der Handel mit dem Nordwesten dieses Landes.
Es handelt sich um die südlich an Russisch-Kaukasien grenzende persische Nord¬
provinz Aserbaidschan. Im Altertum trug die Landschaft den Namen Atro-
patene. Sie war ein selbständiger Priesterstnat und stand in hoher Kultur.
Davon ist freilich der größte Teil verschwunden. Schon unter den persischen
Sassaniden begann der Verfall, der Islam hat ihn vollendet. Aber immer
noch ist fühlbar, was Atropatene einst gewesen ist. Heinrich Brugsch, der es
auf seiner persischen Reise berührte, schreibt: „Kent überrascht noch mehr als
Snleimanijch durch die üppige Fülle seiner Vegetation, die in dem schönsten
Monat des Jahres eine unglaubliche Pracht erreicht hatte. Der steile Auf-
gnng zum Dorfe war mit lebendigen Hecken weißer und roter Rosen eingefaßt.
schattige Bäume verbreiteten angenehme Kühlung, zahlreiche Obstbäume in
den Gurten, an der Straße schienen unter der Last buntschimmernder, bald
reifer Früchte: Kirschen, Pflaumen, Aprikosen, Pfirsiche usw. brechen zu wollen."
Seinem bergigen Charakter entsprechend hat es eine Menge von kleinen, im
Sommer größtenteils versiegenden, sonst aber die Täter gut bewässernden
Flüssen, die teils dem Aras, teils dem Aralsee zufließen. Siepers sagt in
seinem Werk über Asien: „Auch die Provinz Aserbeidschan verleugnet nicht
den allgemeinen Landschaftscharakter des Innern (Persiens). Im ganzen ist
auch sie eine öde, bleiche, in Graugelb und fahlem Graugrün gemalte Steppen¬
landschaft, mit großen und kleinen Steinen besät, von Schluchten durchzogen
und von zackigen, wilden Bergwänden umrahmt, die auch hier noch in ihrem
eignen Schutt versinken. Die Hochebne ist teilweise bebaut, und wo in den
Bergen Wasser in größerer Fülle verbreitet ist, breiten sich weite Hochwiesen
ans, ans denen Herden von Kamelen, Schafen und Ziegen weiden." Die
Hauptstadt Tübris ist mit 180000 Einwohnern die zweite Stadt Persiens.
Auch sie ist wie so viele Städte im Reiche des Schäds in starkem Verfall,
und doch blickt die Herrlichkeit der Vergangenheit noch aus manchem Palast
und mancher Moschee hervor. In der Vergangenheit ging der persische Handel
mit dein Westen größtenteils über Täbris nach dem Schwarzen Meer; vor
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