Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Junge Herzen Lhristoxher Boeck Erzählung von (Fortsetzung) 26. Die geheime Aammer nfang Juli war Großmutter genesen, aber sie hatte noch keine Lust, Sie hatte viel zu tun in dieser Zeit. Sie sah alle ihre Kleider nach, ordnete Eines Morgens erklärte der Apotheker am Teetisch, es läge ein Gewitter in Frau Lönberg und Desideria sahen sehr gereizt aus. Helene war still und blaß. Es lag über den Schulstunden dieses Tages eine eigentümliche Stimmung, Sie ließ die Sache heute der Wärme halber sehr sachte eingehn, schließlich Als Großmutter wieder allein war, sagte sie vor sich hin: Ich glaube, jetzt Da trat Holmsted ein. Er blieb auffallend lange, sah unruhig lauschend nach Ganz recht: Helene hatte eben drüben die Tür geöffnet und war ans den Ein Gedanke hatte sie in der letzten Zeit Tag und Nacht verfolgt: War nicht Mit gedämpfter Stimme sagte er: Ich muß als Arzt mit Ihnen sprechen; Er dämpfte seine Stimme zu einen, kaum hörbaren Flüstern. Unten an der Treppe wurde die Tür geöffnet, ohne daß die Obenstehendeu -- so reisen Sie, sobald wie möglich, eine Luftveränderung wird Ihnen Arc"zboten IV 1903 21
Junge Herzen Lhristoxher Boeck Erzählung von (Fortsetzung) 26. Die geheime Aammer nfang Juli war Großmutter genesen, aber sie hatte noch keine Lust, Sie hatte viel zu tun in dieser Zeit. Sie sah alle ihre Kleider nach, ordnete Eines Morgens erklärte der Apotheker am Teetisch, es läge ein Gewitter in Frau Lönberg und Desideria sahen sehr gereizt aus. Helene war still und blaß. Es lag über den Schulstunden dieses Tages eine eigentümliche Stimmung, Sie ließ die Sache heute der Wärme halber sehr sachte eingehn, schließlich Als Großmutter wieder allein war, sagte sie vor sich hin: Ich glaube, jetzt Da trat Holmsted ein. Er blieb auffallend lange, sah unruhig lauschend nach Ganz recht: Helene hatte eben drüben die Tür geöffnet und war ans den Ein Gedanke hatte sie in der letzten Zeit Tag und Nacht verfolgt: War nicht Mit gedämpfter Stimme sagte er: Ich muß als Arzt mit Ihnen sprechen; Er dämpfte seine Stimme zu einen, kaum hörbaren Flüstern. Unten an der Treppe wurde die Tür geöffnet, ohne daß die Obenstehendeu — so reisen Sie, sobald wie möglich, eine Luftveränderung wird Ihnen Arc»zboten IV 1903 21
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[Abbildung]
Junge Herzen
Lhristoxher Boeck Erzählung von
(Fortsetzung)
26. Die geheime Aammer
nfang Juli war Großmutter genesen, aber sie hatte noch keine Lust,
aufzustehn, womit Holmsted sehr unzufrieden war, weil er meinte,
daß das lange Liegen zu sehr an ihren Kräften zehre. Niemand
wußte jedoch, daß sie in den letzten vierzehn Tagen aufgestanden war,
wenn die andern zu Bett gingen, und sich zur Ruhe gelegt hatte,
wenn die andern aufstanden.
Sie hatte viel zu tun in dieser Zeit. Sie sah alle ihre Kleider nach, ordnete
ihre Papiere, saß in den hellen Nächten lange da und sah nach dem Walde hinüber,
bis die Sonne aufging, und die Vögel sie mit ihrem Gesang begrüßten. Zuweilen
schlich sie sogar auf ihren weichen Filzschuhen auf den Boden hinaus, wo sie auf
und nieder ging.
Eines Morgens erklärte der Apotheker am Teetisch, es läge ein Gewitter in
der Luft, der Barometer sei gefallen.
Frau Lönberg und Desideria sahen sehr gereizt aus. Helene war still und blaß.
Es lag über den Schulstunden dieses Tages eine eigentümliche Stimmung,
deren sie sich später oft erinnerte. Wie im Gefühl des herannahenden Gewitters
rückten die Kinder so nahe wie nur möglich an sie heran.
Sie ließ die Sache heute der Wärme halber sehr sachte eingehn, schließlich
wurde die Luft aber so drückend, daß sie den Unterricht schloß. Sie gingen zu
Großmutter hinüber. Wie sie es häufig taten, lasen die Kinder abwechselnd ein
Märchen vor. Heute hieß es: „Die geheime Kammer."
Als Großmutter wieder allein war, sagte sie vor sich hin: Ich glaube, jetzt
tut sie sich bald auf!
Da trat Holmsted ein. Er blieb auffallend lange, sah unruhig lauschend nach
der Tür und ging dann plötzlich.
Ganz recht: Helene hatte eben drüben die Tür geöffnet und war ans den
Boden herausgetreten.
Ein Gedanke hatte sie in der letzten Zeit Tag und Nacht verfolgt: War nicht
im Grunde Holmsted schuld an der unangenehmen Lage, in die sie geraten war?
Als sie ihn jetzt sah, grüßte sie ihn und wollte die Treppe hiuuntcrgehu, aber ein
energisches: Fräulein Rörby! hielt sie zurück, obwohl sie die Hemd schon auf das
Treppengeländer gelegt hatte.
Mit gedämpfter Stimme sagte er: Ich muß als Arzt mit Ihnen sprechen;
Großmutter hat mich uicht geradezu darum gebeten, aber sie hat mir doch zu ver¬
steh» gegeben, daß Sie einen nervösen, gequälten Eindruck machten. Und ich kann
«s ja selbst sehen. Wenn Sie meinen Rat befolgen wollen —
Er dämpfte seine Stimme zu einen, kaum hörbaren Flüstern.
Unten an der Treppe wurde die Tür geöffnet, ohne daß die Obenstehendeu
es bemerkten.
— so reisen Sie, sobald wie möglich, eine Luftveränderung wird Ihnen
gut tun!
Arc»zboten IV 1903 21
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