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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

aus den abgenagten Knochen begnügen, die durch einen Zusatz von Reis etwas
konsistenter gemacht worden war. Diese Art der Beköstigung hatte auf die Löwen
jedoch keinen schlechten Einfluß, denn sie gediehen vortrefflich und wurden schlie߬
lich die größten, die ich je gesehen habe. Nach Weihnachten hatte ich mit dem
Reparieren und Neuanstreichen der Bude zu tun und mußte außerdem den eisernen
Käfig, den wir zu Anfang des Winterquartiers viereckig gemacht hatten, wieder
rund hämmern, da ihn mein Prinzipal an den Menageriebesitzer Ehlbeck verkaufen
wollte. Er diente von nun an als Schauplatz für eine neue Dressurnnmmer, die
"Der Wüstenritt" hieß, und wobei ein Löwe auf einem Kamel ritt, während ein
Zebustier dem König der Tiere folgte. Wir bauten nun für uns selbst einen neuen
Dressurkäfig, der so eingerichtet war, daß er an die Pfosten der Hinterwand
unsrer Bude angeschraubt werden konnte, und bei dessen Herstellung uns ein Tischler
und ein Schlosser halfen.

Im Januar trat starke Kälte ein, und wir mußten darauf achten, daß der
Schlangenkasten, der im Wohnwagen stand, zweimal des Tages mit einer heißen
Wärmflasche versehen wurde. Zu diesem Zwecke wurde im Wagen Wasser zuni
Kochen gebracht und in die Flasche gefüllt. Der dabei entstehende Dampf schlug
sich an den Wänden nieder und gefror, sodaß die Wände stellenweise mit dickem
Reif bedeckt waren, obwohl in dem Wagen die Haushälterin mit ihren beiden
Töchtern und ihrem kleinen Kinde schlief.

Kurz bevor wir von Kcmfbeuren aufbrachen, erhielt ich als Futter für die
Löwen aus dem Schlachthause Rindskaldaunen. Dem Löwen Romeo, den ich, da
er futterneidisch war, vorher von den andern getrennt hatte, sagte diese Kost aber
nicht zu, und ich entschloß mich deshalb, ihm die Kaldaunen wieder abzunehmen,
um sie noch den andern Löwen zu geben. Zu diesem Zwecke zog ich sie mit dem
Haken heraus und ergriff sie mit der rechten Hand. Da bekam der Löwe aber
plötzlich Appetit und wollte die Kaldauuen mit der Pranke wieder hereinholen.
Dabei verletzte er mir mit seinen Krallen zwei Finger so stark, daß ich den
nächsten Bader konsultieren mußte, der mir die Wunde auswusch und einen Ver¬
band anlegte.

Als das Frühjahr herankam, machten wir Anstalten, unser Winterquartier zu
verlassen und das Geschäft zu verladen. Da ich selbst wenig zugreifen konnte,
engagierte ich zwei Handwerksburschen, die aber so langsam arbeiteten, daß wir
am ersten Abend nur zwei Wagen verladen konnten und den dritten am andern
Tage folgen lassen mußten. An einem Freitag früh fuhren wir nach Dietmcmns-
ried. Unterwegs hatten wir in Kempten Aufenthalt, und mein Prinzipal sandte
mich in die Stadt, damit ich deu Versuch mache, Pferdefleisch zu beschaffen, was
mir jedoch nicht gelang. Als wir am Sonnabend früh in Dietmannsried ange¬
kommen waren, lag hoher Schnee, und wir mußten den Platz, wo wir aufbauen
sollten, erst davon säubern. Dieser Platz lag hinter einem Gasthause und war so
schmal, daß der Zwischenraum zwischen unsrer Front und der gegenüberliegenden
Scheune kaum drei Meter betrug. Ich legte das Holzwerk aus, verteilte die
Schrauben und gab den beiden Handwerksburschen, die wir mitgenommen hatten,
Anweisungen, wie sie die Bndenteile zusammenschrauben und die Bude aufbauen
sollten. Darüber wurde es finster, und die beiden arbeiteten beim Lichte unsrer
einzigen Laterne und kamen wieder nicht von der Stelle. Am Abend um elf ging
ich in den Wohnwagen und erklärte, daß ich jetzt unbedingt etwas für die Löwen
haben müßte, die vor Hunger schon ganz außer sich waren. Man gab mir Milch,
ich machte die untere Klappe des Wagens auf, stellte das Wagenscheit dciruuter
und schob die mit Milch gefüllte Pfanne hinein. Die Löwen rasten so wild in
dem Käfig umher, daß ich befürchtete, der Wagen möchte in Trümmer gehn, und
leckten begierig die Milch, die ich ihnen spendete. Als die Pfanne leer war,
und ich sie wieder herausholen wollte, versetzte mir eins der Tiere einen Pranken-
Hieb über die linke Hand, der nur den Mittelfinger aufriß. Ich wickelte einst-


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

aus den abgenagten Knochen begnügen, die durch einen Zusatz von Reis etwas
konsistenter gemacht worden war. Diese Art der Beköstigung hatte auf die Löwen
jedoch keinen schlechten Einfluß, denn sie gediehen vortrefflich und wurden schlie߬
lich die größten, die ich je gesehen habe. Nach Weihnachten hatte ich mit dem
Reparieren und Neuanstreichen der Bude zu tun und mußte außerdem den eisernen
Käfig, den wir zu Anfang des Winterquartiers viereckig gemacht hatten, wieder
rund hämmern, da ihn mein Prinzipal an den Menageriebesitzer Ehlbeck verkaufen
wollte. Er diente von nun an als Schauplatz für eine neue Dressurnnmmer, die
„Der Wüstenritt" hieß, und wobei ein Löwe auf einem Kamel ritt, während ein
Zebustier dem König der Tiere folgte. Wir bauten nun für uns selbst einen neuen
Dressurkäfig, der so eingerichtet war, daß er an die Pfosten der Hinterwand
unsrer Bude angeschraubt werden konnte, und bei dessen Herstellung uns ein Tischler
und ein Schlosser halfen.

Im Januar trat starke Kälte ein, und wir mußten darauf achten, daß der
Schlangenkasten, der im Wohnwagen stand, zweimal des Tages mit einer heißen
Wärmflasche versehen wurde. Zu diesem Zwecke wurde im Wagen Wasser zuni
Kochen gebracht und in die Flasche gefüllt. Der dabei entstehende Dampf schlug
sich an den Wänden nieder und gefror, sodaß die Wände stellenweise mit dickem
Reif bedeckt waren, obwohl in dem Wagen die Haushälterin mit ihren beiden
Töchtern und ihrem kleinen Kinde schlief.

Kurz bevor wir von Kcmfbeuren aufbrachen, erhielt ich als Futter für die
Löwen aus dem Schlachthause Rindskaldaunen. Dem Löwen Romeo, den ich, da
er futterneidisch war, vorher von den andern getrennt hatte, sagte diese Kost aber
nicht zu, und ich entschloß mich deshalb, ihm die Kaldaunen wieder abzunehmen,
um sie noch den andern Löwen zu geben. Zu diesem Zwecke zog ich sie mit dem
Haken heraus und ergriff sie mit der rechten Hand. Da bekam der Löwe aber
plötzlich Appetit und wollte die Kaldauuen mit der Pranke wieder hereinholen.
Dabei verletzte er mir mit seinen Krallen zwei Finger so stark, daß ich den
nächsten Bader konsultieren mußte, der mir die Wunde auswusch und einen Ver¬
band anlegte.

Als das Frühjahr herankam, machten wir Anstalten, unser Winterquartier zu
verlassen und das Geschäft zu verladen. Da ich selbst wenig zugreifen konnte,
engagierte ich zwei Handwerksburschen, die aber so langsam arbeiteten, daß wir
am ersten Abend nur zwei Wagen verladen konnten und den dritten am andern
Tage folgen lassen mußten. An einem Freitag früh fuhren wir nach Dietmcmns-
ried. Unterwegs hatten wir in Kempten Aufenthalt, und mein Prinzipal sandte
mich in die Stadt, damit ich deu Versuch mache, Pferdefleisch zu beschaffen, was
mir jedoch nicht gelang. Als wir am Sonnabend früh in Dietmannsried ange¬
kommen waren, lag hoher Schnee, und wir mußten den Platz, wo wir aufbauen
sollten, erst davon säubern. Dieser Platz lag hinter einem Gasthause und war so
schmal, daß der Zwischenraum zwischen unsrer Front und der gegenüberliegenden
Scheune kaum drei Meter betrug. Ich legte das Holzwerk aus, verteilte die
Schrauben und gab den beiden Handwerksburschen, die wir mitgenommen hatten,
Anweisungen, wie sie die Bndenteile zusammenschrauben und die Bude aufbauen
sollten. Darüber wurde es finster, und die beiden arbeiteten beim Lichte unsrer
einzigen Laterne und kamen wieder nicht von der Stelle. Am Abend um elf ging
ich in den Wohnwagen und erklärte, daß ich jetzt unbedingt etwas für die Löwen
haben müßte, die vor Hunger schon ganz außer sich waren. Man gab mir Milch,
ich machte die untere Klappe des Wagens auf, stellte das Wagenscheit dciruuter
und schob die mit Milch gefüllte Pfanne hinein. Die Löwen rasten so wild in
dem Käfig umher, daß ich befürchtete, der Wagen möchte in Trümmer gehn, und
leckten begierig die Milch, die ich ihnen spendete. Als die Pfanne leer war,
und ich sie wieder herausholen wollte, versetzte mir eins der Tiere einen Pranken-
Hieb über die linke Hand, der nur den Mittelfinger aufriß. Ich wickelte einst-


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[0102] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren aus den abgenagten Knochen begnügen, die durch einen Zusatz von Reis etwas konsistenter gemacht worden war. Diese Art der Beköstigung hatte auf die Löwen jedoch keinen schlechten Einfluß, denn sie gediehen vortrefflich und wurden schlie߬ lich die größten, die ich je gesehen habe. Nach Weihnachten hatte ich mit dem Reparieren und Neuanstreichen der Bude zu tun und mußte außerdem den eisernen Käfig, den wir zu Anfang des Winterquartiers viereckig gemacht hatten, wieder rund hämmern, da ihn mein Prinzipal an den Menageriebesitzer Ehlbeck verkaufen wollte. Er diente von nun an als Schauplatz für eine neue Dressurnnmmer, die „Der Wüstenritt" hieß, und wobei ein Löwe auf einem Kamel ritt, während ein Zebustier dem König der Tiere folgte. Wir bauten nun für uns selbst einen neuen Dressurkäfig, der so eingerichtet war, daß er an die Pfosten der Hinterwand unsrer Bude angeschraubt werden konnte, und bei dessen Herstellung uns ein Tischler und ein Schlosser halfen. Im Januar trat starke Kälte ein, und wir mußten darauf achten, daß der Schlangenkasten, der im Wohnwagen stand, zweimal des Tages mit einer heißen Wärmflasche versehen wurde. Zu diesem Zwecke wurde im Wagen Wasser zuni Kochen gebracht und in die Flasche gefüllt. Der dabei entstehende Dampf schlug sich an den Wänden nieder und gefror, sodaß die Wände stellenweise mit dickem Reif bedeckt waren, obwohl in dem Wagen die Haushälterin mit ihren beiden Töchtern und ihrem kleinen Kinde schlief. Kurz bevor wir von Kcmfbeuren aufbrachen, erhielt ich als Futter für die Löwen aus dem Schlachthause Rindskaldaunen. Dem Löwen Romeo, den ich, da er futterneidisch war, vorher von den andern getrennt hatte, sagte diese Kost aber nicht zu, und ich entschloß mich deshalb, ihm die Kaldaunen wieder abzunehmen, um sie noch den andern Löwen zu geben. Zu diesem Zwecke zog ich sie mit dem Haken heraus und ergriff sie mit der rechten Hand. Da bekam der Löwe aber plötzlich Appetit und wollte die Kaldauuen mit der Pranke wieder hereinholen. Dabei verletzte er mir mit seinen Krallen zwei Finger so stark, daß ich den nächsten Bader konsultieren mußte, der mir die Wunde auswusch und einen Ver¬ band anlegte. Als das Frühjahr herankam, machten wir Anstalten, unser Winterquartier zu verlassen und das Geschäft zu verladen. Da ich selbst wenig zugreifen konnte, engagierte ich zwei Handwerksburschen, die aber so langsam arbeiteten, daß wir am ersten Abend nur zwei Wagen verladen konnten und den dritten am andern Tage folgen lassen mußten. An einem Freitag früh fuhren wir nach Dietmcmns- ried. Unterwegs hatten wir in Kempten Aufenthalt, und mein Prinzipal sandte mich in die Stadt, damit ich deu Versuch mache, Pferdefleisch zu beschaffen, was mir jedoch nicht gelang. Als wir am Sonnabend früh in Dietmannsried ange¬ kommen waren, lag hoher Schnee, und wir mußten den Platz, wo wir aufbauen sollten, erst davon säubern. Dieser Platz lag hinter einem Gasthause und war so schmal, daß der Zwischenraum zwischen unsrer Front und der gegenüberliegenden Scheune kaum drei Meter betrug. Ich legte das Holzwerk aus, verteilte die Schrauben und gab den beiden Handwerksburschen, die wir mitgenommen hatten, Anweisungen, wie sie die Bndenteile zusammenschrauben und die Bude aufbauen sollten. Darüber wurde es finster, und die beiden arbeiteten beim Lichte unsrer einzigen Laterne und kamen wieder nicht von der Stelle. Am Abend um elf ging ich in den Wohnwagen und erklärte, daß ich jetzt unbedingt etwas für die Löwen haben müßte, die vor Hunger schon ganz außer sich waren. Man gab mir Milch, ich machte die untere Klappe des Wagens auf, stellte das Wagenscheit dciruuter und schob die mit Milch gefüllte Pfanne hinein. Die Löwen rasten so wild in dem Käfig umher, daß ich befürchtete, der Wagen möchte in Trümmer gehn, und leckten begierig die Milch, die ich ihnen spendete. Als die Pfanne leer war, und ich sie wieder herausholen wollte, versetzte mir eins der Tiere einen Pranken- Hieb über die linke Hand, der nur den Mittelfinger aufriß. Ich wickelte einst-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/102>, abgerufen am 15.01.2025.