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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Roiistantinopolitanische Reiseerlebnisse

Balkon und die Trambahn davor, das sollten die Kennzeichen sein, denen ich nach-
zugehn hatte. Leider war jedes Haus weiß, jedes hatte einen Balkon, und die
Trambahn ging an jedem vorbei. Es blieb mir also nichts übrig, als im eigent¬
lichen Sinne des Wortes hausieren zu gehn. Haus bei Haus fragte ich nach
"Hauschtld," und zwar, da es nirgends einen Portier gab, auch im ersten und
zweiten Stock. Jede Erkundigung verlief ungefähr auf dieselbe Weise. Auf mein
Klingeln öffnete ein mehr oder weniger schlumpiges weibliches Wesen oder ein
verschmitzt lächelnder Jüngling. Dann fragte ich: Dst-es loi, qus cismours monÄeur
Hausebilä?, worauf die Gestalt verlegen wurde und etwas Unverständliches
stammelnd verschwand, während ich auf dem halbdunkeln stickigen Korridor zurück¬
blieb. Ich hörte dann Türen klappen, Stimmen murmeln, Schritte gehn, bis
endlich nach kürzeren oder lcingerm Warten "Madame" erschien, um mir in mehr
oder weniger gebrochnem Französisch mitzuteilen, daß Monsieur Hauschild hier
nicht wohne, und daß sie auch nicht wisse, wo er wohne. Diese Fragerei und
Hausiererei war wahrhaft smvstÄnt, wie der Franzose so bezeichnend sagt, aber
ich war entschlossen, meinen deutschen Oberstleutnant zu entdecken, und wenn ich
ganz Pankaldi abklappern müßte. So schlimm wurde es jedoch nicht. Denn
schon beim sechsten Haus stand unten an der Tür ein Kawasse, der mir die
Hoffnung einflößte, daß hier vielleicht ein Fremder wohne. Freilich hatte der
Mann mit dem deutschen Offizier nichts zu tun, aber er bejahte meine Frage.
Froh des Erfolges stieg ich zwei Treppen hinauf und las am Klingelschild den
langgesuchten Namen. Ich sprach den öffnenden Diener französisch an, er wollte
mich abweisen, aber eine weibliche Stimme rief von innen auf deutsch: "Führen
Sie mir den Herrn herein!" Im nächsten Augenblick stand ich vor einer jungen
deutschen Frau und wurde in einen schönen Salon geführt. Ihr Gatte sei vom
Dienst noch nicht zurück, könne aber jeden Augenblick kommen, er werde sich freuen,
von seinen Verwandten aus der Heimat zu hören.

Es wurde Tee serviert, und wir waren bald im anmutigsten Geplauder.
Dabei kam mir, je länger ich die Dame anschaute, um so klarer zum Bewußtsein,
daß ich sie schon irgendwo und -wann einmal gesehen haben mußte. Besonders
der strahlende Glanz der großen, hellen Augen kam mir nicht unbekannt vor, aber
vergeblich suchte ich in den Kammern meines Gedächtnisses. Auch ihr schien es
ähnlich mit mir zu gehn, sodaß wir uns während des Gesprächs ab und zu
forschend ansahen, ohne jedoch unsern Gedanken Ausdruck zu geben. Plötzlich
öffnete sich die Tür, und herein trat in grüner, goldgestickter Uniform ihr Gemahl,
der Kaimakam, eine Rangbezeichnung, die etwa unserm Oberstleutnant entspricht.
Nachdem wir uns die Hände geschüttelt hatten, erzählte ich ihm meine soeben
glücklich beendigte Irrfahrt, währenddessen er mich ebenfalls forschend ansah, gerade
wie seine Gattin.

Dann sagte er: Sie sind also in einer türkischen Kaserne gewesen. Wissen
Sie, daß das etwas ganz Außergewöhnliches ist? Der Zutritt zu türkischen Kasernen
ist niemand erlaubt, nicht einmal Offizieren aus andern Regimentern. Übrigens,
fuhr er fort, hätten Sie unsre Bekanntschaft bequemer machen können. Sie sind
doch vorgestern mit noch einem Herrn nach Prinkipo gefahren? Wir auch. Er¬
innern Sie sich nicht?

Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Auf dem Hinterdeck hatte
ein junges Ehepaar gesessen, er war aber in Zivil gewesen. Sie hatten unsern
Gesprächen mit Interesse zugehört, auch wiederholt daran gedacht, uns anzureden
und über zweifelhafte Sachen Auskunft zu geben, es dann aber doch ans Diskretion
unterlassen. Mir waren schon damals die strahlenden Augen der Dame aufgefallen,
und ich hatte meinen Reisegenossen verstohlen auf dieses Phänomen aufmerksam
gemacht.

Als ich von dem liebenswürdigen deutsch-türkischen Ehepaar Abschied nahm,
verabredeten wir für den nächsten Freitag eine gemeinsame Partie nach den


Roiistantinopolitanische Reiseerlebnisse

Balkon und die Trambahn davor, das sollten die Kennzeichen sein, denen ich nach-
zugehn hatte. Leider war jedes Haus weiß, jedes hatte einen Balkon, und die
Trambahn ging an jedem vorbei. Es blieb mir also nichts übrig, als im eigent¬
lichen Sinne des Wortes hausieren zu gehn. Haus bei Haus fragte ich nach
„Hauschtld," und zwar, da es nirgends einen Portier gab, auch im ersten und
zweiten Stock. Jede Erkundigung verlief ungefähr auf dieselbe Weise. Auf mein
Klingeln öffnete ein mehr oder weniger schlumpiges weibliches Wesen oder ein
verschmitzt lächelnder Jüngling. Dann fragte ich: Dst-es loi, qus cismours monÄeur
Hausebilä?, worauf die Gestalt verlegen wurde und etwas Unverständliches
stammelnd verschwand, während ich auf dem halbdunkeln stickigen Korridor zurück¬
blieb. Ich hörte dann Türen klappen, Stimmen murmeln, Schritte gehn, bis
endlich nach kürzeren oder lcingerm Warten „Madame" erschien, um mir in mehr
oder weniger gebrochnem Französisch mitzuteilen, daß Monsieur Hauschild hier
nicht wohne, und daß sie auch nicht wisse, wo er wohne. Diese Fragerei und
Hausiererei war wahrhaft smvstÄnt, wie der Franzose so bezeichnend sagt, aber
ich war entschlossen, meinen deutschen Oberstleutnant zu entdecken, und wenn ich
ganz Pankaldi abklappern müßte. So schlimm wurde es jedoch nicht. Denn
schon beim sechsten Haus stand unten an der Tür ein Kawasse, der mir die
Hoffnung einflößte, daß hier vielleicht ein Fremder wohne. Freilich hatte der
Mann mit dem deutschen Offizier nichts zu tun, aber er bejahte meine Frage.
Froh des Erfolges stieg ich zwei Treppen hinauf und las am Klingelschild den
langgesuchten Namen. Ich sprach den öffnenden Diener französisch an, er wollte
mich abweisen, aber eine weibliche Stimme rief von innen auf deutsch: „Führen
Sie mir den Herrn herein!" Im nächsten Augenblick stand ich vor einer jungen
deutschen Frau und wurde in einen schönen Salon geführt. Ihr Gatte sei vom
Dienst noch nicht zurück, könne aber jeden Augenblick kommen, er werde sich freuen,
von seinen Verwandten aus der Heimat zu hören.

Es wurde Tee serviert, und wir waren bald im anmutigsten Geplauder.
Dabei kam mir, je länger ich die Dame anschaute, um so klarer zum Bewußtsein,
daß ich sie schon irgendwo und -wann einmal gesehen haben mußte. Besonders
der strahlende Glanz der großen, hellen Augen kam mir nicht unbekannt vor, aber
vergeblich suchte ich in den Kammern meines Gedächtnisses. Auch ihr schien es
ähnlich mit mir zu gehn, sodaß wir uns während des Gesprächs ab und zu
forschend ansahen, ohne jedoch unsern Gedanken Ausdruck zu geben. Plötzlich
öffnete sich die Tür, und herein trat in grüner, goldgestickter Uniform ihr Gemahl,
der Kaimakam, eine Rangbezeichnung, die etwa unserm Oberstleutnant entspricht.
Nachdem wir uns die Hände geschüttelt hatten, erzählte ich ihm meine soeben
glücklich beendigte Irrfahrt, währenddessen er mich ebenfalls forschend ansah, gerade
wie seine Gattin.

Dann sagte er: Sie sind also in einer türkischen Kaserne gewesen. Wissen
Sie, daß das etwas ganz Außergewöhnliches ist? Der Zutritt zu türkischen Kasernen
ist niemand erlaubt, nicht einmal Offizieren aus andern Regimentern. Übrigens,
fuhr er fort, hätten Sie unsre Bekanntschaft bequemer machen können. Sie sind
doch vorgestern mit noch einem Herrn nach Prinkipo gefahren? Wir auch. Er¬
innern Sie sich nicht?

Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Auf dem Hinterdeck hatte
ein junges Ehepaar gesessen, er war aber in Zivil gewesen. Sie hatten unsern
Gesprächen mit Interesse zugehört, auch wiederholt daran gedacht, uns anzureden
und über zweifelhafte Sachen Auskunft zu geben, es dann aber doch ans Diskretion
unterlassen. Mir waren schon damals die strahlenden Augen der Dame aufgefallen,
und ich hatte meinen Reisegenossen verstohlen auf dieses Phänomen aufmerksam
gemacht.

Als ich von dem liebenswürdigen deutsch-türkischen Ehepaar Abschied nahm,
verabredeten wir für den nächsten Freitag eine gemeinsame Partie nach den


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[0704] Roiistantinopolitanische Reiseerlebnisse Balkon und die Trambahn davor, das sollten die Kennzeichen sein, denen ich nach- zugehn hatte. Leider war jedes Haus weiß, jedes hatte einen Balkon, und die Trambahn ging an jedem vorbei. Es blieb mir also nichts übrig, als im eigent¬ lichen Sinne des Wortes hausieren zu gehn. Haus bei Haus fragte ich nach „Hauschtld," und zwar, da es nirgends einen Portier gab, auch im ersten und zweiten Stock. Jede Erkundigung verlief ungefähr auf dieselbe Weise. Auf mein Klingeln öffnete ein mehr oder weniger schlumpiges weibliches Wesen oder ein verschmitzt lächelnder Jüngling. Dann fragte ich: Dst-es loi, qus cismours monÄeur Hausebilä?, worauf die Gestalt verlegen wurde und etwas Unverständliches stammelnd verschwand, während ich auf dem halbdunkeln stickigen Korridor zurück¬ blieb. Ich hörte dann Türen klappen, Stimmen murmeln, Schritte gehn, bis endlich nach kürzeren oder lcingerm Warten „Madame" erschien, um mir in mehr oder weniger gebrochnem Französisch mitzuteilen, daß Monsieur Hauschild hier nicht wohne, und daß sie auch nicht wisse, wo er wohne. Diese Fragerei und Hausiererei war wahrhaft smvstÄnt, wie der Franzose so bezeichnend sagt, aber ich war entschlossen, meinen deutschen Oberstleutnant zu entdecken, und wenn ich ganz Pankaldi abklappern müßte. So schlimm wurde es jedoch nicht. Denn schon beim sechsten Haus stand unten an der Tür ein Kawasse, der mir die Hoffnung einflößte, daß hier vielleicht ein Fremder wohne. Freilich hatte der Mann mit dem deutschen Offizier nichts zu tun, aber er bejahte meine Frage. Froh des Erfolges stieg ich zwei Treppen hinauf und las am Klingelschild den langgesuchten Namen. Ich sprach den öffnenden Diener französisch an, er wollte mich abweisen, aber eine weibliche Stimme rief von innen auf deutsch: „Führen Sie mir den Herrn herein!" Im nächsten Augenblick stand ich vor einer jungen deutschen Frau und wurde in einen schönen Salon geführt. Ihr Gatte sei vom Dienst noch nicht zurück, könne aber jeden Augenblick kommen, er werde sich freuen, von seinen Verwandten aus der Heimat zu hören. Es wurde Tee serviert, und wir waren bald im anmutigsten Geplauder. Dabei kam mir, je länger ich die Dame anschaute, um so klarer zum Bewußtsein, daß ich sie schon irgendwo und -wann einmal gesehen haben mußte. Besonders der strahlende Glanz der großen, hellen Augen kam mir nicht unbekannt vor, aber vergeblich suchte ich in den Kammern meines Gedächtnisses. Auch ihr schien es ähnlich mit mir zu gehn, sodaß wir uns während des Gesprächs ab und zu forschend ansahen, ohne jedoch unsern Gedanken Ausdruck zu geben. Plötzlich öffnete sich die Tür, und herein trat in grüner, goldgestickter Uniform ihr Gemahl, der Kaimakam, eine Rangbezeichnung, die etwa unserm Oberstleutnant entspricht. Nachdem wir uns die Hände geschüttelt hatten, erzählte ich ihm meine soeben glücklich beendigte Irrfahrt, währenddessen er mich ebenfalls forschend ansah, gerade wie seine Gattin. Dann sagte er: Sie sind also in einer türkischen Kaserne gewesen. Wissen Sie, daß das etwas ganz Außergewöhnliches ist? Der Zutritt zu türkischen Kasernen ist niemand erlaubt, nicht einmal Offizieren aus andern Regimentern. Übrigens, fuhr er fort, hätten Sie unsre Bekanntschaft bequemer machen können. Sie sind doch vorgestern mit noch einem Herrn nach Prinkipo gefahren? Wir auch. Er¬ innern Sie sich nicht? Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Auf dem Hinterdeck hatte ein junges Ehepaar gesessen, er war aber in Zivil gewesen. Sie hatten unsern Gesprächen mit Interesse zugehört, auch wiederholt daran gedacht, uns anzureden und über zweifelhafte Sachen Auskunft zu geben, es dann aber doch ans Diskretion unterlassen. Mir waren schon damals die strahlenden Augen der Dame aufgefallen, und ich hatte meinen Reisegenossen verstohlen auf dieses Phänomen aufmerksam gemacht. Als ich von dem liebenswürdigen deutsch-türkischen Ehepaar Abschied nahm, verabredeten wir für den nächsten Freitag eine gemeinsame Partie nach den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/704>, abgerufen am 01.07.2024.