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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Aonstantinopolitamsche Reiseerlebnisse

als er sah, daß er auf keinen mehr hoffen durfte, gab er die Weisung, hinüber¬
zufahren. An einer jämmerlichen Bretterbude betraten wir wieder europäischen
Boden. Hier wurden unsre Pässe revidiert. Dann schleppten zwei Lastträger
unsre Sachen in den großen, wüsten Zollschuppen. Unsre Bacher hatten wir vorher
wohlweislich in die Taschen gesteckt. Denn diese kommen nach türkischem Gesetz
auf die Zensur und werdeu von da an nicht mehr gesehen. Ein gutgekleideter
Beamter erwartete uus hinter der Barriere mit eherner Würde und machte sich
scheinbar an die Revision unsrer Koffer, hielt aber dabei die linke Hand geschickt
unserm Führer entgegen, und dieser ließ ebenso geschickt einen Quartaki hinein¬
gleiten, für ein rechtliches deutsches Staatsbürgergemüt ein empörender Anblick.
Damit war die Revision unsrer Sachen beendigt, die Zollschranke öffnete sich, drei
oder vier Hmnals (Lastträger) ergriffen unser Gepäck, der Führer winkte einer
Amaxa (Droschke), und fort ging die Reise durch die engen Straßen von Galata
hinauf nach Pera.

Wir merkten währenddessen, daß es mit dem Deutschsprechen unsers Führers,
der sich Anastas Dellio nannte und sich albanesischer Nationalität zu sein rühmte,
nicht eben weit her war. Mit einiger Mühe setzte er uns unterwegs auseinander,
daß er uns natürlich, wenn wir wollten, zum Hotel Kroekcr fahren würde. Er sei
jedoch Dragoman und Fremdenführer im Hotel Petersburg und rate uns, lieber dort¬
hin zu gehn. Bei Kroeker gebe es nur volle Pension; in Petersburg seien wir frei.
Das schien uns allerdings besser, und so fuhren wir gleichmütig an Kroeker vorüber
und stiegen in Petersburg ub. Ein freundliches Zimmer mit herrlichem Blick über
den Stadtpark auf das Goldne Horn empfing uus für den mäßigen Preis von
zusammen fünf Franken täglich. Jetzt kam auch die Abrechnung mit Herrn Dellio.
Für die Bootsleute, Lastträger, den Zöllner und den Wagen mußten wir jeder
27 Piaster (etwa 4,70 Mark) bezahlen, wozu dann noch ein entsprechendes Trink¬
geld für ihn selbst kam. Immerhin nicht teuer. Wir sind wie Butter durch alle
Hindernisse geschwommen, rühmte sich am nächsten Tage der Österreicher seinen
Landsleuten gegenüber.

Meine erste Aufgabe in Konstantinopel war, die Wunde, die mir das tro¬
janische Pferd geschlagen hatte, endlich unter ärztliche Behandlung zu bringen. Da
es schon zu dunkeln anfing, so wurde es die höchste Zeit, daß ich mich auf den
Weg machte. Empfohlen war mir ein deutscher Doktor, der den für einen Arzt
nicht ganz günstigen Namen Mordtmann führte. Zu diesem machte ich mich, so¬
bald ich mich etwas gewaschen hatte, ohne noch einen Bissen genossen zu haben,
auf den Weg. Der Portier wußte seine Wohnung, und durch die menschen¬
wimmelnden, abendlichen Gassen Peras humpelte ich an der Seite meines alba-
nesischen Führers dorthin. Aber der Doktor war gerade ungezogen, wir mußten
ein gut Stück wieder zurück, bis wir endlich in einem Winkel an einer dunkeln
Tür sein Schild fanden. Herr Mordtmann ist fast ebensosehr Archäologe wie
Arzt; er zeigte deshalb lebhaftes Interesse für unsre Trojafahrt und erzählte mir
sofort, daß in Troja schon viele zu Schaden gekommen seien, zum Beispiel sein
eigner Vater, der dort bei einem Ritte den Arm gebrochen habe und daran später
gestorben sei. Das lautete nicht gerade tröstlich für mich, und noch weniger tröstlich
war das, was er nach Besichtigung meiner Wunde sagte:

Wenn man etwas am Bein hat, so heilt das nur, wenn man das Bein ruhig
hält und hoch legt, damit der Blutabfluß befördert wird. Wenn man das tut, so
heilt die Wunde von selbst, anch ohne daß man etwas daran macht; steht oder
geht man dagegen, so kann man machen, was man will, sie heilt doch nicht. Sie
werden sich also vor allen Dingen ganz ruhig halten müssen und das Bein immer
hoch legen. Dann kann die Sache in zwölf Tagen gut sein.

Aber bester Herr Doktor, antwortete ich, so lange kann ich ja überhaupt nur
hier bleiben. Dann könnte ich ja gar nichts sehen. Ich bin doch nicht nach
Konstantinopel gekommen, um mich ruhig zu halten und die Beine hoch zu legen.


Aonstantinopolitamsche Reiseerlebnisse

als er sah, daß er auf keinen mehr hoffen durfte, gab er die Weisung, hinüber¬
zufahren. An einer jämmerlichen Bretterbude betraten wir wieder europäischen
Boden. Hier wurden unsre Pässe revidiert. Dann schleppten zwei Lastträger
unsre Sachen in den großen, wüsten Zollschuppen. Unsre Bacher hatten wir vorher
wohlweislich in die Taschen gesteckt. Denn diese kommen nach türkischem Gesetz
auf die Zensur und werdeu von da an nicht mehr gesehen. Ein gutgekleideter
Beamter erwartete uus hinter der Barriere mit eherner Würde und machte sich
scheinbar an die Revision unsrer Koffer, hielt aber dabei die linke Hand geschickt
unserm Führer entgegen, und dieser ließ ebenso geschickt einen Quartaki hinein¬
gleiten, für ein rechtliches deutsches Staatsbürgergemüt ein empörender Anblick.
Damit war die Revision unsrer Sachen beendigt, die Zollschranke öffnete sich, drei
oder vier Hmnals (Lastträger) ergriffen unser Gepäck, der Führer winkte einer
Amaxa (Droschke), und fort ging die Reise durch die engen Straßen von Galata
hinauf nach Pera.

Wir merkten währenddessen, daß es mit dem Deutschsprechen unsers Führers,
der sich Anastas Dellio nannte und sich albanesischer Nationalität zu sein rühmte,
nicht eben weit her war. Mit einiger Mühe setzte er uns unterwegs auseinander,
daß er uns natürlich, wenn wir wollten, zum Hotel Kroekcr fahren würde. Er sei
jedoch Dragoman und Fremdenführer im Hotel Petersburg und rate uns, lieber dort¬
hin zu gehn. Bei Kroeker gebe es nur volle Pension; in Petersburg seien wir frei.
Das schien uns allerdings besser, und so fuhren wir gleichmütig an Kroeker vorüber
und stiegen in Petersburg ub. Ein freundliches Zimmer mit herrlichem Blick über
den Stadtpark auf das Goldne Horn empfing uus für den mäßigen Preis von
zusammen fünf Franken täglich. Jetzt kam auch die Abrechnung mit Herrn Dellio.
Für die Bootsleute, Lastträger, den Zöllner und den Wagen mußten wir jeder
27 Piaster (etwa 4,70 Mark) bezahlen, wozu dann noch ein entsprechendes Trink¬
geld für ihn selbst kam. Immerhin nicht teuer. Wir sind wie Butter durch alle
Hindernisse geschwommen, rühmte sich am nächsten Tage der Österreicher seinen
Landsleuten gegenüber.

Meine erste Aufgabe in Konstantinopel war, die Wunde, die mir das tro¬
janische Pferd geschlagen hatte, endlich unter ärztliche Behandlung zu bringen. Da
es schon zu dunkeln anfing, so wurde es die höchste Zeit, daß ich mich auf den
Weg machte. Empfohlen war mir ein deutscher Doktor, der den für einen Arzt
nicht ganz günstigen Namen Mordtmann führte. Zu diesem machte ich mich, so¬
bald ich mich etwas gewaschen hatte, ohne noch einen Bissen genossen zu haben,
auf den Weg. Der Portier wußte seine Wohnung, und durch die menschen¬
wimmelnden, abendlichen Gassen Peras humpelte ich an der Seite meines alba-
nesischen Führers dorthin. Aber der Doktor war gerade ungezogen, wir mußten
ein gut Stück wieder zurück, bis wir endlich in einem Winkel an einer dunkeln
Tür sein Schild fanden. Herr Mordtmann ist fast ebensosehr Archäologe wie
Arzt; er zeigte deshalb lebhaftes Interesse für unsre Trojafahrt und erzählte mir
sofort, daß in Troja schon viele zu Schaden gekommen seien, zum Beispiel sein
eigner Vater, der dort bei einem Ritte den Arm gebrochen habe und daran später
gestorben sei. Das lautete nicht gerade tröstlich für mich, und noch weniger tröstlich
war das, was er nach Besichtigung meiner Wunde sagte:

Wenn man etwas am Bein hat, so heilt das nur, wenn man das Bein ruhig
hält und hoch legt, damit der Blutabfluß befördert wird. Wenn man das tut, so
heilt die Wunde von selbst, anch ohne daß man etwas daran macht; steht oder
geht man dagegen, so kann man machen, was man will, sie heilt doch nicht. Sie
werden sich also vor allen Dingen ganz ruhig halten müssen und das Bein immer
hoch legen. Dann kann die Sache in zwölf Tagen gut sein.

Aber bester Herr Doktor, antwortete ich, so lange kann ich ja überhaupt nur
hier bleiben. Dann könnte ich ja gar nichts sehen. Ich bin doch nicht nach
Konstantinopel gekommen, um mich ruhig zu halten und die Beine hoch zu legen.


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[0519] Aonstantinopolitamsche Reiseerlebnisse als er sah, daß er auf keinen mehr hoffen durfte, gab er die Weisung, hinüber¬ zufahren. An einer jämmerlichen Bretterbude betraten wir wieder europäischen Boden. Hier wurden unsre Pässe revidiert. Dann schleppten zwei Lastträger unsre Sachen in den großen, wüsten Zollschuppen. Unsre Bacher hatten wir vorher wohlweislich in die Taschen gesteckt. Denn diese kommen nach türkischem Gesetz auf die Zensur und werdeu von da an nicht mehr gesehen. Ein gutgekleideter Beamter erwartete uus hinter der Barriere mit eherner Würde und machte sich scheinbar an die Revision unsrer Koffer, hielt aber dabei die linke Hand geschickt unserm Führer entgegen, und dieser ließ ebenso geschickt einen Quartaki hinein¬ gleiten, für ein rechtliches deutsches Staatsbürgergemüt ein empörender Anblick. Damit war die Revision unsrer Sachen beendigt, die Zollschranke öffnete sich, drei oder vier Hmnals (Lastträger) ergriffen unser Gepäck, der Führer winkte einer Amaxa (Droschke), und fort ging die Reise durch die engen Straßen von Galata hinauf nach Pera. Wir merkten währenddessen, daß es mit dem Deutschsprechen unsers Führers, der sich Anastas Dellio nannte und sich albanesischer Nationalität zu sein rühmte, nicht eben weit her war. Mit einiger Mühe setzte er uns unterwegs auseinander, daß er uns natürlich, wenn wir wollten, zum Hotel Kroekcr fahren würde. Er sei jedoch Dragoman und Fremdenführer im Hotel Petersburg und rate uns, lieber dort¬ hin zu gehn. Bei Kroeker gebe es nur volle Pension; in Petersburg seien wir frei. Das schien uns allerdings besser, und so fuhren wir gleichmütig an Kroeker vorüber und stiegen in Petersburg ub. Ein freundliches Zimmer mit herrlichem Blick über den Stadtpark auf das Goldne Horn empfing uus für den mäßigen Preis von zusammen fünf Franken täglich. Jetzt kam auch die Abrechnung mit Herrn Dellio. Für die Bootsleute, Lastträger, den Zöllner und den Wagen mußten wir jeder 27 Piaster (etwa 4,70 Mark) bezahlen, wozu dann noch ein entsprechendes Trink¬ geld für ihn selbst kam. Immerhin nicht teuer. Wir sind wie Butter durch alle Hindernisse geschwommen, rühmte sich am nächsten Tage der Österreicher seinen Landsleuten gegenüber. Meine erste Aufgabe in Konstantinopel war, die Wunde, die mir das tro¬ janische Pferd geschlagen hatte, endlich unter ärztliche Behandlung zu bringen. Da es schon zu dunkeln anfing, so wurde es die höchste Zeit, daß ich mich auf den Weg machte. Empfohlen war mir ein deutscher Doktor, der den für einen Arzt nicht ganz günstigen Namen Mordtmann führte. Zu diesem machte ich mich, so¬ bald ich mich etwas gewaschen hatte, ohne noch einen Bissen genossen zu haben, auf den Weg. Der Portier wußte seine Wohnung, und durch die menschen¬ wimmelnden, abendlichen Gassen Peras humpelte ich an der Seite meines alba- nesischen Führers dorthin. Aber der Doktor war gerade ungezogen, wir mußten ein gut Stück wieder zurück, bis wir endlich in einem Winkel an einer dunkeln Tür sein Schild fanden. Herr Mordtmann ist fast ebensosehr Archäologe wie Arzt; er zeigte deshalb lebhaftes Interesse für unsre Trojafahrt und erzählte mir sofort, daß in Troja schon viele zu Schaden gekommen seien, zum Beispiel sein eigner Vater, der dort bei einem Ritte den Arm gebrochen habe und daran später gestorben sei. Das lautete nicht gerade tröstlich für mich, und noch weniger tröstlich war das, was er nach Besichtigung meiner Wunde sagte: Wenn man etwas am Bein hat, so heilt das nur, wenn man das Bein ruhig hält und hoch legt, damit der Blutabfluß befördert wird. Wenn man das tut, so heilt die Wunde von selbst, anch ohne daß man etwas daran macht; steht oder geht man dagegen, so kann man machen, was man will, sie heilt doch nicht. Sie werden sich also vor allen Dingen ganz ruhig halten müssen und das Bein immer hoch legen. Dann kann die Sache in zwölf Tagen gut sein. Aber bester Herr Doktor, antwortete ich, so lange kann ich ja überhaupt nur hier bleiben. Dann könnte ich ja gar nichts sehen. Ich bin doch nicht nach Konstantinopel gekommen, um mich ruhig zu halten und die Beine hoch zu legen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/519>, abgerufen am 01.07.2024.