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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Ronstantinopolitanische Reiseerlebnisse

Wenn Sie das nicht tun, können Sie nicht auf Heilung rechnen.

Dann laß ich die Heilung, bis ich wieder zu Hause bin. Sorgen Sie also
nur dafür, daß die Sache nicht schlimmer wird.

Dafür kann ich nicht stehn, sagte er.

Gut, ich werde also möglichst wenig gehn, sondern reiten.

Nelken ist erst recht Gift für Sie. Die Ritte in der Troas haben Ihnen sehr
geschadet.

Dann laß ichs drauf ankommen. Aus dem Nuhighalten kann jedenfalls
nichts werden.

Er verband mich um nicht selbst, wie ich erwartet hatte, sondern schickte mich
mit einem Rezept in die Apotheke clslls, Luü-5, nachdem er mir als Arzt noch
einmal möglichste Ruhe, als Archüologe dagegen den eifrigen Besuch der Museen
anempfohlen hatte. Zwei Seelen wohnten so in seiner Brust, in meiner dagegen
nur eine. Bald stand ich allein -- den Albanesen hatte ich entlassen -- auf der
menschenwimmelnden Hauptstraße von Pera und suchte vergeblich, nach der An¬
weisung des Doktors, den Weg zur Apotheke zu finden. Die Sache stimmte nicht.
Zum Glück nahm sich eine zufällig vorübergehende, freundliche Landsmännin aus
Mecklenburg, die mein Suchen und Stockhumpeln bemerkte, meiner an, führte mich,
da sie denselben Weg hatte, bis vor die Tür der Apotheke und machte mich zuletzt
noch auf die für den Rückweg zu benutzende Pferdebahn aufmerksam.

Der Apothekenprovisor, ein kleiner schwarzer Grieche, der das niederträchtige
Lispelfranzösisch sprach, das den Griechen eigen ist, führte mich in einen düstern
Seitenraum des Verkaufslokals und besichtigte beim Schein einer auf ein Faß ge¬
stellten Kerze die Wunde:
''''

OgLt uns g-shell xr-was plais! (jusse-es aus osse <MS esta? ^.n, osse, un
Coup als ssvs.1! (ju'est-co an'it a, se-rit is clovtsur? Lalol? 8g,IoI, es u'ost xas
von. 8s us xreuclr-ü xas Wlol, hö xrouäraä soäotorws, e'oft Ms kort. Ug.is
ein'sse-es aus col, b-z-uärucno? -- der Arzt hatte mir Baudrnche, einen dünnen,
sich gut an die Haut schmiegenden Verbandstoff aufgeschrieben -- hö us ocmimis
pW bauäruens, so prönctrai K^outobono.

So springen die orientalischen Apotheker mit den ärztlichen Rezepten um: "Ich
werde nicht das vorgeschriebne nehmen, ich werde etwas andres nehmen." Ist das
nicht die Signatur des ganzen türkischen Staatswesens? Man tut nicht das Be¬
sohln", man tut, was einem gefällt, und was man für besser hält. Der Apotheker
kniete nun vor mir nieder, wusch, salbte, wattierte und legte auf das Ganze ein
Stück Kautschuk, dessen Ränder er mit Chloroform bepinselte und an der Haut
festleimte. Dabei floß natürlich ein Teil dieser Flüssigkeit in die Wunde, was
niederträchtig brannte.

Jeden Tag mußte ich mich in der Folge anfangs zweimal, später einmal dieser
Verbandprozedur unterziehen, was ungeheuer störend, zeitraubend und für meine
konstantinopolitanischen Studien hinderlich war. Der Apotheker sagte, da die Heilung
nicht fortschritt, beständig: Vous marss? vsaueoup, it kaut rsstsr ers.tlo.uiHs. Doktor
Mordtmann aber entrüstete sich über den Apotheker und rückte bei der zweiten
Konsultation aus seinem eignen Vorrat ein Stückchen "Baudruche" heraus. Ich
bemerke übrigens nebenbei, daß man diesen Stoff, wenigstens unter diesem Namen,
auch in der Budapester und sogar in der Wiener Apotheke nicht kannte, in der ich
danach fragte. Bei der dritten Konsultation traf ich die Familie Mordtmann schon
beim Einpacken ihrer Sachen und Möbel, da sie sür die heißen Monate aufs Land
gehn wollte. Der Vater war schon abgereist; darum empfing mich diesesmal der
Sohn, der sich mir als Quarantänearzt vorstellte. Der Vater sprach noch voll¬
kommen fließend deutsch, der Sohn dagegen nur noch langsam und unbeholfen; der
Enkel wird nur noch ein paar Worte stammeln. Wann wird endlich diese leidige
Entnationalisierung der Kinder deutscher Eltern im Ausland aufhören?

Leider schob sich fast in jeder Nacht die Binde, wenn sie auch noch so fest


Ronstantinopolitanische Reiseerlebnisse

Wenn Sie das nicht tun, können Sie nicht auf Heilung rechnen.

Dann laß ich die Heilung, bis ich wieder zu Hause bin. Sorgen Sie also
nur dafür, daß die Sache nicht schlimmer wird.

Dafür kann ich nicht stehn, sagte er.

Gut, ich werde also möglichst wenig gehn, sondern reiten.

Nelken ist erst recht Gift für Sie. Die Ritte in der Troas haben Ihnen sehr
geschadet.

Dann laß ichs drauf ankommen. Aus dem Nuhighalten kann jedenfalls
nichts werden.

Er verband mich um nicht selbst, wie ich erwartet hatte, sondern schickte mich
mit einem Rezept in die Apotheke clslls, Luü-5, nachdem er mir als Arzt noch
einmal möglichste Ruhe, als Archüologe dagegen den eifrigen Besuch der Museen
anempfohlen hatte. Zwei Seelen wohnten so in seiner Brust, in meiner dagegen
nur eine. Bald stand ich allein — den Albanesen hatte ich entlassen — auf der
menschenwimmelnden Hauptstraße von Pera und suchte vergeblich, nach der An¬
weisung des Doktors, den Weg zur Apotheke zu finden. Die Sache stimmte nicht.
Zum Glück nahm sich eine zufällig vorübergehende, freundliche Landsmännin aus
Mecklenburg, die mein Suchen und Stockhumpeln bemerkte, meiner an, führte mich,
da sie denselben Weg hatte, bis vor die Tür der Apotheke und machte mich zuletzt
noch auf die für den Rückweg zu benutzende Pferdebahn aufmerksam.

Der Apothekenprovisor, ein kleiner schwarzer Grieche, der das niederträchtige
Lispelfranzösisch sprach, das den Griechen eigen ist, führte mich in einen düstern
Seitenraum des Verkaufslokals und besichtigte beim Schein einer auf ein Faß ge¬
stellten Kerze die Wunde:
''''

OgLt uns g-shell xr-was plais! (jusse-es aus osse <MS esta? ^.n, osse, un
Coup als ssvs.1! (ju'est-co an'it a, se-rit is clovtsur? Lalol? 8g,IoI, es u'ost xas
von. 8s us xreuclr-ü xas Wlol, hö xrouäraä soäotorws, e'oft Ms kort. Ug.is
ein'sse-es aus col, b-z-uärucno? — der Arzt hatte mir Baudrnche, einen dünnen,
sich gut an die Haut schmiegenden Verbandstoff aufgeschrieben — hö us ocmimis
pW bauäruens, so prönctrai K^outobono.

So springen die orientalischen Apotheker mit den ärztlichen Rezepten um: „Ich
werde nicht das vorgeschriebne nehmen, ich werde etwas andres nehmen." Ist das
nicht die Signatur des ganzen türkischen Staatswesens? Man tut nicht das Be¬
sohln«, man tut, was einem gefällt, und was man für besser hält. Der Apotheker
kniete nun vor mir nieder, wusch, salbte, wattierte und legte auf das Ganze ein
Stück Kautschuk, dessen Ränder er mit Chloroform bepinselte und an der Haut
festleimte. Dabei floß natürlich ein Teil dieser Flüssigkeit in die Wunde, was
niederträchtig brannte.

Jeden Tag mußte ich mich in der Folge anfangs zweimal, später einmal dieser
Verbandprozedur unterziehen, was ungeheuer störend, zeitraubend und für meine
konstantinopolitanischen Studien hinderlich war. Der Apotheker sagte, da die Heilung
nicht fortschritt, beständig: Vous marss? vsaueoup, it kaut rsstsr ers.tlo.uiHs. Doktor
Mordtmann aber entrüstete sich über den Apotheker und rückte bei der zweiten
Konsultation aus seinem eignen Vorrat ein Stückchen „Baudruche" heraus. Ich
bemerke übrigens nebenbei, daß man diesen Stoff, wenigstens unter diesem Namen,
auch in der Budapester und sogar in der Wiener Apotheke nicht kannte, in der ich
danach fragte. Bei der dritten Konsultation traf ich die Familie Mordtmann schon
beim Einpacken ihrer Sachen und Möbel, da sie sür die heißen Monate aufs Land
gehn wollte. Der Vater war schon abgereist; darum empfing mich diesesmal der
Sohn, der sich mir als Quarantänearzt vorstellte. Der Vater sprach noch voll¬
kommen fließend deutsch, der Sohn dagegen nur noch langsam und unbeholfen; der
Enkel wird nur noch ein paar Worte stammeln. Wann wird endlich diese leidige
Entnationalisierung der Kinder deutscher Eltern im Ausland aufhören?

Leider schob sich fast in jeder Nacht die Binde, wenn sie auch noch so fest


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[0520] Ronstantinopolitanische Reiseerlebnisse Wenn Sie das nicht tun, können Sie nicht auf Heilung rechnen. Dann laß ich die Heilung, bis ich wieder zu Hause bin. Sorgen Sie also nur dafür, daß die Sache nicht schlimmer wird. Dafür kann ich nicht stehn, sagte er. Gut, ich werde also möglichst wenig gehn, sondern reiten. Nelken ist erst recht Gift für Sie. Die Ritte in der Troas haben Ihnen sehr geschadet. Dann laß ichs drauf ankommen. Aus dem Nuhighalten kann jedenfalls nichts werden. Er verband mich um nicht selbst, wie ich erwartet hatte, sondern schickte mich mit einem Rezept in die Apotheke clslls, Luü-5, nachdem er mir als Arzt noch einmal möglichste Ruhe, als Archüologe dagegen den eifrigen Besuch der Museen anempfohlen hatte. Zwei Seelen wohnten so in seiner Brust, in meiner dagegen nur eine. Bald stand ich allein — den Albanesen hatte ich entlassen — auf der menschenwimmelnden Hauptstraße von Pera und suchte vergeblich, nach der An¬ weisung des Doktors, den Weg zur Apotheke zu finden. Die Sache stimmte nicht. Zum Glück nahm sich eine zufällig vorübergehende, freundliche Landsmännin aus Mecklenburg, die mein Suchen und Stockhumpeln bemerkte, meiner an, führte mich, da sie denselben Weg hatte, bis vor die Tür der Apotheke und machte mich zuletzt noch auf die für den Rückweg zu benutzende Pferdebahn aufmerksam. Der Apothekenprovisor, ein kleiner schwarzer Grieche, der das niederträchtige Lispelfranzösisch sprach, das den Griechen eigen ist, führte mich in einen düstern Seitenraum des Verkaufslokals und besichtigte beim Schein einer auf ein Faß ge¬ stellten Kerze die Wunde: '''' OgLt uns g-shell xr-was plais! (jusse-es aus osse <MS esta? ^.n, osse, un Coup als ssvs.1! (ju'est-co an'it a, se-rit is clovtsur? Lalol? 8g,IoI, es u'ost xas von. 8s us xreuclr-ü xas Wlol, hö xrouäraä soäotorws, e'oft Ms kort. Ug.is ein'sse-es aus col, b-z-uärucno? — der Arzt hatte mir Baudrnche, einen dünnen, sich gut an die Haut schmiegenden Verbandstoff aufgeschrieben — hö us ocmimis pW bauäruens, so prönctrai K^outobono. So springen die orientalischen Apotheker mit den ärztlichen Rezepten um: „Ich werde nicht das vorgeschriebne nehmen, ich werde etwas andres nehmen." Ist das nicht die Signatur des ganzen türkischen Staatswesens? Man tut nicht das Be¬ sohln«, man tut, was einem gefällt, und was man für besser hält. Der Apotheker kniete nun vor mir nieder, wusch, salbte, wattierte und legte auf das Ganze ein Stück Kautschuk, dessen Ränder er mit Chloroform bepinselte und an der Haut festleimte. Dabei floß natürlich ein Teil dieser Flüssigkeit in die Wunde, was niederträchtig brannte. Jeden Tag mußte ich mich in der Folge anfangs zweimal, später einmal dieser Verbandprozedur unterziehen, was ungeheuer störend, zeitraubend und für meine konstantinopolitanischen Studien hinderlich war. Der Apotheker sagte, da die Heilung nicht fortschritt, beständig: Vous marss? vsaueoup, it kaut rsstsr ers.tlo.uiHs. Doktor Mordtmann aber entrüstete sich über den Apotheker und rückte bei der zweiten Konsultation aus seinem eignen Vorrat ein Stückchen „Baudruche" heraus. Ich bemerke übrigens nebenbei, daß man diesen Stoff, wenigstens unter diesem Namen, auch in der Budapester und sogar in der Wiener Apotheke nicht kannte, in der ich danach fragte. Bei der dritten Konsultation traf ich die Familie Mordtmann schon beim Einpacken ihrer Sachen und Möbel, da sie sür die heißen Monate aufs Land gehn wollte. Der Vater war schon abgereist; darum empfing mich diesesmal der Sohn, der sich mir als Quarantänearzt vorstellte. Der Vater sprach noch voll¬ kommen fließend deutsch, der Sohn dagegen nur noch langsam und unbeholfen; der Enkel wird nur noch ein paar Worte stammeln. Wann wird endlich diese leidige Entnationalisierung der Kinder deutscher Eltern im Ausland aufhören? Leider schob sich fast in jeder Nacht die Binde, wenn sie auch noch so fest

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/520>, abgerufen am 29.06.2024.