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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Dollar (21 Millionen Mark) gehabt, die in der Hauptsache von den Trusts her¬
stamme. Sie wollen nunmehr eine Untersuchung über den Ursprung dieser Gelder
beantragen. Alles das hat aber nichts genützt. Imperialismus und Hochschutzzoll
sind so mächtig gewesen, daß sie die Trustfeindschaft spielend überwunden haben.

Einen Augenblick schien es, als sei doch ein demokratischer Sieg in Aussicht.
Die amerikanischen Arbeiter haben einen großen ntchtsozialdemokratischen aber pro¬
letarischen Bund, die ^nisricAN I^dor Ooiitsäsi'g.lion. Er umfaßt angeblich drei
Millionen Wähler, die bisher teils im republikanische!,, teils im demokratischen Lager
standen. Die Leiter bemühten sich, sie zu einem einheitlichen Votum zu bewegen,
und zwar für den Kandidaten, der sich in einer vorzunehmenden Inquisition am
günstigsten für die Forderungen der Arbeiter ausspräche. Das wäre unstreitig der
demokratische Präsident Parker gewesen.

Wenn nur sechshunderttnuseud Bundesmitglieder auf Grund einer solchen Wahl¬
parole die republikanischen Reihen verlassen hätten, so wäre der Kampf für Parker
entschieden gewesen. Es ist aber nicht dazu gekommen. Die Arbeiter haben keine
Miene gemacht, sich einem solchen Kommando zu fügen, jeder ist für sich der Fahne
gefolgt, die er für die beste hielt. Es ist gar nicht einmal zu einer Aussprache
zwischen der Bundesleitung und den beiden Kandidaten gekommen.

Uns Fremden geziemt es nicht, in dem Kampfe der beiden amerikanischen
Kandidaten Partei zu ergreifen. Wohl aber kann man sagen, daß beide diesmal
höchst ehrenwerte Männer gewesen sind, deren jeder seinem Amte zur Zierde ge¬
reicht haben würde. Parker ist wenig bekannt, Roosevelt steht lange genug vor
der Öffentlichkeit, sodaß man von ihm sagen kann, er hat einen hohen ritterlichen
Charakter, er hat Bewußtsein vom Werte seiner Persönlichkeit und wird sie nicht
um niederer Zwecke willen Unehren aussetzen. Wenn er auch ein Imperialist
ist, so bietet doch die Besonnenheit seines Wesens, die Solidität seines Charakters
eine Bürgschaft dafür, daß sich das amerikanische Volk nicht in politische Abenteuer
stürzen wird, solange er die Zügel der Regierung in der Hand hält. Es wäre
zu wünschen, daß der Imperialismus immer unter der Leitung eines so aus¬
gezeichneten Mannes stünde.


Wer ist ein Freidenker?

Auch solche Blätter, die, wie die Kölnische Zei¬
tung, über den Verdacht des Klerikalismus erhaben sind, haben den römischen
Freidenkerkongreß sehr ungünstig beurteilt, und sogar die Frankfurter Zeitung, die
seine Verhandlungen mit Begeisterung und Entzücken begleitete, mußte nachträglich
einer Zuschrift Raum geben, die das Entzücken ein wenig dämpfte. Deren Ver¬
fasser, Dr. Arthur Pfungst, findet zwar die antiklerikale Wut der spanischen Dele¬
gierten und des römischen Straßenpublikums höchst erbaulich, meint aber mit den
übrigen deutschen Delegierten, die Romanen, die den Kongreß beherrschten, hätten
ihn in falsche Bahnen geleitet. Weltanschauungsfragen zu diskutieren, sei gar nicht
möglich gewesen (nach andern Berichten soll es in den Sitzungen ungefähr zu¬
gegangen sein wie im österreichischen Abgeordnetenhause in Obstruktionszeiten), und
die Politik habe den Verhandlungen den Stempel aufgedrückt; namentlich sozia¬
listische Strömungen hätten sich in den Vordergrund gedrängt, und man habe sich
zuweilen (wirklich bloß zuweilen?) des Eindrucks nicht erwehren können, die Sozia¬
listen hätten sich des Kongresses zur Verbreitung der Ansicht bedienen wollen, daß
jeder Freidenker Sozialist sein müsse. Andre Blätter haben kürzer und klarer ge¬
sagt: Der Kongreß war eine tolle Demonstration für die rote Republik. Das
wäre nun weiter nichts besondres. Wenn die radikalsten der Romanen zusammen¬
kommen, versteht es sich doch von selbst, daß sie "wüschtes Zeug schwatze." Einige
Beachtung dagegen verdient das Verhalten Haeckels, des einzigen anwesenden Ver¬
treters der offiziellen deutschen Wissenschaft. Er war gekommen, um auf dem
Kongreß einen internationalen Monistenbund zu gründen, das heißt also doch wohl,
die Freidenker auf sein bekanntes monistisches Kredo zu verpflichten. Was ist denn


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Dollar (21 Millionen Mark) gehabt, die in der Hauptsache von den Trusts her¬
stamme. Sie wollen nunmehr eine Untersuchung über den Ursprung dieser Gelder
beantragen. Alles das hat aber nichts genützt. Imperialismus und Hochschutzzoll
sind so mächtig gewesen, daß sie die Trustfeindschaft spielend überwunden haben.

Einen Augenblick schien es, als sei doch ein demokratischer Sieg in Aussicht.
Die amerikanischen Arbeiter haben einen großen ntchtsozialdemokratischen aber pro¬
letarischen Bund, die ^nisricAN I^dor Ooiitsäsi'g.lion. Er umfaßt angeblich drei
Millionen Wähler, die bisher teils im republikanische!,, teils im demokratischen Lager
standen. Die Leiter bemühten sich, sie zu einem einheitlichen Votum zu bewegen,
und zwar für den Kandidaten, der sich in einer vorzunehmenden Inquisition am
günstigsten für die Forderungen der Arbeiter ausspräche. Das wäre unstreitig der
demokratische Präsident Parker gewesen.

Wenn nur sechshunderttnuseud Bundesmitglieder auf Grund einer solchen Wahl¬
parole die republikanischen Reihen verlassen hätten, so wäre der Kampf für Parker
entschieden gewesen. Es ist aber nicht dazu gekommen. Die Arbeiter haben keine
Miene gemacht, sich einem solchen Kommando zu fügen, jeder ist für sich der Fahne
gefolgt, die er für die beste hielt. Es ist gar nicht einmal zu einer Aussprache
zwischen der Bundesleitung und den beiden Kandidaten gekommen.

Uns Fremden geziemt es nicht, in dem Kampfe der beiden amerikanischen
Kandidaten Partei zu ergreifen. Wohl aber kann man sagen, daß beide diesmal
höchst ehrenwerte Männer gewesen sind, deren jeder seinem Amte zur Zierde ge¬
reicht haben würde. Parker ist wenig bekannt, Roosevelt steht lange genug vor
der Öffentlichkeit, sodaß man von ihm sagen kann, er hat einen hohen ritterlichen
Charakter, er hat Bewußtsein vom Werte seiner Persönlichkeit und wird sie nicht
um niederer Zwecke willen Unehren aussetzen. Wenn er auch ein Imperialist
ist, so bietet doch die Besonnenheit seines Wesens, die Solidität seines Charakters
eine Bürgschaft dafür, daß sich das amerikanische Volk nicht in politische Abenteuer
stürzen wird, solange er die Zügel der Regierung in der Hand hält. Es wäre
zu wünschen, daß der Imperialismus immer unter der Leitung eines so aus¬
gezeichneten Mannes stünde.


Wer ist ein Freidenker?

Auch solche Blätter, die, wie die Kölnische Zei¬
tung, über den Verdacht des Klerikalismus erhaben sind, haben den römischen
Freidenkerkongreß sehr ungünstig beurteilt, und sogar die Frankfurter Zeitung, die
seine Verhandlungen mit Begeisterung und Entzücken begleitete, mußte nachträglich
einer Zuschrift Raum geben, die das Entzücken ein wenig dämpfte. Deren Ver¬
fasser, Dr. Arthur Pfungst, findet zwar die antiklerikale Wut der spanischen Dele¬
gierten und des römischen Straßenpublikums höchst erbaulich, meint aber mit den
übrigen deutschen Delegierten, die Romanen, die den Kongreß beherrschten, hätten
ihn in falsche Bahnen geleitet. Weltanschauungsfragen zu diskutieren, sei gar nicht
möglich gewesen (nach andern Berichten soll es in den Sitzungen ungefähr zu¬
gegangen sein wie im österreichischen Abgeordnetenhause in Obstruktionszeiten), und
die Politik habe den Verhandlungen den Stempel aufgedrückt; namentlich sozia¬
listische Strömungen hätten sich in den Vordergrund gedrängt, und man habe sich
zuweilen (wirklich bloß zuweilen?) des Eindrucks nicht erwehren können, die Sozia¬
listen hätten sich des Kongresses zur Verbreitung der Ansicht bedienen wollen, daß
jeder Freidenker Sozialist sein müsse. Andre Blätter haben kürzer und klarer ge¬
sagt: Der Kongreß war eine tolle Demonstration für die rote Republik. Das
wäre nun weiter nichts besondres. Wenn die radikalsten der Romanen zusammen¬
kommen, versteht es sich doch von selbst, daß sie „wüschtes Zeug schwatze." Einige
Beachtung dagegen verdient das Verhalten Haeckels, des einzigen anwesenden Ver¬
treters der offiziellen deutschen Wissenschaft. Er war gekommen, um auf dem
Kongreß einen internationalen Monistenbund zu gründen, das heißt also doch wohl,
die Freidenker auf sein bekanntes monistisches Kredo zu verpflichten. Was ist denn


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[0417] Maßgebliches und Unmaßgebliches Dollar (21 Millionen Mark) gehabt, die in der Hauptsache von den Trusts her¬ stamme. Sie wollen nunmehr eine Untersuchung über den Ursprung dieser Gelder beantragen. Alles das hat aber nichts genützt. Imperialismus und Hochschutzzoll sind so mächtig gewesen, daß sie die Trustfeindschaft spielend überwunden haben. Einen Augenblick schien es, als sei doch ein demokratischer Sieg in Aussicht. Die amerikanischen Arbeiter haben einen großen ntchtsozialdemokratischen aber pro¬ letarischen Bund, die ^nisricAN I^dor Ooiitsäsi'g.lion. Er umfaßt angeblich drei Millionen Wähler, die bisher teils im republikanische!,, teils im demokratischen Lager standen. Die Leiter bemühten sich, sie zu einem einheitlichen Votum zu bewegen, und zwar für den Kandidaten, der sich in einer vorzunehmenden Inquisition am günstigsten für die Forderungen der Arbeiter ausspräche. Das wäre unstreitig der demokratische Präsident Parker gewesen. Wenn nur sechshunderttnuseud Bundesmitglieder auf Grund einer solchen Wahl¬ parole die republikanischen Reihen verlassen hätten, so wäre der Kampf für Parker entschieden gewesen. Es ist aber nicht dazu gekommen. Die Arbeiter haben keine Miene gemacht, sich einem solchen Kommando zu fügen, jeder ist für sich der Fahne gefolgt, die er für die beste hielt. Es ist gar nicht einmal zu einer Aussprache zwischen der Bundesleitung und den beiden Kandidaten gekommen. Uns Fremden geziemt es nicht, in dem Kampfe der beiden amerikanischen Kandidaten Partei zu ergreifen. Wohl aber kann man sagen, daß beide diesmal höchst ehrenwerte Männer gewesen sind, deren jeder seinem Amte zur Zierde ge¬ reicht haben würde. Parker ist wenig bekannt, Roosevelt steht lange genug vor der Öffentlichkeit, sodaß man von ihm sagen kann, er hat einen hohen ritterlichen Charakter, er hat Bewußtsein vom Werte seiner Persönlichkeit und wird sie nicht um niederer Zwecke willen Unehren aussetzen. Wenn er auch ein Imperialist ist, so bietet doch die Besonnenheit seines Wesens, die Solidität seines Charakters eine Bürgschaft dafür, daß sich das amerikanische Volk nicht in politische Abenteuer stürzen wird, solange er die Zügel der Regierung in der Hand hält. Es wäre zu wünschen, daß der Imperialismus immer unter der Leitung eines so aus¬ gezeichneten Mannes stünde. Wer ist ein Freidenker? Auch solche Blätter, die, wie die Kölnische Zei¬ tung, über den Verdacht des Klerikalismus erhaben sind, haben den römischen Freidenkerkongreß sehr ungünstig beurteilt, und sogar die Frankfurter Zeitung, die seine Verhandlungen mit Begeisterung und Entzücken begleitete, mußte nachträglich einer Zuschrift Raum geben, die das Entzücken ein wenig dämpfte. Deren Ver¬ fasser, Dr. Arthur Pfungst, findet zwar die antiklerikale Wut der spanischen Dele¬ gierten und des römischen Straßenpublikums höchst erbaulich, meint aber mit den übrigen deutschen Delegierten, die Romanen, die den Kongreß beherrschten, hätten ihn in falsche Bahnen geleitet. Weltanschauungsfragen zu diskutieren, sei gar nicht möglich gewesen (nach andern Berichten soll es in den Sitzungen ungefähr zu¬ gegangen sein wie im österreichischen Abgeordnetenhause in Obstruktionszeiten), und die Politik habe den Verhandlungen den Stempel aufgedrückt; namentlich sozia¬ listische Strömungen hätten sich in den Vordergrund gedrängt, und man habe sich zuweilen (wirklich bloß zuweilen?) des Eindrucks nicht erwehren können, die Sozia¬ listen hätten sich des Kongresses zur Verbreitung der Ansicht bedienen wollen, daß jeder Freidenker Sozialist sein müsse. Andre Blätter haben kürzer und klarer ge¬ sagt: Der Kongreß war eine tolle Demonstration für die rote Republik. Das wäre nun weiter nichts besondres. Wenn die radikalsten der Romanen zusammen¬ kommen, versteht es sich doch von selbst, daß sie „wüschtes Zeug schwatze." Einige Beachtung dagegen verdient das Verhalten Haeckels, des einzigen anwesenden Ver¬ treters der offiziellen deutschen Wissenschaft. Er war gekommen, um auf dem Kongreß einen internationalen Monistenbund zu gründen, das heißt also doch wohl, die Freidenker auf sein bekanntes monistisches Kredo zu verpflichten. Was ist denn

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/417>, abgerufen am 01.07.2024.