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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Otücksmseln und Träume

wohltuende Stille darüber, die in der Stadt niemals erreicht wird. Bauernarbeit
geht im allgemeinen still für sich hin, Pflügen, Säen, Eggen, Mähen, Dreschen
sind keine Tagewerke, die viel Reden vertragen. Die Bäuerinnen sind wohl von
Natur beredter als die Männer, aber es fehlt ihnen gar oft an der zweiten und
der dritten, die zum Gespräch nötig sind. Die Burschen und die Mädchen rufen
einander zu und singen Sonntags Abends auf der Straße, an den Werktagen sind
sie zu müde dazu. Was Laute hat und liegt in Ruhe, ist doppelt still. Was
gibt es stilleres als ein Dorf, dessen ganze Bevölkerung auf dem Felde draußen
bei der Ernte beschäftigt ist? Es vergehn lautlose Stunden besonders am Vor¬
mittag, am Nachmittag regt sich vielleicht ein Kind nach der Brust der Mutter;
man hört dann einen leisen Gesang, der es in Schlaf wiegt. Oder es ruft eine
Kuh an die Futterzeit mahnend aus dem Stalle. Man hört auch einmal ein
Hämmern an einer Sense oder einer Sichel, die in der unablässigen Arbeit dieser
Tage den Dienst versagt hat. Erst Abends, wenn die hochgetürmten Wagen die
Dorfgasse herabschwanken, wird es lebhaft, doch sind auch dann die ungestüm
heischenden Tiere lauter als die müden Menschen. Die Nacht ist lautlos bis auf
die Brunnen, die weiterrinnen. Ganz vereinzelt tönt das Klirren einer Kette im
Stall oder das Rauschen eines Holunderbusches, durch den sich ein Iltis windet.

Wir sind Franken, und wie überall im Frankenland und besonders unter den
Rheinfranken vom Schwarzwald bis zum Siebengebirge sind schlanke, blonde und
helläugige Leute häufig, doch gibt es auch schwarze, und diese sind im allgemeinen
kürzer und breiter und haben breitere Gesichter. Keineswegs sind sie die lautern
und regsamem, wie es drüben in der Pfalz der Fall ist, wo noch viel Franzosen¬
blut umläuft, sondern die stillern und langsamern. In jedem Dorfe gibt es einige
sehr große Burschen, wenn auch der Durchschnitt von Mittelhöhe ist und auch
recht kleine darunter sind. Die Eichelberger sind eben auch so verschieden, "wies
der Hirt zum Dorf ncmstreibt."

Alle Bauern dieses Dorfes hatten für den, der unter ihnen lebte, eine natür¬
liche Ähnlichkeit, die man nicht gerade Familienähnlichkeit nennen wird, weil die
Abstammungsverhältnisse doch auch in diesem engen Kreise sehr verschieden sind,
die aber auch nicht rein eine Sache der Einbildung ist. Ich denke mir, das wird
überall so sein, wo Dörfer so einsam liegen, daß sie keinen großen Zuzug von
Fremden und auch keinen starken Abfluß in Städte haben, der immer zum Teil
wieder zu ihnen zurückströme. Da sehen sich Generationen lang immer wieder die¬
selben Menschen und werden durch unbewußte Nachahmung einander immer ähn¬
licher, besonders in der Haltung; und außerdem tun sie alle Feldarbeit, welche
Hantierungen sie sonst auch treiben mögen, Verkehren mit ihren Haustieren, säen
und ernten in Sturm und Sonne. Und die Sonn- und Feiertage versammeln sie
alle in der Kirche und fast alle des Abends in: Wirtshause, wo wiederum fast alle
wenig und zwar hauptsächlich das dünne Bier trinken, das golden glänzt, aber
nicht viel Gehalt hat. Die Eichelberger gingen alle langsam und etwas vorgebeugt,
sogar die, die kerzengerade vom Militär gekommen waren; bei den Alten artete
diese Haltung in vollständige Gebeugtheit aus. Gebückt arbeitet der Bauer haupt¬
sächlich mit der Sichel, und bei uns ist die Sichel viel gebräuchlicher als die Sense,
am Futtertrog, beim Holzhacken, am Rebstock, die Bäuerin beim Melken und bei
den kleinen Arbeiten im Garten und beim Waschen. Auch das Pflügen mit dem
schwierigen Gehn im aufgeworfnen, scholligen Boden verleitet zum Gebücktgehn
hinter den rasch fortschreitenden Tieren. Der Pflüger ist überhaupt der Typus
eines Arbeiters, der eine schwere Arbeit aus dem Grunde herausschafft. Auf den
Wellenhügeln sah ich im Herbst die Silhouetten von Pflügern, die langsam in der
klaren Luft in ihrer ruhigen Arbeit weiterschritten, und das Bild bleibt mir tief
eingegraben.

Die Tätigkeit des Bauern ist vielseitig, es ist nicht das einförmig immer
gleiche Rollen eines Maschinenrades, wie die Arbeit des "Arbeiters," für alle


Otücksmseln und Träume

wohltuende Stille darüber, die in der Stadt niemals erreicht wird. Bauernarbeit
geht im allgemeinen still für sich hin, Pflügen, Säen, Eggen, Mähen, Dreschen
sind keine Tagewerke, die viel Reden vertragen. Die Bäuerinnen sind wohl von
Natur beredter als die Männer, aber es fehlt ihnen gar oft an der zweiten und
der dritten, die zum Gespräch nötig sind. Die Burschen und die Mädchen rufen
einander zu und singen Sonntags Abends auf der Straße, an den Werktagen sind
sie zu müde dazu. Was Laute hat und liegt in Ruhe, ist doppelt still. Was
gibt es stilleres als ein Dorf, dessen ganze Bevölkerung auf dem Felde draußen
bei der Ernte beschäftigt ist? Es vergehn lautlose Stunden besonders am Vor¬
mittag, am Nachmittag regt sich vielleicht ein Kind nach der Brust der Mutter;
man hört dann einen leisen Gesang, der es in Schlaf wiegt. Oder es ruft eine
Kuh an die Futterzeit mahnend aus dem Stalle. Man hört auch einmal ein
Hämmern an einer Sense oder einer Sichel, die in der unablässigen Arbeit dieser
Tage den Dienst versagt hat. Erst Abends, wenn die hochgetürmten Wagen die
Dorfgasse herabschwanken, wird es lebhaft, doch sind auch dann die ungestüm
heischenden Tiere lauter als die müden Menschen. Die Nacht ist lautlos bis auf
die Brunnen, die weiterrinnen. Ganz vereinzelt tönt das Klirren einer Kette im
Stall oder das Rauschen eines Holunderbusches, durch den sich ein Iltis windet.

Wir sind Franken, und wie überall im Frankenland und besonders unter den
Rheinfranken vom Schwarzwald bis zum Siebengebirge sind schlanke, blonde und
helläugige Leute häufig, doch gibt es auch schwarze, und diese sind im allgemeinen
kürzer und breiter und haben breitere Gesichter. Keineswegs sind sie die lautern
und regsamem, wie es drüben in der Pfalz der Fall ist, wo noch viel Franzosen¬
blut umläuft, sondern die stillern und langsamern. In jedem Dorfe gibt es einige
sehr große Burschen, wenn auch der Durchschnitt von Mittelhöhe ist und auch
recht kleine darunter sind. Die Eichelberger sind eben auch so verschieden, „wies
der Hirt zum Dorf ncmstreibt."

Alle Bauern dieses Dorfes hatten für den, der unter ihnen lebte, eine natür¬
liche Ähnlichkeit, die man nicht gerade Familienähnlichkeit nennen wird, weil die
Abstammungsverhältnisse doch auch in diesem engen Kreise sehr verschieden sind,
die aber auch nicht rein eine Sache der Einbildung ist. Ich denke mir, das wird
überall so sein, wo Dörfer so einsam liegen, daß sie keinen großen Zuzug von
Fremden und auch keinen starken Abfluß in Städte haben, der immer zum Teil
wieder zu ihnen zurückströme. Da sehen sich Generationen lang immer wieder die¬
selben Menschen und werden durch unbewußte Nachahmung einander immer ähn¬
licher, besonders in der Haltung; und außerdem tun sie alle Feldarbeit, welche
Hantierungen sie sonst auch treiben mögen, Verkehren mit ihren Haustieren, säen
und ernten in Sturm und Sonne. Und die Sonn- und Feiertage versammeln sie
alle in der Kirche und fast alle des Abends in: Wirtshause, wo wiederum fast alle
wenig und zwar hauptsächlich das dünne Bier trinken, das golden glänzt, aber
nicht viel Gehalt hat. Die Eichelberger gingen alle langsam und etwas vorgebeugt,
sogar die, die kerzengerade vom Militär gekommen waren; bei den Alten artete
diese Haltung in vollständige Gebeugtheit aus. Gebückt arbeitet der Bauer haupt¬
sächlich mit der Sichel, und bei uns ist die Sichel viel gebräuchlicher als die Sense,
am Futtertrog, beim Holzhacken, am Rebstock, die Bäuerin beim Melken und bei
den kleinen Arbeiten im Garten und beim Waschen. Auch das Pflügen mit dem
schwierigen Gehn im aufgeworfnen, scholligen Boden verleitet zum Gebücktgehn
hinter den rasch fortschreitenden Tieren. Der Pflüger ist überhaupt der Typus
eines Arbeiters, der eine schwere Arbeit aus dem Grunde herausschafft. Auf den
Wellenhügeln sah ich im Herbst die Silhouetten von Pflügern, die langsam in der
klaren Luft in ihrer ruhigen Arbeit weiterschritten, und das Bild bleibt mir tief
eingegraben.

Die Tätigkeit des Bauern ist vielseitig, es ist nicht das einförmig immer
gleiche Rollen eines Maschinenrades, wie die Arbeit des „Arbeiters," für alle


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[0396] Otücksmseln und Träume wohltuende Stille darüber, die in der Stadt niemals erreicht wird. Bauernarbeit geht im allgemeinen still für sich hin, Pflügen, Säen, Eggen, Mähen, Dreschen sind keine Tagewerke, die viel Reden vertragen. Die Bäuerinnen sind wohl von Natur beredter als die Männer, aber es fehlt ihnen gar oft an der zweiten und der dritten, die zum Gespräch nötig sind. Die Burschen und die Mädchen rufen einander zu und singen Sonntags Abends auf der Straße, an den Werktagen sind sie zu müde dazu. Was Laute hat und liegt in Ruhe, ist doppelt still. Was gibt es stilleres als ein Dorf, dessen ganze Bevölkerung auf dem Felde draußen bei der Ernte beschäftigt ist? Es vergehn lautlose Stunden besonders am Vor¬ mittag, am Nachmittag regt sich vielleicht ein Kind nach der Brust der Mutter; man hört dann einen leisen Gesang, der es in Schlaf wiegt. Oder es ruft eine Kuh an die Futterzeit mahnend aus dem Stalle. Man hört auch einmal ein Hämmern an einer Sense oder einer Sichel, die in der unablässigen Arbeit dieser Tage den Dienst versagt hat. Erst Abends, wenn die hochgetürmten Wagen die Dorfgasse herabschwanken, wird es lebhaft, doch sind auch dann die ungestüm heischenden Tiere lauter als die müden Menschen. Die Nacht ist lautlos bis auf die Brunnen, die weiterrinnen. Ganz vereinzelt tönt das Klirren einer Kette im Stall oder das Rauschen eines Holunderbusches, durch den sich ein Iltis windet. Wir sind Franken, und wie überall im Frankenland und besonders unter den Rheinfranken vom Schwarzwald bis zum Siebengebirge sind schlanke, blonde und helläugige Leute häufig, doch gibt es auch schwarze, und diese sind im allgemeinen kürzer und breiter und haben breitere Gesichter. Keineswegs sind sie die lautern und regsamem, wie es drüben in der Pfalz der Fall ist, wo noch viel Franzosen¬ blut umläuft, sondern die stillern und langsamern. In jedem Dorfe gibt es einige sehr große Burschen, wenn auch der Durchschnitt von Mittelhöhe ist und auch recht kleine darunter sind. Die Eichelberger sind eben auch so verschieden, „wies der Hirt zum Dorf ncmstreibt." Alle Bauern dieses Dorfes hatten für den, der unter ihnen lebte, eine natür¬ liche Ähnlichkeit, die man nicht gerade Familienähnlichkeit nennen wird, weil die Abstammungsverhältnisse doch auch in diesem engen Kreise sehr verschieden sind, die aber auch nicht rein eine Sache der Einbildung ist. Ich denke mir, das wird überall so sein, wo Dörfer so einsam liegen, daß sie keinen großen Zuzug von Fremden und auch keinen starken Abfluß in Städte haben, der immer zum Teil wieder zu ihnen zurückströme. Da sehen sich Generationen lang immer wieder die¬ selben Menschen und werden durch unbewußte Nachahmung einander immer ähn¬ licher, besonders in der Haltung; und außerdem tun sie alle Feldarbeit, welche Hantierungen sie sonst auch treiben mögen, Verkehren mit ihren Haustieren, säen und ernten in Sturm und Sonne. Und die Sonn- und Feiertage versammeln sie alle in der Kirche und fast alle des Abends in: Wirtshause, wo wiederum fast alle wenig und zwar hauptsächlich das dünne Bier trinken, das golden glänzt, aber nicht viel Gehalt hat. Die Eichelberger gingen alle langsam und etwas vorgebeugt, sogar die, die kerzengerade vom Militär gekommen waren; bei den Alten artete diese Haltung in vollständige Gebeugtheit aus. Gebückt arbeitet der Bauer haupt¬ sächlich mit der Sichel, und bei uns ist die Sichel viel gebräuchlicher als die Sense, am Futtertrog, beim Holzhacken, am Rebstock, die Bäuerin beim Melken und bei den kleinen Arbeiten im Garten und beim Waschen. Auch das Pflügen mit dem schwierigen Gehn im aufgeworfnen, scholligen Boden verleitet zum Gebücktgehn hinter den rasch fortschreitenden Tieren. Der Pflüger ist überhaupt der Typus eines Arbeiters, der eine schwere Arbeit aus dem Grunde herausschafft. Auf den Wellenhügeln sah ich im Herbst die Silhouetten von Pflügern, die langsam in der klaren Luft in ihrer ruhigen Arbeit weiterschritten, und das Bild bleibt mir tief eingegraben. Die Tätigkeit des Bauern ist vielseitig, es ist nicht das einförmig immer gleiche Rollen eines Maschinenrades, wie die Arbeit des „Arbeiters," für alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/396>, abgerufen am 03.07.2024.