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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Klücksinseln und träume

der Pflanzen ausheilen. Neuerdings sind zu den alten Blumen des Bauerngartens
Schlingpflanzen gekommen, die die Gartengitter umranken oder sich über die Grenz¬
hecken legen. An einem Haus hat die große blaue Klematis bis tief in den Herbst
ihre breiten Flächen gedrängter großer Blüten ausgespannt, deren Ausläufer phan¬
tastische Spitzen und Ranken an die Wand zeichnen, alles leuchtend blau.

Das Stadthaus hat Spiegelfenster oder zum mindesten große spiegelnde Fenster,
die es recht sehen läßt; das Haus des Dorfes versteckt seine kleinen Fenster, die
oft breiter als lang sind, und deren handgroße Scheiben oft direkte Nachkommen
der Butzenscheiben früherer Jahrhunderte sind, in starken Balkenvorsprüngen oder
unter dem Speichervorbau, der über die niedern Wohnräume vorragt. Daneben
hat es Fenster oder vielmehr Guck- und Schlupflöcher in allen Größen und Formen,
die weder Glas noch Laden haben, sondern schön dunkel im braunen Holze stehn:
die Luftlöcher der Scheune, die Schlupflöcher der Katzen, das Stallfenster, aus
dem der Mist auf den unmittelbar davor emporschwellenden Misthaufen befördert
wird, wovon es Spuren trägt. Zwischen den Balken der Scheune dringt der
Überfluß des Heues heraus, unter dem Dachgiebel hängen Flachsbüschel und Büschel
von Samenpflanzen für das nächste Frühjahr, und daneben nisten Schwalben oder
Rotschwänzchen. Zu den Öffnungen des Hauses rechne ich auch noch die Tore, die
offen stehn, so lange jemand im Hause anwesend ist; durch sie alle schaut man tief
ins Dunkel, aus der Haustür glüht Abends das Herdfeuer, aus dem Scheunentor
blitzen die in Reihen aufgehängten Sensen. Das Dach mit den Öffnungen für den
Rauch sei nicht vergessen.

Als ich zum erstenmal in das Dorf hinabstieg -- die Höhen ringsherum
lagen in Stoppeln, eine stoppelfarbige Schafherde war das einzige, was mit mir
talwärts zog --, fiel es mir auf, wie man auf die grauen und die roten Dächer
hinabschaute. Ich hatte als Stadtkind noch nie das Dach eines Hanfes von oben
gesehen, nun sah ich viele, große und kleine, alte und neue, graue Schindeldächer
und rote Ziegeldächer. Der Herbst war da, der Hopfen war gut verkauft, die
Reben versprachen einen fröhlichen Herbst. Das war der Grund, warum mir so
viele neue Ziegeldächer hellrot eutgegenglänzten. Es war das dritte Jahr, mit
dem der Bauer zufrieden sein konnte. Es war auch die richtige Tageszeit, auf
die Dächer des Dorfes hinabzusehen: die Dämmerstunde vor dem Abendländer.
Wer von uns erinnerte sich nicht, wenn er an den Anblick seines Heimatdorfes
am Abend denkt, an die Ekloge des Vergil:


M MN pwoul villÄrum onlminÄ Lumine,
AÄM'Wqus vNwnt Mi" as mvlltidus nmbrs.s.

Das ist ein ewiges Gefühl, dessen zweitausend Jahre alte Aussprache uns wie
selbsterlebt bewegt!

Es ist ein Unterschied, in welche Art von Himmel der Rauch vom Dache
hineinzieht. In meinem Himmelstrapez, dessen Seiten großstädtische Mansarden¬
dächer einschließen, qualmt er verdrossen, ohne an einem befreundeten Horizonte
Wolken und Bäume, verwandte Gestalten, in den Himmel hineinziehn zu sehen.
Das war vor allem zur Feierabendzeit bei uns ganz anders. Hier stieg der blaue
Rauch in feinem Strahl, der sich nach oben kräuselnd ausbreitete, aus dem Schorn¬
stein, dort quoll er aus dem Küchenfenster und unter den Dachziegeln hervor und
hüllte das ganze Haus in seinen bläulichen Schleier. Aus einigen Türen leuchten
die rotgelben Feuerpunkte der Herdfeuer. Droben wird der blaue Himmel immer
weißer, und unten werden die Schatten in den Tälern und Gaffel, dunkler, sie
steigen empor, breiten sich aus, überziehn endlich den Himmel, wo die Sterne
zuerst nur als feine Punkte den Dämmerschatten durchbrechen, während unten die
Feuerpunkte sich zusammenziehn und nur noch trübe glimmen, leuchten die Licht¬
punkte oben immer Heller.

Das Dorf hat, wie sein Leben, so seine Laute, aber es liegt sehr oft eine


Grenzboten IV 1904
Klücksinseln und träume

der Pflanzen ausheilen. Neuerdings sind zu den alten Blumen des Bauerngartens
Schlingpflanzen gekommen, die die Gartengitter umranken oder sich über die Grenz¬
hecken legen. An einem Haus hat die große blaue Klematis bis tief in den Herbst
ihre breiten Flächen gedrängter großer Blüten ausgespannt, deren Ausläufer phan¬
tastische Spitzen und Ranken an die Wand zeichnen, alles leuchtend blau.

Das Stadthaus hat Spiegelfenster oder zum mindesten große spiegelnde Fenster,
die es recht sehen läßt; das Haus des Dorfes versteckt seine kleinen Fenster, die
oft breiter als lang sind, und deren handgroße Scheiben oft direkte Nachkommen
der Butzenscheiben früherer Jahrhunderte sind, in starken Balkenvorsprüngen oder
unter dem Speichervorbau, der über die niedern Wohnräume vorragt. Daneben
hat es Fenster oder vielmehr Guck- und Schlupflöcher in allen Größen und Formen,
die weder Glas noch Laden haben, sondern schön dunkel im braunen Holze stehn:
die Luftlöcher der Scheune, die Schlupflöcher der Katzen, das Stallfenster, aus
dem der Mist auf den unmittelbar davor emporschwellenden Misthaufen befördert
wird, wovon es Spuren trägt. Zwischen den Balken der Scheune dringt der
Überfluß des Heues heraus, unter dem Dachgiebel hängen Flachsbüschel und Büschel
von Samenpflanzen für das nächste Frühjahr, und daneben nisten Schwalben oder
Rotschwänzchen. Zu den Öffnungen des Hauses rechne ich auch noch die Tore, die
offen stehn, so lange jemand im Hause anwesend ist; durch sie alle schaut man tief
ins Dunkel, aus der Haustür glüht Abends das Herdfeuer, aus dem Scheunentor
blitzen die in Reihen aufgehängten Sensen. Das Dach mit den Öffnungen für den
Rauch sei nicht vergessen.

Als ich zum erstenmal in das Dorf hinabstieg — die Höhen ringsherum
lagen in Stoppeln, eine stoppelfarbige Schafherde war das einzige, was mit mir
talwärts zog —, fiel es mir auf, wie man auf die grauen und die roten Dächer
hinabschaute. Ich hatte als Stadtkind noch nie das Dach eines Hanfes von oben
gesehen, nun sah ich viele, große und kleine, alte und neue, graue Schindeldächer
und rote Ziegeldächer. Der Herbst war da, der Hopfen war gut verkauft, die
Reben versprachen einen fröhlichen Herbst. Das war der Grund, warum mir so
viele neue Ziegeldächer hellrot eutgegenglänzten. Es war das dritte Jahr, mit
dem der Bauer zufrieden sein konnte. Es war auch die richtige Tageszeit, auf
die Dächer des Dorfes hinabzusehen: die Dämmerstunde vor dem Abendländer.
Wer von uns erinnerte sich nicht, wenn er an den Anblick seines Heimatdorfes
am Abend denkt, an die Ekloge des Vergil:


M MN pwoul villÄrum onlminÄ Lumine,
AÄM'Wqus vNwnt Mi» as mvlltidus nmbrs.s.

Das ist ein ewiges Gefühl, dessen zweitausend Jahre alte Aussprache uns wie
selbsterlebt bewegt!

Es ist ein Unterschied, in welche Art von Himmel der Rauch vom Dache
hineinzieht. In meinem Himmelstrapez, dessen Seiten großstädtische Mansarden¬
dächer einschließen, qualmt er verdrossen, ohne an einem befreundeten Horizonte
Wolken und Bäume, verwandte Gestalten, in den Himmel hineinziehn zu sehen.
Das war vor allem zur Feierabendzeit bei uns ganz anders. Hier stieg der blaue
Rauch in feinem Strahl, der sich nach oben kräuselnd ausbreitete, aus dem Schorn¬
stein, dort quoll er aus dem Küchenfenster und unter den Dachziegeln hervor und
hüllte das ganze Haus in seinen bläulichen Schleier. Aus einigen Türen leuchten
die rotgelben Feuerpunkte der Herdfeuer. Droben wird der blaue Himmel immer
weißer, und unten werden die Schatten in den Tälern und Gaffel, dunkler, sie
steigen empor, breiten sich aus, überziehn endlich den Himmel, wo die Sterne
zuerst nur als feine Punkte den Dämmerschatten durchbrechen, während unten die
Feuerpunkte sich zusammenziehn und nur noch trübe glimmen, leuchten die Licht¬
punkte oben immer Heller.

Das Dorf hat, wie sein Leben, so seine Laute, aber es liegt sehr oft eine


Grenzboten IV 1904
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[0395] Klücksinseln und träume der Pflanzen ausheilen. Neuerdings sind zu den alten Blumen des Bauerngartens Schlingpflanzen gekommen, die die Gartengitter umranken oder sich über die Grenz¬ hecken legen. An einem Haus hat die große blaue Klematis bis tief in den Herbst ihre breiten Flächen gedrängter großer Blüten ausgespannt, deren Ausläufer phan¬ tastische Spitzen und Ranken an die Wand zeichnen, alles leuchtend blau. Das Stadthaus hat Spiegelfenster oder zum mindesten große spiegelnde Fenster, die es recht sehen läßt; das Haus des Dorfes versteckt seine kleinen Fenster, die oft breiter als lang sind, und deren handgroße Scheiben oft direkte Nachkommen der Butzenscheiben früherer Jahrhunderte sind, in starken Balkenvorsprüngen oder unter dem Speichervorbau, der über die niedern Wohnräume vorragt. Daneben hat es Fenster oder vielmehr Guck- und Schlupflöcher in allen Größen und Formen, die weder Glas noch Laden haben, sondern schön dunkel im braunen Holze stehn: die Luftlöcher der Scheune, die Schlupflöcher der Katzen, das Stallfenster, aus dem der Mist auf den unmittelbar davor emporschwellenden Misthaufen befördert wird, wovon es Spuren trägt. Zwischen den Balken der Scheune dringt der Überfluß des Heues heraus, unter dem Dachgiebel hängen Flachsbüschel und Büschel von Samenpflanzen für das nächste Frühjahr, und daneben nisten Schwalben oder Rotschwänzchen. Zu den Öffnungen des Hauses rechne ich auch noch die Tore, die offen stehn, so lange jemand im Hause anwesend ist; durch sie alle schaut man tief ins Dunkel, aus der Haustür glüht Abends das Herdfeuer, aus dem Scheunentor blitzen die in Reihen aufgehängten Sensen. Das Dach mit den Öffnungen für den Rauch sei nicht vergessen. Als ich zum erstenmal in das Dorf hinabstieg — die Höhen ringsherum lagen in Stoppeln, eine stoppelfarbige Schafherde war das einzige, was mit mir talwärts zog —, fiel es mir auf, wie man auf die grauen und die roten Dächer hinabschaute. Ich hatte als Stadtkind noch nie das Dach eines Hanfes von oben gesehen, nun sah ich viele, große und kleine, alte und neue, graue Schindeldächer und rote Ziegeldächer. Der Herbst war da, der Hopfen war gut verkauft, die Reben versprachen einen fröhlichen Herbst. Das war der Grund, warum mir so viele neue Ziegeldächer hellrot eutgegenglänzten. Es war das dritte Jahr, mit dem der Bauer zufrieden sein konnte. Es war auch die richtige Tageszeit, auf die Dächer des Dorfes hinabzusehen: die Dämmerstunde vor dem Abendländer. Wer von uns erinnerte sich nicht, wenn er an den Anblick seines Heimatdorfes am Abend denkt, an die Ekloge des Vergil: M MN pwoul villÄrum onlminÄ Lumine, AÄM'Wqus vNwnt Mi» as mvlltidus nmbrs.s. Das ist ein ewiges Gefühl, dessen zweitausend Jahre alte Aussprache uns wie selbsterlebt bewegt! Es ist ein Unterschied, in welche Art von Himmel der Rauch vom Dache hineinzieht. In meinem Himmelstrapez, dessen Seiten großstädtische Mansarden¬ dächer einschließen, qualmt er verdrossen, ohne an einem befreundeten Horizonte Wolken und Bäume, verwandte Gestalten, in den Himmel hineinziehn zu sehen. Das war vor allem zur Feierabendzeit bei uns ganz anders. Hier stieg der blaue Rauch in feinem Strahl, der sich nach oben kräuselnd ausbreitete, aus dem Schorn¬ stein, dort quoll er aus dem Küchenfenster und unter den Dachziegeln hervor und hüllte das ganze Haus in seinen bläulichen Schleier. Aus einigen Türen leuchten die rotgelben Feuerpunkte der Herdfeuer. Droben wird der blaue Himmel immer weißer, und unten werden die Schatten in den Tälern und Gaffel, dunkler, sie steigen empor, breiten sich aus, überziehn endlich den Himmel, wo die Sterne zuerst nur als feine Punkte den Dämmerschatten durchbrechen, während unten die Feuerpunkte sich zusammenziehn und nur noch trübe glimmen, leuchten die Licht¬ punkte oben immer Heller. Das Dorf hat, wie sein Leben, so seine Laute, aber es liegt sehr oft eine Grenzboten IV 1904

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/395>, abgerufen am 01.07.2024.