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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

seinem Schwur zu Beersaba, d. h> am Siebenbrunnen opfert, die Heilung des
Naeman durch siebenmaliges Untertauchen im Jordan, nud andres. Am wichtigsten
von alle dem ist wohl der im Heiligtum des Tempels aufgestellte siebenarmige
Leuchter, der uus auf den Ursprung der Verehrung der Siebenzahl hinweist.
Dieser mußte nämlich so aufgestellt sein, das; dem hereintretenden Priester die
7 Flammen als eine erschienen, womit wohl das Aufgehn der ursprünglichen
7 Götter Israels in der Verehrung des einen, des Jahve, ausgedrückt werden
sollte (vergl. "Die Götter Griechenlands": Einen unter allen zu bereichern, mußte
diese Götterwelt vergehn). Daß vom Judentum aus die Heilighaltung der Zahl 7
ins Christentum überging, war ganz natürlich; davon finden wir im Neuen
Testament außer den bis heute beibehaltnen 7 Wochentagen die damit zusammen¬
hängende Anzahl der Diakonen, die Zahl der Wochen zwischen Ostern und Pfingsten,
in der Offenbarung Johnnnis die Sendschreiben an die 7 Gemeinden Kleinasiens,
das Buch mit den 7 Siegeln, die 7 Posaunen und die 7 Zornesschalen; ferner
die siebenzig siebenmal nötige Vergebung dem Schuldner gegenüber, und vielleicht
gerade zur Bezeichnung des Übernatürlichen wird die siebente Stunde als die Zeit
genannt, wo den von Jesus Geheilten das Fieber verließ. Als ganz besonders
wichtig sei noch hingestellt, daß das von Jesus gegebne Mustergebet gerade
7 Bitten enthält, und gerade die siebente derselben soll späterhin noch ausdrücklich
hervorgehoben werden. Wie in das Neue Testament, so ist nun auch in das
Christentum selbst diese Zahl mit dem sie umgebenden Schimmer der Heiligkeit
übergegangen; denn außer den schon erwähnten Wochentagen und den Bitten des
Vaterunsers hat die katholische Kirche noch die 7 Sakramente und die Lehre von
den 7 Todsünden.

Daß die Heiligkeit der Siebenzahl Wohl den meisten, wenn nicht allen
semitischen Völkern eigen gewesen ist, ist wahrscheinlich, kann aber nicht direkt nach¬
gewiesen werden; eine Hinweisung darauf, wenn auch eine sehr unbedeutende,
dürfen wir vielleicht in der Sage sehen, daß die Athener alle neun Jahre
7 Jünglinge und 7 Jungfrauen nach Kreta den dort herrschenden Phöniziern
schicken mußten. Da diese dem Minotaurus, d. h. nicht einem menschenfresseuden
Stier, sondern einem Götterbilde in Stiergestalt, geopfert wurden, so ist die
Zahl 7 entschieden auch von den Phöniziern als eine heilige betrachtet worden.
Von den Arabern erzählt uns Herodot, daß sie ihre Bündnisse durch 7 mit Blut
beschriebne Steine weihten.

Im Gegensatz zu den semitischen Völkern scheint den indogermanischen die
Zahl 7 nicht als heilig gegolten zu haben, wenn uns auch einzelne Beobach¬
tungen zu dieser Annahme verleiten könnten. In der indischen Schöpfungssage
besteigen (nach der Mahabarata) 7 Weise das Schiff, in einer andern, der Hiobs-
erzählung verwandten thronen die 7 frommen Altväter in der Göttervcrsammlung.
Im Kultus des Mithras gibt es eine Leiter mit 7 verschiednen Metallen; dem
Gotte selbst ist der siebente Monat geweiht. Daß um die Ehre, die Geburtsstadt
des Homer zu sein, gerade 7 Städte sich stritten, daß man von 7 Weltwundern
und von den 7 Weisen Griechenlands sprach, ist wohl nur ein Zufall gewesen
nicht aber auf eine besondre Heiligkeit dieser Zahl zurückzuleiten, ebenso wie es
noch niemand eingefallen ist, die "Göttinger Sieben" als Träger einer besondern
Wichtigkeit der Siebenzahl aufzufassen. Daß die weltbeherrschende Roma eine
Siebenhügelstadt war, könnte, weil die Gründung auf 7 Hügeln und ihre Ein¬
weihung wohl mit besondern religiösen Feierlichkeiten verknüpft war, vielleicht als
schwacher Hinweis auf eine besondre symbolische Bedeutung der Siebenzahl be¬
trachtet werden; doch liegt diese gewiß hier ebenso fern wie bei dem Umstände,
daß der römischen Könige in der Sage gerade 7 genannt werden.

Auch die germanische Mythologie, soweit man sie auch durchforschen mag,
weist nichts auf, was uns zum Glauben an eine besondre Wertschätzung und Ver¬
ehrung dieser Zahl Vonseiten unsrer Vorfahren veranlassen könnte. Wenn wir


Grenzboten IV 1904 48
Maßgebliches und Unmaßgebliches

seinem Schwur zu Beersaba, d. h> am Siebenbrunnen opfert, die Heilung des
Naeman durch siebenmaliges Untertauchen im Jordan, nud andres. Am wichtigsten
von alle dem ist wohl der im Heiligtum des Tempels aufgestellte siebenarmige
Leuchter, der uus auf den Ursprung der Verehrung der Siebenzahl hinweist.
Dieser mußte nämlich so aufgestellt sein, das; dem hereintretenden Priester die
7 Flammen als eine erschienen, womit wohl das Aufgehn der ursprünglichen
7 Götter Israels in der Verehrung des einen, des Jahve, ausgedrückt werden
sollte (vergl. „Die Götter Griechenlands": Einen unter allen zu bereichern, mußte
diese Götterwelt vergehn). Daß vom Judentum aus die Heilighaltung der Zahl 7
ins Christentum überging, war ganz natürlich; davon finden wir im Neuen
Testament außer den bis heute beibehaltnen 7 Wochentagen die damit zusammen¬
hängende Anzahl der Diakonen, die Zahl der Wochen zwischen Ostern und Pfingsten,
in der Offenbarung Johnnnis die Sendschreiben an die 7 Gemeinden Kleinasiens,
das Buch mit den 7 Siegeln, die 7 Posaunen und die 7 Zornesschalen; ferner
die siebenzig siebenmal nötige Vergebung dem Schuldner gegenüber, und vielleicht
gerade zur Bezeichnung des Übernatürlichen wird die siebente Stunde als die Zeit
genannt, wo den von Jesus Geheilten das Fieber verließ. Als ganz besonders
wichtig sei noch hingestellt, daß das von Jesus gegebne Mustergebet gerade
7 Bitten enthält, und gerade die siebente derselben soll späterhin noch ausdrücklich
hervorgehoben werden. Wie in das Neue Testament, so ist nun auch in das
Christentum selbst diese Zahl mit dem sie umgebenden Schimmer der Heiligkeit
übergegangen; denn außer den schon erwähnten Wochentagen und den Bitten des
Vaterunsers hat die katholische Kirche noch die 7 Sakramente und die Lehre von
den 7 Todsünden.

Daß die Heiligkeit der Siebenzahl Wohl den meisten, wenn nicht allen
semitischen Völkern eigen gewesen ist, ist wahrscheinlich, kann aber nicht direkt nach¬
gewiesen werden; eine Hinweisung darauf, wenn auch eine sehr unbedeutende,
dürfen wir vielleicht in der Sage sehen, daß die Athener alle neun Jahre
7 Jünglinge und 7 Jungfrauen nach Kreta den dort herrschenden Phöniziern
schicken mußten. Da diese dem Minotaurus, d. h. nicht einem menschenfresseuden
Stier, sondern einem Götterbilde in Stiergestalt, geopfert wurden, so ist die
Zahl 7 entschieden auch von den Phöniziern als eine heilige betrachtet worden.
Von den Arabern erzählt uns Herodot, daß sie ihre Bündnisse durch 7 mit Blut
beschriebne Steine weihten.

Im Gegensatz zu den semitischen Völkern scheint den indogermanischen die
Zahl 7 nicht als heilig gegolten zu haben, wenn uns auch einzelne Beobach¬
tungen zu dieser Annahme verleiten könnten. In der indischen Schöpfungssage
besteigen (nach der Mahabarata) 7 Weise das Schiff, in einer andern, der Hiobs-
erzählung verwandten thronen die 7 frommen Altväter in der Göttervcrsammlung.
Im Kultus des Mithras gibt es eine Leiter mit 7 verschiednen Metallen; dem
Gotte selbst ist der siebente Monat geweiht. Daß um die Ehre, die Geburtsstadt
des Homer zu sein, gerade 7 Städte sich stritten, daß man von 7 Weltwundern
und von den 7 Weisen Griechenlands sprach, ist wohl nur ein Zufall gewesen
nicht aber auf eine besondre Heiligkeit dieser Zahl zurückzuleiten, ebenso wie es
noch niemand eingefallen ist, die „Göttinger Sieben" als Träger einer besondern
Wichtigkeit der Siebenzahl aufzufassen. Daß die weltbeherrschende Roma eine
Siebenhügelstadt war, könnte, weil die Gründung auf 7 Hügeln und ihre Ein¬
weihung wohl mit besondern religiösen Feierlichkeiten verknüpft war, vielleicht als
schwacher Hinweis auf eine besondre symbolische Bedeutung der Siebenzahl be¬
trachtet werden; doch liegt diese gewiß hier ebenso fern wie bei dem Umstände,
daß der römischen Könige in der Sage gerade 7 genannt werden.

Auch die germanische Mythologie, soweit man sie auch durchforschen mag,
weist nichts auf, was uns zum Glauben an eine besondre Wertschätzung und Ver¬
ehrung dieser Zahl Vonseiten unsrer Vorfahren veranlassen könnte. Wenn wir


Grenzboten IV 1904 48
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[0359] Maßgebliches und Unmaßgebliches seinem Schwur zu Beersaba, d. h> am Siebenbrunnen opfert, die Heilung des Naeman durch siebenmaliges Untertauchen im Jordan, nud andres. Am wichtigsten von alle dem ist wohl der im Heiligtum des Tempels aufgestellte siebenarmige Leuchter, der uus auf den Ursprung der Verehrung der Siebenzahl hinweist. Dieser mußte nämlich so aufgestellt sein, das; dem hereintretenden Priester die 7 Flammen als eine erschienen, womit wohl das Aufgehn der ursprünglichen 7 Götter Israels in der Verehrung des einen, des Jahve, ausgedrückt werden sollte (vergl. „Die Götter Griechenlands": Einen unter allen zu bereichern, mußte diese Götterwelt vergehn). Daß vom Judentum aus die Heilighaltung der Zahl 7 ins Christentum überging, war ganz natürlich; davon finden wir im Neuen Testament außer den bis heute beibehaltnen 7 Wochentagen die damit zusammen¬ hängende Anzahl der Diakonen, die Zahl der Wochen zwischen Ostern und Pfingsten, in der Offenbarung Johnnnis die Sendschreiben an die 7 Gemeinden Kleinasiens, das Buch mit den 7 Siegeln, die 7 Posaunen und die 7 Zornesschalen; ferner die siebenzig siebenmal nötige Vergebung dem Schuldner gegenüber, und vielleicht gerade zur Bezeichnung des Übernatürlichen wird die siebente Stunde als die Zeit genannt, wo den von Jesus Geheilten das Fieber verließ. Als ganz besonders wichtig sei noch hingestellt, daß das von Jesus gegebne Mustergebet gerade 7 Bitten enthält, und gerade die siebente derselben soll späterhin noch ausdrücklich hervorgehoben werden. Wie in das Neue Testament, so ist nun auch in das Christentum selbst diese Zahl mit dem sie umgebenden Schimmer der Heiligkeit übergegangen; denn außer den schon erwähnten Wochentagen und den Bitten des Vaterunsers hat die katholische Kirche noch die 7 Sakramente und die Lehre von den 7 Todsünden. Daß die Heiligkeit der Siebenzahl Wohl den meisten, wenn nicht allen semitischen Völkern eigen gewesen ist, ist wahrscheinlich, kann aber nicht direkt nach¬ gewiesen werden; eine Hinweisung darauf, wenn auch eine sehr unbedeutende, dürfen wir vielleicht in der Sage sehen, daß die Athener alle neun Jahre 7 Jünglinge und 7 Jungfrauen nach Kreta den dort herrschenden Phöniziern schicken mußten. Da diese dem Minotaurus, d. h. nicht einem menschenfresseuden Stier, sondern einem Götterbilde in Stiergestalt, geopfert wurden, so ist die Zahl 7 entschieden auch von den Phöniziern als eine heilige betrachtet worden. Von den Arabern erzählt uns Herodot, daß sie ihre Bündnisse durch 7 mit Blut beschriebne Steine weihten. Im Gegensatz zu den semitischen Völkern scheint den indogermanischen die Zahl 7 nicht als heilig gegolten zu haben, wenn uns auch einzelne Beobach¬ tungen zu dieser Annahme verleiten könnten. In der indischen Schöpfungssage besteigen (nach der Mahabarata) 7 Weise das Schiff, in einer andern, der Hiobs- erzählung verwandten thronen die 7 frommen Altväter in der Göttervcrsammlung. Im Kultus des Mithras gibt es eine Leiter mit 7 verschiednen Metallen; dem Gotte selbst ist der siebente Monat geweiht. Daß um die Ehre, die Geburtsstadt des Homer zu sein, gerade 7 Städte sich stritten, daß man von 7 Weltwundern und von den 7 Weisen Griechenlands sprach, ist wohl nur ein Zufall gewesen nicht aber auf eine besondre Heiligkeit dieser Zahl zurückzuleiten, ebenso wie es noch niemand eingefallen ist, die „Göttinger Sieben" als Träger einer besondern Wichtigkeit der Siebenzahl aufzufassen. Daß die weltbeherrschende Roma eine Siebenhügelstadt war, könnte, weil die Gründung auf 7 Hügeln und ihre Ein¬ weihung wohl mit besondern religiösen Feierlichkeiten verknüpft war, vielleicht als schwacher Hinweis auf eine besondre symbolische Bedeutung der Siebenzahl be¬ trachtet werden; doch liegt diese gewiß hier ebenso fern wie bei dem Umstände, daß der römischen Könige in der Sage gerade 7 genannt werden. Auch die germanische Mythologie, soweit man sie auch durchforschen mag, weist nichts auf, was uns zum Glauben an eine besondre Wertschätzung und Ver¬ ehrung dieser Zahl Vonseiten unsrer Vorfahren veranlassen könnte. Wenn wir Grenzboten IV 1904 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/359>, abgerufen am 01.07.2024.