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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Der ol>e>'österr>.'indische Bciuernanfstand

Starhemberg um die kurz vorher gebildete protestantische Union im Reiche,
baten um Unterstützung und stellten Gegenleistungen in Aussicht, Nach langen
Weigerungen bewilligte Matthias durch deu Revers vom 13, März 1609 freie
Religionsübung für den Adel und die Städte in Österreich. Die böhmischen
Stände erzwangen durch den Majestätsbrief vom 9. Juli 1609 vom Kaiser
Rudolf noch größere Rechte.

In unsrer Zeit muß dieses Verhalten der Stände, das zuweilen bis zu
Verhandlungen mit dem Auslande gegen den Landesfürsten ging, auffallen,
war aber damals nichts ungewöhnliches. Die Rechte der altösterreichischen
Stände waren bis zu Joseph dem Zweiten überhaupt weit größer als die, die
allen modernen Kammern znstehn. Ein Bündnis gegen den Landesherrn war
auch die "Generalzusmumenkuuft" der österreichischen und der ungarischen
Stunde vom Jahre 1452 gewesen, auf der die gewaltsame Befreiung des
Ladislaus PostHumus aus der Gewalt des Kaisers Siegmund verabredet und
dann auch wirklich durchgeführt wurde. Jedem Unbefangnen leuchtet ein, daß
solche Zustände mit dem Wesen des modernen Staates absolut unverträglich
wären, und daß sie jede Großmachtspolitik unmöglich machen würden. Erz¬
herzog Ferdinand, der eben seine Länder wieder katholisch gemacht hatte, war
der Habsburger, der das klar erkannte und entschlossen war, der Monarchie
freien Raum zu verschaffen. Er fühlte sich durch sein religiöses Gewissen drzu
berufen, sein Volk wieder katholisch zu machen, und überall stand ihm da die
ständische Opposition entgegen, die in der letzten Zeit neue Kraft aus den
Nachfolgestreitigkeiten im Hanse Habsburg zog. Erzherzog Matthias war schon
mit Waffenmacht gegen seinen Bruder gezogen, um sich die Nachfolge zu
sichern, dann zerfiel er selbst mit seine"? Brüdern, weil er sich nicht entschließe"
mochte, bei Lebzeiten seinen Nachfolger zu ernennen. Zwar kam es diesesmal
nicht wieder zu kriegerischen Maßregeln, aber die später dnrch den Erzherzog
Maximilian veranlaßte Verhaftung des Kardinals Kiesel, des Ratgebers des
Kaisers Matthias, zeigte deutlich, wie die Sachen standen. Endlich wurde
Ferdinand zum Nachfolger bestimmt, fast einstimmig im Landtage zum König
von Böhmen "angenommen" und einstimmig zum König von Ungarn gewühlt.
Kaum war er am 19. Juni 1617 zum König von Böhmen gekrönt worden,
so begannen auch seine Anhänger mit der Gegenreformation. Die Entscheidung
mußte schließlich zugunsten Ferdinands, der katholischen Stände und der Jesuiten
ausfallen, weil diese genau wußten, was sie wollten, während die protestan¬
tischen Stände der Erbländer wesentlich Kirchturininteressen verfochten und den
Ernst der Lage verkannten.

Die Entwicklung in Böhme" führte zu den, historische" Fenstersturz in
Prag; das war "der Anfang und die Ursache alles folgenden Wehs." Böhmen
stand in vollem Aufruhr gegen den Kaiser, der ein Jahr darauf starb. In
Österreich und in Ungarn waren die Stunde vollkommen mit den Böhmen einver¬
standen, konnte" sich aber niemals zu genieinsamem Vorgehn verbinden. Am
weitesten gingen wieder die oberösterreichischen Stände, die sich abermals für
souverän erklärten, sich mit den Böhmen Verbündeten und Hohenfurt besetze"
ließen, um den Zuzug des für Ferdinand in Deutschland aiigeworbncn Kriegs-


Der ol>e>'österr>.'indische Bciuernanfstand

Starhemberg um die kurz vorher gebildete protestantische Union im Reiche,
baten um Unterstützung und stellten Gegenleistungen in Aussicht, Nach langen
Weigerungen bewilligte Matthias durch deu Revers vom 13, März 1609 freie
Religionsübung für den Adel und die Städte in Österreich. Die böhmischen
Stände erzwangen durch den Majestätsbrief vom 9. Juli 1609 vom Kaiser
Rudolf noch größere Rechte.

In unsrer Zeit muß dieses Verhalten der Stände, das zuweilen bis zu
Verhandlungen mit dem Auslande gegen den Landesfürsten ging, auffallen,
war aber damals nichts ungewöhnliches. Die Rechte der altösterreichischen
Stände waren bis zu Joseph dem Zweiten überhaupt weit größer als die, die
allen modernen Kammern znstehn. Ein Bündnis gegen den Landesherrn war
auch die „Generalzusmumenkuuft" der österreichischen und der ungarischen
Stunde vom Jahre 1452 gewesen, auf der die gewaltsame Befreiung des
Ladislaus PostHumus aus der Gewalt des Kaisers Siegmund verabredet und
dann auch wirklich durchgeführt wurde. Jedem Unbefangnen leuchtet ein, daß
solche Zustände mit dem Wesen des modernen Staates absolut unverträglich
wären, und daß sie jede Großmachtspolitik unmöglich machen würden. Erz¬
herzog Ferdinand, der eben seine Länder wieder katholisch gemacht hatte, war
der Habsburger, der das klar erkannte und entschlossen war, der Monarchie
freien Raum zu verschaffen. Er fühlte sich durch sein religiöses Gewissen drzu
berufen, sein Volk wieder katholisch zu machen, und überall stand ihm da die
ständische Opposition entgegen, die in der letzten Zeit neue Kraft aus den
Nachfolgestreitigkeiten im Hanse Habsburg zog. Erzherzog Matthias war schon
mit Waffenmacht gegen seinen Bruder gezogen, um sich die Nachfolge zu
sichern, dann zerfiel er selbst mit seine«? Brüdern, weil er sich nicht entschließe»
mochte, bei Lebzeiten seinen Nachfolger zu ernennen. Zwar kam es diesesmal
nicht wieder zu kriegerischen Maßregeln, aber die später dnrch den Erzherzog
Maximilian veranlaßte Verhaftung des Kardinals Kiesel, des Ratgebers des
Kaisers Matthias, zeigte deutlich, wie die Sachen standen. Endlich wurde
Ferdinand zum Nachfolger bestimmt, fast einstimmig im Landtage zum König
von Böhmen „angenommen" und einstimmig zum König von Ungarn gewühlt.
Kaum war er am 19. Juni 1617 zum König von Böhmen gekrönt worden,
so begannen auch seine Anhänger mit der Gegenreformation. Die Entscheidung
mußte schließlich zugunsten Ferdinands, der katholischen Stände und der Jesuiten
ausfallen, weil diese genau wußten, was sie wollten, während die protestan¬
tischen Stände der Erbländer wesentlich Kirchturininteressen verfochten und den
Ernst der Lage verkannten.

Die Entwicklung in Böhme» führte zu den, historische» Fenstersturz in
Prag; das war „der Anfang und die Ursache alles folgenden Wehs." Böhmen
stand in vollem Aufruhr gegen den Kaiser, der ein Jahr darauf starb. In
Österreich und in Ungarn waren die Stunde vollkommen mit den Böhmen einver¬
standen, konnte» sich aber niemals zu genieinsamem Vorgehn verbinden. Am
weitesten gingen wieder die oberösterreichischen Stände, die sich abermals für
souverän erklärten, sich mit den Böhmen Verbündeten und Hohenfurt besetze»
ließen, um den Zuzug des für Ferdinand in Deutschland aiigeworbncn Kriegs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/204>, abgerufen am 23.07.2024.