Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der oberösterrcichisch"! Lauoniaufstand

Volkes zu verhindern. Die Böhmen wählten an 26. August 1619 den Kur¬
fürsten von der Pfalz zum König; zwei Teige darauf wurde Ferdinand in
Frankfurt einstimmig zum deutscheu Kaiser gewühlt. Aber auf der Rückreise
mußte er seinem immer gut rechnenden Freunde, dem Herzog Maximilian von
Bayern, für dessen Beistand sämtliche Provinzen seines Hauses verpfänden und
ihm die Rechte des Landesfürsten zusichern, sobald er einen Teil von Ober¬
österreich in seine Gewalt gebracht haben würde. Inzwischen hatten sich die
Stände von Österreich, Ungarn, Mähren und Schlesien gegen ihn verbündet,
die Niedcrösterreicher schickten den Freiherrn von Kufstein an die protestantische
Union und beteiligten sich sogar an einer Gesandtschaft um Hilfe an den
Sultan; Bethlen Gabor hatte sich Preßburgs bemächtigt, das Land wurde
durch unerhörte Plünderungen und Verwüstungen heimgesucht,, und schon ein
Jahr lang wurde ein nichts entscheidender Krieg im südlichen Böhmen, in
Mähren und Niederösterreich geführt. Aber Ferdinand war entschlossen, seine
Existenz an die Sache zu wagen, und verhielt sich sogar gegen die Vermittlungs¬
versuche Englands und Frankreichs ablehnend.

Herzog Maximilian näherte sich Ende Juli 1620 der oberösterreichischen
Grenze und ließ den überraschten Ständen, die ihm Deputierte um Aufklärung
entgegengeschickt hatte", in Linz dnrch Herrn von Wensiu mit dürren Worten
erklären, er komme, um sie zum Gehorsam und zur Huldigung zu zwingen.
Er überschritt die Grenze am 24. Juli ohne Widerstand, erst bei Haag stieß
er auf einige tausend Bauern, die den Weg mit Bäumen verrammelt hatten
und vermeinten, damit die Greuel des Krieges von ihrem Lande abhalten zu
können. Aber sie wurden bald auseinandergetriebcu, und nun wüteten die
"Strafbahern" in der unmenschlichsten Weise, bis Maximilian selbst auf die
Beschwerden der Stände rücksichtslos dagegen einschritt und die schuldigster
sogar aus Kreuz schlagen ließ. Darauf beruhigten sich die Bauern, Maximilian
erschien schou am 31. Juli vor Wels und lehnte jede Unterhandlung mit den
Ständen ab, die gänzlich entmutigt Linz übergaben und am 20. Angust die
vorläufige Huldigung leisteten und dem Bündnis mit Böhmen entsagten, ohne
irgend eine Zusicherung in bezug auf die Religionsübung erreicht zu haben.
Von den Bauern waren die Stände ans naheliegenden Gründen nicht unter¬
stützt worden. Der Widerstand in Niederösterreich bemerke fort, die Stände
wählten am 1. August in Retz den König von Böhmen als ihren Schutzherrn
und verpflichteten sich durch einen Eid zum treuen Festhalten. Ende August
rückte Maximilian in Niederösterreich ein, und zugleich erschien ein Patent
Ferdinands, das dreiunddreißig Angehörige der edelsten Geschlechter des Landes,
die in Retz den Eid geleistet hatten, des Lebens und des Vermögens verlustig
erklärte.

Die Entscheidung über alles brachte in wenig Stunden die Schlacht am
Weißen Berge am 8. November, wo nicht nur die böhmische Königsherrlichkeit
Friedrichs in nichts zerrann. Ferdinand war unerbittlich, und seine jetzt macht¬
losen Gegner hatten nicht nur mit der Ungnade des beleidigten Herrschers,
sondern auch mit der Härte des religiösen Feindes zu rechnen. Die oberöster¬
reichischen Stände schienen darüber uoch in einer großen Täuschung befangen


Der oberösterrcichisch«! Lauoniaufstand

Volkes zu verhindern. Die Böhmen wählten an 26. August 1619 den Kur¬
fürsten von der Pfalz zum König; zwei Teige darauf wurde Ferdinand in
Frankfurt einstimmig zum deutscheu Kaiser gewühlt. Aber auf der Rückreise
mußte er seinem immer gut rechnenden Freunde, dem Herzog Maximilian von
Bayern, für dessen Beistand sämtliche Provinzen seines Hauses verpfänden und
ihm die Rechte des Landesfürsten zusichern, sobald er einen Teil von Ober¬
österreich in seine Gewalt gebracht haben würde. Inzwischen hatten sich die
Stände von Österreich, Ungarn, Mähren und Schlesien gegen ihn verbündet,
die Niedcrösterreicher schickten den Freiherrn von Kufstein an die protestantische
Union und beteiligten sich sogar an einer Gesandtschaft um Hilfe an den
Sultan; Bethlen Gabor hatte sich Preßburgs bemächtigt, das Land wurde
durch unerhörte Plünderungen und Verwüstungen heimgesucht,, und schon ein
Jahr lang wurde ein nichts entscheidender Krieg im südlichen Böhmen, in
Mähren und Niederösterreich geführt. Aber Ferdinand war entschlossen, seine
Existenz an die Sache zu wagen, und verhielt sich sogar gegen die Vermittlungs¬
versuche Englands und Frankreichs ablehnend.

Herzog Maximilian näherte sich Ende Juli 1620 der oberösterreichischen
Grenze und ließ den überraschten Ständen, die ihm Deputierte um Aufklärung
entgegengeschickt hatte», in Linz dnrch Herrn von Wensiu mit dürren Worten
erklären, er komme, um sie zum Gehorsam und zur Huldigung zu zwingen.
Er überschritt die Grenze am 24. Juli ohne Widerstand, erst bei Haag stieß
er auf einige tausend Bauern, die den Weg mit Bäumen verrammelt hatten
und vermeinten, damit die Greuel des Krieges von ihrem Lande abhalten zu
können. Aber sie wurden bald auseinandergetriebcu, und nun wüteten die
„Strafbahern" in der unmenschlichsten Weise, bis Maximilian selbst auf die
Beschwerden der Stände rücksichtslos dagegen einschritt und die schuldigster
sogar aus Kreuz schlagen ließ. Darauf beruhigten sich die Bauern, Maximilian
erschien schou am 31. Juli vor Wels und lehnte jede Unterhandlung mit den
Ständen ab, die gänzlich entmutigt Linz übergaben und am 20. Angust die
vorläufige Huldigung leisteten und dem Bündnis mit Böhmen entsagten, ohne
irgend eine Zusicherung in bezug auf die Religionsübung erreicht zu haben.
Von den Bauern waren die Stände ans naheliegenden Gründen nicht unter¬
stützt worden. Der Widerstand in Niederösterreich bemerke fort, die Stände
wählten am 1. August in Retz den König von Böhmen als ihren Schutzherrn
und verpflichteten sich durch einen Eid zum treuen Festhalten. Ende August
rückte Maximilian in Niederösterreich ein, und zugleich erschien ein Patent
Ferdinands, das dreiunddreißig Angehörige der edelsten Geschlechter des Landes,
die in Retz den Eid geleistet hatten, des Lebens und des Vermögens verlustig
erklärte.

Die Entscheidung über alles brachte in wenig Stunden die Schlacht am
Weißen Berge am 8. November, wo nicht nur die böhmische Königsherrlichkeit
Friedrichs in nichts zerrann. Ferdinand war unerbittlich, und seine jetzt macht¬
losen Gegner hatten nicht nur mit der Ungnade des beleidigten Herrschers,
sondern auch mit der Härte des religiösen Feindes zu rechnen. Die oberöster¬
reichischen Stände schienen darüber uoch in einer großen Täuschung befangen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295424"/>
          <fw type="header" place="top"> Der oberösterrcichisch«! Lauoniaufstand</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_939" prev="#ID_938"> Volkes zu verhindern. Die Böhmen wählten an 26. August 1619 den Kur¬<lb/>
fürsten von der Pfalz zum König; zwei Teige darauf wurde Ferdinand in<lb/>
Frankfurt einstimmig zum deutscheu Kaiser gewühlt. Aber auf der Rückreise<lb/>
mußte er seinem immer gut rechnenden Freunde, dem Herzog Maximilian von<lb/>
Bayern, für dessen Beistand sämtliche Provinzen seines Hauses verpfänden und<lb/>
ihm die Rechte des Landesfürsten zusichern, sobald er einen Teil von Ober¬<lb/>
österreich in seine Gewalt gebracht haben würde. Inzwischen hatten sich die<lb/>
Stände von Österreich, Ungarn, Mähren und Schlesien gegen ihn verbündet,<lb/>
die Niedcrösterreicher schickten den Freiherrn von Kufstein an die protestantische<lb/>
Union und beteiligten sich sogar an einer Gesandtschaft um Hilfe an den<lb/>
Sultan; Bethlen Gabor hatte sich Preßburgs bemächtigt, das Land wurde<lb/>
durch unerhörte Plünderungen und Verwüstungen heimgesucht,, und schon ein<lb/>
Jahr lang wurde ein nichts entscheidender Krieg im südlichen Böhmen, in<lb/>
Mähren und Niederösterreich geführt. Aber Ferdinand war entschlossen, seine<lb/>
Existenz an die Sache zu wagen, und verhielt sich sogar gegen die Vermittlungs¬<lb/>
versuche Englands und Frankreichs ablehnend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_940"> Herzog Maximilian näherte sich Ende Juli 1620 der oberösterreichischen<lb/>
Grenze und ließ den überraschten Ständen, die ihm Deputierte um Aufklärung<lb/>
entgegengeschickt hatte», in Linz dnrch Herrn von Wensiu mit dürren Worten<lb/>
erklären, er komme, um sie zum Gehorsam und zur Huldigung zu zwingen.<lb/>
Er überschritt die Grenze am 24. Juli ohne Widerstand, erst bei Haag stieß<lb/>
er auf einige tausend Bauern, die den Weg mit Bäumen verrammelt hatten<lb/>
und vermeinten, damit die Greuel des Krieges von ihrem Lande abhalten zu<lb/>
können. Aber sie wurden bald auseinandergetriebcu, und nun wüteten die<lb/>
&#x201E;Strafbahern" in der unmenschlichsten Weise, bis Maximilian selbst auf die<lb/>
Beschwerden der Stände rücksichtslos dagegen einschritt und die schuldigster<lb/>
sogar aus Kreuz schlagen ließ. Darauf beruhigten sich die Bauern, Maximilian<lb/>
erschien schou am 31. Juli vor Wels und lehnte jede Unterhandlung mit den<lb/>
Ständen ab, die gänzlich entmutigt Linz übergaben und am 20. Angust die<lb/>
vorläufige Huldigung leisteten und dem Bündnis mit Böhmen entsagten, ohne<lb/>
irgend eine Zusicherung in bezug auf die Religionsübung erreicht zu haben.<lb/>
Von den Bauern waren die Stände ans naheliegenden Gründen nicht unter¬<lb/>
stützt worden. Der Widerstand in Niederösterreich bemerke fort, die Stände<lb/>
wählten am 1. August in Retz den König von Böhmen als ihren Schutzherrn<lb/>
und verpflichteten sich durch einen Eid zum treuen Festhalten. Ende August<lb/>
rückte Maximilian in Niederösterreich ein, und zugleich erschien ein Patent<lb/>
Ferdinands, das dreiunddreißig Angehörige der edelsten Geschlechter des Landes,<lb/>
die in Retz den Eid geleistet hatten, des Lebens und des Vermögens verlustig<lb/>
erklärte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_941" next="#ID_942"> Die Entscheidung über alles brachte in wenig Stunden die Schlacht am<lb/>
Weißen Berge am 8. November, wo nicht nur die böhmische Königsherrlichkeit<lb/>
Friedrichs in nichts zerrann. Ferdinand war unerbittlich, und seine jetzt macht¬<lb/>
losen Gegner hatten nicht nur mit der Ungnade des beleidigten Herrschers,<lb/>
sondern auch mit der Härte des religiösen Feindes zu rechnen. Die oberöster¬<lb/>
reichischen Stände schienen darüber uoch in einer großen Täuschung befangen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0205] Der oberösterrcichisch«! Lauoniaufstand Volkes zu verhindern. Die Böhmen wählten an 26. August 1619 den Kur¬ fürsten von der Pfalz zum König; zwei Teige darauf wurde Ferdinand in Frankfurt einstimmig zum deutscheu Kaiser gewühlt. Aber auf der Rückreise mußte er seinem immer gut rechnenden Freunde, dem Herzog Maximilian von Bayern, für dessen Beistand sämtliche Provinzen seines Hauses verpfänden und ihm die Rechte des Landesfürsten zusichern, sobald er einen Teil von Ober¬ österreich in seine Gewalt gebracht haben würde. Inzwischen hatten sich die Stände von Österreich, Ungarn, Mähren und Schlesien gegen ihn verbündet, die Niedcrösterreicher schickten den Freiherrn von Kufstein an die protestantische Union und beteiligten sich sogar an einer Gesandtschaft um Hilfe an den Sultan; Bethlen Gabor hatte sich Preßburgs bemächtigt, das Land wurde durch unerhörte Plünderungen und Verwüstungen heimgesucht,, und schon ein Jahr lang wurde ein nichts entscheidender Krieg im südlichen Böhmen, in Mähren und Niederösterreich geführt. Aber Ferdinand war entschlossen, seine Existenz an die Sache zu wagen, und verhielt sich sogar gegen die Vermittlungs¬ versuche Englands und Frankreichs ablehnend. Herzog Maximilian näherte sich Ende Juli 1620 der oberösterreichischen Grenze und ließ den überraschten Ständen, die ihm Deputierte um Aufklärung entgegengeschickt hatte», in Linz dnrch Herrn von Wensiu mit dürren Worten erklären, er komme, um sie zum Gehorsam und zur Huldigung zu zwingen. Er überschritt die Grenze am 24. Juli ohne Widerstand, erst bei Haag stieß er auf einige tausend Bauern, die den Weg mit Bäumen verrammelt hatten und vermeinten, damit die Greuel des Krieges von ihrem Lande abhalten zu können. Aber sie wurden bald auseinandergetriebcu, und nun wüteten die „Strafbahern" in der unmenschlichsten Weise, bis Maximilian selbst auf die Beschwerden der Stände rücksichtslos dagegen einschritt und die schuldigster sogar aus Kreuz schlagen ließ. Darauf beruhigten sich die Bauern, Maximilian erschien schou am 31. Juli vor Wels und lehnte jede Unterhandlung mit den Ständen ab, die gänzlich entmutigt Linz übergaben und am 20. Angust die vorläufige Huldigung leisteten und dem Bündnis mit Böhmen entsagten, ohne irgend eine Zusicherung in bezug auf die Religionsübung erreicht zu haben. Von den Bauern waren die Stände ans naheliegenden Gründen nicht unter¬ stützt worden. Der Widerstand in Niederösterreich bemerke fort, die Stände wählten am 1. August in Retz den König von Böhmen als ihren Schutzherrn und verpflichteten sich durch einen Eid zum treuen Festhalten. Ende August rückte Maximilian in Niederösterreich ein, und zugleich erschien ein Patent Ferdinands, das dreiunddreißig Angehörige der edelsten Geschlechter des Landes, die in Retz den Eid geleistet hatten, des Lebens und des Vermögens verlustig erklärte. Die Entscheidung über alles brachte in wenig Stunden die Schlacht am Weißen Berge am 8. November, wo nicht nur die böhmische Königsherrlichkeit Friedrichs in nichts zerrann. Ferdinand war unerbittlich, und seine jetzt macht¬ losen Gegner hatten nicht nur mit der Ungnade des beleidigten Herrschers, sondern auch mit der Härte des religiösen Feindes zu rechnen. Die oberöster¬ reichischen Stände schienen darüber uoch in einer großen Täuschung befangen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/205
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/205>, abgerufen am 23.07.2024.