Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.Auf rätischen Alpenstraßen gehörten die Zölle in Chur und an der Septimerstraße in Promontogno und Mit dem Zerfall der Reichsordnung seit der zweiten Hälfte des dreizehnten Andrerseits suchten sich die Habsburger, seit 1363 Herren von Tirol, die Auf rätischen Alpenstraßen gehörten die Zölle in Chur und an der Septimerstraße in Promontogno und Mit dem Zerfall der Reichsordnung seit der zweiten Hälfte des dreizehnten Andrerseits suchten sich die Habsburger, seit 1363 Herren von Tirol, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295413"/> <fw type="header" place="top"> Auf rätischen Alpenstraßen</fw><lb/> <p xml:id="ID_911" prev="#ID_910"> gehörten die Zölle in Chur und an der Septimerstraße in Promontogno und<lb/> Chiavennci, die im dreizehnten Jahrhundert verpachtet waren, ihm die Burgen<lb/> von Marmels und Splüdatsch zwischen Tiefenkastel und Bivio. Es gründete<lb/> am Septimer das erste Hospiz (sönoäoonmm Lanvti?stri), das ihm schon 831<lb/> von Ludwig dem Frommen bestätigt wurde, also wahrscheinlich viel älter ist<lb/> und ihm jahrhundertelang gehört hat, und auch andre rätische Stifter sorgten<lb/> für Herbergen an den Paßstraßen. Als solche diente auf der Lenzer Heide<lb/> das Kloster Churwalden, Kazis hatte Herbergen in Chur und Tiefenkastel,<lb/> und am südlichen Fuße des Julierpnsses entstand 1233 das Hospiz Silvaplana.<lb/> Für die Beförderung, Beherbergung und Verpflegung des Königs und seiner<lb/> Beamten auszukommen waren von jeher die geistlichen und die weltlichen<lb/> Grundherren verpflichtet, in Anlehnung an die römische Neichspost, für die<lb/> die xosssWorss noch unter ostgotischer Herrschaft die Vorspann- und Reitpferde<lb/> (x^ravsiöäi) zu stellen hatten; Ludwig der Fromme bestätigte zum Beispiel 829<lb/> dem Kloster Reichenau ausnahmsweise die Befreiung von diesen Leistungen<lb/> außer der Verpflegung für die Fahrt des Königs auf Konstanz und Chur.<lb/> Auch im eignen Interesse traf das Bistum Chur besondre Verkehrseinrichtungen.<lb/> Es hatte schon 843 ein Schiff auf dem Walensee stationiert (neben vier könig¬<lb/> lichen Fahrzeugen, die später verschwunden sind) und erhielt für dieses 952<lb/> Zollfreiheit; gegen Ende des zwölften Jahrhunderts hatte es Relaisstationen<lb/> für Saumtiere in Firns an der Straße von Sargans nach dem Walensee<lb/> und auf der Septimerstraße in Prater und Bivio. Was also die römische<lb/> Reichspost auf diesen Straßen mit ihren Stationen für den Reichsdienst ge¬<lb/> leistet hatte, das leistete jetzt für beschränktere Zwecke eine geistliche Grund¬<lb/> herrschaft. Oft genug haben auch die Kaiser die hier vorhandnen Verkehrs¬<lb/> einrichtungen in Anspruch genommen. Die sächsischen Kaiser benutzten neben<lb/> dem Brenner am meisten die rätischen Pässe, die fränkisch-Mischen Herrscher<lb/> gar nicht, um so mehr die Hohenstaufen, weil das Hauptziel ihrer Unter¬<lb/> nehmungen so häufig Mailand war und ihnen zwarComo, aber nicht immer<lb/> das den Ausgang der Brennerstraße beherrschende Verona zur Verfügung stand.</p><lb/> <p xml:id="ID_912"> Mit dem Zerfall der Reichsordnung seit der zweiten Hälfte des dreizehnten<lb/> Jahrhunderts lockerte sich auch das Verhältnis Rütiens zum Reiche wie das<lb/> der jungen Schweizerischen Eidgenossenschaft, und wie dort erhoben sich gegen<lb/> die Grundherrschaften die demokratischen, auf Selbstverwaltung und Beseitigung<lb/> der grundherrlichen Lasten gerichteten Bewegungen ihrer Untertanen. Das<lb/> Aussterben alter Geschlechter, die damit verbundnen Besitzwechsel und Teilungen<lb/> erleichterten das. Als 1337 der Mannesstamm der Edeln von Vaz erlosch,<lb/> gingen ihre Güter in den Nheintülern an die Grafen von Werdenberg-Sargans,<lb/> die im Osten des Rheintals, im Prütigau und in Davos an die Grafen<lb/> von Toggenburg über. Die Besitzungen der Edeln von Belmont im Vorder¬<lb/> rheintal fielen 1371 den Sax-Misox und den Edeln von Räzüns zu, deren<lb/> Erbe 1459 wieder an die Werdenberg-Sargans gelangte. Inzwischen erloschen<lb/> 1436 auch die Toggenburger. Das Bistum Chur benutzte diese ganze Ent¬<lb/> wicklung, die Vogtei 1299 einzulösen, ebenso Disentis 1401.</p><lb/> <p xml:id="ID_913" next="#ID_914"> Andrerseits suchten sich die Habsburger, seit 1363 Herren von Tirol, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0194]
Auf rätischen Alpenstraßen
gehörten die Zölle in Chur und an der Septimerstraße in Promontogno und
Chiavennci, die im dreizehnten Jahrhundert verpachtet waren, ihm die Burgen
von Marmels und Splüdatsch zwischen Tiefenkastel und Bivio. Es gründete
am Septimer das erste Hospiz (sönoäoonmm Lanvti?stri), das ihm schon 831
von Ludwig dem Frommen bestätigt wurde, also wahrscheinlich viel älter ist
und ihm jahrhundertelang gehört hat, und auch andre rätische Stifter sorgten
für Herbergen an den Paßstraßen. Als solche diente auf der Lenzer Heide
das Kloster Churwalden, Kazis hatte Herbergen in Chur und Tiefenkastel,
und am südlichen Fuße des Julierpnsses entstand 1233 das Hospiz Silvaplana.
Für die Beförderung, Beherbergung und Verpflegung des Königs und seiner
Beamten auszukommen waren von jeher die geistlichen und die weltlichen
Grundherren verpflichtet, in Anlehnung an die römische Neichspost, für die
die xosssWorss noch unter ostgotischer Herrschaft die Vorspann- und Reitpferde
(x^ravsiöäi) zu stellen hatten; Ludwig der Fromme bestätigte zum Beispiel 829
dem Kloster Reichenau ausnahmsweise die Befreiung von diesen Leistungen
außer der Verpflegung für die Fahrt des Königs auf Konstanz und Chur.
Auch im eignen Interesse traf das Bistum Chur besondre Verkehrseinrichtungen.
Es hatte schon 843 ein Schiff auf dem Walensee stationiert (neben vier könig¬
lichen Fahrzeugen, die später verschwunden sind) und erhielt für dieses 952
Zollfreiheit; gegen Ende des zwölften Jahrhunderts hatte es Relaisstationen
für Saumtiere in Firns an der Straße von Sargans nach dem Walensee
und auf der Septimerstraße in Prater und Bivio. Was also die römische
Reichspost auf diesen Straßen mit ihren Stationen für den Reichsdienst ge¬
leistet hatte, das leistete jetzt für beschränktere Zwecke eine geistliche Grund¬
herrschaft. Oft genug haben auch die Kaiser die hier vorhandnen Verkehrs¬
einrichtungen in Anspruch genommen. Die sächsischen Kaiser benutzten neben
dem Brenner am meisten die rätischen Pässe, die fränkisch-Mischen Herrscher
gar nicht, um so mehr die Hohenstaufen, weil das Hauptziel ihrer Unter¬
nehmungen so häufig Mailand war und ihnen zwarComo, aber nicht immer
das den Ausgang der Brennerstraße beherrschende Verona zur Verfügung stand.
Mit dem Zerfall der Reichsordnung seit der zweiten Hälfte des dreizehnten
Jahrhunderts lockerte sich auch das Verhältnis Rütiens zum Reiche wie das
der jungen Schweizerischen Eidgenossenschaft, und wie dort erhoben sich gegen
die Grundherrschaften die demokratischen, auf Selbstverwaltung und Beseitigung
der grundherrlichen Lasten gerichteten Bewegungen ihrer Untertanen. Das
Aussterben alter Geschlechter, die damit verbundnen Besitzwechsel und Teilungen
erleichterten das. Als 1337 der Mannesstamm der Edeln von Vaz erlosch,
gingen ihre Güter in den Nheintülern an die Grafen von Werdenberg-Sargans,
die im Osten des Rheintals, im Prütigau und in Davos an die Grafen
von Toggenburg über. Die Besitzungen der Edeln von Belmont im Vorder¬
rheintal fielen 1371 den Sax-Misox und den Edeln von Räzüns zu, deren
Erbe 1459 wieder an die Werdenberg-Sargans gelangte. Inzwischen erloschen
1436 auch die Toggenburger. Das Bistum Chur benutzte diese ganze Ent¬
wicklung, die Vogtei 1299 einzulösen, ebenso Disentis 1401.
Andrerseits suchten sich die Habsburger, seit 1363 Herren von Tirol, die
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