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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Gräfin Susanna

Susanna konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken.

Ich muß auf sein Spiel eingehn und tun, als ob ich nichts wüßte, dachte sie,
ich hätte aber nicht geglaubt, daß er so geheimnistuerisch sein würde.
"

Ich hoffe, der "Mann, der dort war, hat Ihnen Günstiges über uns be¬
richtet? forschte sie. ' .

Hin -- ja, erwiderte Anthony zögernd, nämlich eigentlich hat er gar nichts
berichtet. Er gehörte zu der Art Menschen, die in der ganzen Welt herumreisen
und von ihren Reisen nichts zu erzählen wissen, als eine Reihe von Namen. So
kam er zufällig auch nach Sampaolo, und so erfuhr ich, daß ein Ort dieses Namens
existiert. Ich kann nicht sagen, warum, aber die Tatsache fiel mir auf und blieb in
meinem Gedächtnis haften, und seither brenne ich danach, etwas darüber zu hören.

Sie sagten ja aber, daß Sie es durch und durch kennten, sagte Susanna
vorwurfsvoll und enttäuscht.

O, das war nur so eine Redensart, behauptete Anthony; ich meinte nur, daß
ich etwas von seinem Vorhandensein wisse, was ja schließlich mehr ist, als die
meisten Leute wissen. ,

Es würde sich wohl der Mühe für Sie lohnen, es zu besuchen, wenn Sie
das nächste mal in seine Nähe kommen. Es ist leicht zu erreichen. Die öster¬
reichischen Lloydküstendampfer von Venedig legen einmal wöchentlich dort an, und
von Ancona geht jeden Montag und Donnerstag ein Boot. Sampaolo ist ein un¬
gemein interessanter Platz, interessant sowohl durch seine natürliche Schönheit, durch
seine pittoreske Bevölkerung als auch -- wenigstens für mich -- durch seine eigen¬
tümlich romantische, tragikomische, zu beklagende kleine Geschichte.

Ah! sagte Anthony, aber aus seinem Ton, seinem Blick und seiner Haltung
sprach die dringende Bitte, fortzufahren.

Er ist ein kläglicher Schauspieler, dachte Susanna, als ob der erste beste Nicht¬
beteiligte sich was draus machen würde, von Sampaolo zu hören. Aber es ist um
so besser so!

Ja, sagte sie, und wiederum war es, als sei sie träumerisch in den Anblick
einer Vision versunken. Ja, meiner Ansicht nach ist die Schönheit Sampaolos
ohnegleichen. Von Ihrem Schiff aus sehen Sie es wie eine rosige, purpurumsäumte,
zackige Wolke am Horizont schwimmen. Im Näherkommen gewinnt die Wolke feste
Gestalt und gleicht einem wunderbar feingeschnittnen Edelstein, einer aus der See
geschulteren, von opalisierenden Dunst umflossenen Kamee. Noch näher nimmt es
eine beinahe furchtbare Gestalt an: Abgründe und steile Felsenberge, schwarze
Schluchten und Täter, aber deren Anblick wird gemildert durch etliche zwanzig
Dörfer, die, von Zypressenwäldchen umgeben, an den Berghängen emporkriechen
und auf den höchsten Gipfeln wie Vogelnester hängen. Schließlich fahren Sie
zwischen zwei Vorgebirgen durch, dem Capo del Turco und dem Capo del Papa,
von deren Spitzen zwei große Kruzifixe herabschauen, und dann sind Sie in der
Laguna ti Vallcmza, einer landumschlossenen, spiegelglatten Bucht. Und dort,
scheinbar auf dem Wasser schwebend, steht ein Palast, ein Palast wie aus dem
Feenland, ganz aus weißem Marmor erbaut, mit Säulenhallen und Terrassen,
und doch ist er leicht und duftig wie ein Meerschaumgebilde. Dies ist der eine
der Paläste -- der Sommerpalast ^- der Grafen von Sampaolö. Er scheint auf
dem Wasser zu schweben, in Wirklichkeit steht er aber auf einem Jnselchen, Isola
Nobile genannt. Zwei andre, als Gärten angelegte Jnselchen, Isola Fratello und
Isola Sorella, sind durch Marmorbrücken mit der Isola Nobile verbunden. Die
Grafen von Sampaolo sind eines der ältesten und erlauchtesten Geschlechter
Europas, die Valdeschi della Spinn, Nachkommen von San Guido Valdeschi,
einem berühmten Kreuzfahrer aus dem zwölften Jahrhundert. Sie haben auch
noch einen Winterpalast, den Pcilcizzo Rosso, in der Stadt Vallanza, außerdem ein
altes Kastell, Castel San Guido, auf dem Berge hinter der Stadt, dazu mehrere
Villen in verschiednen Gegenden der Insel. Eine beneidenswerte Familie, nicht


Grenzboten III 1904 63
Gräfin Susanna

Susanna konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken.

Ich muß auf sein Spiel eingehn und tun, als ob ich nichts wüßte, dachte sie,
ich hätte aber nicht geglaubt, daß er so geheimnistuerisch sein würde.
"

Ich hoffe, der „Mann, der dort war, hat Ihnen Günstiges über uns be¬
richtet? forschte sie. ' .

Hin — ja, erwiderte Anthony zögernd, nämlich eigentlich hat er gar nichts
berichtet. Er gehörte zu der Art Menschen, die in der ganzen Welt herumreisen
und von ihren Reisen nichts zu erzählen wissen, als eine Reihe von Namen. So
kam er zufällig auch nach Sampaolo, und so erfuhr ich, daß ein Ort dieses Namens
existiert. Ich kann nicht sagen, warum, aber die Tatsache fiel mir auf und blieb in
meinem Gedächtnis haften, und seither brenne ich danach, etwas darüber zu hören.

Sie sagten ja aber, daß Sie es durch und durch kennten, sagte Susanna
vorwurfsvoll und enttäuscht.

O, das war nur so eine Redensart, behauptete Anthony; ich meinte nur, daß
ich etwas von seinem Vorhandensein wisse, was ja schließlich mehr ist, als die
meisten Leute wissen. ,

Es würde sich wohl der Mühe für Sie lohnen, es zu besuchen, wenn Sie
das nächste mal in seine Nähe kommen. Es ist leicht zu erreichen. Die öster¬
reichischen Lloydküstendampfer von Venedig legen einmal wöchentlich dort an, und
von Ancona geht jeden Montag und Donnerstag ein Boot. Sampaolo ist ein un¬
gemein interessanter Platz, interessant sowohl durch seine natürliche Schönheit, durch
seine pittoreske Bevölkerung als auch — wenigstens für mich — durch seine eigen¬
tümlich romantische, tragikomische, zu beklagende kleine Geschichte.

Ah! sagte Anthony, aber aus seinem Ton, seinem Blick und seiner Haltung
sprach die dringende Bitte, fortzufahren.

Er ist ein kläglicher Schauspieler, dachte Susanna, als ob der erste beste Nicht¬
beteiligte sich was draus machen würde, von Sampaolo zu hören. Aber es ist um
so besser so!

Ja, sagte sie, und wiederum war es, als sei sie träumerisch in den Anblick
einer Vision versunken. Ja, meiner Ansicht nach ist die Schönheit Sampaolos
ohnegleichen. Von Ihrem Schiff aus sehen Sie es wie eine rosige, purpurumsäumte,
zackige Wolke am Horizont schwimmen. Im Näherkommen gewinnt die Wolke feste
Gestalt und gleicht einem wunderbar feingeschnittnen Edelstein, einer aus der See
geschulteren, von opalisierenden Dunst umflossenen Kamee. Noch näher nimmt es
eine beinahe furchtbare Gestalt an: Abgründe und steile Felsenberge, schwarze
Schluchten und Täter, aber deren Anblick wird gemildert durch etliche zwanzig
Dörfer, die, von Zypressenwäldchen umgeben, an den Berghängen emporkriechen
und auf den höchsten Gipfeln wie Vogelnester hängen. Schließlich fahren Sie
zwischen zwei Vorgebirgen durch, dem Capo del Turco und dem Capo del Papa,
von deren Spitzen zwei große Kruzifixe herabschauen, und dann sind Sie in der
Laguna ti Vallcmza, einer landumschlossenen, spiegelglatten Bucht. Und dort,
scheinbar auf dem Wasser schwebend, steht ein Palast, ein Palast wie aus dem
Feenland, ganz aus weißem Marmor erbaut, mit Säulenhallen und Terrassen,
und doch ist er leicht und duftig wie ein Meerschaumgebilde. Dies ist der eine
der Paläste — der Sommerpalast ^- der Grafen von Sampaolö. Er scheint auf
dem Wasser zu schweben, in Wirklichkeit steht er aber auf einem Jnselchen, Isola
Nobile genannt. Zwei andre, als Gärten angelegte Jnselchen, Isola Fratello und
Isola Sorella, sind durch Marmorbrücken mit der Isola Nobile verbunden. Die
Grafen von Sampaolo sind eines der ältesten und erlauchtesten Geschlechter
Europas, die Valdeschi della Spinn, Nachkommen von San Guido Valdeschi,
einem berühmten Kreuzfahrer aus dem zwölften Jahrhundert. Sie haben auch
noch einen Winterpalast, den Pcilcizzo Rosso, in der Stadt Vallanza, außerdem ein
altes Kastell, Castel San Guido, auf dem Berge hinter der Stadt, dazu mehrere
Villen in verschiednen Gegenden der Insel. Eine beneidenswerte Familie, nicht


Grenzboten III 1904 63
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[0483] Gräfin Susanna Susanna konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. Ich muß auf sein Spiel eingehn und tun, als ob ich nichts wüßte, dachte sie, ich hätte aber nicht geglaubt, daß er so geheimnistuerisch sein würde. " Ich hoffe, der „Mann, der dort war, hat Ihnen Günstiges über uns be¬ richtet? forschte sie. ' . Hin — ja, erwiderte Anthony zögernd, nämlich eigentlich hat er gar nichts berichtet. Er gehörte zu der Art Menschen, die in der ganzen Welt herumreisen und von ihren Reisen nichts zu erzählen wissen, als eine Reihe von Namen. So kam er zufällig auch nach Sampaolo, und so erfuhr ich, daß ein Ort dieses Namens existiert. Ich kann nicht sagen, warum, aber die Tatsache fiel mir auf und blieb in meinem Gedächtnis haften, und seither brenne ich danach, etwas darüber zu hören. Sie sagten ja aber, daß Sie es durch und durch kennten, sagte Susanna vorwurfsvoll und enttäuscht. O, das war nur so eine Redensart, behauptete Anthony; ich meinte nur, daß ich etwas von seinem Vorhandensein wisse, was ja schließlich mehr ist, als die meisten Leute wissen. , Es würde sich wohl der Mühe für Sie lohnen, es zu besuchen, wenn Sie das nächste mal in seine Nähe kommen. Es ist leicht zu erreichen. Die öster¬ reichischen Lloydküstendampfer von Venedig legen einmal wöchentlich dort an, und von Ancona geht jeden Montag und Donnerstag ein Boot. Sampaolo ist ein un¬ gemein interessanter Platz, interessant sowohl durch seine natürliche Schönheit, durch seine pittoreske Bevölkerung als auch — wenigstens für mich — durch seine eigen¬ tümlich romantische, tragikomische, zu beklagende kleine Geschichte. Ah! sagte Anthony, aber aus seinem Ton, seinem Blick und seiner Haltung sprach die dringende Bitte, fortzufahren. Er ist ein kläglicher Schauspieler, dachte Susanna, als ob der erste beste Nicht¬ beteiligte sich was draus machen würde, von Sampaolo zu hören. Aber es ist um so besser so! Ja, sagte sie, und wiederum war es, als sei sie träumerisch in den Anblick einer Vision versunken. Ja, meiner Ansicht nach ist die Schönheit Sampaolos ohnegleichen. Von Ihrem Schiff aus sehen Sie es wie eine rosige, purpurumsäumte, zackige Wolke am Horizont schwimmen. Im Näherkommen gewinnt die Wolke feste Gestalt und gleicht einem wunderbar feingeschnittnen Edelstein, einer aus der See geschulteren, von opalisierenden Dunst umflossenen Kamee. Noch näher nimmt es eine beinahe furchtbare Gestalt an: Abgründe und steile Felsenberge, schwarze Schluchten und Täter, aber deren Anblick wird gemildert durch etliche zwanzig Dörfer, die, von Zypressenwäldchen umgeben, an den Berghängen emporkriechen und auf den höchsten Gipfeln wie Vogelnester hängen. Schließlich fahren Sie zwischen zwei Vorgebirgen durch, dem Capo del Turco und dem Capo del Papa, von deren Spitzen zwei große Kruzifixe herabschauen, und dann sind Sie in der Laguna ti Vallcmza, einer landumschlossenen, spiegelglatten Bucht. Und dort, scheinbar auf dem Wasser schwebend, steht ein Palast, ein Palast wie aus dem Feenland, ganz aus weißem Marmor erbaut, mit Säulenhallen und Terrassen, und doch ist er leicht und duftig wie ein Meerschaumgebilde. Dies ist der eine der Paläste — der Sommerpalast ^- der Grafen von Sampaolö. Er scheint auf dem Wasser zu schweben, in Wirklichkeit steht er aber auf einem Jnselchen, Isola Nobile genannt. Zwei andre, als Gärten angelegte Jnselchen, Isola Fratello und Isola Sorella, sind durch Marmorbrücken mit der Isola Nobile verbunden. Die Grafen von Sampaolo sind eines der ältesten und erlauchtesten Geschlechter Europas, die Valdeschi della Spinn, Nachkommen von San Guido Valdeschi, einem berühmten Kreuzfahrer aus dem zwölften Jahrhundert. Sie haben auch noch einen Winterpalast, den Pcilcizzo Rosso, in der Stadt Vallanza, außerdem ein altes Kastell, Castel San Guido, auf dem Berge hinter der Stadt, dazu mehrere Villen in verschiednen Gegenden der Insel. Eine beneidenswerte Familie, nicht Grenzboten III 1904 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/483>, abgerufen am 26.06.2024.