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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Gräfin Susanna

wahr? Auf Sampaolo tragen die Orangenbäume jahraus jahrein Blüten und
Früchte, und in den Olivenhainen blühn alle Arten wilder Blumen: Veilchen und
Anemonen und Narzissen, weiße und rote Iris, Amaryllis, Hyazinthen, Tulpen,
Aronsstab und Orchideen -- ach, ein wahrer Rausch von wilden Blumen! Im
Frühling sind alle Täter von einem rosigen Blütenmeer erfüllt, von den Blüten
der Pfirsich- und der Mandelbäume, und dazwischen hinein leuchtet das glühende
Rot der Granatäpfel. Basilikum und wilde Rosen wachsen Ihnen allüberall ent¬
gegen, und wo er irgendwie Wurzel fassen kann, steht der gefüllte rote Oleander
in großen Bäumen. Ach es ist eine Wunderwelt von Farben und Düften. Die
Vögel in Sampaolo hören nie auf zu singen, sie singen im Dezember so vergnügt
wie im Juni, und die Nachtigallen schlagen bei Tag und bet Nacht -- ich meine
sie noch zu hören. Doch ich muß aufhören, sonst mache ich in Ewigkeit weiter.
Sie können mir glauben: die Schönheiten Sampaolos sind unerschöpflich.

Es war eine lange Rede, aber sie hatte einen aufmerksamen Zuhörer gefunden.

Sie schildern Elysium, bemerkte er, Sie malen das Eiland der Seligen.

Susannas Augen trübten sich.

Einst war Sampaolo auch eine Insel der Seligen, sagte sie traurig, aber
jetzt nicht mehr. Seit der Entstehung dessen, was sich das Königreich Italien
nennt, gleicht es eher der Insel der Verdammten.

Wirklich? fragte Anthony, und Ton und Blick drängten auf weitere Mitteilung.

Aber Susanna lachte etwas verlegen und sagte: Ich bitte tausendmal um Ent¬
schuldigung, daß ich mich so habe hinreißen lassen und Sie gelangweilt habe, so
von einer Dorfpumpe zu schwatzen!

Gelangweilt? rief Anthony. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr
mich alles interessiert hat!

Er ist der denkbar schlechteste Schauspieler, dachte Susanna. -- Sie sind sehr
liebenswürdig, aber ich kann nicht begreifen, was einen Fremden an dem Zustand
der Dorfpumpe meiner Heimat interessieren könnte, sagte sie laut.

Hin, dachte Anthony, mein Interesse mag ihr allerdings etwas unwahrscheinlich
vorkommen. Deshalb suchte er es nach Kräften zu rechtfertigen. Dafür gibt es
mehr als einen Grund. Zuerst, wenn ich mir erlauben darf, es zu sagen, den,
daß es die Dorfpumpe Ihrer Heimat ist -- er machte eine kleine Verbeugung;
dann aber steht diese Dorfpumpe in Italien, und alles, was mit Italien zusammen¬
hängt, hat großes Interesse für mich, und schließlich ist es ja doch die von Sam¬
paolo, über das ich schon lange gern Näheres gehört hätte. -- Also bitte, fahren
Sie fort: Wie kam es, daß Sampaolo eine "Insel der Verdammten" wurde?

Er ist schließlich doch kein ganz schlechter Komödiant, wenn er einmal im Zug
ist, dachte Susanna, aber für heute hat er genug von Sampaolo -- ich muß ihn
mit seinem Appetit uach mehr etwas zappeln lassen.

Horch! sagte sie mit erhobnen Finger und lauschte gespannt. Ist das nicht
eine Feldlerche?

Irgendwo -- man konnte anfangs nicht sagen, wo -- sang ein Vogel. Ringsum
sangen und zwitscherten viele Vögel, aber der Gesang dieses Vogels unterschied sich
von dem der übrigen und schuf für sich selbst eine Art luftiger Isolierung. Es war
ein wonnig süßer, perlender Sang und ertönte lang, erstaunlich lang. Ohne Unter¬
laß, ohne Unterbrechung ertönte er in weichen Trillern und lustigen Rouladen. Der
Gesang war wie gemacht für diesen herrlichen Tag und die weite schöne Landschaft.

Es ist unzweifelhaft eine Feldlerche, sagte Anthony und sah zum Himmel
hinauf, aber wo in aller Welt mag sie stecken?

Und mit Augen und Ohren forschten sie nach der unsichtbaren Sängerin.
Bald schien ihre Stimme aus Osten, bald aus Norden, Süden oder Westen zu
kommen. Endlich rief Anthony: Ah, hier ist sie! und wies in die Luft.

Wo? Wo? fragte Susanna, als ob Leben und Tod an dieser Frage hinge.

Dort! Sehen Sie! sagte Anthony und deutete auf einen winzig kleinen Punkt
hoch oben am blauen Firmament.


Gräfin Susanna

wahr? Auf Sampaolo tragen die Orangenbäume jahraus jahrein Blüten und
Früchte, und in den Olivenhainen blühn alle Arten wilder Blumen: Veilchen und
Anemonen und Narzissen, weiße und rote Iris, Amaryllis, Hyazinthen, Tulpen,
Aronsstab und Orchideen — ach, ein wahrer Rausch von wilden Blumen! Im
Frühling sind alle Täter von einem rosigen Blütenmeer erfüllt, von den Blüten
der Pfirsich- und der Mandelbäume, und dazwischen hinein leuchtet das glühende
Rot der Granatäpfel. Basilikum und wilde Rosen wachsen Ihnen allüberall ent¬
gegen, und wo er irgendwie Wurzel fassen kann, steht der gefüllte rote Oleander
in großen Bäumen. Ach es ist eine Wunderwelt von Farben und Düften. Die
Vögel in Sampaolo hören nie auf zu singen, sie singen im Dezember so vergnügt
wie im Juni, und die Nachtigallen schlagen bei Tag und bet Nacht — ich meine
sie noch zu hören. Doch ich muß aufhören, sonst mache ich in Ewigkeit weiter.
Sie können mir glauben: die Schönheiten Sampaolos sind unerschöpflich.

Es war eine lange Rede, aber sie hatte einen aufmerksamen Zuhörer gefunden.

Sie schildern Elysium, bemerkte er, Sie malen das Eiland der Seligen.

Susannas Augen trübten sich.

Einst war Sampaolo auch eine Insel der Seligen, sagte sie traurig, aber
jetzt nicht mehr. Seit der Entstehung dessen, was sich das Königreich Italien
nennt, gleicht es eher der Insel der Verdammten.

Wirklich? fragte Anthony, und Ton und Blick drängten auf weitere Mitteilung.

Aber Susanna lachte etwas verlegen und sagte: Ich bitte tausendmal um Ent¬
schuldigung, daß ich mich so habe hinreißen lassen und Sie gelangweilt habe, so
von einer Dorfpumpe zu schwatzen!

Gelangweilt? rief Anthony. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr
mich alles interessiert hat!

Er ist der denkbar schlechteste Schauspieler, dachte Susanna. — Sie sind sehr
liebenswürdig, aber ich kann nicht begreifen, was einen Fremden an dem Zustand
der Dorfpumpe meiner Heimat interessieren könnte, sagte sie laut.

Hin, dachte Anthony, mein Interesse mag ihr allerdings etwas unwahrscheinlich
vorkommen. Deshalb suchte er es nach Kräften zu rechtfertigen. Dafür gibt es
mehr als einen Grund. Zuerst, wenn ich mir erlauben darf, es zu sagen, den,
daß es die Dorfpumpe Ihrer Heimat ist — er machte eine kleine Verbeugung;
dann aber steht diese Dorfpumpe in Italien, und alles, was mit Italien zusammen¬
hängt, hat großes Interesse für mich, und schließlich ist es ja doch die von Sam¬
paolo, über das ich schon lange gern Näheres gehört hätte. — Also bitte, fahren
Sie fort: Wie kam es, daß Sampaolo eine „Insel der Verdammten" wurde?

Er ist schließlich doch kein ganz schlechter Komödiant, wenn er einmal im Zug
ist, dachte Susanna, aber für heute hat er genug von Sampaolo — ich muß ihn
mit seinem Appetit uach mehr etwas zappeln lassen.

Horch! sagte sie mit erhobnen Finger und lauschte gespannt. Ist das nicht
eine Feldlerche?

Irgendwo — man konnte anfangs nicht sagen, wo — sang ein Vogel. Ringsum
sangen und zwitscherten viele Vögel, aber der Gesang dieses Vogels unterschied sich
von dem der übrigen und schuf für sich selbst eine Art luftiger Isolierung. Es war
ein wonnig süßer, perlender Sang und ertönte lang, erstaunlich lang. Ohne Unter¬
laß, ohne Unterbrechung ertönte er in weichen Trillern und lustigen Rouladen. Der
Gesang war wie gemacht für diesen herrlichen Tag und die weite schöne Landschaft.

Es ist unzweifelhaft eine Feldlerche, sagte Anthony und sah zum Himmel
hinauf, aber wo in aller Welt mag sie stecken?

Und mit Augen und Ohren forschten sie nach der unsichtbaren Sängerin.
Bald schien ihre Stimme aus Osten, bald aus Norden, Süden oder Westen zu
kommen. Endlich rief Anthony: Ah, hier ist sie! und wies in die Luft.

Wo? Wo? fragte Susanna, als ob Leben und Tod an dieser Frage hinge.

Dort! Sehen Sie! sagte Anthony und deutete auf einen winzig kleinen Punkt
hoch oben am blauen Firmament.


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[0484] Gräfin Susanna wahr? Auf Sampaolo tragen die Orangenbäume jahraus jahrein Blüten und Früchte, und in den Olivenhainen blühn alle Arten wilder Blumen: Veilchen und Anemonen und Narzissen, weiße und rote Iris, Amaryllis, Hyazinthen, Tulpen, Aronsstab und Orchideen — ach, ein wahrer Rausch von wilden Blumen! Im Frühling sind alle Täter von einem rosigen Blütenmeer erfüllt, von den Blüten der Pfirsich- und der Mandelbäume, und dazwischen hinein leuchtet das glühende Rot der Granatäpfel. Basilikum und wilde Rosen wachsen Ihnen allüberall ent¬ gegen, und wo er irgendwie Wurzel fassen kann, steht der gefüllte rote Oleander in großen Bäumen. Ach es ist eine Wunderwelt von Farben und Düften. Die Vögel in Sampaolo hören nie auf zu singen, sie singen im Dezember so vergnügt wie im Juni, und die Nachtigallen schlagen bei Tag und bet Nacht — ich meine sie noch zu hören. Doch ich muß aufhören, sonst mache ich in Ewigkeit weiter. Sie können mir glauben: die Schönheiten Sampaolos sind unerschöpflich. Es war eine lange Rede, aber sie hatte einen aufmerksamen Zuhörer gefunden. Sie schildern Elysium, bemerkte er, Sie malen das Eiland der Seligen. Susannas Augen trübten sich. Einst war Sampaolo auch eine Insel der Seligen, sagte sie traurig, aber jetzt nicht mehr. Seit der Entstehung dessen, was sich das Königreich Italien nennt, gleicht es eher der Insel der Verdammten. Wirklich? fragte Anthony, und Ton und Blick drängten auf weitere Mitteilung. Aber Susanna lachte etwas verlegen und sagte: Ich bitte tausendmal um Ent¬ schuldigung, daß ich mich so habe hinreißen lassen und Sie gelangweilt habe, so von einer Dorfpumpe zu schwatzen! Gelangweilt? rief Anthony. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr mich alles interessiert hat! Er ist der denkbar schlechteste Schauspieler, dachte Susanna. — Sie sind sehr liebenswürdig, aber ich kann nicht begreifen, was einen Fremden an dem Zustand der Dorfpumpe meiner Heimat interessieren könnte, sagte sie laut. Hin, dachte Anthony, mein Interesse mag ihr allerdings etwas unwahrscheinlich vorkommen. Deshalb suchte er es nach Kräften zu rechtfertigen. Dafür gibt es mehr als einen Grund. Zuerst, wenn ich mir erlauben darf, es zu sagen, den, daß es die Dorfpumpe Ihrer Heimat ist — er machte eine kleine Verbeugung; dann aber steht diese Dorfpumpe in Italien, und alles, was mit Italien zusammen¬ hängt, hat großes Interesse für mich, und schließlich ist es ja doch die von Sam¬ paolo, über das ich schon lange gern Näheres gehört hätte. — Also bitte, fahren Sie fort: Wie kam es, daß Sampaolo eine „Insel der Verdammten" wurde? Er ist schließlich doch kein ganz schlechter Komödiant, wenn er einmal im Zug ist, dachte Susanna, aber für heute hat er genug von Sampaolo — ich muß ihn mit seinem Appetit uach mehr etwas zappeln lassen. Horch! sagte sie mit erhobnen Finger und lauschte gespannt. Ist das nicht eine Feldlerche? Irgendwo — man konnte anfangs nicht sagen, wo — sang ein Vogel. Ringsum sangen und zwitscherten viele Vögel, aber der Gesang dieses Vogels unterschied sich von dem der übrigen und schuf für sich selbst eine Art luftiger Isolierung. Es war ein wonnig süßer, perlender Sang und ertönte lang, erstaunlich lang. Ohne Unter¬ laß, ohne Unterbrechung ertönte er in weichen Trillern und lustigen Rouladen. Der Gesang war wie gemacht für diesen herrlichen Tag und die weite schöne Landschaft. Es ist unzweifelhaft eine Feldlerche, sagte Anthony und sah zum Himmel hinauf, aber wo in aller Welt mag sie stecken? Und mit Augen und Ohren forschten sie nach der unsichtbaren Sängerin. Bald schien ihre Stimme aus Osten, bald aus Norden, Süden oder Westen zu kommen. Endlich rief Anthony: Ah, hier ist sie! und wies in die Luft. Wo? Wo? fragte Susanna, als ob Leben und Tod an dieser Frage hinge. Dort! Sehen Sie! sagte Anthony und deutete auf einen winzig kleinen Punkt hoch oben am blauen Firmament.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/484>, abgerufen am 26.06.2024.