Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Westfälische Geschichten

So klug und besonnen und so fleißig die Mutter war, eine Diplomatin war
sie nicht. Es ist nur, weil du so geflucht hast, Bauer, sagte sie, und hast auf den
Tisch geschlagen, daß keiner von den Jungen studieren solle, und weil der Philipp
sichs nun doch in den Kopf gesetzt hat, daß er studieren muß! -- kam es von den
Lippen seiner Mutter, zaghaft, mit bebender Stimme. -- Und du willst ihm das
Wort reden, du, die keinen Pfennig hat in der Tahas gehabt? Ist recht! Art
läßt nicht von Art. Aus der Bettlerhütte kommst du, deinen Jungen willst du
wieder zum Bettler machen! Ist das der Dank dafür, daß ich dich geheiratet hab
aus Gnad und Barmherzigkeit? -- Weil du meine Mutter aus der Hüte hast
werfen wollen, und weil sie lahm ist, und weil sie hätt verkommen müssen, du
weißes so gut wie ich, daß du mich gezwungen hast, darum hab ich Ja gesagt!

Dem Präsidenten lief das Grauen über den Rücken, als er daran dachte, was
dann geschehen war: er hatte sie geschlagen, der rohe Bauer. Die Frau, seine
Mutter wurde geschlagen, seinetwegen! Er war aus dem Verschlag hervorgestürzt.
Er stand seinem Vater gegenüber, dem er sonst ängstlich aus dem Wege ging:
Schlagt die Mutter nicht, Vater, schlagt sie nicht. Ich will ja auch ein Bauer
werden!

Was dann mit ihm geschehen war, wußte er nicht genau. Der Schlag auf
den Kopf, den er erhielt, hatte ihn betäubt. Als er zur Besinnung kam, lag er
in seinem Bett. Man hatte aus der Stadt deu Doktor geholt: seinen Vater
hatte der Schlag gerührt. Er war aber nur gelähmt, sonst aller Sinne mächtig
gewesen. Wie die Frau ihn dann gepflegt hatte, der er jede Minute vorwarf:
Daß ich so dcilieg, du dises in Schuld, bist schuld, daß ich sterben muß vor der
Zeit. Du und der Philipp, ihr habes gemacht! Wie er sie quälte!

Er hatte kaum noch in die Schule gedurft. Ohne Grund, ohne Entschuldigung
hielt der Vater ihn zuhause. Lieber bezahlte er Strafe. Der Vikar mußte die
Polizei zu Hilfe rufen. Arbeiten soll der Jung, bis er umfällt. Ich will ihm die
Mucken austreiben: Studieren! --- Hinter dem Pfluge mußte er gehn, mußte die
Egge lichten, den Dünger in die Furche einlegen, auf der Tenne dreschen. Die
Mutter durfte nicht wagen, auch nur ein Wort dagegen zu sagen: Jede Erregung
kann die Erneuerung des Schlaganfalls und den Tod herbeiführen, hatte der Arzt
gesagt. -- Du mußt nicht denken, daß ich bald sterben will, hatte der Vater ge¬
sagt. Den Gefallen tu ich euch noch lauge nicht, euch beiden. In meinem Testament,
da tränk ichs euch ein, was ihr mir getan habt! -- Als sich aber nach einem
halben Jahre der Schlagfluß wiederholte, und er starb, da fand es sich, daß kein
Testament vorhanden war. Aus Angst, daß er sterben müsse, wenn er sein Testament
mache, hatte es der Vater aufgeschoben, bis es zu spät war.

Der Präsident entsann sich mir zu gut, wie er hinter dem Sarge hergegangen
war, worin sein Vater lag, und nicht hatte weinen können. Immer hatte er
denken müssen: Jetzt ist die Mutter erlöst.

Morgen Nachmittag nach der Schule sollst du zum Vikar kommen. Du sollst
von ihm Unterricht haben in allem, was du wissen mußt, wenn du aufs Gym¬
nasium willst, wenn er findet, daß dn einen guten Kopf hast, und du fleißig bist,
sagte seine Mutter am Abend des Begräbnistages zu ihm. Ich bin beim Vikar
gewesen und Habs in Ordnung gebracht: du sollst studieren.

Er bekam seine Bücher wieder, die ihm der Vater genommen hatte. Ganz
offen, vor aller Augen hätte er jetzt in der Stube sitzen dürfen, zu lesen und zu
lernen, wenn er es gewollt hätte. Im Hause brauchte er nicht mehr zu arbeiten.
Die Geschwister, die Dienstboten, die Leute in der Gegend, alle wußten es, Schult-
Piepers Philipp soll studieren. Keiner hätte ihn gestört. Trotzdem saß er wieder
in dem alten Verschlage uuter den alten Sachen und Kleidungsstücken im Halb¬
dunkel und lernte und lernte und tat sich nie genug.

Schule Pieper hatte die Verhältnisse in höchster Unordnung zurückgelassen.
Nichts war über Einnahmen und Ausgaben gebucht. Hier meldete sich ein Gläubiger


Westfälische Geschichten

So klug und besonnen und so fleißig die Mutter war, eine Diplomatin war
sie nicht. Es ist nur, weil du so geflucht hast, Bauer, sagte sie, und hast auf den
Tisch geschlagen, daß keiner von den Jungen studieren solle, und weil der Philipp
sichs nun doch in den Kopf gesetzt hat, daß er studieren muß! — kam es von den
Lippen seiner Mutter, zaghaft, mit bebender Stimme. — Und du willst ihm das
Wort reden, du, die keinen Pfennig hat in der Tahas gehabt? Ist recht! Art
läßt nicht von Art. Aus der Bettlerhütte kommst du, deinen Jungen willst du
wieder zum Bettler machen! Ist das der Dank dafür, daß ich dich geheiratet hab
aus Gnad und Barmherzigkeit? — Weil du meine Mutter aus der Hüte hast
werfen wollen, und weil sie lahm ist, und weil sie hätt verkommen müssen, du
weißes so gut wie ich, daß du mich gezwungen hast, darum hab ich Ja gesagt!

Dem Präsidenten lief das Grauen über den Rücken, als er daran dachte, was
dann geschehen war: er hatte sie geschlagen, der rohe Bauer. Die Frau, seine
Mutter wurde geschlagen, seinetwegen! Er war aus dem Verschlag hervorgestürzt.
Er stand seinem Vater gegenüber, dem er sonst ängstlich aus dem Wege ging:
Schlagt die Mutter nicht, Vater, schlagt sie nicht. Ich will ja auch ein Bauer
werden!

Was dann mit ihm geschehen war, wußte er nicht genau. Der Schlag auf
den Kopf, den er erhielt, hatte ihn betäubt. Als er zur Besinnung kam, lag er
in seinem Bett. Man hatte aus der Stadt deu Doktor geholt: seinen Vater
hatte der Schlag gerührt. Er war aber nur gelähmt, sonst aller Sinne mächtig
gewesen. Wie die Frau ihn dann gepflegt hatte, der er jede Minute vorwarf:
Daß ich so dcilieg, du dises in Schuld, bist schuld, daß ich sterben muß vor der
Zeit. Du und der Philipp, ihr habes gemacht! Wie er sie quälte!

Er hatte kaum noch in die Schule gedurft. Ohne Grund, ohne Entschuldigung
hielt der Vater ihn zuhause. Lieber bezahlte er Strafe. Der Vikar mußte die
Polizei zu Hilfe rufen. Arbeiten soll der Jung, bis er umfällt. Ich will ihm die
Mucken austreiben: Studieren! -— Hinter dem Pfluge mußte er gehn, mußte die
Egge lichten, den Dünger in die Furche einlegen, auf der Tenne dreschen. Die
Mutter durfte nicht wagen, auch nur ein Wort dagegen zu sagen: Jede Erregung
kann die Erneuerung des Schlaganfalls und den Tod herbeiführen, hatte der Arzt
gesagt. — Du mußt nicht denken, daß ich bald sterben will, hatte der Vater ge¬
sagt. Den Gefallen tu ich euch noch lauge nicht, euch beiden. In meinem Testament,
da tränk ichs euch ein, was ihr mir getan habt! — Als sich aber nach einem
halben Jahre der Schlagfluß wiederholte, und er starb, da fand es sich, daß kein
Testament vorhanden war. Aus Angst, daß er sterben müsse, wenn er sein Testament
mache, hatte es der Vater aufgeschoben, bis es zu spät war.

Der Präsident entsann sich mir zu gut, wie er hinter dem Sarge hergegangen
war, worin sein Vater lag, und nicht hatte weinen können. Immer hatte er
denken müssen: Jetzt ist die Mutter erlöst.

Morgen Nachmittag nach der Schule sollst du zum Vikar kommen. Du sollst
von ihm Unterricht haben in allem, was du wissen mußt, wenn du aufs Gym¬
nasium willst, wenn er findet, daß dn einen guten Kopf hast, und du fleißig bist,
sagte seine Mutter am Abend des Begräbnistages zu ihm. Ich bin beim Vikar
gewesen und Habs in Ordnung gebracht: du sollst studieren.

Er bekam seine Bücher wieder, die ihm der Vater genommen hatte. Ganz
offen, vor aller Augen hätte er jetzt in der Stube sitzen dürfen, zu lesen und zu
lernen, wenn er es gewollt hätte. Im Hause brauchte er nicht mehr zu arbeiten.
Die Geschwister, die Dienstboten, die Leute in der Gegend, alle wußten es, Schult-
Piepers Philipp soll studieren. Keiner hätte ihn gestört. Trotzdem saß er wieder
in dem alten Verschlage uuter den alten Sachen und Kleidungsstücken im Halb¬
dunkel und lernte und lernte und tat sich nie genug.

Schule Pieper hatte die Verhältnisse in höchster Unordnung zurückgelassen.
Nichts war über Einnahmen und Ausgaben gebucht. Hier meldete sich ein Gläubiger


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0780" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294399"/>
          <fw type="header" place="top"> Westfälische Geschichten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3490"> So klug und besonnen und so fleißig die Mutter war, eine Diplomatin war<lb/>
sie nicht. Es ist nur, weil du so geflucht hast, Bauer, sagte sie, und hast auf den<lb/>
Tisch geschlagen, daß keiner von den Jungen studieren solle, und weil der Philipp<lb/>
sichs nun doch in den Kopf gesetzt hat, daß er studieren muß! &#x2014; kam es von den<lb/>
Lippen seiner Mutter, zaghaft, mit bebender Stimme. &#x2014; Und du willst ihm das<lb/>
Wort reden, du, die keinen Pfennig hat in der Tahas gehabt? Ist recht! Art<lb/>
läßt nicht von Art. Aus der Bettlerhütte kommst du, deinen Jungen willst du<lb/>
wieder zum Bettler machen! Ist das der Dank dafür, daß ich dich geheiratet hab<lb/>
aus Gnad und Barmherzigkeit? &#x2014; Weil du meine Mutter aus der Hüte hast<lb/>
werfen wollen, und weil sie lahm ist, und weil sie hätt verkommen müssen, du<lb/>
weißes so gut wie ich, daß du mich gezwungen hast, darum hab ich Ja gesagt!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3491"> Dem Präsidenten lief das Grauen über den Rücken, als er daran dachte, was<lb/>
dann geschehen war: er hatte sie geschlagen, der rohe Bauer. Die Frau, seine<lb/>
Mutter wurde geschlagen, seinetwegen! Er war aus dem Verschlag hervorgestürzt.<lb/>
Er stand seinem Vater gegenüber, dem er sonst ängstlich aus dem Wege ging:<lb/>
Schlagt die Mutter nicht, Vater, schlagt sie nicht. Ich will ja auch ein Bauer<lb/>
werden!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3492"> Was dann mit ihm geschehen war, wußte er nicht genau. Der Schlag auf<lb/>
den Kopf, den er erhielt, hatte ihn betäubt. Als er zur Besinnung kam, lag er<lb/>
in seinem Bett. Man hatte aus der Stadt deu Doktor geholt: seinen Vater<lb/>
hatte der Schlag gerührt. Er war aber nur gelähmt, sonst aller Sinne mächtig<lb/>
gewesen. Wie die Frau ihn dann gepflegt hatte, der er jede Minute vorwarf:<lb/>
Daß ich so dcilieg, du dises in Schuld, bist schuld, daß ich sterben muß vor der<lb/>
Zeit. Du und der Philipp, ihr habes gemacht! Wie er sie quälte!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3493"> Er hatte kaum noch in die Schule gedurft. Ohne Grund, ohne Entschuldigung<lb/>
hielt der Vater ihn zuhause. Lieber bezahlte er Strafe. Der Vikar mußte die<lb/>
Polizei zu Hilfe rufen. Arbeiten soll der Jung, bis er umfällt. Ich will ihm die<lb/>
Mucken austreiben: Studieren! -&#x2014; Hinter dem Pfluge mußte er gehn, mußte die<lb/>
Egge lichten, den Dünger in die Furche einlegen, auf der Tenne dreschen. Die<lb/>
Mutter durfte nicht wagen, auch nur ein Wort dagegen zu sagen: Jede Erregung<lb/>
kann die Erneuerung des Schlaganfalls und den Tod herbeiführen, hatte der Arzt<lb/>
gesagt. &#x2014; Du mußt nicht denken, daß ich bald sterben will, hatte der Vater ge¬<lb/>
sagt. Den Gefallen tu ich euch noch lauge nicht, euch beiden. In meinem Testament,<lb/>
da tränk ichs euch ein, was ihr mir getan habt! &#x2014; Als sich aber nach einem<lb/>
halben Jahre der Schlagfluß wiederholte, und er starb, da fand es sich, daß kein<lb/>
Testament vorhanden war. Aus Angst, daß er sterben müsse, wenn er sein Testament<lb/>
mache, hatte es der Vater aufgeschoben, bis es zu spät war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3494"> Der Präsident entsann sich mir zu gut, wie er hinter dem Sarge hergegangen<lb/>
war, worin sein Vater lag, und nicht hatte weinen können. Immer hatte er<lb/>
denken müssen: Jetzt ist die Mutter erlöst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3495"> Morgen Nachmittag nach der Schule sollst du zum Vikar kommen. Du sollst<lb/>
von ihm Unterricht haben in allem, was du wissen mußt, wenn du aufs Gym¬<lb/>
nasium willst, wenn er findet, daß dn einen guten Kopf hast, und du fleißig bist,<lb/>
sagte seine Mutter am Abend des Begräbnistages zu ihm. Ich bin beim Vikar<lb/>
gewesen und Habs in Ordnung gebracht: du sollst studieren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3496"> Er bekam seine Bücher wieder, die ihm der Vater genommen hatte. Ganz<lb/>
offen, vor aller Augen hätte er jetzt in der Stube sitzen dürfen, zu lesen und zu<lb/>
lernen, wenn er es gewollt hätte. Im Hause brauchte er nicht mehr zu arbeiten.<lb/>
Die Geschwister, die Dienstboten, die Leute in der Gegend, alle wußten es, Schult-<lb/>
Piepers Philipp soll studieren. Keiner hätte ihn gestört. Trotzdem saß er wieder<lb/>
in dem alten Verschlage uuter den alten Sachen und Kleidungsstücken im Halb¬<lb/>
dunkel und lernte und lernte und tat sich nie genug.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3497" next="#ID_3498"> Schule Pieper hatte die Verhältnisse in höchster Unordnung zurückgelassen.<lb/>
Nichts war über Einnahmen und Ausgaben gebucht. Hier meldete sich ein Gläubiger</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0780] Westfälische Geschichten So klug und besonnen und so fleißig die Mutter war, eine Diplomatin war sie nicht. Es ist nur, weil du so geflucht hast, Bauer, sagte sie, und hast auf den Tisch geschlagen, daß keiner von den Jungen studieren solle, und weil der Philipp sichs nun doch in den Kopf gesetzt hat, daß er studieren muß! — kam es von den Lippen seiner Mutter, zaghaft, mit bebender Stimme. — Und du willst ihm das Wort reden, du, die keinen Pfennig hat in der Tahas gehabt? Ist recht! Art läßt nicht von Art. Aus der Bettlerhütte kommst du, deinen Jungen willst du wieder zum Bettler machen! Ist das der Dank dafür, daß ich dich geheiratet hab aus Gnad und Barmherzigkeit? — Weil du meine Mutter aus der Hüte hast werfen wollen, und weil sie lahm ist, und weil sie hätt verkommen müssen, du weißes so gut wie ich, daß du mich gezwungen hast, darum hab ich Ja gesagt! Dem Präsidenten lief das Grauen über den Rücken, als er daran dachte, was dann geschehen war: er hatte sie geschlagen, der rohe Bauer. Die Frau, seine Mutter wurde geschlagen, seinetwegen! Er war aus dem Verschlag hervorgestürzt. Er stand seinem Vater gegenüber, dem er sonst ängstlich aus dem Wege ging: Schlagt die Mutter nicht, Vater, schlagt sie nicht. Ich will ja auch ein Bauer werden! Was dann mit ihm geschehen war, wußte er nicht genau. Der Schlag auf den Kopf, den er erhielt, hatte ihn betäubt. Als er zur Besinnung kam, lag er in seinem Bett. Man hatte aus der Stadt deu Doktor geholt: seinen Vater hatte der Schlag gerührt. Er war aber nur gelähmt, sonst aller Sinne mächtig gewesen. Wie die Frau ihn dann gepflegt hatte, der er jede Minute vorwarf: Daß ich so dcilieg, du dises in Schuld, bist schuld, daß ich sterben muß vor der Zeit. Du und der Philipp, ihr habes gemacht! Wie er sie quälte! Er hatte kaum noch in die Schule gedurft. Ohne Grund, ohne Entschuldigung hielt der Vater ihn zuhause. Lieber bezahlte er Strafe. Der Vikar mußte die Polizei zu Hilfe rufen. Arbeiten soll der Jung, bis er umfällt. Ich will ihm die Mucken austreiben: Studieren! -— Hinter dem Pfluge mußte er gehn, mußte die Egge lichten, den Dünger in die Furche einlegen, auf der Tenne dreschen. Die Mutter durfte nicht wagen, auch nur ein Wort dagegen zu sagen: Jede Erregung kann die Erneuerung des Schlaganfalls und den Tod herbeiführen, hatte der Arzt gesagt. — Du mußt nicht denken, daß ich bald sterben will, hatte der Vater ge¬ sagt. Den Gefallen tu ich euch noch lauge nicht, euch beiden. In meinem Testament, da tränk ichs euch ein, was ihr mir getan habt! — Als sich aber nach einem halben Jahre der Schlagfluß wiederholte, und er starb, da fand es sich, daß kein Testament vorhanden war. Aus Angst, daß er sterben müsse, wenn er sein Testament mache, hatte es der Vater aufgeschoben, bis es zu spät war. Der Präsident entsann sich mir zu gut, wie er hinter dem Sarge hergegangen war, worin sein Vater lag, und nicht hatte weinen können. Immer hatte er denken müssen: Jetzt ist die Mutter erlöst. Morgen Nachmittag nach der Schule sollst du zum Vikar kommen. Du sollst von ihm Unterricht haben in allem, was du wissen mußt, wenn du aufs Gym¬ nasium willst, wenn er findet, daß dn einen guten Kopf hast, und du fleißig bist, sagte seine Mutter am Abend des Begräbnistages zu ihm. Ich bin beim Vikar gewesen und Habs in Ordnung gebracht: du sollst studieren. Er bekam seine Bücher wieder, die ihm der Vater genommen hatte. Ganz offen, vor aller Augen hätte er jetzt in der Stube sitzen dürfen, zu lesen und zu lernen, wenn er es gewollt hätte. Im Hause brauchte er nicht mehr zu arbeiten. Die Geschwister, die Dienstboten, die Leute in der Gegend, alle wußten es, Schult- Piepers Philipp soll studieren. Keiner hätte ihn gestört. Trotzdem saß er wieder in dem alten Verschlage uuter den alten Sachen und Kleidungsstücken im Halb¬ dunkel und lernte und lernte und tat sich nie genug. Schule Pieper hatte die Verhältnisse in höchster Unordnung zurückgelassen. Nichts war über Einnahmen und Ausgaben gebucht. Hier meldete sich ein Gläubiger

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/780
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/780>, abgerufen am 05.07.2024.