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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Westfälische Geschichten

Mutter gekocht und gewirtschaftet hatte, war der Herd kalt. Kein andrer sollte
dort schalten, so lange sie im Hause war, wo so lange Zeit ihre gütigen Hände
für ihn gearbeitet hatten: das Essen wurde aus dem Speisehause geholt.

In der von Abeudsonnenglut erfüllten Kammer lag sie auf ihrem Bett in
dem feinen schwarzen Tuchkleid, worin sie an den Sonntagen zur Kirche ge¬
gangen war. Die goldgestickte Sammetkappenhaube mit den farbigen Bindebttndern
daran trug sie über dem kaum ergrauten noch vollen Scheitel. Das Goldkreuz,
das sie an ihrem Hochzeitstage getragen hatte, lag auf ihrer Brust. In den
übereinandergelegten Händen hielt sie den Rosenkranz, dessen Perlen ganz abgenutzt
waren, so oft hatte sie ihn durch die Finger gleiten lassen. Vogelgezwitscher und
Blumenduft drangen durch die weit geöffneten Fenster vom Garten herauf. Das
Rot der untergehenden Sonne lag auf den Frieden atmenden Zügen und übergoß
die bleichen Wangen mit zarter Nöte. Dem Präsidenten war, als schliefe sie nur,
als müsse sie gleich die Angen wieder öffnen, wieder lebendig sein, liebend, für
ihn sorgend, wie sie es immer gewesen war.

Mutter, Mutter! schluchzte er, und er sank an ihrem Bette in die Knie und
barg sein Gesicht in den Kissen, ans denen sie so lange Zeit geruht hatte. Mutter,
nun bist du weg, und ich bin allein.

Ein Pochen an der Tür weckte ihn aus seiner Trauer. Es war der Diener
mit den Eichenzweigen aus dein Piepersbusch. Der Präsident hatte befohlen, daß
man sie in das Sterbezimmer hinauftrage. Kranzspenden waren verbeten; der
einzige Kranz, der ihren Sarg schmücken, sie in das Grab begleiten durfte, den
mußte der Sohn ihr winden.

Da saß er, dicht an dem Bett, auf dem sie schlief, an dem großen Tisch, der
mitten im Zimmer stand. Ihr Gebetbuch lag darauf neben dem Anschreibebuch,
in das sie mit ungeschickten, steifen Zügen gewissenhaft jeden Pfennig eingetragen
hatte, den sie im Haushalt ihres Sohnes, des Präsidenten, ausgegeben hatte. Da
stand das Weidenkörbchen, das ihr Strickzeug umschloß: Socken, die sie für ihren
Sohn strickte. Da lag die Näharbeit: Taschentücher, die sie ihm zum Namenstag
geschenkt hatte und die sie für ihn säumte.

Mutter, Mutter, flüsterte er und hielt die Brille in der Hand, die sie bei
ihrer Arbeit getragen hatte, die große Hornbrille, und seine Tränen fielen darauf.
Mit zitternden Fingern brach er die Blätter von den Eichenzweigen ab. Jedes
wurde in der Mitte zusammengelegt, mit dem Stiel durchstochen und aufgeheftet,
so wie seine Mutter es ihn gelehrt hatte, als er noch ein kleiner Junge war, und
er ihr helfen mußte, den Eichenkranz zu machen, der den Altar bei der Prozession
am Fronleichncunstage schmücken sollte. Die kam vom Kirchdorf her bei ihrem
Umgang durch die Felder auf den Piepershof, wo dann der Segen gegeben
wurde mit dem Allerheiligsten unter den alten Eichen. Der Feldweg, der vom
Dorf herüber führte, war mit Maien besteckt und mit Schilf und Binsen be¬
streut. Am Eingang des Hofes stand ein Triumphbogen, der mit Tannen¬
zweigen umwunden war, und mitten darin, gerade dort, wo der Priester mit dem
Allerheiligsten durchschreiten mußte, hing zu Häupten eine Krone aus dunkelroten
Päonien. Und der Altar!

Über des Präsidenten ernstes Gesicht glitt der Schatten eines Lächelns, als
er des Entzückens gedachte, mit dem er den geschmückten Altar geschaut hatte: ein
großes Bild in goldnem Rahmen, das sonst in der besten Stube hing, worauf
der liebe Heiland abgebildet war, wie er am Kreuze starb, wo die Mutter Gottes
darunter stand, in einem feuerroten Kleide und mit blauem Mantel, und der
Jünger Johnmies in einem grünen Mantel, das bildete den Hintergrund, und was
das Haus an bunten Glasvasen, an Gläsern mit vergoldeter Inschrift hatte -- mit
Blumen gefüllt stand es auf dem Altar. In den Glasleuchtern, die sonst in der
besten Stube den Ehrenplatz einnahmen unter dem Spiegel, rot und blau, brannten
weiße Kerzen. Bunte Glaskugeln vom Weihnachtsbaum waren überall angebracht


Westfälische Geschichten

Mutter gekocht und gewirtschaftet hatte, war der Herd kalt. Kein andrer sollte
dort schalten, so lange sie im Hause war, wo so lange Zeit ihre gütigen Hände
für ihn gearbeitet hatten: das Essen wurde aus dem Speisehause geholt.

In der von Abeudsonnenglut erfüllten Kammer lag sie auf ihrem Bett in
dem feinen schwarzen Tuchkleid, worin sie an den Sonntagen zur Kirche ge¬
gangen war. Die goldgestickte Sammetkappenhaube mit den farbigen Bindebttndern
daran trug sie über dem kaum ergrauten noch vollen Scheitel. Das Goldkreuz,
das sie an ihrem Hochzeitstage getragen hatte, lag auf ihrer Brust. In den
übereinandergelegten Händen hielt sie den Rosenkranz, dessen Perlen ganz abgenutzt
waren, so oft hatte sie ihn durch die Finger gleiten lassen. Vogelgezwitscher und
Blumenduft drangen durch die weit geöffneten Fenster vom Garten herauf. Das
Rot der untergehenden Sonne lag auf den Frieden atmenden Zügen und übergoß
die bleichen Wangen mit zarter Nöte. Dem Präsidenten war, als schliefe sie nur,
als müsse sie gleich die Angen wieder öffnen, wieder lebendig sein, liebend, für
ihn sorgend, wie sie es immer gewesen war.

Mutter, Mutter! schluchzte er, und er sank an ihrem Bette in die Knie und
barg sein Gesicht in den Kissen, ans denen sie so lange Zeit geruht hatte. Mutter,
nun bist du weg, und ich bin allein.

Ein Pochen an der Tür weckte ihn aus seiner Trauer. Es war der Diener
mit den Eichenzweigen aus dein Piepersbusch. Der Präsident hatte befohlen, daß
man sie in das Sterbezimmer hinauftrage. Kranzspenden waren verbeten; der
einzige Kranz, der ihren Sarg schmücken, sie in das Grab begleiten durfte, den
mußte der Sohn ihr winden.

Da saß er, dicht an dem Bett, auf dem sie schlief, an dem großen Tisch, der
mitten im Zimmer stand. Ihr Gebetbuch lag darauf neben dem Anschreibebuch,
in das sie mit ungeschickten, steifen Zügen gewissenhaft jeden Pfennig eingetragen
hatte, den sie im Haushalt ihres Sohnes, des Präsidenten, ausgegeben hatte. Da
stand das Weidenkörbchen, das ihr Strickzeug umschloß: Socken, die sie für ihren
Sohn strickte. Da lag die Näharbeit: Taschentücher, die sie ihm zum Namenstag
geschenkt hatte und die sie für ihn säumte.

Mutter, Mutter, flüsterte er und hielt die Brille in der Hand, die sie bei
ihrer Arbeit getragen hatte, die große Hornbrille, und seine Tränen fielen darauf.
Mit zitternden Fingern brach er die Blätter von den Eichenzweigen ab. Jedes
wurde in der Mitte zusammengelegt, mit dem Stiel durchstochen und aufgeheftet,
so wie seine Mutter es ihn gelehrt hatte, als er noch ein kleiner Junge war, und
er ihr helfen mußte, den Eichenkranz zu machen, der den Altar bei der Prozession
am Fronleichncunstage schmücken sollte. Die kam vom Kirchdorf her bei ihrem
Umgang durch die Felder auf den Piepershof, wo dann der Segen gegeben
wurde mit dem Allerheiligsten unter den alten Eichen. Der Feldweg, der vom
Dorf herüber führte, war mit Maien besteckt und mit Schilf und Binsen be¬
streut. Am Eingang des Hofes stand ein Triumphbogen, der mit Tannen¬
zweigen umwunden war, und mitten darin, gerade dort, wo der Priester mit dem
Allerheiligsten durchschreiten mußte, hing zu Häupten eine Krone aus dunkelroten
Päonien. Und der Altar!

Über des Präsidenten ernstes Gesicht glitt der Schatten eines Lächelns, als
er des Entzückens gedachte, mit dem er den geschmückten Altar geschaut hatte: ein
großes Bild in goldnem Rahmen, das sonst in der besten Stube hing, worauf
der liebe Heiland abgebildet war, wie er am Kreuze starb, wo die Mutter Gottes
darunter stand, in einem feuerroten Kleide und mit blauem Mantel, und der
Jünger Johnmies in einem grünen Mantel, das bildete den Hintergrund, und was
das Haus an bunten Glasvasen, an Gläsern mit vergoldeter Inschrift hatte — mit
Blumen gefüllt stand es auf dem Altar. In den Glasleuchtern, die sonst in der
besten Stube den Ehrenplatz einnahmen unter dem Spiegel, rot und blau, brannten
weiße Kerzen. Bunte Glaskugeln vom Weihnachtsbaum waren überall angebracht


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[0777] Westfälische Geschichten Mutter gekocht und gewirtschaftet hatte, war der Herd kalt. Kein andrer sollte dort schalten, so lange sie im Hause war, wo so lange Zeit ihre gütigen Hände für ihn gearbeitet hatten: das Essen wurde aus dem Speisehause geholt. In der von Abeudsonnenglut erfüllten Kammer lag sie auf ihrem Bett in dem feinen schwarzen Tuchkleid, worin sie an den Sonntagen zur Kirche ge¬ gangen war. Die goldgestickte Sammetkappenhaube mit den farbigen Bindebttndern daran trug sie über dem kaum ergrauten noch vollen Scheitel. Das Goldkreuz, das sie an ihrem Hochzeitstage getragen hatte, lag auf ihrer Brust. In den übereinandergelegten Händen hielt sie den Rosenkranz, dessen Perlen ganz abgenutzt waren, so oft hatte sie ihn durch die Finger gleiten lassen. Vogelgezwitscher und Blumenduft drangen durch die weit geöffneten Fenster vom Garten herauf. Das Rot der untergehenden Sonne lag auf den Frieden atmenden Zügen und übergoß die bleichen Wangen mit zarter Nöte. Dem Präsidenten war, als schliefe sie nur, als müsse sie gleich die Angen wieder öffnen, wieder lebendig sein, liebend, für ihn sorgend, wie sie es immer gewesen war. Mutter, Mutter! schluchzte er, und er sank an ihrem Bette in die Knie und barg sein Gesicht in den Kissen, ans denen sie so lange Zeit geruht hatte. Mutter, nun bist du weg, und ich bin allein. Ein Pochen an der Tür weckte ihn aus seiner Trauer. Es war der Diener mit den Eichenzweigen aus dein Piepersbusch. Der Präsident hatte befohlen, daß man sie in das Sterbezimmer hinauftrage. Kranzspenden waren verbeten; der einzige Kranz, der ihren Sarg schmücken, sie in das Grab begleiten durfte, den mußte der Sohn ihr winden. Da saß er, dicht an dem Bett, auf dem sie schlief, an dem großen Tisch, der mitten im Zimmer stand. Ihr Gebetbuch lag darauf neben dem Anschreibebuch, in das sie mit ungeschickten, steifen Zügen gewissenhaft jeden Pfennig eingetragen hatte, den sie im Haushalt ihres Sohnes, des Präsidenten, ausgegeben hatte. Da stand das Weidenkörbchen, das ihr Strickzeug umschloß: Socken, die sie für ihren Sohn strickte. Da lag die Näharbeit: Taschentücher, die sie ihm zum Namenstag geschenkt hatte und die sie für ihn säumte. Mutter, Mutter, flüsterte er und hielt die Brille in der Hand, die sie bei ihrer Arbeit getragen hatte, die große Hornbrille, und seine Tränen fielen darauf. Mit zitternden Fingern brach er die Blätter von den Eichenzweigen ab. Jedes wurde in der Mitte zusammengelegt, mit dem Stiel durchstochen und aufgeheftet, so wie seine Mutter es ihn gelehrt hatte, als er noch ein kleiner Junge war, und er ihr helfen mußte, den Eichenkranz zu machen, der den Altar bei der Prozession am Fronleichncunstage schmücken sollte. Die kam vom Kirchdorf her bei ihrem Umgang durch die Felder auf den Piepershof, wo dann der Segen gegeben wurde mit dem Allerheiligsten unter den alten Eichen. Der Feldweg, der vom Dorf herüber führte, war mit Maien besteckt und mit Schilf und Binsen be¬ streut. Am Eingang des Hofes stand ein Triumphbogen, der mit Tannen¬ zweigen umwunden war, und mitten darin, gerade dort, wo der Priester mit dem Allerheiligsten durchschreiten mußte, hing zu Häupten eine Krone aus dunkelroten Päonien. Und der Altar! Über des Präsidenten ernstes Gesicht glitt der Schatten eines Lächelns, als er des Entzückens gedachte, mit dem er den geschmückten Altar geschaut hatte: ein großes Bild in goldnem Rahmen, das sonst in der besten Stube hing, worauf der liebe Heiland abgebildet war, wie er am Kreuze starb, wo die Mutter Gottes darunter stand, in einem feuerroten Kleide und mit blauem Mantel, und der Jünger Johnmies in einem grünen Mantel, das bildete den Hintergrund, und was das Haus an bunten Glasvasen, an Gläsern mit vergoldeter Inschrift hatte — mit Blumen gefüllt stand es auf dem Altar. In den Glasleuchtern, die sonst in der besten Stube den Ehrenplatz einnahmen unter dem Spiegel, rot und blau, brannten weiße Kerzen. Bunte Glaskugeln vom Weihnachtsbaum waren überall angebracht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/777>, abgerufen am 05.07.2024.