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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

Als wir beim Glanz der Lichter wieder in unsern Gasthof zurückgekehrt waren,
erwarteten uns die Herren Honoratioren im "kühlern Sälchen" zum Ncichttrunk.
Sie erzählten uns viel von den alten Erinnerungen des Städtchens, die sein
Chronist sorgfältig gesammelt hat. Es fehlt darin auch nicht an einem Nachtstück
grauenvoller Art, das die Verwilderung zeigt, die andauernder Krieg auch bet
sonst gutmütigen Menschen hervorruft. In einem auf der Bürgermeisterei liegenden,
halb vermoderten Aktenstück ans dem Jahre 1813 schreibt der damalige Schliebener
Justizamtmann Freytag an das Domestiquendepartement des hohen Geheimen
Kabinetts, in cwxlc, ingleichen an die Hohe Landesregierung und an das Geheime
Finanzkollegium: "Euer pp. zeige ich cmdurch in tiefster Unterthänigkeit an, daß
mir den 20>" dieses Monats (August 1813) früh gegen 7 Uhr die wiewohl nicht
ganz zuverlässige Anzeige geschahe: daß bei dem hiesigen unmittelbaren Amtsdorfe
Oelsig mehreres französisches, italienisches und mit ihnen verbündetes Militär von
herumschwärmenden Russischen Kosacken, welches dieselben in der Stadt Hertzberg
als Kranke gefangen genommen, auf eine barbarische Art, theils mit Piquen-
Stichen, theils mit Säbelhieben niedergemetzelt worden sei. In Begleitung eines
in dem hiesigen Amte angestellten Officicmten begab ich mich auf diese Anzeige sofort
ans das einundeinehalbe Stunde von der Stadt Schlieben gelegene Amtsdorf Oelsig,
wo ich zuvörderst in Erfahrung brachte, daß bei der nahe an diesem Dorfe ge¬
legenen Windmühle ein Franzose auf eine grausame Art, und zwar dergestalt, daß
man ihn sofort mit der Pique an eine der Windmühlen-Säulen angespießt hatte,
von den Kosacken um das Leben gebracht worden war. Noch zeigten sich an dieser
Säule die Blutspuren und ohnweit der Windmühle wurde mir dessen Grab, in
dem ihn die Oelsiger Einwohner bereits beerdigt hatten, gezeigt. Von dem Richter
des Dorfes Oelsig brachte ich in Erfahrung, daß eine halbe Stunde weiter und
zwar auf Jagsaller amtssässiger Gerichtsbarkeit, nahe an der nach Herzberg führenden
Straße, mehreres dergleichen Militär von den Kosacken umgebracht worden sey.
Als ich mich auch dahin verfügte, entdeckte ich 55 Mann an der Zahl, welche, auf
eine fürchterliche Art, theils auf der Brust, theils im Rücken mit Piquen durch¬
stochen, theils mit gespalteten Häuptern, theils mit durchhauenen Händen und Füßen
und größten Theils ausgeplündert gleichsam wie auf einem Schlachtfelde im Kleinen
niedergestreckt da lagen. -- Ich fand unter ihnen noch 5. Lebende, welche sogleich
mein ganzes Mitleid erregten. Sonder Umstand schickte ich daher auf das nahe
gelegene amtssässige Dorf Jagsall und erforderte von diesem 2 Wagen, auf welchen
diese Unglücklichen in das Dorf geschafft werden sollten.

Ehe die Wagen herbeikommen konnten, starb einer dieser Soldaten vor meinen
Augen. Die übrigen 4 hingegen brachte ich glücklich als uoch Lebende ins Dorf
und zwar daselbst, weil ich nicht wissen konnte, an welcher Krankheit sie laborirten,
in ein besonders abgelegenes, jedoch wohl verwahrtes Spritzenhaus, in welchem sie
auf frisches Stroh niedergelegt wurden. Da dem Dorfe Jagsall die Obergerichts¬
barkeit zusteht, so sandte ich augenblicklich einen Boten an den Gerichts-Verwalter,
General-Anais-Inspector Lestwitz und an den Amts-Physicus Dr. Wagner, welchem
ich, nachdem sie in einem Zeitraum von 2 Stunden darauf in Jagsall erschienen,
die schwer Verwundeten resp, zur Verpflegung und ärzlicher Behandlung übergab;
alles übrige aber, nehmlich das Begräbniß der Todten und die sonstigen dabei
nöthigen Erfordernisse dem Gerichtsverwalter überließ. Ich lebe der zuverlässigen
Hoffnung, daß wenigstens noch 2 Mann von diesen Unglücklichen beim Leben werden
erhalten werden können, von den übrigen beiden aber bin ich dieses zu behaupten
nicht im Stande. Unter den Todten befanden sich Italiener, Deutsche und ins¬
besondere auch 2 Train-Knechte von dem Baierischen Militair. Übrigens hat mich
bei diesem schrecklichen Anblick ein äußerst schmerzliches Gefühl hingerissen, weil
diese Unglücklichen auf eine ganz fürchterliche Art hingeschlachtet und im eigent¬
lichsten Verstände ermordet worden waren."

Diesem Bericht ist ein "Allernnterthänigstes Inserat" angefügt, in dem der


Wanderungen in der Niederlausitz

Als wir beim Glanz der Lichter wieder in unsern Gasthof zurückgekehrt waren,
erwarteten uns die Herren Honoratioren im „kühlern Sälchen" zum Ncichttrunk.
Sie erzählten uns viel von den alten Erinnerungen des Städtchens, die sein
Chronist sorgfältig gesammelt hat. Es fehlt darin auch nicht an einem Nachtstück
grauenvoller Art, das die Verwilderung zeigt, die andauernder Krieg auch bet
sonst gutmütigen Menschen hervorruft. In einem auf der Bürgermeisterei liegenden,
halb vermoderten Aktenstück ans dem Jahre 1813 schreibt der damalige Schliebener
Justizamtmann Freytag an das Domestiquendepartement des hohen Geheimen
Kabinetts, in cwxlc, ingleichen an die Hohe Landesregierung und an das Geheime
Finanzkollegium: „Euer pp. zeige ich cmdurch in tiefster Unterthänigkeit an, daß
mir den 20>" dieses Monats (August 1813) früh gegen 7 Uhr die wiewohl nicht
ganz zuverlässige Anzeige geschahe: daß bei dem hiesigen unmittelbaren Amtsdorfe
Oelsig mehreres französisches, italienisches und mit ihnen verbündetes Militär von
herumschwärmenden Russischen Kosacken, welches dieselben in der Stadt Hertzberg
als Kranke gefangen genommen, auf eine barbarische Art, theils mit Piquen-
Stichen, theils mit Säbelhieben niedergemetzelt worden sei. In Begleitung eines
in dem hiesigen Amte angestellten Officicmten begab ich mich auf diese Anzeige sofort
ans das einundeinehalbe Stunde von der Stadt Schlieben gelegene Amtsdorf Oelsig,
wo ich zuvörderst in Erfahrung brachte, daß bei der nahe an diesem Dorfe ge¬
legenen Windmühle ein Franzose auf eine grausame Art, und zwar dergestalt, daß
man ihn sofort mit der Pique an eine der Windmühlen-Säulen angespießt hatte,
von den Kosacken um das Leben gebracht worden war. Noch zeigten sich an dieser
Säule die Blutspuren und ohnweit der Windmühle wurde mir dessen Grab, in
dem ihn die Oelsiger Einwohner bereits beerdigt hatten, gezeigt. Von dem Richter
des Dorfes Oelsig brachte ich in Erfahrung, daß eine halbe Stunde weiter und
zwar auf Jagsaller amtssässiger Gerichtsbarkeit, nahe an der nach Herzberg führenden
Straße, mehreres dergleichen Militär von den Kosacken umgebracht worden sey.
Als ich mich auch dahin verfügte, entdeckte ich 55 Mann an der Zahl, welche, auf
eine fürchterliche Art, theils auf der Brust, theils im Rücken mit Piquen durch¬
stochen, theils mit gespalteten Häuptern, theils mit durchhauenen Händen und Füßen
und größten Theils ausgeplündert gleichsam wie auf einem Schlachtfelde im Kleinen
niedergestreckt da lagen. — Ich fand unter ihnen noch 5. Lebende, welche sogleich
mein ganzes Mitleid erregten. Sonder Umstand schickte ich daher auf das nahe
gelegene amtssässige Dorf Jagsall und erforderte von diesem 2 Wagen, auf welchen
diese Unglücklichen in das Dorf geschafft werden sollten.

Ehe die Wagen herbeikommen konnten, starb einer dieser Soldaten vor meinen
Augen. Die übrigen 4 hingegen brachte ich glücklich als uoch Lebende ins Dorf
und zwar daselbst, weil ich nicht wissen konnte, an welcher Krankheit sie laborirten,
in ein besonders abgelegenes, jedoch wohl verwahrtes Spritzenhaus, in welchem sie
auf frisches Stroh niedergelegt wurden. Da dem Dorfe Jagsall die Obergerichts¬
barkeit zusteht, so sandte ich augenblicklich einen Boten an den Gerichts-Verwalter,
General-Anais-Inspector Lestwitz und an den Amts-Physicus Dr. Wagner, welchem
ich, nachdem sie in einem Zeitraum von 2 Stunden darauf in Jagsall erschienen,
die schwer Verwundeten resp, zur Verpflegung und ärzlicher Behandlung übergab;
alles übrige aber, nehmlich das Begräbniß der Todten und die sonstigen dabei
nöthigen Erfordernisse dem Gerichtsverwalter überließ. Ich lebe der zuverlässigen
Hoffnung, daß wenigstens noch 2 Mann von diesen Unglücklichen beim Leben werden
erhalten werden können, von den übrigen beiden aber bin ich dieses zu behaupten
nicht im Stande. Unter den Todten befanden sich Italiener, Deutsche und ins¬
besondere auch 2 Train-Knechte von dem Baierischen Militair. Übrigens hat mich
bei diesem schrecklichen Anblick ein äußerst schmerzliches Gefühl hingerissen, weil
diese Unglücklichen auf eine ganz fürchterliche Art hingeschlachtet und im eigent¬
lichsten Verstände ermordet worden waren."

Diesem Bericht ist ein „Allernnterthänigstes Inserat" angefügt, in dem der


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[0772] Wanderungen in der Niederlausitz Als wir beim Glanz der Lichter wieder in unsern Gasthof zurückgekehrt waren, erwarteten uns die Herren Honoratioren im „kühlern Sälchen" zum Ncichttrunk. Sie erzählten uns viel von den alten Erinnerungen des Städtchens, die sein Chronist sorgfältig gesammelt hat. Es fehlt darin auch nicht an einem Nachtstück grauenvoller Art, das die Verwilderung zeigt, die andauernder Krieg auch bet sonst gutmütigen Menschen hervorruft. In einem auf der Bürgermeisterei liegenden, halb vermoderten Aktenstück ans dem Jahre 1813 schreibt der damalige Schliebener Justizamtmann Freytag an das Domestiquendepartement des hohen Geheimen Kabinetts, in cwxlc, ingleichen an die Hohe Landesregierung und an das Geheime Finanzkollegium: „Euer pp. zeige ich cmdurch in tiefster Unterthänigkeit an, daß mir den 20>" dieses Monats (August 1813) früh gegen 7 Uhr die wiewohl nicht ganz zuverlässige Anzeige geschahe: daß bei dem hiesigen unmittelbaren Amtsdorfe Oelsig mehreres französisches, italienisches und mit ihnen verbündetes Militär von herumschwärmenden Russischen Kosacken, welches dieselben in der Stadt Hertzberg als Kranke gefangen genommen, auf eine barbarische Art, theils mit Piquen- Stichen, theils mit Säbelhieben niedergemetzelt worden sei. In Begleitung eines in dem hiesigen Amte angestellten Officicmten begab ich mich auf diese Anzeige sofort ans das einundeinehalbe Stunde von der Stadt Schlieben gelegene Amtsdorf Oelsig, wo ich zuvörderst in Erfahrung brachte, daß bei der nahe an diesem Dorfe ge¬ legenen Windmühle ein Franzose auf eine grausame Art, und zwar dergestalt, daß man ihn sofort mit der Pique an eine der Windmühlen-Säulen angespießt hatte, von den Kosacken um das Leben gebracht worden war. Noch zeigten sich an dieser Säule die Blutspuren und ohnweit der Windmühle wurde mir dessen Grab, in dem ihn die Oelsiger Einwohner bereits beerdigt hatten, gezeigt. Von dem Richter des Dorfes Oelsig brachte ich in Erfahrung, daß eine halbe Stunde weiter und zwar auf Jagsaller amtssässiger Gerichtsbarkeit, nahe an der nach Herzberg führenden Straße, mehreres dergleichen Militär von den Kosacken umgebracht worden sey. Als ich mich auch dahin verfügte, entdeckte ich 55 Mann an der Zahl, welche, auf eine fürchterliche Art, theils auf der Brust, theils im Rücken mit Piquen durch¬ stochen, theils mit gespalteten Häuptern, theils mit durchhauenen Händen und Füßen und größten Theils ausgeplündert gleichsam wie auf einem Schlachtfelde im Kleinen niedergestreckt da lagen. — Ich fand unter ihnen noch 5. Lebende, welche sogleich mein ganzes Mitleid erregten. Sonder Umstand schickte ich daher auf das nahe gelegene amtssässige Dorf Jagsall und erforderte von diesem 2 Wagen, auf welchen diese Unglücklichen in das Dorf geschafft werden sollten. Ehe die Wagen herbeikommen konnten, starb einer dieser Soldaten vor meinen Augen. Die übrigen 4 hingegen brachte ich glücklich als uoch Lebende ins Dorf und zwar daselbst, weil ich nicht wissen konnte, an welcher Krankheit sie laborirten, in ein besonders abgelegenes, jedoch wohl verwahrtes Spritzenhaus, in welchem sie auf frisches Stroh niedergelegt wurden. Da dem Dorfe Jagsall die Obergerichts¬ barkeit zusteht, so sandte ich augenblicklich einen Boten an den Gerichts-Verwalter, General-Anais-Inspector Lestwitz und an den Amts-Physicus Dr. Wagner, welchem ich, nachdem sie in einem Zeitraum von 2 Stunden darauf in Jagsall erschienen, die schwer Verwundeten resp, zur Verpflegung und ärzlicher Behandlung übergab; alles übrige aber, nehmlich das Begräbniß der Todten und die sonstigen dabei nöthigen Erfordernisse dem Gerichtsverwalter überließ. Ich lebe der zuverlässigen Hoffnung, daß wenigstens noch 2 Mann von diesen Unglücklichen beim Leben werden erhalten werden können, von den übrigen beiden aber bin ich dieses zu behaupten nicht im Stande. Unter den Todten befanden sich Italiener, Deutsche und ins¬ besondere auch 2 Train-Knechte von dem Baierischen Militair. Übrigens hat mich bei diesem schrecklichen Anblick ein äußerst schmerzliches Gefühl hingerissen, weil diese Unglücklichen auf eine ganz fürchterliche Art hingeschlachtet und im eigent¬ lichsten Verstände ermordet worden waren." Diesem Bericht ist ein „Allernnterthänigstes Inserat" angefügt, in dem der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/772>, abgerufen am 25.07.2024.