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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Line sonderbare Geschichte

mal eine Stimme, der man es anhörte, daß sie zu befehlen gewohnt war, und
hinter einem Lorbeerbusche tauchte das zornrote Antlitz des Herrn Ministers auf.
Der Augenblick erschien mir nicht ganz geeignet, mich Seiner Exzellenz vorstellen
zu lassen. Ich machte also, daß ich fortkam, blieb aber merkwürdigerweise gleich
hinter dem nächsten Zypressendickicht in Gedanken versunken stehn, sodaß ich unfrei¬
williger Hörer der Rede des Herrn Ministers wurde.

Seine Exzellenz sprach das Griechische ziemlich geläufig, wenigstens so geläufig,
daß er sich auf griechisch zu ärgern wußte. Immerhin machten sich in seiner Rede
einige Latinismen bemerkbar. Ferner verriet seine Aussprache (aber nicht sein Aus¬
sehen), daß er in seiner Jugend eine spartanische Bonne gehabt haben mußte. Auch
hatte er seit Jahrzehnten dem auswärtigen Dienste ferngestanden. Sein ganzes
Äußeres zeigte, daß er mehr fürs Innere war. Ein würdevoller Bauch versagte
ihm die glattaalige Schmiegsamkeit, die das erste Erfordernis eines Diplomaten ist.
Als Römer war er gewohnt, auch die Hauptwörter klein zu schreiben. So mußte
seinem wenig geübten Ohre der feine Aussprachcnunterschied entgehn, den wir
zwischen Wörtern mit kleinen und mit großen Anfangsbuchstaben machen. Da er
natürlich von Haus aus Jurist war, so konnte ihm die Silbe haft zunächst keine
andre Vorstellung erwecken als die einer Einkerkerung, zumal da das Haftpflicht¬
gesetz, das nach der Versicherung gewiefter Versicherungsagenten wie ein Damokles¬
schwert über dem Haupte jedes Staatsbürgers schwebt, damals noch nicht erfunden
war. Dies alles mag das Mißverständnis erklären, dessen beklagenswertes Opfer
mein Freund Stentorophonophilikiades werden sollte.

Ich bin so weit davon entfernt, sagte der Herr Minister weiter vortretend,
mich des Sieges unsrer Waffen über Ihre Nation zu rühmen, daß ich vielmehr
die Überlegenheit der griechischen Kultur gern anerkenne. Es braucht für einen
jungen Mann oder eine junge Dame aus Griechenland fast weiter keiner Empfehlung
als des beneidenswerten Vorzugs ihrer Muttersprache, damit die Edelsten unsrer
Nation ihm oder ihr den Kreis ihrer Familie erschließen und ihr köstlichstes Kleinod,
ihre Kinder, unbedenklich anvertrauen, während unsre jungen Leute selbstverständlich
erst durch das Fegefeuer eingehender Prüfungen geläutert werden müssen, bevor
sie in den Himmel des Lehrerberufs eingehn können. Aber wie Sie auf Ihrer
Kulturüberlegenheit herumreiten, das geht noch über das Bohnenlied, mit dem man
die Pythagoräer ärgert, und ich kann nicht umhin, es im höchsten Grade unan¬
gemessen zu finden, daß Sie den Ausdruck Wandalismus rin Beziehung auf die
lieben und getreuen Untertanen Seiner Majestät des Kaisers Nero anwenden.

Er lüftete bei Erwähnung des kaiserlichen Namens ehrerbietig die Bürger¬
krone, die seine gewaltige Glatze beschattete.

Ich habe nicht ohne Wohlgefallen beobachtet, fuhr er fort, daß Sie begierig
sind, unsrer Sprache, deren Sie bei Ihrer Ankunft noch gar nicht kundig waren,
mächtig zu werden. Anstatt jedoch der vielen Freundlichkeiten, deren Sie in meinem
Hause teilhaftig werden, voll Dankes eingedenk zu sein, reden Sie im Hinblick auf
sich selbst von Jdiotenhaft.

Ich kenne zwar den Ausdruck nicht, aber ich mißbillige ihn. Jedenfalls läßt
die Leidenschaftlichkeit, mit der Sie ihn gebrauchten, darauf schließen, daß er noch
etwas Schlimmeres bedeutet als Einzelhaft oder verschärfte Haft. Nun, wenn Sie
sich bei uns so unglücklich fühlen, und wenn Sie sich in Ihrer hiesigen Stellung
so wenig zurechtfinden, daß Sie unsre schöne Weststrandpromenade dazu benutzen,
das Land der Griechen mit der Seele zu suchen, so will ich Sie nicht länger halten.
Sie können gehn.

Und mit einem scharfen: Seien Sie vergnügt! wandte der Herr Minister
dem verdutzten Stentorophonophilikiades seine breite Achterseite zu und wandelte
mit edelm Römerstolz im Stiernacken und seinen beiden Söhnen an den Händen
gewichtigen Schritts seiner Villa zu.

Kleine Ursachen, große Wirkungen! Durch ein kleines Glas Wasser, das zum
Besten der verschmachtender Monarchie Ludwigs des Vierzehnten verschüttet wurde,


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mal eine Stimme, der man es anhörte, daß sie zu befehlen gewohnt war, und
hinter einem Lorbeerbusche tauchte das zornrote Antlitz des Herrn Ministers auf.
Der Augenblick erschien mir nicht ganz geeignet, mich Seiner Exzellenz vorstellen
zu lassen. Ich machte also, daß ich fortkam, blieb aber merkwürdigerweise gleich
hinter dem nächsten Zypressendickicht in Gedanken versunken stehn, sodaß ich unfrei¬
williger Hörer der Rede des Herrn Ministers wurde.

Seine Exzellenz sprach das Griechische ziemlich geläufig, wenigstens so geläufig,
daß er sich auf griechisch zu ärgern wußte. Immerhin machten sich in seiner Rede
einige Latinismen bemerkbar. Ferner verriet seine Aussprache (aber nicht sein Aus¬
sehen), daß er in seiner Jugend eine spartanische Bonne gehabt haben mußte. Auch
hatte er seit Jahrzehnten dem auswärtigen Dienste ferngestanden. Sein ganzes
Äußeres zeigte, daß er mehr fürs Innere war. Ein würdevoller Bauch versagte
ihm die glattaalige Schmiegsamkeit, die das erste Erfordernis eines Diplomaten ist.
Als Römer war er gewohnt, auch die Hauptwörter klein zu schreiben. So mußte
seinem wenig geübten Ohre der feine Aussprachcnunterschied entgehn, den wir
zwischen Wörtern mit kleinen und mit großen Anfangsbuchstaben machen. Da er
natürlich von Haus aus Jurist war, so konnte ihm die Silbe haft zunächst keine
andre Vorstellung erwecken als die einer Einkerkerung, zumal da das Haftpflicht¬
gesetz, das nach der Versicherung gewiefter Versicherungsagenten wie ein Damokles¬
schwert über dem Haupte jedes Staatsbürgers schwebt, damals noch nicht erfunden
war. Dies alles mag das Mißverständnis erklären, dessen beklagenswertes Opfer
mein Freund Stentorophonophilikiades werden sollte.

Ich bin so weit davon entfernt, sagte der Herr Minister weiter vortretend,
mich des Sieges unsrer Waffen über Ihre Nation zu rühmen, daß ich vielmehr
die Überlegenheit der griechischen Kultur gern anerkenne. Es braucht für einen
jungen Mann oder eine junge Dame aus Griechenland fast weiter keiner Empfehlung
als des beneidenswerten Vorzugs ihrer Muttersprache, damit die Edelsten unsrer
Nation ihm oder ihr den Kreis ihrer Familie erschließen und ihr köstlichstes Kleinod,
ihre Kinder, unbedenklich anvertrauen, während unsre jungen Leute selbstverständlich
erst durch das Fegefeuer eingehender Prüfungen geläutert werden müssen, bevor
sie in den Himmel des Lehrerberufs eingehn können. Aber wie Sie auf Ihrer
Kulturüberlegenheit herumreiten, das geht noch über das Bohnenlied, mit dem man
die Pythagoräer ärgert, und ich kann nicht umhin, es im höchsten Grade unan¬
gemessen zu finden, daß Sie den Ausdruck Wandalismus rin Beziehung auf die
lieben und getreuen Untertanen Seiner Majestät des Kaisers Nero anwenden.

Er lüftete bei Erwähnung des kaiserlichen Namens ehrerbietig die Bürger¬
krone, die seine gewaltige Glatze beschattete.

Ich habe nicht ohne Wohlgefallen beobachtet, fuhr er fort, daß Sie begierig
sind, unsrer Sprache, deren Sie bei Ihrer Ankunft noch gar nicht kundig waren,
mächtig zu werden. Anstatt jedoch der vielen Freundlichkeiten, deren Sie in meinem
Hause teilhaftig werden, voll Dankes eingedenk zu sein, reden Sie im Hinblick auf
sich selbst von Jdiotenhaft.

Ich kenne zwar den Ausdruck nicht, aber ich mißbillige ihn. Jedenfalls läßt
die Leidenschaftlichkeit, mit der Sie ihn gebrauchten, darauf schließen, daß er noch
etwas Schlimmeres bedeutet als Einzelhaft oder verschärfte Haft. Nun, wenn Sie
sich bei uns so unglücklich fühlen, und wenn Sie sich in Ihrer hiesigen Stellung
so wenig zurechtfinden, daß Sie unsre schöne Weststrandpromenade dazu benutzen,
das Land der Griechen mit der Seele zu suchen, so will ich Sie nicht länger halten.
Sie können gehn.

Und mit einem scharfen: Seien Sie vergnügt! wandte der Herr Minister
dem verdutzten Stentorophonophilikiades seine breite Achterseite zu und wandelte
mit edelm Römerstolz im Stiernacken und seinen beiden Söhnen an den Händen
gewichtigen Schritts seiner Villa zu.

Kleine Ursachen, große Wirkungen! Durch ein kleines Glas Wasser, das zum
Besten der verschmachtender Monarchie Ludwigs des Vierzehnten verschüttet wurde,


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[0723] Line sonderbare Geschichte mal eine Stimme, der man es anhörte, daß sie zu befehlen gewohnt war, und hinter einem Lorbeerbusche tauchte das zornrote Antlitz des Herrn Ministers auf. Der Augenblick erschien mir nicht ganz geeignet, mich Seiner Exzellenz vorstellen zu lassen. Ich machte also, daß ich fortkam, blieb aber merkwürdigerweise gleich hinter dem nächsten Zypressendickicht in Gedanken versunken stehn, sodaß ich unfrei¬ williger Hörer der Rede des Herrn Ministers wurde. Seine Exzellenz sprach das Griechische ziemlich geläufig, wenigstens so geläufig, daß er sich auf griechisch zu ärgern wußte. Immerhin machten sich in seiner Rede einige Latinismen bemerkbar. Ferner verriet seine Aussprache (aber nicht sein Aus¬ sehen), daß er in seiner Jugend eine spartanische Bonne gehabt haben mußte. Auch hatte er seit Jahrzehnten dem auswärtigen Dienste ferngestanden. Sein ganzes Äußeres zeigte, daß er mehr fürs Innere war. Ein würdevoller Bauch versagte ihm die glattaalige Schmiegsamkeit, die das erste Erfordernis eines Diplomaten ist. Als Römer war er gewohnt, auch die Hauptwörter klein zu schreiben. So mußte seinem wenig geübten Ohre der feine Aussprachcnunterschied entgehn, den wir zwischen Wörtern mit kleinen und mit großen Anfangsbuchstaben machen. Da er natürlich von Haus aus Jurist war, so konnte ihm die Silbe haft zunächst keine andre Vorstellung erwecken als die einer Einkerkerung, zumal da das Haftpflicht¬ gesetz, das nach der Versicherung gewiefter Versicherungsagenten wie ein Damokles¬ schwert über dem Haupte jedes Staatsbürgers schwebt, damals noch nicht erfunden war. Dies alles mag das Mißverständnis erklären, dessen beklagenswertes Opfer mein Freund Stentorophonophilikiades werden sollte. Ich bin so weit davon entfernt, sagte der Herr Minister weiter vortretend, mich des Sieges unsrer Waffen über Ihre Nation zu rühmen, daß ich vielmehr die Überlegenheit der griechischen Kultur gern anerkenne. Es braucht für einen jungen Mann oder eine junge Dame aus Griechenland fast weiter keiner Empfehlung als des beneidenswerten Vorzugs ihrer Muttersprache, damit die Edelsten unsrer Nation ihm oder ihr den Kreis ihrer Familie erschließen und ihr köstlichstes Kleinod, ihre Kinder, unbedenklich anvertrauen, während unsre jungen Leute selbstverständlich erst durch das Fegefeuer eingehender Prüfungen geläutert werden müssen, bevor sie in den Himmel des Lehrerberufs eingehn können. Aber wie Sie auf Ihrer Kulturüberlegenheit herumreiten, das geht noch über das Bohnenlied, mit dem man die Pythagoräer ärgert, und ich kann nicht umhin, es im höchsten Grade unan¬ gemessen zu finden, daß Sie den Ausdruck Wandalismus rin Beziehung auf die lieben und getreuen Untertanen Seiner Majestät des Kaisers Nero anwenden. Er lüftete bei Erwähnung des kaiserlichen Namens ehrerbietig die Bürger¬ krone, die seine gewaltige Glatze beschattete. Ich habe nicht ohne Wohlgefallen beobachtet, fuhr er fort, daß Sie begierig sind, unsrer Sprache, deren Sie bei Ihrer Ankunft noch gar nicht kundig waren, mächtig zu werden. Anstatt jedoch der vielen Freundlichkeiten, deren Sie in meinem Hause teilhaftig werden, voll Dankes eingedenk zu sein, reden Sie im Hinblick auf sich selbst von Jdiotenhaft. Ich kenne zwar den Ausdruck nicht, aber ich mißbillige ihn. Jedenfalls läßt die Leidenschaftlichkeit, mit der Sie ihn gebrauchten, darauf schließen, daß er noch etwas Schlimmeres bedeutet als Einzelhaft oder verschärfte Haft. Nun, wenn Sie sich bei uns so unglücklich fühlen, und wenn Sie sich in Ihrer hiesigen Stellung so wenig zurechtfinden, daß Sie unsre schöne Weststrandpromenade dazu benutzen, das Land der Griechen mit der Seele zu suchen, so will ich Sie nicht länger halten. Sie können gehn. Und mit einem scharfen: Seien Sie vergnügt! wandte der Herr Minister dem verdutzten Stentorophonophilikiades seine breite Achterseite zu und wandelte mit edelm Römerstolz im Stiernacken und seinen beiden Söhnen an den Händen gewichtigen Schritts seiner Villa zu. Kleine Ursachen, große Wirkungen! Durch ein kleines Glas Wasser, das zum Besten der verschmachtender Monarchie Ludwigs des Vierzehnten verschüttet wurde,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/723>, abgerufen am 02.07.2024.