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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Eine sonderbare Geschichte

unsrer Unterhaltung möglichst zu folgen und staunten mich als Griechen ehrerbietig
an, wenn ich auch, wie Stentorophonophilikiades ihnen mitgeteilt hatte, kein ge-
borner Athener, sondern nur ein Böotier war.

Aus der äußern Brusttasche in der Toga des Stentorophonophilikiades sah ein
Buch hervor.

Auch lustwandelnd im Dienst der eulenäugtgen Göttin? fragte ich, darauf
deutend.

Hier, sehen Sie selbst!

Ich schlug auf: Griechisch-lateinisches und lateinisch-griechisches Taschenwörter¬
buch von Professor L. Annaeus Seneca, Verlag von B. G. Columbarius.

Es kommt häufig genug vor, bemerkte Stentorophonophilikiades erläuternd,
daß Cajus und Quintus einen griechischen Ausdruck in meinem Munde nicht ver-
stehn. Vielfach gelingt es mir, sie durch Anschauung oder Umschreibung zum Ver¬
ständnis zu bringen. Aber bei abstrakten Begriffen ist statt des langen Hin- und
Herfackelns doch schließlich das Einfachste, man schlägt im Wörterbuch nach. Außer¬
dem, da ich nun einmal hier bin, will ich die Gelegenheit benutzen, die Landes¬
sprache zu lernen. Ich bin ja herübergekommen, ohne eine Silbe Latein zu können.
Während sich meine Zöglinge auf unsern Spaziergängen dem Spiele hingeben, pauke
ich zum Zeitvertreib lateinische Vokabeln.

Das ist nur zu loben, o trautester Stentorophonophilikiades, und Ihr Streben
verdient um so mehr Anerkennung, als die Schwierigkeiten nicht gering sind. Schon
das abweichende Alphabet! Was einen ganz besonders irre machen kann, ist, daß
manche Buchstaben, wie Ä, ^ und ^, bei den Römern eine andre Bedeutung haben
als bei uns. Da gilt es, höllisch aufzupassen.

Nun, das wäre schlimm, wenn sich ein gescheiter Mensch da nicht hineinfände.
Das ist eben etwas, was man so hinnehmen muß wie die verschiedne Bedeutung
der Wörter. Bei uns ist ^.rss der Kriegsgott, den Römern ist g.r8 die Kunst,
und wer weiß, was ähnliche Lautverbindungen in andern Sprachen bedeuten
mögen? Nur ein Kindskopf oder ein heilloser Spötter kann sich über dergleichen
aufregen.

Diese erhabne Ruhe, mit der Sie dem Ungewohnten begegnen, ist mir ein
neues Zeugnis Ihres echt wissenschaftlichen Sinns, o trautester Stentorophono¬
philikiades. Andrerseits finden wir Griechen beim Lateinischlernen auch viel Er¬
leichterung, weil die Römer zahlreiche Ausdrücke, zumal solche der Wissenschaft,
unsrer Sprache entlehnt haben.

Tun Sie mir den einzigen Gefallen, brauste er auf, und fangen Sie mir
nicht davon an! Wenn man etwas entleibt, so ist es doch oberste Anstandspflicht,
das Geborgte schonend zu behandeln und nicht gröblich zu verhunzen. Nun frage
ich Sie: Wie gehn die Römer mit den Wörtern um, die sie unsrer Sprache ent¬
lehnen? Ich will noch gar nicht davon reden, daß sie dabei unsre einfachen Buch¬
staben S, "S, ^5, V allemal durch zwei Buchstaben wiedergeben. Daß sie aber für
A und Ä, für t? und Ä unterschiedlos immer nur einen Buchstaben anwenden, das
ist doch ein Greuel. Wenn mir einer meiner Sextaner in Athen unsre feinen
Lautunterschiede schriftlich so verquatschte, würde ich den Eltern ganz energisch raten,
ihren Jungen schleunigst abzumelden: er bliebe doch zu Ostern unfehlbar sitzen.
Zwar geben die Römer unsern rauhen Hauch wieder, törichterweise durch einen
ganzen Buchstaben statt durch ein kleines Zeichen; dafür lassen sie aber den ge¬
linden Hauch in der gewissenlosesten Weise ganz unbezeichnet! Und was das Aller-
scheußlichste ist, unsre drei Accente Akut, Gravis und Zirkumflex werden schmählich
unterdrückt. So haben ja nicht einmal die Soldaten des Mummtus bei uns ge¬
haust. Das ist Vandalismus von diesen Römern. Ja, soll ich ganz unumwunden
sprechen, mir kommt es bei ihnen wie idiotenhaft vor.

Ein famoser Mensch, dieser Stentorophonophilikiades, aber leider zu tempera¬
mentvoll. Er schadet sich nur damit. So auch jetzt

Mäßigen Sie sich, Herr Stentorophonophilikiades, unterbrach ihn mit einem-


Eine sonderbare Geschichte

unsrer Unterhaltung möglichst zu folgen und staunten mich als Griechen ehrerbietig
an, wenn ich auch, wie Stentorophonophilikiades ihnen mitgeteilt hatte, kein ge-
borner Athener, sondern nur ein Böotier war.

Aus der äußern Brusttasche in der Toga des Stentorophonophilikiades sah ein
Buch hervor.

Auch lustwandelnd im Dienst der eulenäugtgen Göttin? fragte ich, darauf
deutend.

Hier, sehen Sie selbst!

Ich schlug auf: Griechisch-lateinisches und lateinisch-griechisches Taschenwörter¬
buch von Professor L. Annaeus Seneca, Verlag von B. G. Columbarius.

Es kommt häufig genug vor, bemerkte Stentorophonophilikiades erläuternd,
daß Cajus und Quintus einen griechischen Ausdruck in meinem Munde nicht ver-
stehn. Vielfach gelingt es mir, sie durch Anschauung oder Umschreibung zum Ver¬
ständnis zu bringen. Aber bei abstrakten Begriffen ist statt des langen Hin- und
Herfackelns doch schließlich das Einfachste, man schlägt im Wörterbuch nach. Außer¬
dem, da ich nun einmal hier bin, will ich die Gelegenheit benutzen, die Landes¬
sprache zu lernen. Ich bin ja herübergekommen, ohne eine Silbe Latein zu können.
Während sich meine Zöglinge auf unsern Spaziergängen dem Spiele hingeben, pauke
ich zum Zeitvertreib lateinische Vokabeln.

Das ist nur zu loben, o trautester Stentorophonophilikiades, und Ihr Streben
verdient um so mehr Anerkennung, als die Schwierigkeiten nicht gering sind. Schon
das abweichende Alphabet! Was einen ganz besonders irre machen kann, ist, daß
manche Buchstaben, wie Ä, ^ und ^, bei den Römern eine andre Bedeutung haben
als bei uns. Da gilt es, höllisch aufzupassen.

Nun, das wäre schlimm, wenn sich ein gescheiter Mensch da nicht hineinfände.
Das ist eben etwas, was man so hinnehmen muß wie die verschiedne Bedeutung
der Wörter. Bei uns ist ^.rss der Kriegsgott, den Römern ist g.r8 die Kunst,
und wer weiß, was ähnliche Lautverbindungen in andern Sprachen bedeuten
mögen? Nur ein Kindskopf oder ein heilloser Spötter kann sich über dergleichen
aufregen.

Diese erhabne Ruhe, mit der Sie dem Ungewohnten begegnen, ist mir ein
neues Zeugnis Ihres echt wissenschaftlichen Sinns, o trautester Stentorophono¬
philikiades. Andrerseits finden wir Griechen beim Lateinischlernen auch viel Er¬
leichterung, weil die Römer zahlreiche Ausdrücke, zumal solche der Wissenschaft,
unsrer Sprache entlehnt haben.

Tun Sie mir den einzigen Gefallen, brauste er auf, und fangen Sie mir
nicht davon an! Wenn man etwas entleibt, so ist es doch oberste Anstandspflicht,
das Geborgte schonend zu behandeln und nicht gröblich zu verhunzen. Nun frage
ich Sie: Wie gehn die Römer mit den Wörtern um, die sie unsrer Sprache ent¬
lehnen? Ich will noch gar nicht davon reden, daß sie dabei unsre einfachen Buch¬
staben S, «S, ^5, V allemal durch zwei Buchstaben wiedergeben. Daß sie aber für
A und Ä, für t? und Ä unterschiedlos immer nur einen Buchstaben anwenden, das
ist doch ein Greuel. Wenn mir einer meiner Sextaner in Athen unsre feinen
Lautunterschiede schriftlich so verquatschte, würde ich den Eltern ganz energisch raten,
ihren Jungen schleunigst abzumelden: er bliebe doch zu Ostern unfehlbar sitzen.
Zwar geben die Römer unsern rauhen Hauch wieder, törichterweise durch einen
ganzen Buchstaben statt durch ein kleines Zeichen; dafür lassen sie aber den ge¬
linden Hauch in der gewissenlosesten Weise ganz unbezeichnet! Und was das Aller-
scheußlichste ist, unsre drei Accente Akut, Gravis und Zirkumflex werden schmählich
unterdrückt. So haben ja nicht einmal die Soldaten des Mummtus bei uns ge¬
haust. Das ist Vandalismus von diesen Römern. Ja, soll ich ganz unumwunden
sprechen, mir kommt es bei ihnen wie idiotenhaft vor.

Ein famoser Mensch, dieser Stentorophonophilikiades, aber leider zu tempera¬
mentvoll. Er schadet sich nur damit. So auch jetzt

Mäßigen Sie sich, Herr Stentorophonophilikiades, unterbrach ihn mit einem-


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[0722] Eine sonderbare Geschichte unsrer Unterhaltung möglichst zu folgen und staunten mich als Griechen ehrerbietig an, wenn ich auch, wie Stentorophonophilikiades ihnen mitgeteilt hatte, kein ge- borner Athener, sondern nur ein Böotier war. Aus der äußern Brusttasche in der Toga des Stentorophonophilikiades sah ein Buch hervor. Auch lustwandelnd im Dienst der eulenäugtgen Göttin? fragte ich, darauf deutend. Hier, sehen Sie selbst! Ich schlug auf: Griechisch-lateinisches und lateinisch-griechisches Taschenwörter¬ buch von Professor L. Annaeus Seneca, Verlag von B. G. Columbarius. Es kommt häufig genug vor, bemerkte Stentorophonophilikiades erläuternd, daß Cajus und Quintus einen griechischen Ausdruck in meinem Munde nicht ver- stehn. Vielfach gelingt es mir, sie durch Anschauung oder Umschreibung zum Ver¬ ständnis zu bringen. Aber bei abstrakten Begriffen ist statt des langen Hin- und Herfackelns doch schließlich das Einfachste, man schlägt im Wörterbuch nach. Außer¬ dem, da ich nun einmal hier bin, will ich die Gelegenheit benutzen, die Landes¬ sprache zu lernen. Ich bin ja herübergekommen, ohne eine Silbe Latein zu können. Während sich meine Zöglinge auf unsern Spaziergängen dem Spiele hingeben, pauke ich zum Zeitvertreib lateinische Vokabeln. Das ist nur zu loben, o trautester Stentorophonophilikiades, und Ihr Streben verdient um so mehr Anerkennung, als die Schwierigkeiten nicht gering sind. Schon das abweichende Alphabet! Was einen ganz besonders irre machen kann, ist, daß manche Buchstaben, wie Ä, ^ und ^, bei den Römern eine andre Bedeutung haben als bei uns. Da gilt es, höllisch aufzupassen. Nun, das wäre schlimm, wenn sich ein gescheiter Mensch da nicht hineinfände. Das ist eben etwas, was man so hinnehmen muß wie die verschiedne Bedeutung der Wörter. Bei uns ist ^.rss der Kriegsgott, den Römern ist g.r8 die Kunst, und wer weiß, was ähnliche Lautverbindungen in andern Sprachen bedeuten mögen? Nur ein Kindskopf oder ein heilloser Spötter kann sich über dergleichen aufregen. Diese erhabne Ruhe, mit der Sie dem Ungewohnten begegnen, ist mir ein neues Zeugnis Ihres echt wissenschaftlichen Sinns, o trautester Stentorophono¬ philikiades. Andrerseits finden wir Griechen beim Lateinischlernen auch viel Er¬ leichterung, weil die Römer zahlreiche Ausdrücke, zumal solche der Wissenschaft, unsrer Sprache entlehnt haben. Tun Sie mir den einzigen Gefallen, brauste er auf, und fangen Sie mir nicht davon an! Wenn man etwas entleibt, so ist es doch oberste Anstandspflicht, das Geborgte schonend zu behandeln und nicht gröblich zu verhunzen. Nun frage ich Sie: Wie gehn die Römer mit den Wörtern um, die sie unsrer Sprache ent¬ lehnen? Ich will noch gar nicht davon reden, daß sie dabei unsre einfachen Buch¬ staben S, «S, ^5, V allemal durch zwei Buchstaben wiedergeben. Daß sie aber für A und Ä, für t? und Ä unterschiedlos immer nur einen Buchstaben anwenden, das ist doch ein Greuel. Wenn mir einer meiner Sextaner in Athen unsre feinen Lautunterschiede schriftlich so verquatschte, würde ich den Eltern ganz energisch raten, ihren Jungen schleunigst abzumelden: er bliebe doch zu Ostern unfehlbar sitzen. Zwar geben die Römer unsern rauhen Hauch wieder, törichterweise durch einen ganzen Buchstaben statt durch ein kleines Zeichen; dafür lassen sie aber den ge¬ linden Hauch in der gewissenlosesten Weise ganz unbezeichnet! Und was das Aller- scheußlichste ist, unsre drei Accente Akut, Gravis und Zirkumflex werden schmählich unterdrückt. So haben ja nicht einmal die Soldaten des Mummtus bei uns ge¬ haust. Das ist Vandalismus von diesen Römern. Ja, soll ich ganz unumwunden sprechen, mir kommt es bei ihnen wie idiotenhaft vor. Ein famoser Mensch, dieser Stentorophonophilikiades, aber leider zu tempera¬ mentvoll. Er schadet sich nur damit. So auch jetzt Mäßigen Sie sich, Herr Stentorophonophilikiades, unterbrach ihn mit einem-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/722>, abgerufen am 04.07.2024.