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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Line sonderbare Geschichte

Himmel und Erde, als seine rastlos verdüntzerte Schulweisheit sich träumen ließ.
Nun erst in unsrer Zeit, wo wir es so herrlich weit gebracht haben, wo der
Großstädter im Schatten der sonnenverfinsternden Telephondrähte den Kampf ums
Dasein kämpft, wo man, bloß durch gehörige Bestrahlung, aus einem gemeinen
Proletarier im Handumdrehn einen durchlauchtigen Herrn zu machen versteht. Von
der drahtlosen Telegraphie als einer neusten Errungenschaft wage ich nicht mehr
zu reden, da Leutnant von Prudelwitz und swä. eersv. Biermörder erklären, daß
seit Jahrzehnten alle ihre Depeschen den Zustand der Drahtlosigkeit zur Voraus¬
setzung haben.

Nein, das einzig und wirklich Sonderbare an der Geschichte ist, daß ich, ein
Oberlehrer an einem Realgymnasium, auf einmal fließend Griechisch sprach, wie
denn die ganze jetzt folgende Unterhaltung in dieser Sprache geführt wurde. Leider
scheinen die humanistischen Studien in Deutschland mehr und mehr zurückzugehn,
und wenn eines Tages meine Erben dieses Heftchen in meinem Schreibtisch finden
(um ihnen das lange Suchen zu ersparen, bemerke ich gleich hier: es liegt links
oben in dem Schubfach mit dem halbabgesprungnen Knopfe), so fürchte ich, wird
schwerlich einer unter ihnen sein, der noch ordentlich Griechisch versteht. Zu ihrer
Bequemlichkeit werde ich die Unterhaltung in deutscher Übersetzung wiedergeben,
jedoch möglichst wortgetreu, sogar auf die Gefahr hin, durch einige undeutsche Wen¬
dungen ihr Sprachgefühl zu verletzen.

Also: Seien Sie vergnügt, o schönguter Mann! rief ich ihm entgegen.

Eine durch die Höflichkeit gebotne, aber im Grunde genommen höchst über¬
flüssige Einladung; er fah gar nicht so aus, als habe er einen angebrochnen Stoß
Untertertianerhefte zuhause liegen, sondern hatte, der Örtlichkeit entsprechend, sein
bestes Feriengesicht aufgesetzt.

Trautester Stentorophonophilikiades, welcher günstige Wind führt Sie an
dieses Gestade? rief ich.

Fröhlich sprach er: Wie ich auf einmal von Athen hierher nach Antium komme,
wollen Sie wissen? Vernehmen Sie: Ich bin griechischer Sprachlehrer im Hause
Seiner Exzellenz des Herrn Thrasea Paetus, des Ministers Seiner Majestät des
Kaisers Nero. Hier meine beiden Zöglinge Cajus und Quintus. Der Herr Minister
hatte sich an das ätherische Scholarchat gewandt. Hauptbedingungen: tadellose
attische Aussprache und feine Umgangsformen. Nun, Sie können ja selbst beur¬
teilen, wieweit ich hierin genüge. Auf alle Fälle haben mir meine militärischen
Verhältnisse nicht unwesentlich zur Empfehlung gereicht. Auf die Bitte des Herrn
Ministers hat mir das Scholarchat in zuvorkommendster Weise unbeschränkten Urlaub
erteilt, der mir auf mein Dienstalter angerechnet wird. Selbstverständlich hoffe ich,
daß mir meine Beziehungen zu einem so einflußreichen Herrn eines Tages von
ganz besonderm Vorteil sein werden. Hier habe ich eine wahrhaft fürstliche Be¬
zahlung, ganz ausgezeichnete Behandlung; ich bin so gut wie Familienglied, dabei
so wenig zu tun, daß ich meine zahlreichen Mußestunden ausgiebigst zu eignem
Studium verwerten kann. Meine beiden Schüler sind ein Paar liebe, wohlerzogne
Knaben, wie es ja in einer so altaristokratischen Familie nicht anders zu erwarten
ist. Nehmen Sie dazu diesen entzückenden Aufenthalt hier, das reine Idyll!

Diese Lobrede des Stentorophonophilikiades war keine berechnende Schmeichelei
an die Adresse des Herrn Ministers, sondern kam aus vollem Herzen, da sie nur
mich zum Hörer hatte. Die Knaben hatten sich, ins Muschelsuchen vertieft, ziemlich
weit von uns entfernt.

Aber, fuhr Stentorophonophilikiades fort, ich sehe, die Sonne steht schon ziemlich
hoch, und es wird hier am Strande empfindlich heiß. Kommen Sie doch ein bißchen
mit in unsern Garten, im kühlen Schatten läßt sichs angenehmer plaudern.

Die Knaben kamen willig auf seinen Ruf, und wenig hundert Schritte führten
uns zu der im üppigsten Grün prangenden Besitzung des Ministers, wo wir uns
auf einer Marmorbank zusammen niederließen. Die liebenswürdigen Knaben suchten


Grenzboten II 1904 9g
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Himmel und Erde, als seine rastlos verdüntzerte Schulweisheit sich träumen ließ.
Nun erst in unsrer Zeit, wo wir es so herrlich weit gebracht haben, wo der
Großstädter im Schatten der sonnenverfinsternden Telephondrähte den Kampf ums
Dasein kämpft, wo man, bloß durch gehörige Bestrahlung, aus einem gemeinen
Proletarier im Handumdrehn einen durchlauchtigen Herrn zu machen versteht. Von
der drahtlosen Telegraphie als einer neusten Errungenschaft wage ich nicht mehr
zu reden, da Leutnant von Prudelwitz und swä. eersv. Biermörder erklären, daß
seit Jahrzehnten alle ihre Depeschen den Zustand der Drahtlosigkeit zur Voraus¬
setzung haben.

Nein, das einzig und wirklich Sonderbare an der Geschichte ist, daß ich, ein
Oberlehrer an einem Realgymnasium, auf einmal fließend Griechisch sprach, wie
denn die ganze jetzt folgende Unterhaltung in dieser Sprache geführt wurde. Leider
scheinen die humanistischen Studien in Deutschland mehr und mehr zurückzugehn,
und wenn eines Tages meine Erben dieses Heftchen in meinem Schreibtisch finden
(um ihnen das lange Suchen zu ersparen, bemerke ich gleich hier: es liegt links
oben in dem Schubfach mit dem halbabgesprungnen Knopfe), so fürchte ich, wird
schwerlich einer unter ihnen sein, der noch ordentlich Griechisch versteht. Zu ihrer
Bequemlichkeit werde ich die Unterhaltung in deutscher Übersetzung wiedergeben,
jedoch möglichst wortgetreu, sogar auf die Gefahr hin, durch einige undeutsche Wen¬
dungen ihr Sprachgefühl zu verletzen.

Also: Seien Sie vergnügt, o schönguter Mann! rief ich ihm entgegen.

Eine durch die Höflichkeit gebotne, aber im Grunde genommen höchst über¬
flüssige Einladung; er fah gar nicht so aus, als habe er einen angebrochnen Stoß
Untertertianerhefte zuhause liegen, sondern hatte, der Örtlichkeit entsprechend, sein
bestes Feriengesicht aufgesetzt.

Trautester Stentorophonophilikiades, welcher günstige Wind führt Sie an
dieses Gestade? rief ich.

Fröhlich sprach er: Wie ich auf einmal von Athen hierher nach Antium komme,
wollen Sie wissen? Vernehmen Sie: Ich bin griechischer Sprachlehrer im Hause
Seiner Exzellenz des Herrn Thrasea Paetus, des Ministers Seiner Majestät des
Kaisers Nero. Hier meine beiden Zöglinge Cajus und Quintus. Der Herr Minister
hatte sich an das ätherische Scholarchat gewandt. Hauptbedingungen: tadellose
attische Aussprache und feine Umgangsformen. Nun, Sie können ja selbst beur¬
teilen, wieweit ich hierin genüge. Auf alle Fälle haben mir meine militärischen
Verhältnisse nicht unwesentlich zur Empfehlung gereicht. Auf die Bitte des Herrn
Ministers hat mir das Scholarchat in zuvorkommendster Weise unbeschränkten Urlaub
erteilt, der mir auf mein Dienstalter angerechnet wird. Selbstverständlich hoffe ich,
daß mir meine Beziehungen zu einem so einflußreichen Herrn eines Tages von
ganz besonderm Vorteil sein werden. Hier habe ich eine wahrhaft fürstliche Be¬
zahlung, ganz ausgezeichnete Behandlung; ich bin so gut wie Familienglied, dabei
so wenig zu tun, daß ich meine zahlreichen Mußestunden ausgiebigst zu eignem
Studium verwerten kann. Meine beiden Schüler sind ein Paar liebe, wohlerzogne
Knaben, wie es ja in einer so altaristokratischen Familie nicht anders zu erwarten
ist. Nehmen Sie dazu diesen entzückenden Aufenthalt hier, das reine Idyll!

Diese Lobrede des Stentorophonophilikiades war keine berechnende Schmeichelei
an die Adresse des Herrn Ministers, sondern kam aus vollem Herzen, da sie nur
mich zum Hörer hatte. Die Knaben hatten sich, ins Muschelsuchen vertieft, ziemlich
weit von uns entfernt.

Aber, fuhr Stentorophonophilikiades fort, ich sehe, die Sonne steht schon ziemlich
hoch, und es wird hier am Strande empfindlich heiß. Kommen Sie doch ein bißchen
mit in unsern Garten, im kühlen Schatten läßt sichs angenehmer plaudern.

Die Knaben kamen willig auf seinen Ruf, und wenig hundert Schritte führten
uns zu der im üppigsten Grün prangenden Besitzung des Ministers, wo wir uns
auf einer Marmorbank zusammen niederließen. Die liebenswürdigen Knaben suchten


Grenzboten II 1904 9g
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[0721] Line sonderbare Geschichte Himmel und Erde, als seine rastlos verdüntzerte Schulweisheit sich träumen ließ. Nun erst in unsrer Zeit, wo wir es so herrlich weit gebracht haben, wo der Großstädter im Schatten der sonnenverfinsternden Telephondrähte den Kampf ums Dasein kämpft, wo man, bloß durch gehörige Bestrahlung, aus einem gemeinen Proletarier im Handumdrehn einen durchlauchtigen Herrn zu machen versteht. Von der drahtlosen Telegraphie als einer neusten Errungenschaft wage ich nicht mehr zu reden, da Leutnant von Prudelwitz und swä. eersv. Biermörder erklären, daß seit Jahrzehnten alle ihre Depeschen den Zustand der Drahtlosigkeit zur Voraus¬ setzung haben. Nein, das einzig und wirklich Sonderbare an der Geschichte ist, daß ich, ein Oberlehrer an einem Realgymnasium, auf einmal fließend Griechisch sprach, wie denn die ganze jetzt folgende Unterhaltung in dieser Sprache geführt wurde. Leider scheinen die humanistischen Studien in Deutschland mehr und mehr zurückzugehn, und wenn eines Tages meine Erben dieses Heftchen in meinem Schreibtisch finden (um ihnen das lange Suchen zu ersparen, bemerke ich gleich hier: es liegt links oben in dem Schubfach mit dem halbabgesprungnen Knopfe), so fürchte ich, wird schwerlich einer unter ihnen sein, der noch ordentlich Griechisch versteht. Zu ihrer Bequemlichkeit werde ich die Unterhaltung in deutscher Übersetzung wiedergeben, jedoch möglichst wortgetreu, sogar auf die Gefahr hin, durch einige undeutsche Wen¬ dungen ihr Sprachgefühl zu verletzen. Also: Seien Sie vergnügt, o schönguter Mann! rief ich ihm entgegen. Eine durch die Höflichkeit gebotne, aber im Grunde genommen höchst über¬ flüssige Einladung; er fah gar nicht so aus, als habe er einen angebrochnen Stoß Untertertianerhefte zuhause liegen, sondern hatte, der Örtlichkeit entsprechend, sein bestes Feriengesicht aufgesetzt. Trautester Stentorophonophilikiades, welcher günstige Wind führt Sie an dieses Gestade? rief ich. Fröhlich sprach er: Wie ich auf einmal von Athen hierher nach Antium komme, wollen Sie wissen? Vernehmen Sie: Ich bin griechischer Sprachlehrer im Hause Seiner Exzellenz des Herrn Thrasea Paetus, des Ministers Seiner Majestät des Kaisers Nero. Hier meine beiden Zöglinge Cajus und Quintus. Der Herr Minister hatte sich an das ätherische Scholarchat gewandt. Hauptbedingungen: tadellose attische Aussprache und feine Umgangsformen. Nun, Sie können ja selbst beur¬ teilen, wieweit ich hierin genüge. Auf alle Fälle haben mir meine militärischen Verhältnisse nicht unwesentlich zur Empfehlung gereicht. Auf die Bitte des Herrn Ministers hat mir das Scholarchat in zuvorkommendster Weise unbeschränkten Urlaub erteilt, der mir auf mein Dienstalter angerechnet wird. Selbstverständlich hoffe ich, daß mir meine Beziehungen zu einem so einflußreichen Herrn eines Tages von ganz besonderm Vorteil sein werden. Hier habe ich eine wahrhaft fürstliche Be¬ zahlung, ganz ausgezeichnete Behandlung; ich bin so gut wie Familienglied, dabei so wenig zu tun, daß ich meine zahlreichen Mußestunden ausgiebigst zu eignem Studium verwerten kann. Meine beiden Schüler sind ein Paar liebe, wohlerzogne Knaben, wie es ja in einer so altaristokratischen Familie nicht anders zu erwarten ist. Nehmen Sie dazu diesen entzückenden Aufenthalt hier, das reine Idyll! Diese Lobrede des Stentorophonophilikiades war keine berechnende Schmeichelei an die Adresse des Herrn Ministers, sondern kam aus vollem Herzen, da sie nur mich zum Hörer hatte. Die Knaben hatten sich, ins Muschelsuchen vertieft, ziemlich weit von uns entfernt. Aber, fuhr Stentorophonophilikiades fort, ich sehe, die Sonne steht schon ziemlich hoch, und es wird hier am Strande empfindlich heiß. Kommen Sie doch ein bißchen mit in unsern Garten, im kühlen Schatten läßt sichs angenehmer plaudern. Die Knaben kamen willig auf seinen Ruf, und wenig hundert Schritte führten uns zu der im üppigsten Grün prangenden Besitzung des Ministers, wo wir uns auf einer Marmorbank zusammen niederließen. Die liebenswürdigen Knaben suchten Grenzboten II 1904 9g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/721>, abgerufen am 04.07.2024.