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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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sie eine Unbefangenheit des Urteils gewinnen, durch die sie sich auch für die bisher
den Herren Juristen vorbehaltnen Ministerialstellen eignen würden. Alle Anzeichen
sprechen dafür, daß ich meine Tage nicht in den Sielen des Schuldiensts beschließen
werde. Ich fühle selbst den Beruf zu Höheren in mir. Wenn erst einmal diesem
Beruf die Berufung entsprochen haben wird, werde ich mich meiner Idee erinnern
und nicht verfehlen, sie Seiner Exzellenz zu unterbreiten.

Wenn der Spider Aufenthalt eine Kette fröhlichster Tage war, so dankten wir
dies "in erster Linie" dem braven Doktor Schreyer. Der war wie ein losgelassenes
Füllen. Von unerschöpflicher Erfindungskraft, wußte er immer einen neuen Ulk
anzugeben. Es wurde aber auch anerkannt. Am Tage vor unsrer Abreise über¬
reichte ihm der Landgerichtsrat, ein ehemaliger Portenser, eine geheimnisvolle Rolle
mit gewaltigem in einer ausgedienter Pastillenschachtel anbammelnden Siegel. Es
war ein feierliches Diplom, wodurch der Dr. xnil. Schreyer in vierundzwanzig Zeilen
lateinischer Superlative, dem sogenannten Lapidarstil, zum voetor siixis utriusgns
(seil. törrs,s in-irisciuo) Iwuoris causa ernannt wurde. Daß ein solenner Doktor¬
schmaus mit gehöriger Begießung folgte, dies nur beiläufig.

Nun, die Ehrung war wohlverdient. Um nur eins zu erwähnen: durch seine
Anregung hatten wir für unsre Luft- und Seebäder auf die störende und lang¬
weilige Gemeinschaft der Menschen längst verzichtet und suchten uns vielmehr ein
stilles Fleckchen am entlegnen Strand oder zwischen den Dünen aus. Großartig
war da Doktor Schreyer, wenn er in seiner Person die antike Götter- und Heiden-
welt wieder aufersteh" ließ. Mit malerisch um den Arm geschlungnem Hemde
donnerte er als Apollo von einem Sandhügel-Belvedere sein (juos oxo! herab und
hielt den sich in Krämpfen windenden und krümmenden Feinden einen Strohhut
als Ägis entgegen. Ans seine Veranlassung brachten wir sogar szenische Auf¬
führungen zustande, bei denen er Direktor, Regisseur, Inspizient, Souffleur, Haupt¬
darsteller, kurz alles in allem war. Aus ein paar angeschwemmten Flaschenkisten
bauten wir einen Zeusaltar, den die züchtige Jokaste-Schreyer bittflehend mit See¬
tang bekränzte, um das furchtbare Unheil von Theben zu wenden. Unvergeßlich bleibt
mir, wie Doktor Schreyer eine Erinnerung seiner italienischen Reise, ein Fresko¬
gemälde aus dem römischen Palazzo del Senato ins Leben umsetzte. (Eigentlich ein
schiefer Ausdruck für den Vorgang, da vielmehr unser Schreyer Leben in die Bude
brachte.) Im Halbrund ein nach dem Muster unsers Reichstags nicht ganz voll¬
zähliger, dafür aber um so würdevollerer Senat, wo vor allem der dicke Wein¬
onkel aus Magdeburg ein waschecht römisches Aussehen hatte; in der Mitte der
unvergleichliche Cicero-Schreyer, mich, den frechen Ccitilina, mit dem Blitzstrahle
seines (Zuousciuö tauäeiQ zermalmend.

Wahrend alle diese lieblichen Erinnerungen durch meine Seele zogen, sah ich
in einiger Entfernung eine Gestalt im Bademantel auf mich zukommen, deren Gang
und Haltung unverkennbar waren. Leider hatte ich vorhin bei Siechen meine
Brille in einen Bicrkrmgel gelegt und in der Hitze des Gefechts natürlich ungepntzt
wieder aufgesetzt. Wenn ich also bei meinem getrübten Blicke noch einige Zweifel
hegte, so zerstoben sie doch sofort vor dem dröhnenden Hauche seines Mundes:


6e c7v coot, Pe^lehre, x"r"Fi^rc?i/ "^^c^ce-lo;

An seiner Seite gingen zwei schwarzwollköpfige Jungchen in rotberänderten
Bademänteln, jedenfalls die kleinen Oppenheimer, in Firma Oppenheimer und Wolf¬
sohn, denen er griechische Privatstunden erteilte. Und nun kommt das Sonder¬
bare, das so Sonderbare, daß ich die ganze Geschichte unbedenklich für die greu¬
lichste Sohle unsers Jahrhunderts erklären würde, wenn es nicht mein eignes Hand¬
erlebnis wäre.

Ich rede uicht von meiner mit Umgehung des üblichen Instanzenwegs be¬
wirkten Versetzung an die See. So etwas mag ja nicht alle Tage vorkommen.
Jedoch schon zu den Zeiten des Horaz gab es bekanntlich mehr Dinge zwischen


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sie eine Unbefangenheit des Urteils gewinnen, durch die sie sich auch für die bisher
den Herren Juristen vorbehaltnen Ministerialstellen eignen würden. Alle Anzeichen
sprechen dafür, daß ich meine Tage nicht in den Sielen des Schuldiensts beschließen
werde. Ich fühle selbst den Beruf zu Höheren in mir. Wenn erst einmal diesem
Beruf die Berufung entsprochen haben wird, werde ich mich meiner Idee erinnern
und nicht verfehlen, sie Seiner Exzellenz zu unterbreiten.

Wenn der Spider Aufenthalt eine Kette fröhlichster Tage war, so dankten wir
dies „in erster Linie" dem braven Doktor Schreyer. Der war wie ein losgelassenes
Füllen. Von unerschöpflicher Erfindungskraft, wußte er immer einen neuen Ulk
anzugeben. Es wurde aber auch anerkannt. Am Tage vor unsrer Abreise über¬
reichte ihm der Landgerichtsrat, ein ehemaliger Portenser, eine geheimnisvolle Rolle
mit gewaltigem in einer ausgedienter Pastillenschachtel anbammelnden Siegel. Es
war ein feierliches Diplom, wodurch der Dr. xnil. Schreyer in vierundzwanzig Zeilen
lateinischer Superlative, dem sogenannten Lapidarstil, zum voetor siixis utriusgns
(seil. törrs,s in-irisciuo) Iwuoris causa ernannt wurde. Daß ein solenner Doktor¬
schmaus mit gehöriger Begießung folgte, dies nur beiläufig.

Nun, die Ehrung war wohlverdient. Um nur eins zu erwähnen: durch seine
Anregung hatten wir für unsre Luft- und Seebäder auf die störende und lang¬
weilige Gemeinschaft der Menschen längst verzichtet und suchten uns vielmehr ein
stilles Fleckchen am entlegnen Strand oder zwischen den Dünen aus. Großartig
war da Doktor Schreyer, wenn er in seiner Person die antike Götter- und Heiden-
welt wieder aufersteh» ließ. Mit malerisch um den Arm geschlungnem Hemde
donnerte er als Apollo von einem Sandhügel-Belvedere sein (juos oxo! herab und
hielt den sich in Krämpfen windenden und krümmenden Feinden einen Strohhut
als Ägis entgegen. Ans seine Veranlassung brachten wir sogar szenische Auf¬
führungen zustande, bei denen er Direktor, Regisseur, Inspizient, Souffleur, Haupt¬
darsteller, kurz alles in allem war. Aus ein paar angeschwemmten Flaschenkisten
bauten wir einen Zeusaltar, den die züchtige Jokaste-Schreyer bittflehend mit See¬
tang bekränzte, um das furchtbare Unheil von Theben zu wenden. Unvergeßlich bleibt
mir, wie Doktor Schreyer eine Erinnerung seiner italienischen Reise, ein Fresko¬
gemälde aus dem römischen Palazzo del Senato ins Leben umsetzte. (Eigentlich ein
schiefer Ausdruck für den Vorgang, da vielmehr unser Schreyer Leben in die Bude
brachte.) Im Halbrund ein nach dem Muster unsers Reichstags nicht ganz voll¬
zähliger, dafür aber um so würdevollerer Senat, wo vor allem der dicke Wein¬
onkel aus Magdeburg ein waschecht römisches Aussehen hatte; in der Mitte der
unvergleichliche Cicero-Schreyer, mich, den frechen Ccitilina, mit dem Blitzstrahle
seines (Zuousciuö tauäeiQ zermalmend.

Wahrend alle diese lieblichen Erinnerungen durch meine Seele zogen, sah ich
in einiger Entfernung eine Gestalt im Bademantel auf mich zukommen, deren Gang
und Haltung unverkennbar waren. Leider hatte ich vorhin bei Siechen meine
Brille in einen Bicrkrmgel gelegt und in der Hitze des Gefechts natürlich ungepntzt
wieder aufgesetzt. Wenn ich also bei meinem getrübten Blicke noch einige Zweifel
hegte, so zerstoben sie doch sofort vor dem dröhnenden Hauche seines Mundes:


6e c7v coot, Pe^lehre, x«r«Fi^rc?i/ «^^c^ce-lo;

An seiner Seite gingen zwei schwarzwollköpfige Jungchen in rotberänderten
Bademänteln, jedenfalls die kleinen Oppenheimer, in Firma Oppenheimer und Wolf¬
sohn, denen er griechische Privatstunden erteilte. Und nun kommt das Sonder¬
bare, das so Sonderbare, daß ich die ganze Geschichte unbedenklich für die greu¬
lichste Sohle unsers Jahrhunderts erklären würde, wenn es nicht mein eignes Hand¬
erlebnis wäre.

Ich rede uicht von meiner mit Umgehung des üblichen Instanzenwegs be¬
wirkten Versetzung an die See. So etwas mag ja nicht alle Tage vorkommen.
Jedoch schon zu den Zeiten des Horaz gab es bekanntlich mehr Dinge zwischen


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[0720] Line sonderbare Geschichte sie eine Unbefangenheit des Urteils gewinnen, durch die sie sich auch für die bisher den Herren Juristen vorbehaltnen Ministerialstellen eignen würden. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß ich meine Tage nicht in den Sielen des Schuldiensts beschließen werde. Ich fühle selbst den Beruf zu Höheren in mir. Wenn erst einmal diesem Beruf die Berufung entsprochen haben wird, werde ich mich meiner Idee erinnern und nicht verfehlen, sie Seiner Exzellenz zu unterbreiten. Wenn der Spider Aufenthalt eine Kette fröhlichster Tage war, so dankten wir dies „in erster Linie" dem braven Doktor Schreyer. Der war wie ein losgelassenes Füllen. Von unerschöpflicher Erfindungskraft, wußte er immer einen neuen Ulk anzugeben. Es wurde aber auch anerkannt. Am Tage vor unsrer Abreise über¬ reichte ihm der Landgerichtsrat, ein ehemaliger Portenser, eine geheimnisvolle Rolle mit gewaltigem in einer ausgedienter Pastillenschachtel anbammelnden Siegel. Es war ein feierliches Diplom, wodurch der Dr. xnil. Schreyer in vierundzwanzig Zeilen lateinischer Superlative, dem sogenannten Lapidarstil, zum voetor siixis utriusgns (seil. törrs,s in-irisciuo) Iwuoris causa ernannt wurde. Daß ein solenner Doktor¬ schmaus mit gehöriger Begießung folgte, dies nur beiläufig. Nun, die Ehrung war wohlverdient. Um nur eins zu erwähnen: durch seine Anregung hatten wir für unsre Luft- und Seebäder auf die störende und lang¬ weilige Gemeinschaft der Menschen längst verzichtet und suchten uns vielmehr ein stilles Fleckchen am entlegnen Strand oder zwischen den Dünen aus. Großartig war da Doktor Schreyer, wenn er in seiner Person die antike Götter- und Heiden- welt wieder aufersteh» ließ. Mit malerisch um den Arm geschlungnem Hemde donnerte er als Apollo von einem Sandhügel-Belvedere sein (juos oxo! herab und hielt den sich in Krämpfen windenden und krümmenden Feinden einen Strohhut als Ägis entgegen. Ans seine Veranlassung brachten wir sogar szenische Auf¬ führungen zustande, bei denen er Direktor, Regisseur, Inspizient, Souffleur, Haupt¬ darsteller, kurz alles in allem war. Aus ein paar angeschwemmten Flaschenkisten bauten wir einen Zeusaltar, den die züchtige Jokaste-Schreyer bittflehend mit See¬ tang bekränzte, um das furchtbare Unheil von Theben zu wenden. Unvergeßlich bleibt mir, wie Doktor Schreyer eine Erinnerung seiner italienischen Reise, ein Fresko¬ gemälde aus dem römischen Palazzo del Senato ins Leben umsetzte. (Eigentlich ein schiefer Ausdruck für den Vorgang, da vielmehr unser Schreyer Leben in die Bude brachte.) Im Halbrund ein nach dem Muster unsers Reichstags nicht ganz voll¬ zähliger, dafür aber um so würdevollerer Senat, wo vor allem der dicke Wein¬ onkel aus Magdeburg ein waschecht römisches Aussehen hatte; in der Mitte der unvergleichliche Cicero-Schreyer, mich, den frechen Ccitilina, mit dem Blitzstrahle seines (Zuousciuö tauäeiQ zermalmend. Wahrend alle diese lieblichen Erinnerungen durch meine Seele zogen, sah ich in einiger Entfernung eine Gestalt im Bademantel auf mich zukommen, deren Gang und Haltung unverkennbar waren. Leider hatte ich vorhin bei Siechen meine Brille in einen Bicrkrmgel gelegt und in der Hitze des Gefechts natürlich ungepntzt wieder aufgesetzt. Wenn ich also bei meinem getrübten Blicke noch einige Zweifel hegte, so zerstoben sie doch sofort vor dem dröhnenden Hauche seines Mundes: 6e c7v coot, Pe^lehre, x«r«Fi^rc?i/ «^^c^ce-lo; An seiner Seite gingen zwei schwarzwollköpfige Jungchen in rotberänderten Bademänteln, jedenfalls die kleinen Oppenheimer, in Firma Oppenheimer und Wolf¬ sohn, denen er griechische Privatstunden erteilte. Und nun kommt das Sonder¬ bare, das so Sonderbare, daß ich die ganze Geschichte unbedenklich für die greu¬ lichste Sohle unsers Jahrhunderts erklären würde, wenn es nicht mein eignes Hand¬ erlebnis wäre. Ich rede uicht von meiner mit Umgehung des üblichen Instanzenwegs be¬ wirkten Versetzung an die See. So etwas mag ja nicht alle Tage vorkommen. Jedoch schon zu den Zeiten des Horaz gab es bekanntlich mehr Dinge zwischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/720>, abgerufen am 25.07.2024.