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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

war; die qualmende Petroleumlampe warf ein trübes, rötliches Licht und weit mehr
Rußflocken über dieses ungesuchte Stillleben im fuselschwaugern Raume. Leise schlössen
wir die Tür der gräßlichen Dunsthöhle und verschwanden geräuschlos; aber da
erschien wie ein Rücher der Ehre seines Hauses der Wirt mit kupferrotem Antlitz
und nötigte uns zu bleiben. Vergebne Mühe! Reuig kehrten wir nach Sabrodt
zurück. Die lärmende Kinderschar erschien uns nun in einem Glorienschein -- und
die Belohnung für unsre Bekehrung blieb nicht aus. Denn es fand sich im andern
Flügel des Hauses ein nettes ruhiges "besseres Zimmer," ein erquickendes Abend¬
brot und schließlich ein blitzsaubres, gut ausgestattetes Schlafzimmer in der Man¬
sarde. Für den nächsten Morgen war eine Fahrt auf dem Schwieloch geplant.
Kahn und Fährmann waren rechtzeitig zur Stelle. Wir fuhren die Spree, hier
schon ein tiefes, ansehnliches Gewässer, hinunter, aber ein starker Südwind stand
uns entgegen, und je näher wir der Einmündung des Flusses in den See kamen,
um so bewegter wurde das Wasser, um so größer die Wellen. Solchem Wetter
ist wohl eine hochbordige Segeljacht gewachsen, aber nicht ein flaches Boot wie das
unsre. Wir mußten also umkehren, ohne den Schwieloch befahren zu haben.

Die Straße von Trebatsch nach Lübben bietet nichts Bemerkenswertes. Lübben
selbst aber ist ein uralter, an den mannigfaltigsten geschichtlichen Erinnerungen
reicher Ort, einst auch als Sitz der ständische" und später der sächsischen Oberamts-
regiernng der Niederlausitz viel wichtiger, als der heutige Umfang des heitern
Landstädtchens (7000 Einwohner) vermuten läßt. Das Ratsarchiv ist freilich infolge
von Bränden und kriegerischen Verwüstungen arm an ältern Urkunden, dafür aber
hat sich ein im Jahre 1384 angelegtes Stadtbuch erhalten.

Die Wichtigkeit Lübbens beruhte in alter Zeit darauf, daß es zwischen Sprem-
berg und Berlin nur zwei die Seen und die Sümpfe des Spreewalds trennende
Landbrücken gab: die vor dem obern Spreewalde liegende von Kottbus und die
sich zwischen dem obern und dem untern Spreewalde hindurchziehende von Lübben.
Lübben war, wie es scheint, ein bedeuteuder slawischer Handelsplatz, denn schon
Thietmar von Merseburg berichtet, im Jahre 1007, als König Heinrich der Zweite
in Regensburg Ostern feierte, seien Abgesandte der Lausitzer und insonderheit Boten
von der großen Stadt Lübben (a, eivitaw inaFna, I,uibui äiota) gekommen, um ihn
Von den Kriegsplänen des Polenherzogs zu benachrichtigen. Später treten auch
deutsche Burggrafen von Lübben hervor: ein Lsruai-aus ^Ästsllauusj I^nbususis
erscheint unter Friedrich Barbarossa im Gefolge des Wratislaus von Böhmen auf
einem Römerzuge, ein va,se>e1lÄuus ^ouannss als I^ndiu seit 1199 unter dem Mark¬
grafen Konrad dem Zweiten. Der älteste Sitz des reichsunmittelbaren, später mark¬
gräflichen Kastellans von Lübben war wohl das südlich von der heutigen Stadt
liegende Burglehen, ein noch heute gut erhaltner Rundung von etwa vierhundert¬
fünfzig Metern Umkreis, der sich, von einem dichten Kranze hoher Pappeln und
Weiden umwachsen, schou von ferne deutlich von dem Sumpfboden der Spreewiesen
abhebt. Von der Landstraße führt nahe bei der Stadt ein Dammweg hinüber zu
der Festung, die, einst wohl rings mit Wasser umgeben, jetzt trotz dem eingebauten
Gasthause das ehrwürdigste Bauwerk der ganzen Gegend ist. Die deutscheu Bauern,
die der Burggraf von Lübben im zwölften oder im dreizehnten Jahrhundert herbei¬
zog, bauten das langgestreckte Dorf Steinkirchen, dessen Gotteshaus als eine der
ältesten Feldsteinkirchen der Lausitz gilt; es ist durch Neu- und Anbauten freilich
sehr verändert worden, nur der östlichste Teil mit dem Altarraum scheint noch von
dem ursprünglichen Bau herzurühren. Aber der Handel und die Festung machten
nicht allein die Wichtigkeit Lübbens aus: ein religiöser Kultus kam hinzu. Noch
heute wird im Hain zu Lübben eine Grube gezeigt, worin das aus Holz geschnitzte
Bild der Fürstin oder Göttin Ljuba gestanden haben soll; jetzt ist die Stelle durch
einen großen altarähnlichen Stein gekennzeichnet. Derselbe Name steckt auch in
den Dorfraum Groß- und Klein-Lubolz, in Lieberose Luboras, in dem Flu߬
namen Ljubis.


Wanderungen in der Niederlausitz

war; die qualmende Petroleumlampe warf ein trübes, rötliches Licht und weit mehr
Rußflocken über dieses ungesuchte Stillleben im fuselschwaugern Raume. Leise schlössen
wir die Tür der gräßlichen Dunsthöhle und verschwanden geräuschlos; aber da
erschien wie ein Rücher der Ehre seines Hauses der Wirt mit kupferrotem Antlitz
und nötigte uns zu bleiben. Vergebne Mühe! Reuig kehrten wir nach Sabrodt
zurück. Die lärmende Kinderschar erschien uns nun in einem Glorienschein — und
die Belohnung für unsre Bekehrung blieb nicht aus. Denn es fand sich im andern
Flügel des Hauses ein nettes ruhiges „besseres Zimmer," ein erquickendes Abend¬
brot und schließlich ein blitzsaubres, gut ausgestattetes Schlafzimmer in der Man¬
sarde. Für den nächsten Morgen war eine Fahrt auf dem Schwieloch geplant.
Kahn und Fährmann waren rechtzeitig zur Stelle. Wir fuhren die Spree, hier
schon ein tiefes, ansehnliches Gewässer, hinunter, aber ein starker Südwind stand
uns entgegen, und je näher wir der Einmündung des Flusses in den See kamen,
um so bewegter wurde das Wasser, um so größer die Wellen. Solchem Wetter
ist wohl eine hochbordige Segeljacht gewachsen, aber nicht ein flaches Boot wie das
unsre. Wir mußten also umkehren, ohne den Schwieloch befahren zu haben.

Die Straße von Trebatsch nach Lübben bietet nichts Bemerkenswertes. Lübben
selbst aber ist ein uralter, an den mannigfaltigsten geschichtlichen Erinnerungen
reicher Ort, einst auch als Sitz der ständische» und später der sächsischen Oberamts-
regiernng der Niederlausitz viel wichtiger, als der heutige Umfang des heitern
Landstädtchens (7000 Einwohner) vermuten läßt. Das Ratsarchiv ist freilich infolge
von Bränden und kriegerischen Verwüstungen arm an ältern Urkunden, dafür aber
hat sich ein im Jahre 1384 angelegtes Stadtbuch erhalten.

Die Wichtigkeit Lübbens beruhte in alter Zeit darauf, daß es zwischen Sprem-
berg und Berlin nur zwei die Seen und die Sümpfe des Spreewalds trennende
Landbrücken gab: die vor dem obern Spreewalde liegende von Kottbus und die
sich zwischen dem obern und dem untern Spreewalde hindurchziehende von Lübben.
Lübben war, wie es scheint, ein bedeuteuder slawischer Handelsplatz, denn schon
Thietmar von Merseburg berichtet, im Jahre 1007, als König Heinrich der Zweite
in Regensburg Ostern feierte, seien Abgesandte der Lausitzer und insonderheit Boten
von der großen Stadt Lübben (a, eivitaw inaFna, I,uibui äiota) gekommen, um ihn
Von den Kriegsplänen des Polenherzogs zu benachrichtigen. Später treten auch
deutsche Burggrafen von Lübben hervor: ein Lsruai-aus ^Ästsllauusj I^nbususis
erscheint unter Friedrich Barbarossa im Gefolge des Wratislaus von Böhmen auf
einem Römerzuge, ein va,se>e1lÄuus ^ouannss als I^ndiu seit 1199 unter dem Mark¬
grafen Konrad dem Zweiten. Der älteste Sitz des reichsunmittelbaren, später mark¬
gräflichen Kastellans von Lübben war wohl das südlich von der heutigen Stadt
liegende Burglehen, ein noch heute gut erhaltner Rundung von etwa vierhundert¬
fünfzig Metern Umkreis, der sich, von einem dichten Kranze hoher Pappeln und
Weiden umwachsen, schou von ferne deutlich von dem Sumpfboden der Spreewiesen
abhebt. Von der Landstraße führt nahe bei der Stadt ein Dammweg hinüber zu
der Festung, die, einst wohl rings mit Wasser umgeben, jetzt trotz dem eingebauten
Gasthause das ehrwürdigste Bauwerk der ganzen Gegend ist. Die deutscheu Bauern,
die der Burggraf von Lübben im zwölften oder im dreizehnten Jahrhundert herbei¬
zog, bauten das langgestreckte Dorf Steinkirchen, dessen Gotteshaus als eine der
ältesten Feldsteinkirchen der Lausitz gilt; es ist durch Neu- und Anbauten freilich
sehr verändert worden, nur der östlichste Teil mit dem Altarraum scheint noch von
dem ursprünglichen Bau herzurühren. Aber der Handel und die Festung machten
nicht allein die Wichtigkeit Lübbens aus: ein religiöser Kultus kam hinzu. Noch
heute wird im Hain zu Lübben eine Grube gezeigt, worin das aus Holz geschnitzte
Bild der Fürstin oder Göttin Ljuba gestanden haben soll; jetzt ist die Stelle durch
einen großen altarähnlichen Stein gekennzeichnet. Derselbe Name steckt auch in
den Dorfraum Groß- und Klein-Lubolz, in Lieberose Luboras, in dem Flu߬
namen Ljubis.


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[0709] Wanderungen in der Niederlausitz war; die qualmende Petroleumlampe warf ein trübes, rötliches Licht und weit mehr Rußflocken über dieses ungesuchte Stillleben im fuselschwaugern Raume. Leise schlössen wir die Tür der gräßlichen Dunsthöhle und verschwanden geräuschlos; aber da erschien wie ein Rücher der Ehre seines Hauses der Wirt mit kupferrotem Antlitz und nötigte uns zu bleiben. Vergebne Mühe! Reuig kehrten wir nach Sabrodt zurück. Die lärmende Kinderschar erschien uns nun in einem Glorienschein — und die Belohnung für unsre Bekehrung blieb nicht aus. Denn es fand sich im andern Flügel des Hauses ein nettes ruhiges „besseres Zimmer," ein erquickendes Abend¬ brot und schließlich ein blitzsaubres, gut ausgestattetes Schlafzimmer in der Man¬ sarde. Für den nächsten Morgen war eine Fahrt auf dem Schwieloch geplant. Kahn und Fährmann waren rechtzeitig zur Stelle. Wir fuhren die Spree, hier schon ein tiefes, ansehnliches Gewässer, hinunter, aber ein starker Südwind stand uns entgegen, und je näher wir der Einmündung des Flusses in den See kamen, um so bewegter wurde das Wasser, um so größer die Wellen. Solchem Wetter ist wohl eine hochbordige Segeljacht gewachsen, aber nicht ein flaches Boot wie das unsre. Wir mußten also umkehren, ohne den Schwieloch befahren zu haben. Die Straße von Trebatsch nach Lübben bietet nichts Bemerkenswertes. Lübben selbst aber ist ein uralter, an den mannigfaltigsten geschichtlichen Erinnerungen reicher Ort, einst auch als Sitz der ständische» und später der sächsischen Oberamts- regiernng der Niederlausitz viel wichtiger, als der heutige Umfang des heitern Landstädtchens (7000 Einwohner) vermuten läßt. Das Ratsarchiv ist freilich infolge von Bränden und kriegerischen Verwüstungen arm an ältern Urkunden, dafür aber hat sich ein im Jahre 1384 angelegtes Stadtbuch erhalten. Die Wichtigkeit Lübbens beruhte in alter Zeit darauf, daß es zwischen Sprem- berg und Berlin nur zwei die Seen und die Sümpfe des Spreewalds trennende Landbrücken gab: die vor dem obern Spreewalde liegende von Kottbus und die sich zwischen dem obern und dem untern Spreewalde hindurchziehende von Lübben. Lübben war, wie es scheint, ein bedeuteuder slawischer Handelsplatz, denn schon Thietmar von Merseburg berichtet, im Jahre 1007, als König Heinrich der Zweite in Regensburg Ostern feierte, seien Abgesandte der Lausitzer und insonderheit Boten von der großen Stadt Lübben (a, eivitaw inaFna, I,uibui äiota) gekommen, um ihn Von den Kriegsplänen des Polenherzogs zu benachrichtigen. Später treten auch deutsche Burggrafen von Lübben hervor: ein Lsruai-aus ^Ästsllauusj I^nbususis erscheint unter Friedrich Barbarossa im Gefolge des Wratislaus von Böhmen auf einem Römerzuge, ein va,se>e1lÄuus ^ouannss als I^ndiu seit 1199 unter dem Mark¬ grafen Konrad dem Zweiten. Der älteste Sitz des reichsunmittelbaren, später mark¬ gräflichen Kastellans von Lübben war wohl das südlich von der heutigen Stadt liegende Burglehen, ein noch heute gut erhaltner Rundung von etwa vierhundert¬ fünfzig Metern Umkreis, der sich, von einem dichten Kranze hoher Pappeln und Weiden umwachsen, schou von ferne deutlich von dem Sumpfboden der Spreewiesen abhebt. Von der Landstraße führt nahe bei der Stadt ein Dammweg hinüber zu der Festung, die, einst wohl rings mit Wasser umgeben, jetzt trotz dem eingebauten Gasthause das ehrwürdigste Bauwerk der ganzen Gegend ist. Die deutscheu Bauern, die der Burggraf von Lübben im zwölften oder im dreizehnten Jahrhundert herbei¬ zog, bauten das langgestreckte Dorf Steinkirchen, dessen Gotteshaus als eine der ältesten Feldsteinkirchen der Lausitz gilt; es ist durch Neu- und Anbauten freilich sehr verändert worden, nur der östlichste Teil mit dem Altarraum scheint noch von dem ursprünglichen Bau herzurühren. Aber der Handel und die Festung machten nicht allein die Wichtigkeit Lübbens aus: ein religiöser Kultus kam hinzu. Noch heute wird im Hain zu Lübben eine Grube gezeigt, worin das aus Holz geschnitzte Bild der Fürstin oder Göttin Ljuba gestanden haben soll; jetzt ist die Stelle durch einen großen altarähnlichen Stein gekennzeichnet. Derselbe Name steckt auch in den Dorfraum Groß- und Klein-Lubolz, in Lieberose Luboras, in dem Flu߬ namen Ljubis.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/709>, abgerufen am 02.07.2024.