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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Westfälische Geschichten

öfteren Sitzenbleiben das Gymnasium durch und bezog die Universität. Als er
zum erstenmal ins Kirchdorf kam, das weiß und blan gestickte Stndentenmützchen
über dem gebrannten Haar, das weiß und blaue Band über der Brust, einige
martialisch aussehende Risse und schmisse im Gesicht, liefen die Kinder auf der
Gasse ihm nach: Kiek mal, Clermonts Student ist da. Der Vater schaute strahlend
auf den hochgewachsnen, schlanken, schönen Sohn. Ja, ein stolzer Bursch war er,
und als er am Sonntag in die Kirche trat, blickten ihm die Frauen und Mädchen
nach. Abends in der Wirtsstube saßen sie alle um ihn herum die Honoratioren aus
dem Dorf. Keines sprach ein Wort, der Student erzählte. Was der nicht alles
gesehen hatte und erlebt! Der Clermontwirt rieb sich die Hände und lachte übers
ganze Gesicht: So einen Sohn, wie er, so einen Sohn, der mit Grafensöhnen auf
"du und du" stand, dem die vornehmen Damen in der Stadt alle um die Augen
gingen? . . . Der beste Wein mußte herau: der Clermontwirt traktierte. Einem
solchen Sohne zu Ehren konnte man schon was draufgehn lassen. Und so oft der
Student in die Ferien kam -- die Sache blieb dieselbe. Jahre gingen hin. Wie
viele Semester der Hera schon studiert hatte, was er werden wollte? Der Student
machte ein finstres Gesicht, wenn der Vater auch nnr ganz schüchtern und von
weitem darauf zu reden kam. Geistlich nicht, darauf kannst du Gift nehmen, Alter.
Wird sich finden, wenn es Zeit ist! Daß der Hera Schulden machte? Nun, das
gehörte so mit dazu. Die Grafensöhne und die Barone latens auch. Der Hera
brauchte sich nicht lumpen zu lassen. Der Hera hatte es ja dazu.

So lagen die Sachen, als der Pfeifenfranz mit seiner stillen Dora ins Haus
zog. Der Hera war nicht daheim. Der Hausplatz, den der reiche Mann suchte,
war bald gefunden: das Grundstück des Sonntagsbauern, eines Herbstgeselleu, der
eben, ohne direkte Erben zu hinterlassen, gestorben war. Das alte baufällige Haus,
das ein großer verwilderter Garten und ein Hofraum umgaben, wurde nieder¬
gerissen. Die Fundamente wurden gelegt, und der Bau des neuen Hauses begann
nach einem Plane, den der Pfeifenfranz selbst gemacht hatte. Der stand den
ganzen Tag auf der Baustelle und leitete die Arbeit. Beim Clermontwirt ar¬
beitete unterdes des reichen Mannes Tochter im Haus, als ob es ihr Eigentum
wäre. Die Haushälterin hatte gute Tage. Sie ließ sichs gefallen: Wenn sie so
närrisch ist und sich totplagen will, die junge Person, für nichts und wieder "indes,
mir solls recht sein.

Der stille Jochen und die stille Dora! Wie sie zusammen gingen, wie sie
einander in die Hände arbeiteten. Eines wußte immer, was das andre wollte,
ohne daß sie sichs gesagt hätten. Sie sprachen wenig miteinander. Die beiden
Stillen, sagten die Leute im Dorf. Die Dora, das wär ne Frau für den Jochen.
Der Clermontwirt schmunzelte, wenn er es hörte: Ja, das war ne Frau für das
Clermontwirtshaus. Abends, wenn der Pfeifenfranz die Honoratioren des Dorfs
und der Umgegend um sich versammelte und traktierte, dann saß die Dora im
Hinterstübchen und flickte Wäsche, stopfte die zerrissenen Strümpfe des Clermont-
wirts und seiner Söhne. Der Jochen, der die Gäste bedienen mußte, ging ab
und zu. Was du fleißig bist, Dora. Arbeiten, wenn mans nicht nötig hat? Die
Weibsleut hier im Dorf, die tenens nicht. Sie nickte: Jung gelernt, alt getan.
Meine Mutter mußt du loben. Und dann? Was hätt mau auch, wenn man nicht
arbeiten könnt?

Der Neubau war schon hübsch aus der Erde heraus. Die Leute im Dorf
konnten sich nicht genug wundern, was für ein Schloß er sich baue, der Pfeifen¬
franz. Da kam der Student nach Hause. Er rümpfte die Nase, als der Vater
ihm von den Reichtümern des Amerikaners erzählte, dessen einzige Tochter die
reichste Erbin im Lande sei. Ein Protz, Vater! Die goldne Kette, der Bratenrock,
das rotseidne Halstuch. Wie der Kerl aufschneidet! Der Hausierkasten klebt noch
an seinem Rücken, die Hacke an seiner Hand. Ein unmöglicher Kerl. Die Tochter
ist wenigstens so verständig, daß sie einsieht, wohin sie gehört: in die Küche.


Westfälische Geschichten

öfteren Sitzenbleiben das Gymnasium durch und bezog die Universität. Als er
zum erstenmal ins Kirchdorf kam, das weiß und blan gestickte Stndentenmützchen
über dem gebrannten Haar, das weiß und blaue Band über der Brust, einige
martialisch aussehende Risse und schmisse im Gesicht, liefen die Kinder auf der
Gasse ihm nach: Kiek mal, Clermonts Student ist da. Der Vater schaute strahlend
auf den hochgewachsnen, schlanken, schönen Sohn. Ja, ein stolzer Bursch war er,
und als er am Sonntag in die Kirche trat, blickten ihm die Frauen und Mädchen
nach. Abends in der Wirtsstube saßen sie alle um ihn herum die Honoratioren aus
dem Dorf. Keines sprach ein Wort, der Student erzählte. Was der nicht alles
gesehen hatte und erlebt! Der Clermontwirt rieb sich die Hände und lachte übers
ganze Gesicht: So einen Sohn, wie er, so einen Sohn, der mit Grafensöhnen auf
„du und du" stand, dem die vornehmen Damen in der Stadt alle um die Augen
gingen? . . . Der beste Wein mußte herau: der Clermontwirt traktierte. Einem
solchen Sohne zu Ehren konnte man schon was draufgehn lassen. Und so oft der
Student in die Ferien kam — die Sache blieb dieselbe. Jahre gingen hin. Wie
viele Semester der Hera schon studiert hatte, was er werden wollte? Der Student
machte ein finstres Gesicht, wenn der Vater auch nnr ganz schüchtern und von
weitem darauf zu reden kam. Geistlich nicht, darauf kannst du Gift nehmen, Alter.
Wird sich finden, wenn es Zeit ist! Daß der Hera Schulden machte? Nun, das
gehörte so mit dazu. Die Grafensöhne und die Barone latens auch. Der Hera
brauchte sich nicht lumpen zu lassen. Der Hera hatte es ja dazu.

So lagen die Sachen, als der Pfeifenfranz mit seiner stillen Dora ins Haus
zog. Der Hera war nicht daheim. Der Hausplatz, den der reiche Mann suchte,
war bald gefunden: das Grundstück des Sonntagsbauern, eines Herbstgeselleu, der
eben, ohne direkte Erben zu hinterlassen, gestorben war. Das alte baufällige Haus,
das ein großer verwilderter Garten und ein Hofraum umgaben, wurde nieder¬
gerissen. Die Fundamente wurden gelegt, und der Bau des neuen Hauses begann
nach einem Plane, den der Pfeifenfranz selbst gemacht hatte. Der stand den
ganzen Tag auf der Baustelle und leitete die Arbeit. Beim Clermontwirt ar¬
beitete unterdes des reichen Mannes Tochter im Haus, als ob es ihr Eigentum
wäre. Die Haushälterin hatte gute Tage. Sie ließ sichs gefallen: Wenn sie so
närrisch ist und sich totplagen will, die junge Person, für nichts und wieder «indes,
mir solls recht sein.

Der stille Jochen und die stille Dora! Wie sie zusammen gingen, wie sie
einander in die Hände arbeiteten. Eines wußte immer, was das andre wollte,
ohne daß sie sichs gesagt hätten. Sie sprachen wenig miteinander. Die beiden
Stillen, sagten die Leute im Dorf. Die Dora, das wär ne Frau für den Jochen.
Der Clermontwirt schmunzelte, wenn er es hörte: Ja, das war ne Frau für das
Clermontwirtshaus. Abends, wenn der Pfeifenfranz die Honoratioren des Dorfs
und der Umgegend um sich versammelte und traktierte, dann saß die Dora im
Hinterstübchen und flickte Wäsche, stopfte die zerrissenen Strümpfe des Clermont-
wirts und seiner Söhne. Der Jochen, der die Gäste bedienen mußte, ging ab
und zu. Was du fleißig bist, Dora. Arbeiten, wenn mans nicht nötig hat? Die
Weibsleut hier im Dorf, die tenens nicht. Sie nickte: Jung gelernt, alt getan.
Meine Mutter mußt du loben. Und dann? Was hätt mau auch, wenn man nicht
arbeiten könnt?

Der Neubau war schon hübsch aus der Erde heraus. Die Leute im Dorf
konnten sich nicht genug wundern, was für ein Schloß er sich baue, der Pfeifen¬
franz. Da kam der Student nach Hause. Er rümpfte die Nase, als der Vater
ihm von den Reichtümern des Amerikaners erzählte, dessen einzige Tochter die
reichste Erbin im Lande sei. Ein Protz, Vater! Die goldne Kette, der Bratenrock,
das rotseidne Halstuch. Wie der Kerl aufschneidet! Der Hausierkasten klebt noch
an seinem Rücken, die Hacke an seiner Hand. Ein unmöglicher Kerl. Die Tochter
ist wenigstens so verständig, daß sie einsieht, wohin sie gehört: in die Küche.


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[0052] Westfälische Geschichten öfteren Sitzenbleiben das Gymnasium durch und bezog die Universität. Als er zum erstenmal ins Kirchdorf kam, das weiß und blan gestickte Stndentenmützchen über dem gebrannten Haar, das weiß und blaue Band über der Brust, einige martialisch aussehende Risse und schmisse im Gesicht, liefen die Kinder auf der Gasse ihm nach: Kiek mal, Clermonts Student ist da. Der Vater schaute strahlend auf den hochgewachsnen, schlanken, schönen Sohn. Ja, ein stolzer Bursch war er, und als er am Sonntag in die Kirche trat, blickten ihm die Frauen und Mädchen nach. Abends in der Wirtsstube saßen sie alle um ihn herum die Honoratioren aus dem Dorf. Keines sprach ein Wort, der Student erzählte. Was der nicht alles gesehen hatte und erlebt! Der Clermontwirt rieb sich die Hände und lachte übers ganze Gesicht: So einen Sohn, wie er, so einen Sohn, der mit Grafensöhnen auf „du und du" stand, dem die vornehmen Damen in der Stadt alle um die Augen gingen? . . . Der beste Wein mußte herau: der Clermontwirt traktierte. Einem solchen Sohne zu Ehren konnte man schon was draufgehn lassen. Und so oft der Student in die Ferien kam — die Sache blieb dieselbe. Jahre gingen hin. Wie viele Semester der Hera schon studiert hatte, was er werden wollte? Der Student machte ein finstres Gesicht, wenn der Vater auch nnr ganz schüchtern und von weitem darauf zu reden kam. Geistlich nicht, darauf kannst du Gift nehmen, Alter. Wird sich finden, wenn es Zeit ist! Daß der Hera Schulden machte? Nun, das gehörte so mit dazu. Die Grafensöhne und die Barone latens auch. Der Hera brauchte sich nicht lumpen zu lassen. Der Hera hatte es ja dazu. So lagen die Sachen, als der Pfeifenfranz mit seiner stillen Dora ins Haus zog. Der Hera war nicht daheim. Der Hausplatz, den der reiche Mann suchte, war bald gefunden: das Grundstück des Sonntagsbauern, eines Herbstgeselleu, der eben, ohne direkte Erben zu hinterlassen, gestorben war. Das alte baufällige Haus, das ein großer verwilderter Garten und ein Hofraum umgaben, wurde nieder¬ gerissen. Die Fundamente wurden gelegt, und der Bau des neuen Hauses begann nach einem Plane, den der Pfeifenfranz selbst gemacht hatte. Der stand den ganzen Tag auf der Baustelle und leitete die Arbeit. Beim Clermontwirt ar¬ beitete unterdes des reichen Mannes Tochter im Haus, als ob es ihr Eigentum wäre. Die Haushälterin hatte gute Tage. Sie ließ sichs gefallen: Wenn sie so närrisch ist und sich totplagen will, die junge Person, für nichts und wieder «indes, mir solls recht sein. Der stille Jochen und die stille Dora! Wie sie zusammen gingen, wie sie einander in die Hände arbeiteten. Eines wußte immer, was das andre wollte, ohne daß sie sichs gesagt hätten. Sie sprachen wenig miteinander. Die beiden Stillen, sagten die Leute im Dorf. Die Dora, das wär ne Frau für den Jochen. Der Clermontwirt schmunzelte, wenn er es hörte: Ja, das war ne Frau für das Clermontwirtshaus. Abends, wenn der Pfeifenfranz die Honoratioren des Dorfs und der Umgegend um sich versammelte und traktierte, dann saß die Dora im Hinterstübchen und flickte Wäsche, stopfte die zerrissenen Strümpfe des Clermont- wirts und seiner Söhne. Der Jochen, der die Gäste bedienen mußte, ging ab und zu. Was du fleißig bist, Dora. Arbeiten, wenn mans nicht nötig hat? Die Weibsleut hier im Dorf, die tenens nicht. Sie nickte: Jung gelernt, alt getan. Meine Mutter mußt du loben. Und dann? Was hätt mau auch, wenn man nicht arbeiten könnt? Der Neubau war schon hübsch aus der Erde heraus. Die Leute im Dorf konnten sich nicht genug wundern, was für ein Schloß er sich baue, der Pfeifen¬ franz. Da kam der Student nach Hause. Er rümpfte die Nase, als der Vater ihm von den Reichtümern des Amerikaners erzählte, dessen einzige Tochter die reichste Erbin im Lande sei. Ein Protz, Vater! Die goldne Kette, der Bratenrock, das rotseidne Halstuch. Wie der Kerl aufschneidet! Der Hausierkasten klebt noch an seinem Rücken, die Hacke an seiner Hand. Ein unmöglicher Kerl. Die Tochter ist wenigstens so verständig, daß sie einsieht, wohin sie gehört: in die Küche.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/52>, abgerufen am 04.07.2024.