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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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westfälische Geschichten

Mannes Tochter, eine Dame bist! -- Soll ich nicht arbeiten, wie die Mutter ge¬
arbeitet hat? meinte das Mädchen.

Der Pfeifenfranz zog das rotseidne Taschentuch aus der Tasche und fuhr sich
damit zu den Augen. Wenn einer von seiner Frau sprach, dann wurde er weich.
Er ließ die Tochter gewähren.

Der Clermontwirt hatte eine Goldgrube an seinem Geschäft. Es war die
einzige Wirtschaft im Kirchdorf, das am Fluß, dicht am Walde lag und auch die
Leute aus der Stadt gar oft zu Besuchen lockte. Der Clermontwirt but, er braute
selbst sein Bier und hatte eine Branntweinbrennerei. Sein echter Korn war be¬
rühmt in der ganzen Gegend. Er verstand es, seine Sache zu führe". Er besaß
Garten, Wiese, Feld und Wald, und sein Kapitalvermögen war in sichern Hypo¬
theken zu guten Zinsen angelegt. Er war ein reicher Mann. Wie hatte er aber
auch gearbeitet, gesorgt und sich geplagt. Zu viel ists für einen Herrn, sagte er
oft in sich. Wenn meine beiden Söhne es einmal gemeinschaftlich erben und ge¬
deihlich weiter führen möchten! Das war sein liebster Wunsch. Und es wird sich
Wohl schicken. Jochen, der älteste, sieht dem Hera nach den Augen, tut alles, was
der Jüngere angibt. Und der Hera? Der Clermontwirt lachte in sich hinein.
Der Hera kann alles, was er will. Das sagt auch der Lehrer. Der Jochen ist
ein Stubenhocker, sitzt gern über den Büchern, ein stiller Junge, aber im Hause
auf dem Fleck: hab schon ordentlich Hilfe an ihm. So solls sein: er arbeitet, sieht
überall nach dem Rechten, wirtschaftet und der Hera führt die Oberaufsicht, gibt
an. So bleibt alles in Ordnung.

Der Clermontwirt hatte seine Rechnung ohne den Wirt gemacht. Eines Tags
kam der Lehrer zu ihm: Hab Euch ein Wörtchen zu sagen, Clermontwirt. Den
Jochen, Euern Ältesten, den laßt studieren. Er hat einen klugen Kopf, ist ein
ernster und sinniger Junge: geistlich werden will er. Er hat mich gebeten,
daß ich ihm bei Euch das Wort reden soll. Ich sag Euch: Tut ihm seinen Willen.
Da sitzt ein Geistlicher drin nach dem Herzen Gottes. Jochen kam und bestätigte,
was der Lehrer gesagt hatte. Er bat: Laßt mich studieren und geistlich werden.

Der Wirt hatte nie daran gedacht. Aber wenn er es sich recht überlegte,
der Hera, sollte der nicht können, was der Vater gekonnt hatte: die Wirtschaft
allein leiten und führen? Eigentlich wärs ja ein Glück, wenn der Jochen studierte.
Dann gabs keinen Streit um Mein und Dein. Ob zwei sich recht vertragen, wenn
sie gemeinschaftlich Hausen und verdienen sollen, wer kann das wissen? Und
dann -- der Jochen, ein geistlicher Herr! Die ganze Familie könnt stolz sein
drauf. Läßt sich hören, Herr Lehrer, sagte er. Mein Hera muß die Sache dann
allein übernehmen, wenn ich tot bin. Mein Hera kaun alles, was er will. Ja --
aber hier wollte er nicht. Der Junge, der Jochen? In die Stadt soll er?
Studieren? Ich, ich soll hier sitzen bleiben, versäuern auf dem Lande?

Nie hatte der Hera daran gedacht, daß er studieren "volle, er haßte das
Lernen, nun, da der Jochen studieren wollte, nun mußte es der Hera. Der
Clermontwirt ging im Hause herum wie ein geschlagner Mann: Eine Goldgrube
hab ich an meinem Geschäft, hab zwei Söhne, und keiner von ihnen will sie erben,
die Goldgrube! studieren wollen sie, beide studieren! Das Essen schmeckte ihm
nicht mehr, er konnte in der Nacht nicht mehr schlafen, er bekam graue Haare.
Das ging dem Jochen ans Herz. Vater, sagte er eines Tags, seid zufrieden, ich
hab mir die Sache überlegt: ich bleib bei Euch. Laßt den Hera studieren!

Schneider und Schuster bekamen zu tun. Der Hera wurde herausstaffiert wie
ein Grafenkind und kam in die Stadt aufs Gymnasium. Der Jochen kam aus
der Schule heraus und half dem Vater in der Wirtschaft. Überall griff er an,
überall machte ers recht. Es war, als sei es die Leidenschaft seines Lebens, so
zu wirtschaften und Geld zu verdienen. Der Vater konnte sich auf ihn wie auf
sich selbst verlassen. Wenig Jahre, und die ganze Wirtschaft ruhte auf den jungen
Schultern des blassen stillen Jochen. Der Hera machte mit Ach und Krach und


westfälische Geschichten

Mannes Tochter, eine Dame bist! — Soll ich nicht arbeiten, wie die Mutter ge¬
arbeitet hat? meinte das Mädchen.

Der Pfeifenfranz zog das rotseidne Taschentuch aus der Tasche und fuhr sich
damit zu den Augen. Wenn einer von seiner Frau sprach, dann wurde er weich.
Er ließ die Tochter gewähren.

Der Clermontwirt hatte eine Goldgrube an seinem Geschäft. Es war die
einzige Wirtschaft im Kirchdorf, das am Fluß, dicht am Walde lag und auch die
Leute aus der Stadt gar oft zu Besuchen lockte. Der Clermontwirt but, er braute
selbst sein Bier und hatte eine Branntweinbrennerei. Sein echter Korn war be¬
rühmt in der ganzen Gegend. Er verstand es, seine Sache zu führe». Er besaß
Garten, Wiese, Feld und Wald, und sein Kapitalvermögen war in sichern Hypo¬
theken zu guten Zinsen angelegt. Er war ein reicher Mann. Wie hatte er aber
auch gearbeitet, gesorgt und sich geplagt. Zu viel ists für einen Herrn, sagte er
oft in sich. Wenn meine beiden Söhne es einmal gemeinschaftlich erben und ge¬
deihlich weiter führen möchten! Das war sein liebster Wunsch. Und es wird sich
Wohl schicken. Jochen, der älteste, sieht dem Hera nach den Augen, tut alles, was
der Jüngere angibt. Und der Hera? Der Clermontwirt lachte in sich hinein.
Der Hera kann alles, was er will. Das sagt auch der Lehrer. Der Jochen ist
ein Stubenhocker, sitzt gern über den Büchern, ein stiller Junge, aber im Hause
auf dem Fleck: hab schon ordentlich Hilfe an ihm. So solls sein: er arbeitet, sieht
überall nach dem Rechten, wirtschaftet und der Hera führt die Oberaufsicht, gibt
an. So bleibt alles in Ordnung.

Der Clermontwirt hatte seine Rechnung ohne den Wirt gemacht. Eines Tags
kam der Lehrer zu ihm: Hab Euch ein Wörtchen zu sagen, Clermontwirt. Den
Jochen, Euern Ältesten, den laßt studieren. Er hat einen klugen Kopf, ist ein
ernster und sinniger Junge: geistlich werden will er. Er hat mich gebeten,
daß ich ihm bei Euch das Wort reden soll. Ich sag Euch: Tut ihm seinen Willen.
Da sitzt ein Geistlicher drin nach dem Herzen Gottes. Jochen kam und bestätigte,
was der Lehrer gesagt hatte. Er bat: Laßt mich studieren und geistlich werden.

Der Wirt hatte nie daran gedacht. Aber wenn er es sich recht überlegte,
der Hera, sollte der nicht können, was der Vater gekonnt hatte: die Wirtschaft
allein leiten und führen? Eigentlich wärs ja ein Glück, wenn der Jochen studierte.
Dann gabs keinen Streit um Mein und Dein. Ob zwei sich recht vertragen, wenn
sie gemeinschaftlich Hausen und verdienen sollen, wer kann das wissen? Und
dann — der Jochen, ein geistlicher Herr! Die ganze Familie könnt stolz sein
drauf. Läßt sich hören, Herr Lehrer, sagte er. Mein Hera muß die Sache dann
allein übernehmen, wenn ich tot bin. Mein Hera kaun alles, was er will. Ja —
aber hier wollte er nicht. Der Junge, der Jochen? In die Stadt soll er?
Studieren? Ich, ich soll hier sitzen bleiben, versäuern auf dem Lande?

Nie hatte der Hera daran gedacht, daß er studieren »volle, er haßte das
Lernen, nun, da der Jochen studieren wollte, nun mußte es der Hera. Der
Clermontwirt ging im Hause herum wie ein geschlagner Mann: Eine Goldgrube
hab ich an meinem Geschäft, hab zwei Söhne, und keiner von ihnen will sie erben,
die Goldgrube! studieren wollen sie, beide studieren! Das Essen schmeckte ihm
nicht mehr, er konnte in der Nacht nicht mehr schlafen, er bekam graue Haare.
Das ging dem Jochen ans Herz. Vater, sagte er eines Tags, seid zufrieden, ich
hab mir die Sache überlegt: ich bleib bei Euch. Laßt den Hera studieren!

Schneider und Schuster bekamen zu tun. Der Hera wurde herausstaffiert wie
ein Grafenkind und kam in die Stadt aufs Gymnasium. Der Jochen kam aus
der Schule heraus und half dem Vater in der Wirtschaft. Überall griff er an,
überall machte ers recht. Es war, als sei es die Leidenschaft seines Lebens, so
zu wirtschaften und Geld zu verdienen. Der Vater konnte sich auf ihn wie auf
sich selbst verlassen. Wenig Jahre, und die ganze Wirtschaft ruhte auf den jungen
Schultern des blassen stillen Jochen. Der Hera machte mit Ach und Krach und


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[0051] westfälische Geschichten Mannes Tochter, eine Dame bist! — Soll ich nicht arbeiten, wie die Mutter ge¬ arbeitet hat? meinte das Mädchen. Der Pfeifenfranz zog das rotseidne Taschentuch aus der Tasche und fuhr sich damit zu den Augen. Wenn einer von seiner Frau sprach, dann wurde er weich. Er ließ die Tochter gewähren. Der Clermontwirt hatte eine Goldgrube an seinem Geschäft. Es war die einzige Wirtschaft im Kirchdorf, das am Fluß, dicht am Walde lag und auch die Leute aus der Stadt gar oft zu Besuchen lockte. Der Clermontwirt but, er braute selbst sein Bier und hatte eine Branntweinbrennerei. Sein echter Korn war be¬ rühmt in der ganzen Gegend. Er verstand es, seine Sache zu führe». Er besaß Garten, Wiese, Feld und Wald, und sein Kapitalvermögen war in sichern Hypo¬ theken zu guten Zinsen angelegt. Er war ein reicher Mann. Wie hatte er aber auch gearbeitet, gesorgt und sich geplagt. Zu viel ists für einen Herrn, sagte er oft in sich. Wenn meine beiden Söhne es einmal gemeinschaftlich erben und ge¬ deihlich weiter führen möchten! Das war sein liebster Wunsch. Und es wird sich Wohl schicken. Jochen, der älteste, sieht dem Hera nach den Augen, tut alles, was der Jüngere angibt. Und der Hera? Der Clermontwirt lachte in sich hinein. Der Hera kann alles, was er will. Das sagt auch der Lehrer. Der Jochen ist ein Stubenhocker, sitzt gern über den Büchern, ein stiller Junge, aber im Hause auf dem Fleck: hab schon ordentlich Hilfe an ihm. So solls sein: er arbeitet, sieht überall nach dem Rechten, wirtschaftet und der Hera führt die Oberaufsicht, gibt an. So bleibt alles in Ordnung. Der Clermontwirt hatte seine Rechnung ohne den Wirt gemacht. Eines Tags kam der Lehrer zu ihm: Hab Euch ein Wörtchen zu sagen, Clermontwirt. Den Jochen, Euern Ältesten, den laßt studieren. Er hat einen klugen Kopf, ist ein ernster und sinniger Junge: geistlich werden will er. Er hat mich gebeten, daß ich ihm bei Euch das Wort reden soll. Ich sag Euch: Tut ihm seinen Willen. Da sitzt ein Geistlicher drin nach dem Herzen Gottes. Jochen kam und bestätigte, was der Lehrer gesagt hatte. Er bat: Laßt mich studieren und geistlich werden. Der Wirt hatte nie daran gedacht. Aber wenn er es sich recht überlegte, der Hera, sollte der nicht können, was der Vater gekonnt hatte: die Wirtschaft allein leiten und führen? Eigentlich wärs ja ein Glück, wenn der Jochen studierte. Dann gabs keinen Streit um Mein und Dein. Ob zwei sich recht vertragen, wenn sie gemeinschaftlich Hausen und verdienen sollen, wer kann das wissen? Und dann — der Jochen, ein geistlicher Herr! Die ganze Familie könnt stolz sein drauf. Läßt sich hören, Herr Lehrer, sagte er. Mein Hera muß die Sache dann allein übernehmen, wenn ich tot bin. Mein Hera kaun alles, was er will. Ja — aber hier wollte er nicht. Der Junge, der Jochen? In die Stadt soll er? Studieren? Ich, ich soll hier sitzen bleiben, versäuern auf dem Lande? Nie hatte der Hera daran gedacht, daß er studieren »volle, er haßte das Lernen, nun, da der Jochen studieren wollte, nun mußte es der Hera. Der Clermontwirt ging im Hause herum wie ein geschlagner Mann: Eine Goldgrube hab ich an meinem Geschäft, hab zwei Söhne, und keiner von ihnen will sie erben, die Goldgrube! studieren wollen sie, beide studieren! Das Essen schmeckte ihm nicht mehr, er konnte in der Nacht nicht mehr schlafen, er bekam graue Haare. Das ging dem Jochen ans Herz. Vater, sagte er eines Tags, seid zufrieden, ich hab mir die Sache überlegt: ich bleib bei Euch. Laßt den Hera studieren! Schneider und Schuster bekamen zu tun. Der Hera wurde herausstaffiert wie ein Grafenkind und kam in die Stadt aufs Gymnasium. Der Jochen kam aus der Schule heraus und half dem Vater in der Wirtschaft. Überall griff er an, überall machte ers recht. Es war, als sei es die Leidenschaft seines Lebens, so zu wirtschaften und Geld zu verdienen. Der Vater konnte sich auf ihn wie auf sich selbst verlassen. Wenig Jahre, und die ganze Wirtschaft ruhte auf den jungen Schultern des blassen stillen Jochen. Der Hera machte mit Ach und Krach und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/51>, abgerufen am 25.07.2024.