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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

möglichst gravitätisch ihres Amtes zu warten! aber Jungvieh hat nicht Tugend,
bald geriet die ganze Herde in Trab, und so blieb ihr denn nichts übrig, als
eilig und sorgenvoll hinter den hüpfenden Lämmern und den meckernden Zicklein
herzutrippelu.

Von Fünfeichen gelangten wir nach dem auf einer öden Hochfläche gelegnen
Bremsdorf, Die mit Kiefern oder Heidekraut besetzten Sandwelleu dieses Geländes
erhalten wenigstens etwas Leben und Stimmung durch deu massenhaft vorkommenden
sonstigen Wacholder, dos geheimnisvolle Räucherkraut der deutsche" Waldbauern.
Man findet ihn in den verschiedensten Formen und Stellungen. Hier marschiert
er in der Längsfront eines Kiefernwaldes auf wie eine Reihe Rekruten, dort steht
er in schwermütiger Gruppe wie die Zypressen eines untergegangnen Kirchhofs, dort
wieder erhebt sich ein Niesenbusch davon vereinzelt als Pyramide, voll von italischen
Pathos. Hinter dem Dorfe senkt sich die Straße zu der an deu Trebbelseen ge¬
legnen Bremsdvrfer Mühle hinunter -- und hier ändert sich zu unsrer Freude
der Charakter der Landschaft. Der dürre kiesige Boden der rauhen Höhen macht
einem weichen, tiefgehenden Sande Platz, den die weit hineindringenden Wässer
der Schlaube befruchten. Die Schlaube, das alte Grcuzwasser zwischen der Mark
Brandenburg und der Lausitz, entspringt etwa noch sieben Kilometer südwärts in
tiefster Waldeinsamkeit und bildet bei der Schlnubcmühle ihren ersten See; daun
^'scheint sie in ihrem langsamen tiefgründigen Zuge in dem engen Waldtale vor
der Bremsdorfer Mühle, stürzt leise rauschend über das feuchtbranne, grünmoosige
hnlbvcrfallne Räderwerk hinweg und verliert sich geheimnisvoll in dein kleinen
Trebbelsee, der sich jenseits der Straße in dem fast eine Stunde langen großen
Trebbelsee'fortsetzt. Hier ist ein wonniges Fleckchen Erde, das auch von deu Ein¬
wohnern im meilenweiten Umkreise wie ein noch uuentdecktes Kleinod geschätzt wird.
Hier gedeiht längs der Schlaube ein starkstämmiger, sich nach oben wundersam ver¬
ästelnder Kiefernwald, der seine rotbraunen Arme wie das Geweih von Riesen¬
hirschen zum blauen Himmel emporstreckt. hier gibt es aber auch große Bestände
Ichlnnler Rotbuchen, deren schwanke Unter über den Schlangenbändiger Stämmen
Frühlingssymphvnieu wogen, zu ihren Füßen blühen Himmelschlüssel. Anemonen
""d Leberblümchen. Die Seen und die Bäche dieser Gegend waren einst em
Revier des geheimnisvollen Bibers, dessen kostbares Fell die geistlichen Herren
von Neuzelle wohl zu schätzen wußten! der Biberfang an der Schlaube wird in
""er Urkunde des Jahres 1370 ausdrücklich unter den Gerechtigkeiten des Klosters
"wähnt. Jetzt ist das kostbare Pelztier längst von den Ufern der Schlaube ver¬
schwunden, aber der gewaltige Hirsch kommt dort noch immer zur Tränke und das
den Ufern der Seen und des Bachs faulende Laub durchwühlt das dnnkcl-
b"rstige Wildschwein. Hier ist wirklich noch ein Stück der alte,: Lausitzer Romantik
ehalten. Und nnn erst die Mühle selbst! Ein altertümlicher, traulicher Fachwerkbau
'"it unbewußte". Verständnis gerade passend in die Wald- und Wasserwelt hmem-
aeschniiegt. und doch auch für Verwöhntere mit einem modernen Logierhaus aus¬
rottet und so weit von der Kultur beleckt, als es für das Behngeu des Mau¬
rers gut ist: zu Mittag auf dem Tisch ein praller, eben gefangner Hecht mit
Sprecwaldsauee danach ein aromatischer Kaffee mit tadelloser Sandtorte kredenzt
der Schwester des Müllers, deren Augen ausschauen wie die der Lindenw.re.in
N"es den. Essen schlenderten wir in tiefster Einsamkeit längs des Gestades des
M'ßerr Sees nordwärts. Zwei mächtige Fischadler erhoben sich von der Wasser¬
fläche ,,"d ^schwanden über den Baumwipfeln einer kreisrunden, amphitheatral.sah
""fsteigeudeu Talschlucht, die sich nur nach dem heitern See hin öffnet; d.e
^terzieuser. die hierher zum Fischfang oder zur Jagd kamen haben sie den
"Himmel" genannt! ein zweiter tratcrartiger "ut hohen BuclM bes andrer Kessel
Ufer, der ans seine". Grunde el" schwarzes, mooriges Wasierbeckeu e" halt.
h"ße die .Hölle"! i" der Tat wäre dieser Trichter der rechte Ort. Dantes J"fer"o
z" lesen -- die Erscheinung des Virgilius, deu die Neuzeller Mouche sicherlich in


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möglichst gravitätisch ihres Amtes zu warten! aber Jungvieh hat nicht Tugend,
bald geriet die ganze Herde in Trab, und so blieb ihr denn nichts übrig, als
eilig und sorgenvoll hinter den hüpfenden Lämmern und den meckernden Zicklein
herzutrippelu.

Von Fünfeichen gelangten wir nach dem auf einer öden Hochfläche gelegnen
Bremsdorf, Die mit Kiefern oder Heidekraut besetzten Sandwelleu dieses Geländes
erhalten wenigstens etwas Leben und Stimmung durch deu massenhaft vorkommenden
sonstigen Wacholder, dos geheimnisvolle Räucherkraut der deutsche» Waldbauern.
Man findet ihn in den verschiedensten Formen und Stellungen. Hier marschiert
er in der Längsfront eines Kiefernwaldes auf wie eine Reihe Rekruten, dort steht
er in schwermütiger Gruppe wie die Zypressen eines untergegangnen Kirchhofs, dort
wieder erhebt sich ein Niesenbusch davon vereinzelt als Pyramide, voll von italischen
Pathos. Hinter dem Dorfe senkt sich die Straße zu der an deu Trebbelseen ge¬
legnen Bremsdvrfer Mühle hinunter — und hier ändert sich zu unsrer Freude
der Charakter der Landschaft. Der dürre kiesige Boden der rauhen Höhen macht
einem weichen, tiefgehenden Sande Platz, den die weit hineindringenden Wässer
der Schlaube befruchten. Die Schlaube, das alte Grcuzwasser zwischen der Mark
Brandenburg und der Lausitz, entspringt etwa noch sieben Kilometer südwärts in
tiefster Waldeinsamkeit und bildet bei der Schlnubcmühle ihren ersten See; daun
^'scheint sie in ihrem langsamen tiefgründigen Zuge in dem engen Waldtale vor
der Bremsdorfer Mühle, stürzt leise rauschend über das feuchtbranne, grünmoosige
hnlbvcrfallne Räderwerk hinweg und verliert sich geheimnisvoll in dein kleinen
Trebbelsee, der sich jenseits der Straße in dem fast eine Stunde langen großen
Trebbelsee'fortsetzt. Hier ist ein wonniges Fleckchen Erde, das auch von deu Ein¬
wohnern im meilenweiten Umkreise wie ein noch uuentdecktes Kleinod geschätzt wird.
Hier gedeiht längs der Schlaube ein starkstämmiger, sich nach oben wundersam ver¬
ästelnder Kiefernwald, der seine rotbraunen Arme wie das Geweih von Riesen¬
hirschen zum blauen Himmel emporstreckt. hier gibt es aber auch große Bestände
Ichlnnler Rotbuchen, deren schwanke Unter über den Schlangenbändiger Stämmen
Frühlingssymphvnieu wogen, zu ihren Füßen blühen Himmelschlüssel. Anemonen
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Revier des geheimnisvollen Bibers, dessen kostbares Fell die geistlichen Herren
von Neuzelle wohl zu schätzen wußten! der Biberfang an der Schlaube wird in
""er Urkunde des Jahres 1370 ausdrücklich unter den Gerechtigkeiten des Klosters
"wähnt. Jetzt ist das kostbare Pelztier längst von den Ufern der Schlaube ver¬
schwunden, aber der gewaltige Hirsch kommt dort noch immer zur Tränke und das
den Ufern der Seen und des Bachs faulende Laub durchwühlt das dnnkcl-
b»rstige Wildschwein. Hier ist wirklich noch ein Stück der alte,: Lausitzer Romantik
ehalten. Und nnn erst die Mühle selbst! Ein altertümlicher, traulicher Fachwerkbau
'"it unbewußte». Verständnis gerade passend in die Wald- und Wasserwelt hmem-
aeschniiegt. und doch auch für Verwöhntere mit einem modernen Logierhaus aus¬
rottet und so weit von der Kultur beleckt, als es für das Behngeu des Mau¬
rers gut ist: zu Mittag auf dem Tisch ein praller, eben gefangner Hecht mit
Sprecwaldsauee danach ein aromatischer Kaffee mit tadelloser Sandtorte kredenzt
der Schwester des Müllers, deren Augen ausschauen wie die der Lindenw.re.in
N"es den. Essen schlenderten wir in tiefster Einsamkeit längs des Gestades des
M'ßerr Sees nordwärts. Zwei mächtige Fischadler erhoben sich von der Wasser¬
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"Himmel" genannt! ein zweiter tratcrartiger »ut hohen BuclM bes andrer Kessel
Ufer, der ans seine». Grunde el» schwarzes, mooriges Wasierbeckeu e» halt.
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[0475] Wanderungen in der Niederlausitz möglichst gravitätisch ihres Amtes zu warten! aber Jungvieh hat nicht Tugend, bald geriet die ganze Herde in Trab, und so blieb ihr denn nichts übrig, als eilig und sorgenvoll hinter den hüpfenden Lämmern und den meckernden Zicklein herzutrippelu. Von Fünfeichen gelangten wir nach dem auf einer öden Hochfläche gelegnen Bremsdorf, Die mit Kiefern oder Heidekraut besetzten Sandwelleu dieses Geländes erhalten wenigstens etwas Leben und Stimmung durch deu massenhaft vorkommenden sonstigen Wacholder, dos geheimnisvolle Räucherkraut der deutsche» Waldbauern. Man findet ihn in den verschiedensten Formen und Stellungen. Hier marschiert er in der Längsfront eines Kiefernwaldes auf wie eine Reihe Rekruten, dort steht er in schwermütiger Gruppe wie die Zypressen eines untergegangnen Kirchhofs, dort wieder erhebt sich ein Niesenbusch davon vereinzelt als Pyramide, voll von italischen Pathos. Hinter dem Dorfe senkt sich die Straße zu der an deu Trebbelseen ge¬ legnen Bremsdvrfer Mühle hinunter — und hier ändert sich zu unsrer Freude der Charakter der Landschaft. Der dürre kiesige Boden der rauhen Höhen macht einem weichen, tiefgehenden Sande Platz, den die weit hineindringenden Wässer der Schlaube befruchten. Die Schlaube, das alte Grcuzwasser zwischen der Mark Brandenburg und der Lausitz, entspringt etwa noch sieben Kilometer südwärts in tiefster Waldeinsamkeit und bildet bei der Schlnubcmühle ihren ersten See; daun ^'scheint sie in ihrem langsamen tiefgründigen Zuge in dem engen Waldtale vor der Bremsdorfer Mühle, stürzt leise rauschend über das feuchtbranne, grünmoosige hnlbvcrfallne Räderwerk hinweg und verliert sich geheimnisvoll in dein kleinen Trebbelsee, der sich jenseits der Straße in dem fast eine Stunde langen großen Trebbelsee'fortsetzt. Hier ist ein wonniges Fleckchen Erde, das auch von deu Ein¬ wohnern im meilenweiten Umkreise wie ein noch uuentdecktes Kleinod geschätzt wird. Hier gedeiht längs der Schlaube ein starkstämmiger, sich nach oben wundersam ver¬ ästelnder Kiefernwald, der seine rotbraunen Arme wie das Geweih von Riesen¬ hirschen zum blauen Himmel emporstreckt. hier gibt es aber auch große Bestände Ichlnnler Rotbuchen, deren schwanke Unter über den Schlangenbändiger Stämmen Frühlingssymphvnieu wogen, zu ihren Füßen blühen Himmelschlüssel. Anemonen "»d Leberblümchen. Die Seen und die Bäche dieser Gegend waren einst em Revier des geheimnisvollen Bibers, dessen kostbares Fell die geistlichen Herren von Neuzelle wohl zu schätzen wußten! der Biberfang an der Schlaube wird in ""er Urkunde des Jahres 1370 ausdrücklich unter den Gerechtigkeiten des Klosters "wähnt. Jetzt ist das kostbare Pelztier längst von den Ufern der Schlaube ver¬ schwunden, aber der gewaltige Hirsch kommt dort noch immer zur Tränke und das den Ufern der Seen und des Bachs faulende Laub durchwühlt das dnnkcl- b»rstige Wildschwein. Hier ist wirklich noch ein Stück der alte,: Lausitzer Romantik ehalten. Und nnn erst die Mühle selbst! Ein altertümlicher, traulicher Fachwerkbau '"it unbewußte». Verständnis gerade passend in die Wald- und Wasserwelt hmem- aeschniiegt. und doch auch für Verwöhntere mit einem modernen Logierhaus aus¬ rottet und so weit von der Kultur beleckt, als es für das Behngeu des Mau¬ rers gut ist: zu Mittag auf dem Tisch ein praller, eben gefangner Hecht mit Sprecwaldsauee danach ein aromatischer Kaffee mit tadelloser Sandtorte kredenzt der Schwester des Müllers, deren Augen ausschauen wie die der Lindenw.re.in N"es den. Essen schlenderten wir in tiefster Einsamkeit längs des Gestades des M'ßerr Sees nordwärts. Zwei mächtige Fischadler erhoben sich von der Wasser¬ fläche ,,„d ^schwanden über den Baumwipfeln einer kreisrunden, amphitheatral.sah ""fsteigeudeu Talschlucht, die sich nur nach dem heitern See hin öffnet; d.e ^terzieuser. die hierher zum Fischfang oder zur Jagd kamen haben sie den "Himmel" genannt! ein zweiter tratcrartiger »ut hohen BuclM bes andrer Kessel Ufer, der ans seine». Grunde el» schwarzes, mooriges Wasierbeckeu e» halt. h"ße die .Hölle"! i» der Tat wäre dieser Trichter der rechte Ort. Dantes J»fer»o z» lesen — die Erscheinung des Virgilius, deu die Neuzeller Mouche sicherlich in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/475>, abgerufen am 25.07.2024.