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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

wurden unter grausamen Martern getötet, Klostergebäude und Kirche in Brand
gesteckt. Wer wenig Jahre später sitzen die Klosterherren, wie ihre Urkunden beweisen,
wieder fest im Regiment -- nach Erwerbung der Dörfer Lindow, Brieskow,
Aurith und Reipzig geht ihr Gebiet fast bis an die Mauern der Stadt Frankfurt.
Im sechzehnten Jahrhundert pochte die Reformation mit starker Faust auch an die
Pforten von Neuzelle. Aber unter böhmisch-habsburgischen Regiment (seit 1526)
hielt sich das Kloster, freilich mußte es der Abt Matthias (1540 bis 1550) er¬
leben, daß alle seine Stiftsuntertanen bis auf sechs zum lutherischen Bekenntnis über¬
traten. Dem geistlichen Wirken des Stifts war damit fast aller Boden entzogen, aber
seine wirtschaftliche Tätigkeit ging weiter. Es kam das Jahrhundert des großen
Krieges; er entschied die Geltung und den Bestand der Reformation in dem
Stiftslande, denn es kam mit der gesamten Lausitz an das protestantische Kurhaus
Sachsen. Doch verpflichtete sich der Kurfürst Johann Georg der Erste in dem zu
Prag am 20. Mai 1635 geschlossenen Traditionsrezeß, "anch die Abtei zu
Neuzeit . . . samt ihren Leuten und Beamten, Dienern und Untertanen bei ihren
Privilegiis und Juribus, insonderheit bei ihrer exvwxtio in spiiiwatibus ad omni
Möeul-n-i loro. . . schützen" zu wollen, ein Versprechen, das mit großer Gewissen-,
haftigkeit gehalten worden ist. Die Lage der dem Stift zinsbaren Bauern muß
schon vor dem Kriege keine rosige gewesen sein, denn eine vor Ausbruch des
Krieges vorgenommene Zahlung ergab fast überall eine starke Abnahme der Bauern,
eine Zunahme der Kossäten gegen die im Erbbuche von etwa 1420 angeführten
Zahlen.

Ganz erschreckend aber hat der Dreißigjährige Krieg unter der gesamten Be¬
völkerung des Stiftslandes aufgeräumt. Sie betrug in allen Dörfern zusammen
vor dem Kriege tauseuduiwsiebzehn Bauern und Kossäte", uach dem Kriege zmei-
huudertuudzwauzig Bauern und Kossäte", sodaß also gegen achthundert Bauern-
und Kossätenstellen, Vierfünftel des ganzen bebauten Landes, wüst lagen. Nicht
besser stand es in dem Städtchen Fürstenberg: von zweihnndertundfünfzig Häusern,
die es vor dem Kriege gehabt hatte, waren nach dem Kriege noch dreißig bewohnt.
Die große Aufgabe, das Stiftsland ans dieser Zerrüttung wieder in einen blühenden
Zustand zu versetzen, fiel dem 1641 gewählten Abte Bernhard zu. Er war ein
Sproß des süddeutschen Geschlechts der Freiherrn von Schrattmach, ein Verwandter
des Erzbischofs von Prag, des Kardinals Grafen Harrach; Kaiser Ferdinand der
Dritte hatte selbst bei seiner Erhebung zum Abt von Neuzelle die Hand im
Spiele gehabt. Ob diese Wahl eine glückliche war, ist sehr zu bezweifeln. Denn
dieser süddeutsche Prälat verwickelte sich in einen langen Streit mit den übrigen
Ständen der Niederlausitz, die ihm -- wohl infolge seiner katholisiereuden
Tendenzen -- sogar die Landstcmdsckaft entzieh" wollten. Von einer besondern
Fürsorge für die verarmte Bauernschaft hören wir nichts; die alten Zisterzienser
des dreizehnten und des vierzehnten Jahrhunderts hatten sich durch eine wohl¬
wollende und freiheitliche Behandlung sogar der Deditzen ausgezeichnet, jetzt, unter
Abt Bernhard und seinem Nachfolger Albericns von Burghofs aus Köln (1660
bis 1685), wurden durch eine Reihe von Rezessen die Leistungen der Bauern an
Geldsteuern, Hofdiensten. Dienst- und Zechfuhren, Zwangsdiensten der Kinder usw.
mit derselben Härte festgesetzt, durch die sich damals die kleinern weltlichen Grund-
herrschaften verhaßt machten. Auch für die Baugeschichte von Neuzelle wurde die
Tätigkeit des Abtes Bernhard verhängnisvoll: er ließ die durch den Krieg ver¬
wüstete Kirche und andre Klostergebäude im Jesuitenstil wiederherstellen. So
wurden denn die zwölf mächtigen Pfeiler der gotischen Hallenkirche und das ehr¬
würdige gotische Gewölbe mit einem barocken Stück überkleidet, um die bekannten
eiförmigen Flächen an der Decke zu schaffen, in die süßliche, würdelose bunte
Bilder aus der heiligen Geschichte hineingemalt werden könnten. Von den folgenden
Adler haben sich besonders Martin (1727 bis 1741) und Gabriel (1741 bis
1775) als Bauherren einen Namen gemacht. Der erste hat der Kirche durch


Wanderungen in der Niederlausitz

wurden unter grausamen Martern getötet, Klostergebäude und Kirche in Brand
gesteckt. Wer wenig Jahre später sitzen die Klosterherren, wie ihre Urkunden beweisen,
wieder fest im Regiment — nach Erwerbung der Dörfer Lindow, Brieskow,
Aurith und Reipzig geht ihr Gebiet fast bis an die Mauern der Stadt Frankfurt.
Im sechzehnten Jahrhundert pochte die Reformation mit starker Faust auch an die
Pforten von Neuzelle. Aber unter böhmisch-habsburgischen Regiment (seit 1526)
hielt sich das Kloster, freilich mußte es der Abt Matthias (1540 bis 1550) er¬
leben, daß alle seine Stiftsuntertanen bis auf sechs zum lutherischen Bekenntnis über¬
traten. Dem geistlichen Wirken des Stifts war damit fast aller Boden entzogen, aber
seine wirtschaftliche Tätigkeit ging weiter. Es kam das Jahrhundert des großen
Krieges; er entschied die Geltung und den Bestand der Reformation in dem
Stiftslande, denn es kam mit der gesamten Lausitz an das protestantische Kurhaus
Sachsen. Doch verpflichtete sich der Kurfürst Johann Georg der Erste in dem zu
Prag am 20. Mai 1635 geschlossenen Traditionsrezeß, „anch die Abtei zu
Neuzeit . . . samt ihren Leuten und Beamten, Dienern und Untertanen bei ihren
Privilegiis und Juribus, insonderheit bei ihrer exvwxtio in spiiiwatibus ad omni
Möeul-n-i loro. . . schützen" zu wollen, ein Versprechen, das mit großer Gewissen-,
haftigkeit gehalten worden ist. Die Lage der dem Stift zinsbaren Bauern muß
schon vor dem Kriege keine rosige gewesen sein, denn eine vor Ausbruch des
Krieges vorgenommene Zahlung ergab fast überall eine starke Abnahme der Bauern,
eine Zunahme der Kossäten gegen die im Erbbuche von etwa 1420 angeführten
Zahlen.

Ganz erschreckend aber hat der Dreißigjährige Krieg unter der gesamten Be¬
völkerung des Stiftslandes aufgeräumt. Sie betrug in allen Dörfern zusammen
vor dem Kriege tauseuduiwsiebzehn Bauern und Kossäte», uach dem Kriege zmei-
huudertuudzwauzig Bauern und Kossäte», sodaß also gegen achthundert Bauern-
und Kossätenstellen, Vierfünftel des ganzen bebauten Landes, wüst lagen. Nicht
besser stand es in dem Städtchen Fürstenberg: von zweihnndertundfünfzig Häusern,
die es vor dem Kriege gehabt hatte, waren nach dem Kriege noch dreißig bewohnt.
Die große Aufgabe, das Stiftsland ans dieser Zerrüttung wieder in einen blühenden
Zustand zu versetzen, fiel dem 1641 gewählten Abte Bernhard zu. Er war ein
Sproß des süddeutschen Geschlechts der Freiherrn von Schrattmach, ein Verwandter
des Erzbischofs von Prag, des Kardinals Grafen Harrach; Kaiser Ferdinand der
Dritte hatte selbst bei seiner Erhebung zum Abt von Neuzelle die Hand im
Spiele gehabt. Ob diese Wahl eine glückliche war, ist sehr zu bezweifeln. Denn
dieser süddeutsche Prälat verwickelte sich in einen langen Streit mit den übrigen
Ständen der Niederlausitz, die ihm — wohl infolge seiner katholisiereuden
Tendenzen — sogar die Landstcmdsckaft entzieh» wollten. Von einer besondern
Fürsorge für die verarmte Bauernschaft hören wir nichts; die alten Zisterzienser
des dreizehnten und des vierzehnten Jahrhunderts hatten sich durch eine wohl¬
wollende und freiheitliche Behandlung sogar der Deditzen ausgezeichnet, jetzt, unter
Abt Bernhard und seinem Nachfolger Albericns von Burghofs aus Köln (1660
bis 1685), wurden durch eine Reihe von Rezessen die Leistungen der Bauern an
Geldsteuern, Hofdiensten. Dienst- und Zechfuhren, Zwangsdiensten der Kinder usw.
mit derselben Härte festgesetzt, durch die sich damals die kleinern weltlichen Grund-
herrschaften verhaßt machten. Auch für die Baugeschichte von Neuzelle wurde die
Tätigkeit des Abtes Bernhard verhängnisvoll: er ließ die durch den Krieg ver¬
wüstete Kirche und andre Klostergebäude im Jesuitenstil wiederherstellen. So
wurden denn die zwölf mächtigen Pfeiler der gotischen Hallenkirche und das ehr¬
würdige gotische Gewölbe mit einem barocken Stück überkleidet, um die bekannten
eiförmigen Flächen an der Decke zu schaffen, in die süßliche, würdelose bunte
Bilder aus der heiligen Geschichte hineingemalt werden könnten. Von den folgenden
Adler haben sich besonders Martin (1727 bis 1741) und Gabriel (1741 bis
1775) als Bauherren einen Namen gemacht. Der erste hat der Kirche durch


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[0471] Wanderungen in der Niederlausitz wurden unter grausamen Martern getötet, Klostergebäude und Kirche in Brand gesteckt. Wer wenig Jahre später sitzen die Klosterherren, wie ihre Urkunden beweisen, wieder fest im Regiment — nach Erwerbung der Dörfer Lindow, Brieskow, Aurith und Reipzig geht ihr Gebiet fast bis an die Mauern der Stadt Frankfurt. Im sechzehnten Jahrhundert pochte die Reformation mit starker Faust auch an die Pforten von Neuzelle. Aber unter böhmisch-habsburgischen Regiment (seit 1526) hielt sich das Kloster, freilich mußte es der Abt Matthias (1540 bis 1550) er¬ leben, daß alle seine Stiftsuntertanen bis auf sechs zum lutherischen Bekenntnis über¬ traten. Dem geistlichen Wirken des Stifts war damit fast aller Boden entzogen, aber seine wirtschaftliche Tätigkeit ging weiter. Es kam das Jahrhundert des großen Krieges; er entschied die Geltung und den Bestand der Reformation in dem Stiftslande, denn es kam mit der gesamten Lausitz an das protestantische Kurhaus Sachsen. Doch verpflichtete sich der Kurfürst Johann Georg der Erste in dem zu Prag am 20. Mai 1635 geschlossenen Traditionsrezeß, „anch die Abtei zu Neuzeit . . . samt ihren Leuten und Beamten, Dienern und Untertanen bei ihren Privilegiis und Juribus, insonderheit bei ihrer exvwxtio in spiiiwatibus ad omni Möeul-n-i loro. . . schützen" zu wollen, ein Versprechen, das mit großer Gewissen-, haftigkeit gehalten worden ist. Die Lage der dem Stift zinsbaren Bauern muß schon vor dem Kriege keine rosige gewesen sein, denn eine vor Ausbruch des Krieges vorgenommene Zahlung ergab fast überall eine starke Abnahme der Bauern, eine Zunahme der Kossäten gegen die im Erbbuche von etwa 1420 angeführten Zahlen. Ganz erschreckend aber hat der Dreißigjährige Krieg unter der gesamten Be¬ völkerung des Stiftslandes aufgeräumt. Sie betrug in allen Dörfern zusammen vor dem Kriege tauseuduiwsiebzehn Bauern und Kossäte», uach dem Kriege zmei- huudertuudzwauzig Bauern und Kossäte», sodaß also gegen achthundert Bauern- und Kossätenstellen, Vierfünftel des ganzen bebauten Landes, wüst lagen. Nicht besser stand es in dem Städtchen Fürstenberg: von zweihnndertundfünfzig Häusern, die es vor dem Kriege gehabt hatte, waren nach dem Kriege noch dreißig bewohnt. Die große Aufgabe, das Stiftsland ans dieser Zerrüttung wieder in einen blühenden Zustand zu versetzen, fiel dem 1641 gewählten Abte Bernhard zu. Er war ein Sproß des süddeutschen Geschlechts der Freiherrn von Schrattmach, ein Verwandter des Erzbischofs von Prag, des Kardinals Grafen Harrach; Kaiser Ferdinand der Dritte hatte selbst bei seiner Erhebung zum Abt von Neuzelle die Hand im Spiele gehabt. Ob diese Wahl eine glückliche war, ist sehr zu bezweifeln. Denn dieser süddeutsche Prälat verwickelte sich in einen langen Streit mit den übrigen Ständen der Niederlausitz, die ihm — wohl infolge seiner katholisiereuden Tendenzen — sogar die Landstcmdsckaft entzieh» wollten. Von einer besondern Fürsorge für die verarmte Bauernschaft hören wir nichts; die alten Zisterzienser des dreizehnten und des vierzehnten Jahrhunderts hatten sich durch eine wohl¬ wollende und freiheitliche Behandlung sogar der Deditzen ausgezeichnet, jetzt, unter Abt Bernhard und seinem Nachfolger Albericns von Burghofs aus Köln (1660 bis 1685), wurden durch eine Reihe von Rezessen die Leistungen der Bauern an Geldsteuern, Hofdiensten. Dienst- und Zechfuhren, Zwangsdiensten der Kinder usw. mit derselben Härte festgesetzt, durch die sich damals die kleinern weltlichen Grund- herrschaften verhaßt machten. Auch für die Baugeschichte von Neuzelle wurde die Tätigkeit des Abtes Bernhard verhängnisvoll: er ließ die durch den Krieg ver¬ wüstete Kirche und andre Klostergebäude im Jesuitenstil wiederherstellen. So wurden denn die zwölf mächtigen Pfeiler der gotischen Hallenkirche und das ehr¬ würdige gotische Gewölbe mit einem barocken Stück überkleidet, um die bekannten eiförmigen Flächen an der Decke zu schaffen, in die süßliche, würdelose bunte Bilder aus der heiligen Geschichte hineingemalt werden könnten. Von den folgenden Adler haben sich besonders Martin (1727 bis 1741) und Gabriel (1741 bis 1775) als Bauherren einen Namen gemacht. Der erste hat der Kirche durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/471>, abgerufen am 25.07.2024.