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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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literarischer Interessen ein geeignetes Mittel, der Gefahr einseitiger Verengung
meines Gesichtskreises vorzubeugen.

Im Januar 1878 kam mein Vorgänger im Ministerium, der Oberverwaltungs¬
gerichtsrat Dahrenstttdt, eines Tages zu mir in das Ministerium und fragte mich,
ob ich geneigt sei, als Rat in das Oberverwaltungsgericht einzutreten. Ich würde
mich dort im Diensteinkommeu verbessern, und sein Präsident habe ihn beauftragt,
mit mir zu verhandeln. Ich erbat mir Bedenkzeit und erklärte, daß ich den Vor¬
schlag, der manches Lockende für mich habe, keineswegs ohne Zustimmung des
Ministers annehmen könne. In der Tat hatte ich große Lust, auf das Anerbieten
einzugehn. Was mich besonders anzog, war die völlige Unabhängigkeit des Ober¬
verwaltungsgerichts und seiner Mitglieder. Die Chancen für ein Aufrücken in einen
höhern Gehalt waren auch für die weitere Zukunft im Oberverwaltungsgericht
mindestens nicht ungünstiger als im Ministerium. Andrerseits war mir doch auch
meine Arbeit im Ministerium mehr nud mehr an das Herz gewachsen. Ich glaubte
auch meine Fähigkeiten und Neigungen richtig zu schätzen, wenn ich annahm, daß
ich mehr administrativ als richterlich, mehr für praktisches Schaffen als für kritisch
theoretische Urteilsnrbeit angelegt sei. Jedoch glaubte ich doch mit der Zeit auch
im Oberverwaltungsgericht uoch der mir dort zufallenden Aufgaben Herr werden
zu können, und der Gedanke an die richterliche Unabhängigkeit ließ darum jene aus
meiner Veranlagung geschöpften Bedenken mehr und mehr zurücktreten.

Ich ging zu dem Unterstaatssekretär Sydow und trug ihm die Sache vertrauens¬
voll vor. Bei ihm stieß ich aber auf scharfen Widerspruch. Er sagte mir über
meine amtliche Tätigkeit im Ministerium viel Freundliches und bezeichnete meinen
Weggang als einen schweren Verlust für den Minister. Man habe mir im Ministe¬
rium längst gern auch äußere Vorteile, ein Nebenamt, zuwenden wollen, das sei
aber zurzeit, wie ich wisse, unmöglich. Er bat mich dringend zu bleiben, wollte
aber mit dem Minister sprechen und mir dann Bescheid sagen. Mein Freund
Barkhausen dagegen riet dringend, das Dahrenstädtische Anerbieten anzunehmen.

Der Minister Falk ließ mich zu sich kommen und sagte mir, er könne mich
unmöglich gehn lassen. Mein Weggang sei ein Verlust für ihn, und meine Arbeit
im Ministerium finde allseitig volle Anerkennung. Ich möge ihm das nicht antun.
Er werde mir, sobald es möglich sei, meine Stellung auch äußerlich angenehmer
machen. Unter diesen Umständen konnte ich wohl nur bleiben, wo ich war. Ich
lehnte ab.

In der zweiten Hälfte des März 1878 führte mich eine längere und sehr
interessante Dienstreise nach Kassel, Wiesbaden, Weilburg, Köln (Direktor O. Jäger),
Essen, Arnsberg, Münster iOberpräsideut v. Kühlwetter), Paderborn, Göttingen,
Hannover und Werden. In Göttingen erkrankte ich auf dieser Reise ernstlich an
höchst schmerzhafter Gallenkolik, sodaß ich im Hotel das Bett hüten mußte. Dank
der energischen Behandlung durch den Professor Dr. Ebstein und der geschickten
Pflege einer Schwester Martha aus dem Klementinenhause in Hannover wurde ich
jedoch durch eine Parforcekur soweit hergestellt, daß ich noch rechtzeitig nach Werden
kam, wo ich den Minister bei dem dreihundertjährigen Jubiläum des Domgymnasiums
zu vertreten und in der Aula öffentlich zu reden hatte. Es ging auch alles vor¬
trefflich, und als ich nach Berlin zurückkam, war hier inzwischen ein großer Minister¬
wechsel eingetreten. Mein alter Chef. Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode, war
Vizepräsident des Staatsministeriums und genereller Stellvertreter des Reichskanzlers
oder, wie man sich ausdrückte, Vizekanzler geworden, der Oberpräsident in Hannover,
Graf Botho zu Eulenburg, Minister des Innern, der Unterstaatssekretär Maybach
Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten und der Oberbürgermeister
Hobrecht Finanzminister. In den Kreisen des höhern Beamtentums begrüßte man
die neuen Minister mit lauter Freude. Namentlich waren die Räte des Ministeriums
des Innern zufrieden, daß die interimistische Verwaltung des Ressorts durch deu
Landwirtschaftsminister Friedenthal aufgehört hatte. Sie behaupteten, Friedenthals
fieberhafte Unruhe hätte das ganze Ministerium bis zur Erschöpfung abgehetzt.


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literarischer Interessen ein geeignetes Mittel, der Gefahr einseitiger Verengung
meines Gesichtskreises vorzubeugen.

Im Januar 1878 kam mein Vorgänger im Ministerium, der Oberverwaltungs¬
gerichtsrat Dahrenstttdt, eines Tages zu mir in das Ministerium und fragte mich,
ob ich geneigt sei, als Rat in das Oberverwaltungsgericht einzutreten. Ich würde
mich dort im Diensteinkommeu verbessern, und sein Präsident habe ihn beauftragt,
mit mir zu verhandeln. Ich erbat mir Bedenkzeit und erklärte, daß ich den Vor¬
schlag, der manches Lockende für mich habe, keineswegs ohne Zustimmung des
Ministers annehmen könne. In der Tat hatte ich große Lust, auf das Anerbieten
einzugehn. Was mich besonders anzog, war die völlige Unabhängigkeit des Ober¬
verwaltungsgerichts und seiner Mitglieder. Die Chancen für ein Aufrücken in einen
höhern Gehalt waren auch für die weitere Zukunft im Oberverwaltungsgericht
mindestens nicht ungünstiger als im Ministerium. Andrerseits war mir doch auch
meine Arbeit im Ministerium mehr nud mehr an das Herz gewachsen. Ich glaubte
auch meine Fähigkeiten und Neigungen richtig zu schätzen, wenn ich annahm, daß
ich mehr administrativ als richterlich, mehr für praktisches Schaffen als für kritisch
theoretische Urteilsnrbeit angelegt sei. Jedoch glaubte ich doch mit der Zeit auch
im Oberverwaltungsgericht uoch der mir dort zufallenden Aufgaben Herr werden
zu können, und der Gedanke an die richterliche Unabhängigkeit ließ darum jene aus
meiner Veranlagung geschöpften Bedenken mehr und mehr zurücktreten.

Ich ging zu dem Unterstaatssekretär Sydow und trug ihm die Sache vertrauens¬
voll vor. Bei ihm stieß ich aber auf scharfen Widerspruch. Er sagte mir über
meine amtliche Tätigkeit im Ministerium viel Freundliches und bezeichnete meinen
Weggang als einen schweren Verlust für den Minister. Man habe mir im Ministe¬
rium längst gern auch äußere Vorteile, ein Nebenamt, zuwenden wollen, das sei
aber zurzeit, wie ich wisse, unmöglich. Er bat mich dringend zu bleiben, wollte
aber mit dem Minister sprechen und mir dann Bescheid sagen. Mein Freund
Barkhausen dagegen riet dringend, das Dahrenstädtische Anerbieten anzunehmen.

Der Minister Falk ließ mich zu sich kommen und sagte mir, er könne mich
unmöglich gehn lassen. Mein Weggang sei ein Verlust für ihn, und meine Arbeit
im Ministerium finde allseitig volle Anerkennung. Ich möge ihm das nicht antun.
Er werde mir, sobald es möglich sei, meine Stellung auch äußerlich angenehmer
machen. Unter diesen Umständen konnte ich wohl nur bleiben, wo ich war. Ich
lehnte ab.

In der zweiten Hälfte des März 1878 führte mich eine längere und sehr
interessante Dienstreise nach Kassel, Wiesbaden, Weilburg, Köln (Direktor O. Jäger),
Essen, Arnsberg, Münster iOberpräsideut v. Kühlwetter), Paderborn, Göttingen,
Hannover und Werden. In Göttingen erkrankte ich auf dieser Reise ernstlich an
höchst schmerzhafter Gallenkolik, sodaß ich im Hotel das Bett hüten mußte. Dank
der energischen Behandlung durch den Professor Dr. Ebstein und der geschickten
Pflege einer Schwester Martha aus dem Klementinenhause in Hannover wurde ich
jedoch durch eine Parforcekur soweit hergestellt, daß ich noch rechtzeitig nach Werden
kam, wo ich den Minister bei dem dreihundertjährigen Jubiläum des Domgymnasiums
zu vertreten und in der Aula öffentlich zu reden hatte. Es ging auch alles vor¬
trefflich, und als ich nach Berlin zurückkam, war hier inzwischen ein großer Minister¬
wechsel eingetreten. Mein alter Chef. Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode, war
Vizepräsident des Staatsministeriums und genereller Stellvertreter des Reichskanzlers
oder, wie man sich ausdrückte, Vizekanzler geworden, der Oberpräsident in Hannover,
Graf Botho zu Eulenburg, Minister des Innern, der Unterstaatssekretär Maybach
Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten und der Oberbürgermeister
Hobrecht Finanzminister. In den Kreisen des höhern Beamtentums begrüßte man
die neuen Minister mit lauter Freude. Namentlich waren die Räte des Ministeriums
des Innern zufrieden, daß die interimistische Verwaltung des Ressorts durch deu
Landwirtschaftsminister Friedenthal aufgehört hatte. Sie behaupteten, Friedenthals
fieberhafte Unruhe hätte das ganze Ministerium bis zur Erschöpfung abgehetzt.


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[0047] (Lriimerungen literarischer Interessen ein geeignetes Mittel, der Gefahr einseitiger Verengung meines Gesichtskreises vorzubeugen. Im Januar 1878 kam mein Vorgänger im Ministerium, der Oberverwaltungs¬ gerichtsrat Dahrenstttdt, eines Tages zu mir in das Ministerium und fragte mich, ob ich geneigt sei, als Rat in das Oberverwaltungsgericht einzutreten. Ich würde mich dort im Diensteinkommeu verbessern, und sein Präsident habe ihn beauftragt, mit mir zu verhandeln. Ich erbat mir Bedenkzeit und erklärte, daß ich den Vor¬ schlag, der manches Lockende für mich habe, keineswegs ohne Zustimmung des Ministers annehmen könne. In der Tat hatte ich große Lust, auf das Anerbieten einzugehn. Was mich besonders anzog, war die völlige Unabhängigkeit des Ober¬ verwaltungsgerichts und seiner Mitglieder. Die Chancen für ein Aufrücken in einen höhern Gehalt waren auch für die weitere Zukunft im Oberverwaltungsgericht mindestens nicht ungünstiger als im Ministerium. Andrerseits war mir doch auch meine Arbeit im Ministerium mehr nud mehr an das Herz gewachsen. Ich glaubte auch meine Fähigkeiten und Neigungen richtig zu schätzen, wenn ich annahm, daß ich mehr administrativ als richterlich, mehr für praktisches Schaffen als für kritisch theoretische Urteilsnrbeit angelegt sei. Jedoch glaubte ich doch mit der Zeit auch im Oberverwaltungsgericht uoch der mir dort zufallenden Aufgaben Herr werden zu können, und der Gedanke an die richterliche Unabhängigkeit ließ darum jene aus meiner Veranlagung geschöpften Bedenken mehr und mehr zurücktreten. Ich ging zu dem Unterstaatssekretär Sydow und trug ihm die Sache vertrauens¬ voll vor. Bei ihm stieß ich aber auf scharfen Widerspruch. Er sagte mir über meine amtliche Tätigkeit im Ministerium viel Freundliches und bezeichnete meinen Weggang als einen schweren Verlust für den Minister. Man habe mir im Ministe¬ rium längst gern auch äußere Vorteile, ein Nebenamt, zuwenden wollen, das sei aber zurzeit, wie ich wisse, unmöglich. Er bat mich dringend zu bleiben, wollte aber mit dem Minister sprechen und mir dann Bescheid sagen. Mein Freund Barkhausen dagegen riet dringend, das Dahrenstädtische Anerbieten anzunehmen. Der Minister Falk ließ mich zu sich kommen und sagte mir, er könne mich unmöglich gehn lassen. Mein Weggang sei ein Verlust für ihn, und meine Arbeit im Ministerium finde allseitig volle Anerkennung. Ich möge ihm das nicht antun. Er werde mir, sobald es möglich sei, meine Stellung auch äußerlich angenehmer machen. Unter diesen Umständen konnte ich wohl nur bleiben, wo ich war. Ich lehnte ab. In der zweiten Hälfte des März 1878 führte mich eine längere und sehr interessante Dienstreise nach Kassel, Wiesbaden, Weilburg, Köln (Direktor O. Jäger), Essen, Arnsberg, Münster iOberpräsideut v. Kühlwetter), Paderborn, Göttingen, Hannover und Werden. In Göttingen erkrankte ich auf dieser Reise ernstlich an höchst schmerzhafter Gallenkolik, sodaß ich im Hotel das Bett hüten mußte. Dank der energischen Behandlung durch den Professor Dr. Ebstein und der geschickten Pflege einer Schwester Martha aus dem Klementinenhause in Hannover wurde ich jedoch durch eine Parforcekur soweit hergestellt, daß ich noch rechtzeitig nach Werden kam, wo ich den Minister bei dem dreihundertjährigen Jubiläum des Domgymnasiums zu vertreten und in der Aula öffentlich zu reden hatte. Es ging auch alles vor¬ trefflich, und als ich nach Berlin zurückkam, war hier inzwischen ein großer Minister¬ wechsel eingetreten. Mein alter Chef. Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode, war Vizepräsident des Staatsministeriums und genereller Stellvertreter des Reichskanzlers oder, wie man sich ausdrückte, Vizekanzler geworden, der Oberpräsident in Hannover, Graf Botho zu Eulenburg, Minister des Innern, der Unterstaatssekretär Maybach Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten und der Oberbürgermeister Hobrecht Finanzminister. In den Kreisen des höhern Beamtentums begrüßte man die neuen Minister mit lauter Freude. Namentlich waren die Räte des Ministeriums des Innern zufrieden, daß die interimistische Verwaltung des Ressorts durch deu Landwirtschaftsminister Friedenthal aufgehört hatte. Sie behaupteten, Friedenthals fieberhafte Unruhe hätte das ganze Ministerium bis zur Erschöpfung abgehetzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/47>, abgerufen am 05.07.2024.