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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Erinnerungen

desto fester an die kleine Anstalts- und Personalgemeinde des Elisabethkrankenhauses
anschlössen und uns dort nicht nur zur Predigt, sondern auch zum Altarsakrament
hielten. Dem freundlichen persönlichen Verkehr mit den Domgeistlichen tat das
übrigens keinen Eintrag. Auf Kogels Veranlassung trat ich auch in den Vorstand
des damals zu neuer Tätigkeit reorganisierten Kirchenbauvereins ein. Jedenfalls
fanden wir uns auch kirchlich nunmehr wohl versorgt, und bei dem stillen, ge¬
regelten Leben wurde uns Berlin von Tag zu Tag lieber. Zum Elisabethkranken¬
hause trat ich später -- im Frühjahr 1879 -- dadurch in ein noch näheres
Verhältnis, daß ich zum Mitgliede des Kuratoriums gewählt wurde, dem ich seit¬
dem ununterbrochen angehört habe und noch angehöre. Ich habe dort reichen
Segen empfangen, und mein inneres Leben ist von dort aus ganz wesentlich be¬
reichert worden. Diese Verbindung mit dem Elisabethkrankenhause bedeutet deshalb
für mich bestimmt eine wichtige Lebensführung, die mich mit tiefem Danke erfüllt.

In ein persönlich freundliches Verhältnis war ich in Berlin zu dem Hofprediger
Emil Fromme! getreten. Ich hatte ihn schon in Hannover im Boetticherschcn
Hanse kennen gelernt. Seine geistesfrische, künstlerisch angelegte, originelle und
harmonische Persönlichkeit, sein fröhliches Herz und die innerliche Freiheit, mit der
er sich das Wort des Apostels Paulus "Alles ist euer" zu eigen machte und alle
-- auch sich kirchlich oder pietistisch aufdrängende -- Philiströsität mit geistvollen
Humor beiseite schob, waren mir überaus sympathisch. Er mochte das heraus¬
fühlen, und so trug jede unsrer Begegnungen das Gepräge besondrer, ungesuchter
Herzlichkeit. Ich hatte ihn sehr lieb, und unser ältester Sohn wurde von ihm
konfirmiert. Da wir sehr weit voneinander wohnten, so behielt er ihn oft zu Tisch
bei sich. Dafür waren wir zwar sehr dankbar. Aber unsern zweiten Sohn und
unsre älteste Tochter gaben wir deshalb zum Konfirmandenunterricht an Stöcker,
der auch die beide" Kinder, die uns in Berlin noch geboren wurden, getauft Hai.
Damit kam dann unsre formale Zugehörigkeit zur Domgemeinde doch wieder einiger¬
maßen zur Geltung.

In meinen Tagebuchnotizen aus dem Jahre 1878 findet sich -- zum ersten¬
mal wieder seit langer Zeit -- eine Andeutung, daß ich auch das politische Leben
damals nicht ganz außer acht gelassen habe. Am 8. März 1878 habe ich notiert:
"Bismarcks große Reichstagsrede über die Stellvertretung des Reichskanzlers gegen
Verantwortliche Reichsministerten. Durchschlagender Erfolg. Keiner kann es ihm
auch nur annähernd gleich tun. Er beherrscht die Situation, die Sachen und die
Menschen."

In meiner amtlichen Tätigkeit beim Oberpräsidium in Hannover hatte ich auf
Wunsch des Oberpräsidenten persönliche Beziehungen mit dem Redaktionspersvnal
des "Hamburgischen Korrespondenten" und der "Börsenhalle" angeknüpft, insbe¬
sondre mit Julius Eckardt, Nagel und dem Direktor der Aktiengesellschaft "Ham¬
burger Börsenhalle," der auch der "Korrespondent" gehörte, Rosatzin. Ich hatte
von Hannover aus öfter Nachrichten für den "Hamburger Korrespondenten" dorthin
gegeben, auch dann und wann mit Zustimmung des Oberpräsidenten einen Leit¬
artikel über hannoversche Verhältnisse geschrieben. Im März 1878 suchte mich
der Direktor Rosatzin in Berlin auf und bat mich, ich möge ihm doch anch von hier
aus etwas für den "Hamburger Korrespondenten" schreiben. Ich hatte aber, wie
ich unter dem 12. März notiert habe, keine rechte Freudigkeit und vielmehr Zweifel,
ob das im Hinblick auf meine amtliche Stellung recht wäre, auch wenn ich
-- was mir selbstverständlich erschien -- im Sinne der Regierung schriebe. Nur bei
besondern Anlässen, wenn mir meine persönliche Auffassung schwebender Fragen das
Herz abdrückte, habe ich wohl einmal einen Artikel für den "Hamburger Korrespon¬
denten" geschrieben. Meistens handelte es sich dabei um eingehende Besprechung
von Büchern und Schriften, die mir der Direktor Rosatzin zu diesem Zweck zu¬
sandte. Das war eine willkommne Bereicherung meiner Bibliothek, und gegen eine
literarische Tätigkeit solcher Art ließen sich füglich auch keine Gewissensbedenken
erheben. Vielmehr sah ich -- sicherlich mit Recht -- in dieser Pflege allgemeiner


Erinnerungen

desto fester an die kleine Anstalts- und Personalgemeinde des Elisabethkrankenhauses
anschlössen und uns dort nicht nur zur Predigt, sondern auch zum Altarsakrament
hielten. Dem freundlichen persönlichen Verkehr mit den Domgeistlichen tat das
übrigens keinen Eintrag. Auf Kogels Veranlassung trat ich auch in den Vorstand
des damals zu neuer Tätigkeit reorganisierten Kirchenbauvereins ein. Jedenfalls
fanden wir uns auch kirchlich nunmehr wohl versorgt, und bei dem stillen, ge¬
regelten Leben wurde uns Berlin von Tag zu Tag lieber. Zum Elisabethkranken¬
hause trat ich später — im Frühjahr 1879 — dadurch in ein noch näheres
Verhältnis, daß ich zum Mitgliede des Kuratoriums gewählt wurde, dem ich seit¬
dem ununterbrochen angehört habe und noch angehöre. Ich habe dort reichen
Segen empfangen, und mein inneres Leben ist von dort aus ganz wesentlich be¬
reichert worden. Diese Verbindung mit dem Elisabethkrankenhause bedeutet deshalb
für mich bestimmt eine wichtige Lebensführung, die mich mit tiefem Danke erfüllt.

In ein persönlich freundliches Verhältnis war ich in Berlin zu dem Hofprediger
Emil Fromme! getreten. Ich hatte ihn schon in Hannover im Boetticherschcn
Hanse kennen gelernt. Seine geistesfrische, künstlerisch angelegte, originelle und
harmonische Persönlichkeit, sein fröhliches Herz und die innerliche Freiheit, mit der
er sich das Wort des Apostels Paulus „Alles ist euer" zu eigen machte und alle
— auch sich kirchlich oder pietistisch aufdrängende — Philiströsität mit geistvollen
Humor beiseite schob, waren mir überaus sympathisch. Er mochte das heraus¬
fühlen, und so trug jede unsrer Begegnungen das Gepräge besondrer, ungesuchter
Herzlichkeit. Ich hatte ihn sehr lieb, und unser ältester Sohn wurde von ihm
konfirmiert. Da wir sehr weit voneinander wohnten, so behielt er ihn oft zu Tisch
bei sich. Dafür waren wir zwar sehr dankbar. Aber unsern zweiten Sohn und
unsre älteste Tochter gaben wir deshalb zum Konfirmandenunterricht an Stöcker,
der auch die beide» Kinder, die uns in Berlin noch geboren wurden, getauft Hai.
Damit kam dann unsre formale Zugehörigkeit zur Domgemeinde doch wieder einiger¬
maßen zur Geltung.

In meinen Tagebuchnotizen aus dem Jahre 1878 findet sich — zum ersten¬
mal wieder seit langer Zeit — eine Andeutung, daß ich auch das politische Leben
damals nicht ganz außer acht gelassen habe. Am 8. März 1878 habe ich notiert:
„Bismarcks große Reichstagsrede über die Stellvertretung des Reichskanzlers gegen
Verantwortliche Reichsministerten. Durchschlagender Erfolg. Keiner kann es ihm
auch nur annähernd gleich tun. Er beherrscht die Situation, die Sachen und die
Menschen."

In meiner amtlichen Tätigkeit beim Oberpräsidium in Hannover hatte ich auf
Wunsch des Oberpräsidenten persönliche Beziehungen mit dem Redaktionspersvnal
des „Hamburgischen Korrespondenten" und der „Börsenhalle" angeknüpft, insbe¬
sondre mit Julius Eckardt, Nagel und dem Direktor der Aktiengesellschaft „Ham¬
burger Börsenhalle," der auch der „Korrespondent" gehörte, Rosatzin. Ich hatte
von Hannover aus öfter Nachrichten für den „Hamburger Korrespondenten" dorthin
gegeben, auch dann und wann mit Zustimmung des Oberpräsidenten einen Leit¬
artikel über hannoversche Verhältnisse geschrieben. Im März 1878 suchte mich
der Direktor Rosatzin in Berlin auf und bat mich, ich möge ihm doch anch von hier
aus etwas für den „Hamburger Korrespondenten" schreiben. Ich hatte aber, wie
ich unter dem 12. März notiert habe, keine rechte Freudigkeit und vielmehr Zweifel,
ob das im Hinblick auf meine amtliche Stellung recht wäre, auch wenn ich
— was mir selbstverständlich erschien — im Sinne der Regierung schriebe. Nur bei
besondern Anlässen, wenn mir meine persönliche Auffassung schwebender Fragen das
Herz abdrückte, habe ich wohl einmal einen Artikel für den „Hamburger Korrespon¬
denten" geschrieben. Meistens handelte es sich dabei um eingehende Besprechung
von Büchern und Schriften, die mir der Direktor Rosatzin zu diesem Zweck zu¬
sandte. Das war eine willkommne Bereicherung meiner Bibliothek, und gegen eine
literarische Tätigkeit solcher Art ließen sich füglich auch keine Gewissensbedenken
erheben. Vielmehr sah ich — sicherlich mit Recht — in dieser Pflege allgemeiner


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[0046] Erinnerungen desto fester an die kleine Anstalts- und Personalgemeinde des Elisabethkrankenhauses anschlössen und uns dort nicht nur zur Predigt, sondern auch zum Altarsakrament hielten. Dem freundlichen persönlichen Verkehr mit den Domgeistlichen tat das übrigens keinen Eintrag. Auf Kogels Veranlassung trat ich auch in den Vorstand des damals zu neuer Tätigkeit reorganisierten Kirchenbauvereins ein. Jedenfalls fanden wir uns auch kirchlich nunmehr wohl versorgt, und bei dem stillen, ge¬ regelten Leben wurde uns Berlin von Tag zu Tag lieber. Zum Elisabethkranken¬ hause trat ich später — im Frühjahr 1879 — dadurch in ein noch näheres Verhältnis, daß ich zum Mitgliede des Kuratoriums gewählt wurde, dem ich seit¬ dem ununterbrochen angehört habe und noch angehöre. Ich habe dort reichen Segen empfangen, und mein inneres Leben ist von dort aus ganz wesentlich be¬ reichert worden. Diese Verbindung mit dem Elisabethkrankenhause bedeutet deshalb für mich bestimmt eine wichtige Lebensführung, die mich mit tiefem Danke erfüllt. In ein persönlich freundliches Verhältnis war ich in Berlin zu dem Hofprediger Emil Fromme! getreten. Ich hatte ihn schon in Hannover im Boetticherschcn Hanse kennen gelernt. Seine geistesfrische, künstlerisch angelegte, originelle und harmonische Persönlichkeit, sein fröhliches Herz und die innerliche Freiheit, mit der er sich das Wort des Apostels Paulus „Alles ist euer" zu eigen machte und alle — auch sich kirchlich oder pietistisch aufdrängende — Philiströsität mit geistvollen Humor beiseite schob, waren mir überaus sympathisch. Er mochte das heraus¬ fühlen, und so trug jede unsrer Begegnungen das Gepräge besondrer, ungesuchter Herzlichkeit. Ich hatte ihn sehr lieb, und unser ältester Sohn wurde von ihm konfirmiert. Da wir sehr weit voneinander wohnten, so behielt er ihn oft zu Tisch bei sich. Dafür waren wir zwar sehr dankbar. Aber unsern zweiten Sohn und unsre älteste Tochter gaben wir deshalb zum Konfirmandenunterricht an Stöcker, der auch die beide» Kinder, die uns in Berlin noch geboren wurden, getauft Hai. Damit kam dann unsre formale Zugehörigkeit zur Domgemeinde doch wieder einiger¬ maßen zur Geltung. In meinen Tagebuchnotizen aus dem Jahre 1878 findet sich — zum ersten¬ mal wieder seit langer Zeit — eine Andeutung, daß ich auch das politische Leben damals nicht ganz außer acht gelassen habe. Am 8. März 1878 habe ich notiert: „Bismarcks große Reichstagsrede über die Stellvertretung des Reichskanzlers gegen Verantwortliche Reichsministerten. Durchschlagender Erfolg. Keiner kann es ihm auch nur annähernd gleich tun. Er beherrscht die Situation, die Sachen und die Menschen." In meiner amtlichen Tätigkeit beim Oberpräsidium in Hannover hatte ich auf Wunsch des Oberpräsidenten persönliche Beziehungen mit dem Redaktionspersvnal des „Hamburgischen Korrespondenten" und der „Börsenhalle" angeknüpft, insbe¬ sondre mit Julius Eckardt, Nagel und dem Direktor der Aktiengesellschaft „Ham¬ burger Börsenhalle," der auch der „Korrespondent" gehörte, Rosatzin. Ich hatte von Hannover aus öfter Nachrichten für den „Hamburger Korrespondenten" dorthin gegeben, auch dann und wann mit Zustimmung des Oberpräsidenten einen Leit¬ artikel über hannoversche Verhältnisse geschrieben. Im März 1878 suchte mich der Direktor Rosatzin in Berlin auf und bat mich, ich möge ihm doch anch von hier aus etwas für den „Hamburger Korrespondenten" schreiben. Ich hatte aber, wie ich unter dem 12. März notiert habe, keine rechte Freudigkeit und vielmehr Zweifel, ob das im Hinblick auf meine amtliche Stellung recht wäre, auch wenn ich — was mir selbstverständlich erschien — im Sinne der Regierung schriebe. Nur bei besondern Anlässen, wenn mir meine persönliche Auffassung schwebender Fragen das Herz abdrückte, habe ich wohl einmal einen Artikel für den „Hamburger Korrespon¬ denten" geschrieben. Meistens handelte es sich dabei um eingehende Besprechung von Büchern und Schriften, die mir der Direktor Rosatzin zu diesem Zweck zu¬ sandte. Das war eine willkommne Bereicherung meiner Bibliothek, und gegen eine literarische Tätigkeit solcher Art ließen sich füglich auch keine Gewissensbedenken erheben. Vielmehr sah ich — sicherlich mit Recht — in dieser Pflege allgemeiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/46>, abgerufen am 05.07.2024.